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Archiv "Medikamentöse Behandlung von funktionellen Blasenentleerungsstörungen" (21.08.1980)

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Medikamentöse Behandlung von funktionellen

Blasenentleerungsstörungen

Alfred Wolters, Klaus Schulte und Jürgen Sökeland*)

Aus der Urologischen Klinik der Städtischen Kliniken Dortmund (Direktor: Professor Dr. med. Jürgen Sökeland)

Die Häufigkeit neurogener Blasenentleerungsstörungen wird auf 0,6 Prozent der Bevölkerung geschätzt. Hinzu kommen jährlich etwa 1000 Patienten mit traumatischen Querschnittslähmungen sowie Kinder mit Spina bifida. Die medikamentöse Behandlung funktioneller Bla- senentleerungsstörungen steht nach sorgfältiger urologischer urody- namischer Diagnostik im Vordergrund der heutigen Behandlungsver- fahren.

Zahlreiche neue Erkenntnisse auf dem Gebiet der Physiologie und Pa- thophysiologie der Blasenentlee- rung wurden in dem letzten Jahr- zehnt gewonnen. Eine differenzierte Diagnostik vermag auch latente Stö- rungen aufzudecken, insbesondere ist es durch Einführung der Sphink- terozystomanometrie und der Elek- tromyographie des Beckenbodens möglich, die verschiedenen Inkon- tinenzformen (Urge-Inkontinenz, Streß-Inkontinenz, Reflex-Inkonti- nenz) zu unterscheiden. Gleiches gilt für die verschiedenen Formen der erschwerten Blasenentleerung (subvesikale Obstruktion, neuroge- ne schlaffe Blase, Detrusor- Sphi nkter-Dyssynergie).

Blasenentleerungsstörungen

Die Häufigkeit neurogener Blasen- entleerungsstörungen wird auf 0,6 Prozent der Bevölkerung geschätzt.

In der Bundesrepublik Deutschland

kommen jährlich etwa 1000 Patien- ten mit frisch auftretenden trau- matischen Querschnittslähmungen durch Verkehrs-, Sport- und Arbeits- unfälle sowie Kinder mit einer Spina bifida hinzu. Diese Patientengrup- pen leiden je nach Ausmaß der Ner- venläsionen an unterschiedlichen Funktionsstörungen der Blase.

Neurogene Blasenregulationsstö- rungen treten häufig bei kongenita- len Rückenmarksmißbildungen, bei Schädigungen des zentralen Ner- vensystems — Traumen, Entzündun- gen, Tumoren —, bei degenerativen Schäden des zentralen Nervensy- stems — Enzephalomyelitis, Parkin- son, Tabes, Diabetes mellitus — so- wie bei direkter Schädigung der Bla- seninnervation — radikalen Operatio- nen im kleinen Becken — auf.

Herrn Dr. med. w. Knipper, Ehrenpräsi- dent des Berufsverbandes der Deutschen Urologen, zum 60. Geburtstag gewidmet

2019

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N,hypogastricus

a

Blasenentleeru ngsstöru ngen

Nicht neurogen bedingte Störungen der Blasenentleerung sind bei Frau- en häufiger in Form einer Streß- inkontinenz, bei Männern hingegen überwiegt das erschwerte Wasser- lassen mit Restharnbildung auf Grund eines subvesikalen Hinder- nisses, hier steht insbesondere das altersbedingte Prostataadenom im Vordergrund.

Eine Dranginkontinenz (Urge-Inkon- tinenz) ist seltener. Wir unterschei- den die motorische (Fehlen von hemmenden zentralen Impulsen, wie zum Beispiel bei der Zerebral- sklerose) von der sensorischen Dranginkontinenz (vermehrte affe- rente Impulse, wie zum Beispiel Zy- stitiden, Blasentumoren und Blasen- steinen).

Anatomie und Physiologie der Harnblase und Harnröhre

Die Harnblasenmuskulatur besteht aus einem dreischichtigen, netzartig verflochtenen Detrusormuskel, der im Bereich des Blasenhalses die so-

genannte Detrusorschleife bildet.

Der Muskelzug umgreift die Urethra und bewirkt, daß sich bei der Mik- tion der Blasenhals trichterförmig öffnet. Die Harnröhre zeigt innere, longitudinal verlaufende, glatte Muskelzüge, die sich nach außen zu in ringförmige Muskelbündel fort- setzen. Bei der Frau verlaufen .die longitudinalen Muskelfasern bis zum Meatus externus, beim Mann strahlt die glatte Längsmuskulatur in die Prostatamuskulatur ein. Beim äußeren Blasenschließmuskel han- delt es sich ausschließlich um quer- gestreifte, willkürlich zu betätigende Muskulatur. Der Blasenverschluß beruht auf einem Zusammenspiel von Detrusorschleife und Sphincter externus, so daß dem Tonus der glatten Muskulatur zusammen mit Kontraktion des quergestreiften Schließmuskels für die Harninkonti- nenz eine entscheidende Bedeutung zukommt. Im Gegensatz zu früheren Vorstellungen müssen Detrusor ve- sicae, Sphincter internus, Sphincter externus und die Harnröhre anato- misch als auch funktionell als Ein- heit angesehen werden.

Das Trigonum vesicae ist der unbe- weglichste Teil der Blase und be- steht aus einer festen Muskel- und Bindegewebsplatte. Es wird durch die Interureterenleiste und den Bla- senausgang begrenzt.

