Die Information:
Bericht und Meinung
HÖRFUNK UND FERNSEHEN
Wolters antwortet
„Monitor"
Zu dem „Monitor"-Beitrag des Westdeutschen Rundfunks am 20.
Januar 1975 über die Arzneimittel- forschung in der Bundesrepublik Deutschland — „Der Mensch als Versuchskaninchen" — brachte das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT in Heft 7/1975, Seite 413, unter ande- rem den Wortlaut eines Briefes von Prof. Dr. K. D. Bock, Universitäts- klinikum Essen, Mitglied des Erwei- terten Vorstandes der Arzneimittel- kommission der deutschen Ärzte- schaft, an Staatssekretär Prof. Dr.
Wolters im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit.
In diesem Brief gab Prof. Bock sei- ner Empörung über die einseitigen und unsachlichen Behauptungen Ausdruck, die in der Sendung über die klinische Prüfung von Arznei- mitteln in der Bundesrepublik Deutschland aufgestellt wurden. In letzter Konsequenz könnte ein sol- cher „schlechter Sensationsjourna- lismus" dazu führen, daß klinische Prüfungen neuer Pharmaka über- haupt nicht mehr vorgenommen werden.
Staatssekretär Prof. Dr. H.-G. Wol- ters hat an Prof. Bock das folgende Antwortschreiben gerichtet:
„Ihre Bedenken zu der Monitor- Sendung vom 20. Januar 1975 teile ich. Nachdem mir ihr Inhalt berich- tet wurde, habe ich mir gleich am folgenden Tage eine Kopie ange- sehen und die beiliegende Erklä- rung veranlaßt, die an alle Presse- agenturen und über das Bundes- presseamt verbreitet worden ist.
Die Resonanz darauf ist Ihnen si- cherlich inzwischen in der Tages- presse begegnet.
Sie können daraus unser Bemühen entnehmen, zu verhindern, daß ein verzerrtes Verständnis in der Öf- fentlichkeit notwendige klinische
Prüfungen erschwert."
Die in dem Schreiben erwähnte Presseerklärung hat folgenden Wortlaut:
„Das Bundesministerium für Ju- gend, Familie und Gesundheit gibt bekannt:
Die Bundesrepublik Deutschland ist keineswegs ein großes Experi- mentierfeld, in dem wahllos Arznei- mittel am Menschen erprobt wer- den können. Mit dieser Feststel- lung wies Staatssekretär Prof. Dr.
Hans-Georg Wolters vom Bundes- ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit Behauptungen des Fernsehmagazins ‚Monitor' zurück, das am Montag, 20. Januar 1975, unterstellt hatte, in der Bundesre- publik würden Arzneimittelversu- che an Menschen ohne deren Kenntnis vorgenommen.
Gerade das neue Arzneimittelge- setz, das gegenwärtig in den Aus- schüssen des Deutschen Bundes- tages beraten werde, bindet die kli- nische Prüfung von Arzneimitteln an strenge Voraussetzungen. Per- sonen, an denen neue Mittel aus- probiert werden sollen, müssen da- nach schriftlich ihre Einwilligung erklären, ein Arzt mit mindestens zweijähriger klinischer Prüfungser- fahrung muß die Prüfung überwa- chen, die möglichen Risiken müs- sen in angemessenem Verhältnis zur Bedeutung des neuen Arznei- mittels stehen, und schließlich muß das Arzneimittel vorher eine um- fangreiche wissenschaftliche Über- prüfung durchlaufen haben. Es ist ebenfalls vorgesehen, daß für eventuell auftretende Schäden ent- sprechende finanzielle Sicherheit geleistet wird. Diese Vorschriften sind mit einer Strafandrohung ver- sehen.
Wolters wies ferner darauf hin, daß die gegenwärtig geltenden Arznei- mittel-Prüfrichtlinien durch eine Selbstbindung der pharmazeuti- schen Industrie gemäß der Dekla- ration von Helsinki ergänzt werden.
Aus den genannten Gründen sei es völlig abwegig, von der Bundesre- publik Deutschland als einem ‚Ver- suchslabor' zu sprechen, in dem sich insbesondere ausländische Hersteller um eigene strenge Prüf- vorschriften herumdrücken könn- ten." DÄ
AUS ZEITUNGEN
„Ein Honorarstopp kommt
für uns Kassenärzte nicht in Frage"
„Dr. Hans Wolf Muschallik, Erster Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, zerstreut ziem- lich rauh und kampflustig alle Ge- rüchte und Illusionen über einen von seiten der Arztverbände ange- botenen Honorarstopp. ,In der In- flationsangst schaffen sich viele Beobachter einen falschen Erwar- tungshorizont.' Muschallik, den wir in seinem Kölner Büro in der Hae- denkampstraße zum Gespräch auf- suchen, fühlt sich in eine Ecke gedrängt, in der ihm ständige Feld- züge gegen Neidkomplexe über angebliche Rieseneinkommen der Kassenärzte aufgezwungen wer- den. ,Herr Dr. Muschallik, schiebt im öffentlichen Streitgespräch über Kosteninflation nicht jeder die Schuld auf den anderen?' Muschal-
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lik will niemandem den Schwarzen Peter zuschieben und keinem die alleinige Schuld an den Kosten aufbürden. ,Die Ursachenfrage ist aber derartig kompliziert, daß eine einseitige Festschreibung der Arzt- einkommen die Springflut der Ko- sten nicht lösen würde. Was ich kürzlich beim Gespräch am 24. Ja- nuar dem Bundessozialminister vorgeschlagen habe, war eine drin- gende Bitte an alle zur Preisdiszi- plin.'
Er meint damit die Pharnna-ln- dustrie, die Krankenhäuser, die Zahnärzte, die Kassen. Über Zah- len, Prozente, Verzichte — so Mu- schallik — ließe sich erst reden, wenn sämtliche Träger und Ver- bände ihre eigenen Strukturen durchrationalisiert hätten und von sich aus mit konkreten Vorschlä- gen kommen würden ..."
Ekkhart Häussermann
564 Heft 9 vom 27. Februar 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT