H. Medizinische Assistenzberufe
Die Bundesärztekammer und hier der Ausschuß medizinische Assi- stenzberufe vertritt die Auffassung, daß in den vom Bundesminister für Bildung und Wissenschaft vorge- legten Grundsätzen zur Neuord- nung der beruflichen Bildung keine Reform der gesetzlichen Grundla- gen eingeleitet wird, die letztlich zu einer Beseitigung struktureller Schwächen des gegenwärtigen Be- rufsbildungssystems führen könn- ten, sondern daß durch ein völlig neues Gesetzeswerk von den be- währten Ausbildungsprinzipien be- wußt abgewichen wird.
Der Ausschuß „Medizinische Assi- stenzberufe" vermag deshalb auch keine Vorteile zu erkennen, die sich aus der nun eingeleiteten Be- rufsbildungsreform, insbesondere für die Berufsbildung der Arzthelfe- rin ergeben könnten. Die Bundes- ärztekammer betont, daß sie an den bewährten Ausbildungsprinzi- pien festhalten möchte, die im Rah- men einer breit angelegten berufli- chen Grundbildung dem Auszubil- denden die für eine qualifizierte berufliche Tätigkeit notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kennt- nisse übermittelt. Die in den Mar- kierungspunkten vorgelegte Kon- zeption bietet nicht die Gewähr ei- ner praxisnahen Berufsbildung.
Die Bundesärztekammer vertritt weiterhin den Standpunkt, daß durch die angestrebte Verzahnung der Berufsbildung mit der allge- meinschulischen Bildung die Qua- lität der beruflichen Bildung kei- neswegs gefördert, sondern viel- mehr verschlechtert wird, zumal bereits heute schon die Vorausset- zung für einen höheren Ausbil- dungsstandard bei den schulischen Ausbildungsstätten nicht gegeben sind. Der durch das Gesetzeswerk zukünftig notwendigerweise stei- gende Bedarf an Personal und ma- teriellen Voraussetzungen auch bei den medizinischen Assistenzberu- fen, läßt dieses Vorhaben schon aus heutiger Sicht scheitern.
Vordringlich zu regeln erscheint somit keine großräumig angelegte Bildungsreform, sondern ein stu- fenweiser Abbau unzulänglicher Zustände an allgemeinberufsbil- denden Schulen. Die den Ländern und dem Bund übertragene Verant-
wortung für die schulische Bildung birgt heute noch vielfache Proble- me, die solange nicht als gelöst zu betrachten sind, bis das Qualitäts- gefälle der schulischen Bildung nicht beseitigt ist.
Zur Wahrung der Eigenständigkeit der beruflichen Bildung gehört auch, daß das System der Selbst- verwaltung beibehalten wird. Durch die Berufsbildungskonzeption des Ministers für Bildung und Wissen- schaft werden die in freiheitlich-de- mokratischen Prinzipien wurzeln- den Grundgedanken — der Selbst- verwaltung und Autonomie — der- artig eingeschränkt, daß kein Spielraum mehr für pragmatische und sachbezogene Lösung anste- hender Probleme bleibt. Dazu ge- hört auch, daß Aufgaben der beruf- lichen Bildung nicht von einem
„Zentralinstitut" aus gelöst werden können, sondern einzig und allein bei den zuständigen Fachministern ressortieren dürfen. Die Bundes- ärztekammer betont, daß das bis- herige System der beruflichen Bil- dung im Ansatz richtig ist und durch eine stufenweise Weiterent- wicklung eher den sachlichen Er- fordernissen gerecht wird als die in der neuen Ordnung angestrebte Bürokratisierung.
2. Bundesausschuß für Berufsbildung
Die Zahl der Auszubildenden bei den medizinischen Assistenzberu- fen ist in der Vergangenheit ge- wachsen. Auf Grund dieser Tatsa- che wurde der Gruppe der freien Berufe insgesamt ein Sitz unter den sechs Arbeitgebervertretern im Bundesausschuß für Berufsbildung zugestanden. Vertreter des Bun- desverbandes der freien Berufe und damit auch der Ärzteschaft ist
Wesentliche Impulse für die Neu- gestaltung unseres Bildungswe- sens und dabei insbesondere der Lehrlingsausbildung gingen von
Rechtsanwalt Dr. jur. Jürgen W.
Bösche, Justitiar der Bundesärzte- kammer.
Der Bundesausschuß für Berufsbil- dung befaßte sich in vier Sitzungen mit einer Vielzahl von Problemen.
Hervorzuheben ist eine gegen die Stimmen der Arbeitgeberseite ver- abschiedete Stellungnahme zum Zwischenbericht der Sachverstän- digenkommission „Kosten und Fi- nanzierung der beruflichen Bil- dung", in der sich der Bundesaus- schuß grundsätzlich für die von der Sachverständigenkommission be- fürwortete Finanzierung der Be- rufsbildung über ein neuzuschaf- fendes Fondssystem aussprach.
Von der Arbeitgeberseite wurde dazu ein Minderheitenvotum abge- geben, in dem erklärt wurde, daß die Frage, ob eine Finanzierung mit Hilfe eines Fondssystems einen Beitrag zur Verbesserung der be- ruflichen Bildung leisten kann, noch weiterer Klärung bedarf.
Ferner befaßte sich der Ausschuß mit Problemen bei der Anrechnung des Besuchs von Berufsfachschu- len und Berufsgrundschulen auf die betriebliche Ausbildungszeit.
Neben der Vertretung im Bundes- ausschuß waren die freien Berufe in weiteren vier Unterausschüssen tätig, nämlich:
> Grundsatzfragen der beruflichen Bildung,
1> Zusammenwirkung betrieblicher und überbetrieblicher schulischer Berufsbildungs- und Beratungs- dienste,
> Internationale Berufsbildungs- politik,
D Errechnung von Ausbildungszei- ten und Gleichstellung von Ab- schlüssen.
dem am 1. September 1969 in Kraft getretenen und im Jahr 1971 geänderten Berufsbildungsgesetz aus.
III. Berufsbildungsgesetz und Ärztekammern
DEUTSCHES _ÄRZTEBLATT Sondernummer 26a vom 19. 7.1974 2031