Die Ureteren treten schräg in die Blase ein und münden auf den Ure- terenleisten. Es entsteht ein Ventil- mechanismus, der einen Reflux ver- hindert.

Die Harnblase unterliegt einer stu- fenförmigen Kontrolle verschiede- ner Regelkreise. Die Funktion des Systems hängt von der Integrität der einzelnen Schaltstellen ab. Die Schaltstellen sind die Gangliensyn- apsen. Die Übertragung von Impul- sen in diesen Synapsen erfolgt durch Freisetzung von Transmitter- substanzen. Diese Überträgerstoffe sind in der Zelle gelagert.

Medikamente, die solche Transmit- tersubstanzen freisetzen, blockieren oder zerstören, sind daher für das Verständnis der Pharmakologie der Harnblase sehr bedeutungsvoll.

Darstellung 1: Motorische Innervation von Blase und hinterer Urethra — Links: sympathische Innervation — Mitte: parasym- pathische Innervation — Rechts: somatische Innervation (aus Checklisten der Urologie. Hauri, Mayor. Thieme-Verlag 1979)

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Das in der Formatio reticularis des Hirnstammes gelegene kortikale Miktionszentrum übt einen model- lierenden, vorwiegend hemmenden Einfluß auf das sakrale Miktionszen- trum aus. Sensorische afferente Fa- sern laufen ohne Umschaltung von der Blase direkt zur Formatio reticu- laris, ein sensorisches Miktionszen- trum im Rückenmark ist umstritten.

Aus neurophysiologischer Sicht be- steht heute kein Zweifel mehr an der Tatsache der dualistischen motori- schen lnnervation der Harnblase über das autonome Nervensystem.

Die autonomen Nervenfasern ent- springen den Rückenmarkssegmen- ten T 10 bis S 4. Charakteristisch für das autonome Nervensystem sind zwei Neuronen zwischen Ursprung und Erfolgsorgan. Das im zentralen Nervensystem gelegene primäre Neuron wird als präsynaptisch oder präganglionär, das zum Erfolgsor- gan führende als postsynaptisch oder postganglionär bezeichnet. Ur- sprung, Verlauf, Ort der Umschal- tung und die Art der Neurotransmit- ter an den Endigungen der postsyn- aptischen Nervenfasern sind unter- schiedlich. Während der Neuro- transmitter an den Umschaltstellen zwischen präganglionärem und postganglionärem Neuron sowohl für das sympathische als auch für das parasympathische System Ace- tylcholin ist, wird an der Synapse zwischen postganglionärem Neuron und dem Erfolgsorgan von sympa- thischen Fasern Adrenalin und Nor- adrenalin, von parasympathischen Fasern jedoch Acetylcholin freige- setzt. Ein weiterer Unterschied zwi- schen dem sympathischen und pa- rasympathischen System besteht in der Länge der prä- und postsynapti- schen Fasern. Beim Sympathikus liegt die Synapse entfernt vom Er- folgsorgan, das heißt, das postsyn- aptische Neuron ist sehr lang.

Beim Parasympathikus erfolgt die Umschaltung in unmittelbarer Nähe oder innerhalb des Erfolgsorganes, das heißt, das präsynaptische Neu- ron ist sehr lang.

Aus den Rückenmarkssegmenten S 2 bis S 4 gelangen die parasympa-

Darstellung 2: Modell zur Veran- schaulichung der Verteilung von Alpha- (+) und Betarezeptoren (0) in der Blasenwand und der Ure- thra

thischen Anteile über den Nervus pelvicus zur Detrusormuskulatur.

Hier erfolgt die Umschaltung auf das postganglionäre Neuron, dessen Nervenendigungen über den Neuro- transmitter Acetylcholin direkt mit der glatten Muskelzelle des Detru- sors reagiert. Durch parasympathi- sche Reizung kommt es zu einer kräftigen Detrusorkontraktion (Dar- stellung 1).

Die sympathischen Fasern entsprin- gen in den Zellen des Rückenmarks T 10 bis L 1. Sie verlassen das Rük- kenmark über die Vorderwurzel, lau- fen direkt zum Grenzstrang und wer- den im Plexus hypogastricus auf das postganglionäre Neuron umge- schaltet. Die langen postganglionä- ren sympathischen Fasern gelangen dann zur Blase und hinteren Harn- röhre, wo sie an den Alpha- und Be- tarezeptoren enden. Die Transmit- tersubstanz ist hier Noradrenalin und Adrenalin. Die Alpharezeptoren liegen vorwiegend im Blasenhals und in der hinteren Harnröhre: Ihre Stimulation führt zu einer Kontrak- tion, ihre Blockade zu einer Erweite- rung in diesem Bereich. Die Betare- zeptoren sind auch im übrigen De-

trusor zu finden. Durch ihre Stimula- tion wird das Blasenvolumen erhöht, die Schwelle des Miktionsreizes her- aufgesetzt (Darstellung 2, Alpha- rezeptoren: +, Betarezeptoren: 0).

Die somatische Nervenversorgung kommt über Nervus pudendus aus den Segmenten S 2 bis S 4 zum Sphincter externus.

Die Kontinenz wird durch verschie- dene Faktoren gewährleistet:

o Die Betarezeptorenstimulation gewährt eine normale Füllungspha- se der Blase. Ungehemmte Detru- sorkontraktionen werden vermie- den.

