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Archiv "Sechs Freunde im Schnee – Oder: Nichts ist unmöglich" (30.03.2001)

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P O L I T I K

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A818 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 13½½½½30. März 2001

D

ort, wo die immer braun gebrann- ten, sportlichen und stets jugendli- chen „beautiful people“ und die

„Wir-haben-es-geschafft-Gesellschaft“

ihrem Wintersportvergnügen entgegen- fährt, werden diese Menschen, deren Dynamik ja eigentlich nicht zu bremsen ist, in Schlangen gepfercht, um dann den Berg hinaufgezogen zu werden, von wo sie auf Skiern oder Snowboards wie- der herunterrutschen können. Dort, wo also die Leistungsträger der Gesellschaft selbst den Berg hinaufgezogen werden, müssen sie hin und

wieder warten, was der Laune dann manchmal abträglich ist. So stehe ich mitten in dieser von Erfolg oder Schönheit oder

der Einbildung des einen oder anderen geprägten Gesellschaft und warte auf die Seilbahnkabine, die mich auf den Glet- scher bringen soll.

Der hochmoderne „Gletscherbus“

fasst acht Personen. Ich zähle nur sechs, die schon Platz genommen haben, und so springe ich noch rasch in die Kabine der ständig fahrenden Umlaufseilbahn.

Nun gibt es eine Form der nonverba- len Kommunikation, die wir Deutschen beherrschen wie niemand sonst. In die Kabine getreten, schlägt mir ein unver- kennbarer „Hier nicht“-Blick entgegen.

Nur Deutsche können dies ohne Worte mit wenigen Bewegungen der eigent- lich phylogenetisch verkümmerten Ge- sichtsmuskulatur so klar zum Ausdruck bringen. (Gut, ich gebe zu, von den sechs Anwesenden könnte der eine oder ande- re mit seinen Blicken auch „gefragt“ ha- ben: „Was will der denn hier?“)

Aber auch ich bin deutsch. Mit be- stimmter Miene lasse ich erkennen, dass ich gerne auf der Vierer-Bank der Berg- seite sitzen möchte. Kurzes Grunzen, aber dann rücken Mann, Frau, Mann auf und lassen mich gnädigerweise noch mit auf den Vierer-Sitz. Die Kabine be- schleunigt, wird mit sanftem Schwung auf das Seil gefahren, und schon erheben wir uns über das wunderbare fast völlig mit Schnee bedeckte Tuxertal. Der Aus- blick wird mit jedem Meter, den sich die

Gondel erhebt, grandioser. Die Sicht ist klar, und der Wald an den Berghängen sieht aus wie mit Puderzucker bestreut.

Das denkt sich wohl auch der Mann ne- ben mir, der, den anderen mitteilend, dass er das jetzt mal aufnehmen möchte, seine winzige Digitalvideokamera aus der Tasche seines Skianzuges holt und einschaltet.

Der Mann links-außen auf meiner Sei- te, Mitte fünfzig, kennt das Panorama of- fenbar schon. Er spricht quer durch die Kabine eine mir gegenübersitzende, et-

was schüchtern daherblickende, minde- stens 10 bis 15 Jahre jüngere Frau an:

„Erika, du kennst dich doch sicher mit privaten Krankenversicherungen aus!?“

Erika reagiert etwas verlegen. „Ich arbei- te ja für die AOK.“ Ich vermute, dass sie eine SOFA ist, eine Sozialversicherungs- fachangestellte. Sie erläutert, dass sie sich besser mit der Gesetzlichen Krankenver- sicherung auskennt. „Naja, ist doch egal, ich bin doch auch bei der AOK versi- chert.“ „Ja“, sagt Erika, „als freiwillig Versicherter.“ „Is’ ja egal!“ sagt mein Links-außen und fährt fort: „Wie kann sich denn der Günter möglichst preiswert versichern? Können wir das nicht auch bei der AOK machen? Dass unser Be- trieb im Ausland ist, macht ja offenbar nix aus!“ Die SOFA blickt zu mir hin- über. Ihre Gesichtsfarbe nähert sich der des Schnees. „Der arbeitet doch schon lange für dich, der muss doch als dein An- gestellter krankenversichert sein.“ „Nee, so macht man das doch nicht, der ist doch selbstständig – ,Freier Mitarbeiter‘ heißt das. Also, was kostet das denn, wenn ich den in die AOK tue?“ Der Ton des Herrn links-außen wandelt sich vom Neugieri- gen zum Patriarchalischen. Erika nestelt an ihren Skihandschuhen herum und er- klärt: „Der Beitrag hängt doch von sei- nem Einkommen ab. Wenn er wenig Ein- kommen hat, zahlt er wenig, wenn er viel hat, muss er mehr bezahlen.“ „Na, ist

doch gut.“ Links-außen: „Ich kann ihm ja jedes beliebige Einkommen für die AOK bescheinigen.“ „Muß das sein?“ Nun meldet sich die Frau auf meiner Seite zu Wort und schubst den Mann direkt neben mir an. „Mach doch wenigstens die Ka- mera aus, du kannst doch so was nicht aufnehmen, da kommt doch der ganze Ton mit drauf.“ Der Mann hält seine Ka- mera weiter auf das nun weit einsehbare Tuxertal. Offenbar blicke ich so dämlich in die Gegend, dass man meine Zeugen- schaft für vergleichsweise unbedenklich hält. Aber Erikas Ge- sichtsfarbe hat den Schnee mittlerweile eingeholt.

Erika antwortet dann doch: „Ich den- ke, Günter ist selbst- ständig, dann kannst du doch keine Ein- kommensbescheinigung für ihn ausstel- len.“ Links-außen wird ungeduldig, „Is’

doch Quatsch, der arbeitet doch nur für mich.“ „Na ja“, gibt Erika zu bedenken,

„im nächsten Jahr muss er dann ohnehin eine Einkommensteuererklärung vorle- gen. Aber du hast bisher nie eine Kran- kenversicherung für ihn bezahlt?“ Erika wirkt schon fast provozierend. „So kann man das nicht sagen.“ Links-außen lässt sich nichts vorwerfen: „Ein Drittel zahl’

ich Günter schon!“ „Wieso ein Drittel?“

fragt Erika ungläubig zurück. „Na also:

Ein Drittel zahle ich, ein Drittel be- kommt Günter von dem Gesellen in Deutschland, dem er seinen Meistertitel geliehen hat – du weißt schon, sonst kann der Geselle alleine ja keinen Be- trieb aufmachen –, und ein Drittel muss Günter selbst zahlen.“ Es hat etwas Vä- terliches, wie Links-außen sich so um Günter sorgt. „Ja, aber dann ist Günter doch versorgt.“ Erika versteht die Welt nicht mehr. „Nee, der Günter hat bisher lieber das Geld eingesteckt. Is’ ja auch ne ganze menge Knete, die man dann spart. Und ist ja auch alles gut gegangen, bisher. Aber jetzt müssen wir da endlich mal was machen.“ „Wie alt ist denn der Günter eigentlich?“ „52.“ „Oh“, meint die SOFA kundig: „Dann wird das bei der AOK doch deutlich billiger sein als in einer Privaten.“ Dr. med. Otmar Kloiber

GLOSSE

Sechs Freunde im Schnee

Oder: Nichts ist unmöglich

Referenzen

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