Am Blasenhals wird durch akti- ve Alpharezeptorenstimulation der Verschluß erreicht. Der gesamten hinteren Urethra einschließlich der äußeren zirkulären Urethralmusku latur und dem elastischen Bindege- webe kommt zusätzlich eine ent- scheidende Bedeutung für die Kon- tinenz zu.

Der somatisch innervierte, will- kürlich beeinflußbare, quergestreifte Sphincter externus stellt die dritte Komponente zur Aufrechterhaltung der Harnkontinenz dar.

Ursachen von

Blasenentleerungsstörungen

1. Neurogene

Blasenentleerungsstörung

Die Querschnittsläsion mit Blasen- lähmung ist der klassische Typ einer neurologischen Blasenentleerungs- störung. In diesen Fällen ist der Zu- sammenhang mit dem Grundleiden ohne weiteres klar. Häufig führen je- doch beginnende neurologische Er- krankungen zu Störungen der Bla- senfunktion, ehe das eigentliche ur- sächliche Krankheitsbild manifest geworden ist. Die Harnverhaltung kann zum . Beispiel bei Neurolues oder multipler Sklerose Initialsym- ptom sein. Da die Zentren der Blase im Sakralmark liegen, haben alle or- ganischen Veränderungen in die-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 34 vom 21. August 1980 2021

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illeummoom miumm411111>

1

Darstellung 3: Alpharezeptoren- blocker: Phenoxybenzamin (zum Beispiel Dibenzyran): Erweiterung des Blasenhalses. Erniedrigung des Blasenauslaßwiderstandes

—Indikation:

Detrusor-Sphincter-in- ternus-Dyssynergie, Dosierung:

einschleichend tgl. 2-3 x 10 mg, Cave: Blutdruckabfall

Blasenentleerungsstörungen

Darstellung 4: Betarezeptoren- blocker: Propranolol (zum Bei- spiel Dociton), Pindolol (zum Bei- spiel Visken) — Wirkung: Erniedri- gung der Blasenkapazität, Ernied- rigung der Schwelle des Miktions- reizes, Cave: Zunahme einer Harninkontinenz, z. B. bei Zere- bralsklerose

sem Gebiet früher oder später Stö- rungen der Blasendynamik und Bla- senentleerung zur Folge.

Bei der Harnverhaltung auf neurolo- gischer Basis bestehen Motilitäts- und Sensibilitätsstörungen. Aus die- sem Grunde verursacht sie in der Regel keine subjektiven Beschwer- den, im Gegensatz zu imperativem Harndrang und quälenden Schmer- zen der mechanischen Verhaltung.

Spontan oder auf Befragen geben die Patienten an, daß sie keinen Drang verspüren und nur selten Wasser lassen. Häufig berichten sie, daß bei manuellem Druck auf die Blase die Entleerung leichter von- statten geht. Auf der anderen Seite wird die Inkontinenz häufig nicht oder spät bemerkt. Es fehlt der un- angenehme Harndrang, die Inkonti- nenz ist unabhängig von Belastun- gen und tritt unwillkürlich auf.

Liegt ein neurologisches Grundlei- den nach Anamnese und Befund vor, so ist die Diagnose einfach.

Wenn keine anderen Ursachen einer Verhaltung (zum Beispiel mechani- sche Entleerungshindernisse soge- nannte subvesikale Abflußhindernis- se) vorliegen, soll man an eine ner- vöse Verursachung denken und eine neurologische Untersuchung veran- lassen.

Neben der neurologischen Untersu- chung ist eine urologische Diagno- stik mit Urogramm (Röntgenrest- harn), Uroflowmetrie sowie die uro- dynamische Untersuchung unter Umständen mit Elektromyographie des Beckenbodens von besonderer Bedeutung. Ohne diese differenzier- te urodynamische Diagnostik ist ei- ne gezielte pharmakologische bzw.

chirurgische Behandlung nicht möglich.

In der Therapie steht die Behand- lung des Grundleidens im Vorder- grund. Die Harnverhaltung bezie- hungsweise die Harninkontinenz stellen nur ein urologisches Teilsym- ptom einer neurologischen Erkran- kung dar.

Aufsteigende Harnwegsinfektionen, sekundäre Steinbildungen, Urosep-

sis und Urämie beeinflussen den weiteren Krankheitsverlauf entschei- dend. Die im Laufe der Zeit auftre- tende Infektion der Nieren bildet zu- sammen mit der Harnstauung einen Circulus vitiosus, der zum Nieren- siechtum führt. Ein erfolgreicher Heilplan setzt eine regelmäßige gute Zusammenarbeit zwischen den Lei- tern der neurologischen bezie- hungsweise Querschnittszentren so- wie den Urologen voraus.

Da sich das sogenannte Miktions- zentrum (sakraler Reflexbogen) in Höhe S 2 bis S 4 befindet, unter- scheiden wir bei Querschnittsläh- mungen zwischen einer oberen (Lä- sion oberhalb S 2) und einer unteren Läsion (Läsion unterhalb S 2). Nach einer anfänglichen gemeinsamen Phase der völligen Lähmung und Löschung aller sakraler Reflexe kommt es zu einer Erholungsphase, in der sich abhängig von der Höhe der Läsion verschiedene Blasenent- leerungsstörungen manifestieren.

Bei der hohen Läsion kommt es we- gen fehlender hemmender kortikaler Impulse auf dem sakralen Reflexbo- gen zu einer automatischen Reflex- blase (spastische Blase). Durch ein gezieltes Blasentraining, Ausklopfen der Blase (sogenanntes Triggern) läßt sich oft eine gute Blasenentlee- rung erzielen. Nach einer unteren Läsion kommt es nach anfänglicher kompletter Lähmung zu einer schlaffen Lähmung der Blasenmus- kulatur und der Beckenmuskulatur.

Durch Ausdrücken der Blase (Creclä- scher Handgriff) kann hier meistens ebenfalls eine gute Blasenentlee- rung erfolgen.

Besteht eine Spastik des Beckenbo- dens oder eine sogenannte Detru- sorsphincterdyssynergie — darunter versteht man eine mangelnde Koor- dination zwischen Detrusorkontrak- tionen und Erschlaffung des Blasen- auslaßwiderstandes (spastischer Blasenhals, spastischer Sphincter externus) —, so läßt sich eine Besse- rung der Miktionsleistung am ehe- sten durch medikamentöse Maßnah- men erreichen.

Ziel der medikamentösen Therapie ist es, den Blasenauslaßwiderstand

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Darstellung 5: Reserpinartige Substanzen: Reserpin (zum Bei- spiel Serpasil), Guanetidin (zum Beispiel Ismelin) sowie d-Methyl- dopa (zum Beispiel Presinol), Clo- nidin (zum Beispiel Catapresan) Cave: Verstärkung einer Streßin- kontinenz

Darstellung 6: Sympathikomimeti- ka: Midodrin (zum Beispiel Gu- tron), Ephedrin (zum Beispiel Ephedrin) — Indikation: Streßin- kontinenz (leichteren Grades), Dosierung: tgl. 3 x 1 Tbl. Gutron ä 2,5 mg, tgl. 3 x 1 Tbl. Ephedrin ä 50 mg, Cave: Hypertonus, Wir- kung: Erhöhung des Blasenaus- laßwiderstandes

herabzusetzen. Durch Alpharezepto- renblocker wird der Blasenhals weit- gestellt, durch Medikamente mit spi- nalem Angriffspunkt (Gamma-Ami- nobuttersäure) läßt sich der Tonus eines spastischen Sphincter exter- nus und des spastischen Beckenbo- dens herabsetzen.

Vor Durchführung chirurgischer Eingriffe am Blasenauslaß ist eine subtile Diagnostik, die die gesamte Palette der Urodynamik einschließt, unerläßlich.

An chirurgischen Maßnahmen bie- ten sich die Resektion des Blasen- halses und gegebenenfalls die Durchtrennung des äußeren Blasen- schließmuskels an. Durch letzteren Eingriff wird jedoch eine irreparable Schädigung gesetzt.

II. Nicht neurogen bedingte Blasenentleerungsstörungen Wie bei den neurogenen stehen bei den nicht neurogen bedingten Bla- senentleerungsstörungen die Sym- ptome Harninkontinenz oder Ob- struktion mit Restharnbildung bis hin zur Überlaufblase im Vorder- grund.

Die häufigste Ursache eines subvesi- kalen Hindernisses ist beim Mann das Prostataadenom, jedoch kön- nen auch Harnröhrenstrikturen, Harnröhrenklappen und Tumoren u. a. eine subvesikale Abflußbehin- derung hervorrufen. Die Erhöhung des Blasenauslaßwiderstandes wird zunächst durch eine Zunahme der Blasendetrusormuskulatur kompen- siert, es bildet sich eine sogenannte Balkenblase aus. Bleibt das subve- sikale Abflußhindernis bestehen, kommt es zu zunehmender Rest- harnbildung und im äußersten Fall zur Ausbildung einer Überlaufblase.

Überlaufblase, Streßinkontinenz und Dranginkontinenz

Von einer Überlaufblase oder einer Überlaufinkontinenz spricht man, wenn der Restharn so stark ansteigt, daß der passive intravesikale Druck den Blasenauslaßwiderstand über-

steigt und es so zu tropfenweisem Urinabgang kommt. Detrusorkon- traktionen sind dabei nicht nach- weisbar.

Klar zu trennen ist die Überlaufblase von der Streßinkontinenz. Unter ei- ner Streßinkontinenz verstehen wir den unfreiwilligen Urinabgang, der auftritt, wenn der Druck in der Blase durch äußere Einwirkungen (Hu- sten, Pressen) den maximalen Harn- röhrendruck übersteigt. Als Ursache für die Streßinkontinenz kommt in den häufigsten Fällen eine Becken- bodeninsuffizienz bei Frauen (Adi- positas, Geburten) in Betracht, bei Männern Operationen an der Pro- stata.

Der Blasenauslaßwiderstand ist da- bei gegenüber der Norm erniedrigt, so daß geringe durch äußere Einwir- kungen hervorgerufene Druckerhö- hungen der Blase zur Inkontinenz führen.

Die Dranginkontinenz ist charakteri- siert durch einen unfreiwilligen Urin- abgang bei gleichzeitig bestehen- dem zwanghaftem Harndrang. Die Ursache der motorischen Drangin- kontinenz beruht auf einer mangeln- den zentralen Hemmung des sakra- len Miktionszentrums, zum Beispiel bei Zerebralsklerose, multipler Skle- rose oder bei Morbus Parkinson.

Hier sind die Übergänge zur neu- rogenen Blasenentleerungsstörung fließend. Bei der sensorischen Dranginkontinenz handelt es sich um eine vermehrte Impulsabgabe an das sakrale Miktionszentrum über die afferenten Fasern. Als Ursache kommen hier zum Beispiel Zystiti- den, Harnsteine oder Blasentumo- ren in Betracht.

Das Gleichgewicht zwischen den hemmenden zentralen Impulsen auf das Miktionszentrum und den bah : nenden peripheren Impulsen ist ge- stört.

Zystometrisch werden bei der moto- rischen Dranginkontinenz unge- hemmte Detrusorkontraktionen fest- gestellt, während bei der sensori- schen Dranginkontinenz nachweis- bare Druckanstiege nicht auftreten.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 34 vom 21. August 1980 2023

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Darstellung 7: Parasympathikomi- metika Distigminbromid (zum Beispiel Ubretid). Neostigmin (zum Beispiel Prostigmin), Carba- chol (zum Beispiel Doryl), Betane- chol (zum Beispiel Urecholine.

Myocholine) — Wirkung: Verstär- kung der Detrusorkontraktionen, Indikation: Postoperative Blasen- atonie, Dosierung: tgl. 1-2 Amp.

Prostigmin ä 0,5 mg i. v., oder tgl.

1-2 Amp. Doryl ä 0.25 mg i. m. — Indikation: Neurogene hypotone Blase, Dosierung: tgl. 1-2 Tbl.

Ubretid ä 5 mg, immer in Kombi- nation mit tgl. 2-3 K 1 Kaps. Di- benzyran ä 10 mg

Darstellung 8: Parasympathikoly- tika: Trospiumchlorid (zum Bei- spiel SpasmexL N-BotyIskopol- amin (zum Beispiel Buscopan).

Fenpiverineumbromid (zum Bei- spiel Baralgin) — Wirkungsweise:

Erhöhung der Blasenkapazität.

Abschwächung von Detrusorkon- traktionen. Indikation: Drangin- kontinenz. Reflexblase, Dosie- rung: tgl. 3-4 x 1 Tbl. Spasmex oder Buscopan bzw. Baralgin-, Buscopan-, Spasmex-Supp.

Pharmakologie der Blase und medikamentöse Behandlung von

Blasenentleerungsstörungen

Der ungehinderte Ablauf einer phy- siologischen Entleerung der Harn- blase ist abhängig von einer intakten nervalen Versorgung. Störungen in diesem System können unter ande- rem zu Harninkontinenz, Restharn, ungehemmten Detrusoraktionen oder einer sogenannten Detrusor- Sphinkter-Dyssynergie führen.

Gesteuert wird die physiologische Blasenentleerung von kortikalen Zentren, dem Stammhirn, dem spi- nalen Blasenzentrum und dem intra- muralen Nervenplexus.

Wirkung des Sympathikus auf die Harnblasenmuskulatur Sympathische Reize bewirken durch die Freisetzung von Katecholaminen am Blasenboden, dem Blasenhals und der hinteren Harnröhre eine Kontraktion der glatten Muskulatur und erhöhen dadurch den Blasen- auslaßwiderstand. Die Kontraktio- nen des quergestreiften Sphincter externus vesicae nehmen ebenfalls zu. Ursache der Kontraktion ist das Überwiegen der Alpharezeptoren im Bereich des Blasenauslasses. Auf den Detrusor vesicae hat der Sympa- thikus einen kontraktionshemmen- den Einfluß. In diesem Bereich über- wiegen die Betarezeptoren, die ei- nen hemmenden Einfluß auf die Muskelkontraktionen ausüben. — Der Sympathikus wird daher auch als Retentionsnerv bezeichnet.

Wirkung des Parasympathikus auf die Harnblasenmuskulatur Durch parasympathische Reizung kommt es zur Freisetzung von Ace- tylcholin und damit zur Erschlaffung des Blasenbodens durch Verminde- rung oder Aufhebung des Sympa- thotonus. Der Detrusor hingegen reagiert auf Acetylcholin mit einer deutlichen Kontraktion. — Der Para- sympathikus gilt als sogenannter Miktionsnerv.

Den unterschiedlichen Einfluß von Sympathikus und Parasympathikus auf die Harnblase hat man zum An- laß genommen, medikamentös die verschiedenen Blasenentleeru ngs- störungen zu beeinflussen.

1. Sympatholytika

Sympatholytika sind Medikamente, die die Bildung oder Ausschüttung von Katecholaminen verhindern oder deren Wirksamkeit am Erfolgs- organ aufheben. Entsprechend ih- rem Angriffspunkt unterscheidet man fünf verschiedene Gruppen der Sympatholytika.

• Die Alpharezeptorenblocker

• Die Betarezeptorenblocker 9 Substanzen mit reserpinartiger

Wirkung

13

Substanzen mit a-methyldopa- artiger Wirkung

O Substanzen mit clonidinartiger Wirkung

Mit Ausnahme der Betarezeptoren- blocker ist allen Sympatholytika eine Herabsetzung des Blasenauslaßwi- derstandes und möglicherweise ei- ne geringfügige Herabsetzung des Detrusortonus gemeinsam:

• Alpharezeptorenblocker Die klassischen Alpharezeptoren- blocker sind Ergotamin und Yohim- bin. Ergotamin kann jedoch wegen seiner starken toxischen Nebenwir- kungen (neben Alpharezeptoren- blockade direkte vasokonstriktori- sche Wirkungen), Yohimbin wegen seiner geringen Wirksamkeit thera- peutisch nicht eingesetzt werden.

Für die Harnblase bedeutsam sind Phenoxybenzamin (zum Beispiel Di- benzyran) und Phentolamin (zum Beispiel Regitin). Für beide Substan- zen konnte eine gute Wirksamkeit — Weitstellung des Blasenhalses, Er- niedrigung des Blasenauslaßwider- standes — nachgewiesen werden, wobei dem Phenoxybenzamin we- gen der deutlich geringeren Neben- wirkung der Vorzug zu geben ist (Darstellung 3).

Blasenentleerungsstörungen

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Darstellung 9: Medikamente mit spinalem Angriffspunkt: Diaze- pam (zum Beispiel Valium), Gam- ma-Aminobuttersäure-GABA (zum Beispiel Lioresal) — Wirkungswei- se: Unterdrückung von spinal be- dingten Blasenkontraktionen. Er- höhung der Blasenkapazität, Indi- kation: Detrusor-Sphincter-exter- nus-Dyssynergie. spastischer Bek- kenboden, Dosierung: 4-6 x 1 Tbl. Lioresal. 2 x 1 Tbl. Valium 10

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Darstellung 10: Medikamente mit zentralem Angriffspunkt: Trizykli- sche Amine (zum Beispiel Tofra- nil, Nuran, Gammonil) — Indika- tion: Enuresis nocturna, Dosie- rung :siehe Dosierungsrichtlinien, Cave: Als Antidepressiva einge- setzt häufig ungewollter Harnver- halt, Wirkung: Kontraktion des Blasenhalses, Unterdrückung spi- nal bedingter Blasenkontrak- tionen

Q

Betarezeptorenblocker

Die Betarezeptorenblocker Propra- nolol (zum Beispiel Dociton) und Pindolol (zum Beispiel Visken) wer- den wegen ihres starken Einflusses auf Herz und Kreislauf zur medika- mentösen Behandlung von Blasen- entleerungsstörungen nicht einge- setzt. Da sie jedoch internistischer- seits zur Behandlung einer Tachy- kardie usw. verwendet werden, ist ihre Wirkung auf die Harnblase zu berücksichtigen. Betarezeptoren- blocker setzen die Schwelle des Miktionsreizes herab, woraus eine niedrigere Blasenkapazität resul- tiert. Auf den Blasenauslaß haben sie wegen des Überwiegens der Al- pharezeptoren keinen Einfluß (Dar- stellung 4).

Reserpinartige Substanzen Reserpin (zum Beispiel Serpasil) vermindert die Speicherfähigkeit für Noradrenalin und Adrenalin an den Nervenendigungen und in den Ne- bennierenmarkszellen. Es wird inter- nistischerseits zur Blutdrucksen- kung eingesetzt. Durch Erschlaffung des Blasenhalses kann als Neben- wirkung eine ungewollte Streßin- kontinenz auftreten. Ähnlich wie Re- serpin wirkt Guanethidin. Beide Me- dikamente werden wegen der oben genannten Nebenwirkung im urolo- gischen Bereich nicht eingesetzt.

• Alphamethyldopa

Alphamethyldopa (zum Beispiel Pre- sinol) wirkt auf dreierlei Weise:

(:) Alphamethyldopa wird in Methyl- noradrenalin umgewandelt, welches nach Freisetzung an den Nervenen- digungen geringer dopolarisierend wirkt.

O Das nur mäßig wirksame Methyl- noradrenalin wird wesentlich lang- samer abgebaut als Noradrenalin, es resultiert daraus eine kompetitive Hemmung.

(7) Methylnoradrenalin stimuliert im ZNS die Alpharezeptoren, deren Er- regung hemmend auf sympathische Zentren wirkt. Dieser Effekt steht im Vordergrund. Wenn Presinol zur

Hypertoniebehandlung eingesetzt wird, kann durch Erschlaffung des Blasenbodens eine Streßinkonti- nenz auftreten.

(;)

Clonidin

Clonidin (zum Beispiel Catapresan) wirkt ebenfalls über Stimulation von Alpharezeptoren im ZNS hemmend auf sympathische Zentren. Es hat nur einen geringen sympathikolyti- schen Effekt (Darstellung 5).

II. Sympathikomimetika

Unter Sympathikomimetika versteht man Substanzen, die chemisch dem Noradrenalin verwandt sind und die Wirkungen von Noradrenalin und Adrenalin imitieren. Für die Pharma- kologie der Blase interessant sind die alphastimulierenden Sympathi- komimetika. Als Vasotonika bekannt und im Handel sind Midodrinhy- drochlorid (zum Beispiel Gutron) und Ephedrinhydrochlorid (zum Bei- spiel Ephedrin). Diese Substanzen bewirken über die Erregung der Al- pharezeptoren im Bereich des Bla- senhalses und der hinteren Harnröh- re eine Erhöhung des Blasenauslaß- widerstandes. Sie werden bei der medikamentösen Behandlung der Streßinkontinenz eingesetzt und zei- gen bei den leichteren Formen gute Erfolge. Ebenfalls alphasympathiko- mimetische Wirkung besitzt L-Dopa, das zur Behandlung des Morbus Parkinson eingesetzt wird und zur Harnverhaltung führen kann (Dar- stellung 6).

III. Parasympathikomimetika

Bei dieser Medikamentengruppe un- terscheiden wir direkte Parasympa- thikomimetika, die statt des Acetyl- cholins direkt mit dem Rezeptor rea- gieren, und indirekte Parasympathi- komimetika, die die Cholinesterase hemmen und daher auch Anticholin- esterasen genannt werden. Zur er- sten Gruppe gehören das Carbachol (zum Beispiel Doryl) und das Beta- nechol (zum Beispiel Urecholine, Myocholine). Beide Medikamente wirken muskarinartig, das heißt, sie wirken direkt mit den postganglio-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 34 vom 21. August 1980 2025

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Intraabdominaler Druck

Harnvolumen

Harnfluß Druck -

wandler

Elektro - manometer

Druck- wandier

o.

Uroflowmeter Differenz -

druck

Elektro - manometer

Intravesikaler Druck

Differenz- Druck

Darstellung 11: Urodynarnischer Meßplatz - Messung von Blasendruck, Sphinkterdruck und Uroflow Blasenentleeru ngsstöru ngen

nären parasympathischen Rezepto- ren. An der Blase kommt es zu kräfti- gen Detrusorkontraktionen. Als Cholinesterasehemmer werden Di- stigminbromid (z. B. Ubretid) und Neostigmin (z. B. Prostigmin) einge- setzt. Sie bewirken ebenfalls eine kräftige Detrusorkontraktion und werden bei postoperativen Blasen- atonien eingesetzt. Bei einer Lang- zeitbehandlung mit Parasympathi- komimetika, insbesondere bei neu- rogen bedingten hypotonen Blasen, sollte grundsätzlich eine Kombina- tionsbehandlung eines Parasympa- thikomimetikums mit einem Alpha- rezeptorenblocker durchgeführt werden, um der Gefahr einer Bal- kenblasenbildung und ihrer Kompli- kationen (Harnstauung usw.) vorzu- beugen. Die Gabe des oral wirksa- men Ubretid in Kombination mit Di- benzyran hat sich bewährt (Darstel- lung 7).

IV. Parasympathikolytika

Das klassische Parasympathikolyti- kum ist Atropin, es wirkt durch kom- petitive Hemmung des Acetylcho- lins. Auf die Blase hat es jedoch in klinisch angewandter Dosierung kei- nen Einfluß.

Von großer Bedeutung für die Detru- soraktivität sind Trospiumchlorid (zum Beispiel Spasmex®), N-Botyl- skopolamin (zum Beispiel Busco- pan), Emeproniumbromid (zum Bei- spiel Ripirin®), Flavoxathydrochlorid (zum Beispiel Spasuret) sowie das Kombinationspräparat bestehend aus Novalgin, Pitofenonhydrochlo- rid und Fenpiverineumbromid (zum Beispiel Baralgine).

Alle Medikamente bewirken eine Er- höhung der Blasenkapazität, eine Verminderung des Blaseninnen-

druckes sowie eine Unterdrückung beziehungsweise Abschwächung von Detrusorkontraktionen. Die Indi- kation zum Einsatz dieser Medika- mente sind die Dranginkontinenz, hier insbesondere die sensorische Form (Reizblase) sowie die spasti- sche neurogene Blase (sogenannte Reflexblase), wobei jedoch bei letz- terer eine Detrusor-Sphinkter-Dys- synergie ausgeschlossen werden muß beziehungsweise beim Vorlie- gen derselben eine entsprechende zusätzliche medikamentöse Be- handlung vorzunehmen ist. Der Ein- satz dieser Substanzen beim soge- nannten imperativen Harndrang (Ur- ge-Inkontinenz), bei der Reizblase und der spastisch neurogenen Blase ist erfolgversprechend.

Zu der Gruppe der Parasympathiko- lytika können auch die papaverin- ähnlichen Medikamente gezählt

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werden. Sie wirken jedoch nicht über den Parasympathikus, sondern reagieren direkt mit der glatten Mus- kelzelle.

Eine besonders gute Wirksamkeit zeigt Papaverin bei der Spasmolyse.

Flavoxythyldrochlorid (zum Beispiel Spasuret) wird klinisch bei der Dranginkontinenz mit gutem Erfolg eingesetzt (Darstellung 8).

V. Medikamente

mit spinalem Angriffspunkt

Diazepam (zum Beispiel Valium), Gamma-Aminobuttersäure (zum Beispiel Lioresal). Durch Unterdrük- kung von spinal bedingten Blasen- kontraktionen kann es zu einer Er- höhung der Blasenkapazität bis zum Harnverhalt kommen. Gamma-Ami- nobuttersäure (GABA) hemmt die monosynaptische und polysynapti- sche Reflexübertragung der efferen- ten Gammaneuronen im Rücken- mark. Es besitzt eine gute Wirksam- keit beim spastischen Syndrom auf die quergestreifte Skelettmuskula- tur. Ebenso ist es wirksam bei der neurogen enthemmten Blase vom spinalen Typ sowie bei der Detrusor- Sphinkter-Dyssynergie. Auf die neu- rogen enthemmte Blase vom zere- bralen Typ (instabile Blase) hat es keinen Einfluß. In ähnlicher Weise wirkt Valium (Darstellung 9).

Vl. Medikamente

mit zentralem Angriffspunkt

Die Tranquilizer (zum Beispiel Va- lium, Librium, Adumbran, Mogadan) bewirken außer der bereits erwähn- ten Unterdrückung spinal bedingter Blasenkontraktionen eine Abschir- mung des limbischen Systems ge- gen den Reizstrom. Durch ihre zen- trale muskelrelaxierende Wirkung kommt es zu einer Erschlaffung der Beckenboden- und Detrusormusku- latur.

Die als Antidepressiva im Handel be- findlichen trizyklischen Amine wie zum Beispiel Tofranil, Nuran und Gammonil wirken zentral antriebs- und aktivitätssteigernd beziehungs-

weise relaxierend und anxiolytisch.

Auf die Harnblase wirken sie durch Hemmung intraspinaler Neuronen anticholinergisch und peripher durch eine Verstärkung der Norad- renalinwirkung stark adrenergisch.

Es kommt zu einer Erhöhung des Blasenauslaßwiderstandes, die bis zur Hypertrophie der glatten Musku- latur des Blasenhalses führen kann.

Als Antidepressiva eingesetzt, füh- ren sie häufiger zum ungewollten Harnverhalt. Beim Enuretiker wird besonders Tofranil gezielt einge- setzt (Darstellung 10).

Zusammenfassung

Eine symptomatische Behandlung von Blasenentleerungsstörungen ohne vorherige Diagnostik ist nicht mehr vertretbar. Urodynamische Meßplätze (Darstellung 11) werden heute von verschiedenen Firmen an- geboten und stehen urologischen Fachpraxen bis hin zu speziellen Zentren in entsprechender Staffe- lung zur Verfügung. Jede Blasenent- leerungsstörung muß vor Durchfüh- rung einer konservativen und insbe- sondere einer operativen Therapie urologisch-urodynamisch abgeklärt werden, um Obstruktionen, Tu- moren und die jeweilig spezielle In- nervationsstörung zu erkennen.

Literatur

(1) Bors, E.; Comarr, E. A.: Neurological Urolo- gy, S. Karger, Basel 1971 - (2) Boyarsky, S.;

Labay, P.: Urethral Dynamics, Williams u. Wil- kins, Baltimore 1972 - (3) Kiesswetter, H.: Die Pharmakologische Beeinflussung der norma- len und der neurogenen gestauten Harnblase, Therapiewoche 28 (1978) 2262-2267 — (4) Kiesswetter, H.; Popper, L.: A cystometric study to assess the influence of atropine, propantheline and almebeverine an the smooth muscle an the bladder, Brit. Med. J. 44 (1972) 31-35 — (5) Palmtag, H.: Praktische Uro- dynamik, G. Fischer, Stuttgart/New York 1977

— (6) Stockamp, K.: Alpha-Rezeptorenblocker und Harnblasendysfunktion, F. K. Schattauer, Stuttgart 1976 - (7) Stockkamp, K.; Schreiter, F.: Sympathologische Therapie bei neuropa- thischer Blasendysfunktion, Verh. Ber. Dtsch.

Ges. Urol. 25,168, Aachen (1973) - (8) Stöhrer, M.: Urologie bei Rückenmarkverletzungen, Springer, Berlin/Heidelberg/New York 1979

Anschrift für die Verfasser:

Professor Dr. med. Jürgen Sökeland Direktor der Urologischen Klinik Städtische Krankenanstalten Westfalendamm, 4600 Dortmund

ECHO

Zu: „Maßnahmen zur Früherken- nung von Hautkrebs in der Bun- desrepublik Deutschland" von Dr.

med. Friedrich Wilhelm Schwartz, im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT, Heft 3/1980, Seite 123 ff.

Auch Hautkrebs ist heilbar

„In den letzten Jahren ist in der Bundesrepublik heftig über den Nutzen der Krebs- früherkennung diskutiert worden. Die Vorsorgeunter- suchungen wurden als un- wirksam, ja sogar als gefähr- lich bezeichnet. Die Debat- ten beschränkten sich auf den Brust- und Unterleibs- krebs sowie das Prostatakar- zinom und den Dickdarm- krebs. Der für die Früherken- nung aber geradezu präde- stinierte Hautkrebs ist dabei nie erwähnt worden. Dies dürfte damit zusammenhän- gen, daß die Vorsorgeunter- suchung bei keinem ande- ren Tumor so dringend und gleichzeitig so einfach ist.

Die Fahndung nach krebs- verdächtigen Hautverände- rungen wurde deshalb in der Bundesrepublik 1975 auch in das Früherkennungspro- gramm der gesetzlichen Krankenkassen aufgenom- men. Allerdings sind die Möglichkeiten der Früher- kennung beim Hautkrebs weder der Bevölkerung noch den Ärzten ausreichend be- kannt. In diesem Beitrag hat F. W. Schwartz vom Zentral- institut für die kassenärztli- che Versorgung in Köln dar- auf hingewiesen, daß diese auch in der Fortbildung ver- nachlässigte Vorsorgeunter- suchung ,von den Ärzten deutlicher gesehen, ernster genommen und noch inten- siver wissenschaftlich disku- tiert werden sollte' ." (Rai- ner Flöhl in Frankfurter All- gemeine Zeitung)

2028 Heft 34 vom 21. August 1980

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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