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Archiv "Global Health und Geografie: Die Wege der Seuchen nachzeichnen" (18.10.2013)

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A 1966 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 42

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18. Oktober 2013

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ie Eindämmung von Infekti- onskrankheiten ist eine glo- bale Herausforderung. Ohne das Wissen um die räumliche Ausbrei- tung der Erreger und die zeitliche Dynamik des Infektgeschehens sind Seuchenzüge in Zeiten von Globalisierung und Klimaverände- rung nur schwer zu stoppen. Mit der Erstellung medizinischer Kar- ten tragen Geografen wesentlich zur Beschreibung pandemischer Krankheitsverläufe bei und sind in Maßnahmen zur Bekämpfung und Vorbeugung von Infektionskrank- heiten eingebunden.

Bereits Anfang des 19. Jahrhun- derts entstanden erste Atlanten zum Thema Krankheiten. In dieser Zeit wurde Europa von mehreren Chole- ra-Epidemien heimgesucht. Karten zeigen die Ausbreitungswege der Cholera von Indien nach Europa, aber auch die in dieser Zeit ergriffe- nen Schutzmaßnahmen für die Be- völkerung, wie die Einrichtung von Sperrkorridoren. Während der Cho- lera-Ausbrüche in London trugen Karten entscheidend dazu bei, dem

damals noch unbekannten Erreger der Cholera und den Übertragungs- wegen auf die Spur zu kommen.

Auch nach dem Sieg über Pest und Cholera ging den medizini- schen Kartografen die Arbeit nicht aus. Im 20. Jahrhundert verbesserte sich durch den Auf- und Ausbau von Statistik- und Gesundheitsbe- hörden die Datenbasis für kartogra- fische Darstellungen von Infekti- onskrankheiten deutlich. Karten wurden zum Bestandteil von Ge- sundheitsberichten, und es entstan- den umfangreiche Atlanten, wie der Welt-Seuchen-Atlas.

Heute werden Karten am Com- puter gestaltet, enthalten zahlrei- chen Animationen und erlauben eine interaktive Nutzung. Das Inter- net macht eine zeitnahe Veröffent - lichung und Aktualisierung möglich.

Während eines Ausbruchsgesche- hens informieren Karten kontinu- ierlich über die aktuelle Situation, zum Beispiel während der alljähr - lichen Influenza-Saison.

Computergestützt können karto- grafische Anamorphosen (Darstel-

lungen mit uneinheitlichem Maß- stab) und Kartogramme (Darstel- lung quantitativer Aussagen auf festgelegten Bezugsflächen) herge- stellt werden. Dabei wird die Flä- che der Bezugseinheiten (Gebiete) in Abhängigkeit von den Datenwer- ten proportional vergrößert oder verkleinert, die Gebiete werden al- so verzerrt dargestellt.

Influenzaviren „reisen“

um die ganze Welt

Die erste pandemisch verlaufende Krankheit des 21. Jahrhunderts war eine Grippe. Nur wenige Wochen, nachdem das Influenzavirus A (H1N1) erstmals bei zwei Patienten in Kalifornien nachgewiesen wur- de, warnte die WHO vor dem Risi- ko einer weltweiten Verbreitung der neuen Virusvariante. Glücklicher- weise war die Pathogenität des Vi- rus geringer als anfangs befürchtet, so dass die Pandemie im August 2010 für beendet erklärt wurde.

Der relativ harmlose Subtyp H1N1 macht mittlerweile etwa 25 Prozent der saisonal zirkulieren- Mit der Erstellung medizinischer

Karten tragen Geografen wesentlich zur Beschreibung pandemischer Krankheitsverläufe bei und sind in Maßnahmen zur Bekämpfung und Vorbeugung von Infektionskrankheiten eingebunden.

GLOBAL HEALTH UND GEOGRAFIE

Die Wege der Seuchen nachzeichnen

Foto: SPL/Agentur Focus

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18. Oktober 2013 A 1967 den Grippeviren aus. Es muss aller-

dings weiter damit gerechnet wer- den, dass sich die Eigenschaften der mutationsfreudigen Influenzaviren durch Antigendrift (oder – schlim- mer noch – durch Antigenshift) wiederholt ändern. Das wird zum Auftreten von neuen Virusstämmen und -subtypen führen, gegen die Menschen nicht immun sind. Wann ein solches neues Virus und somit die nächste Pandemie auftritt, lässt sich kaum vorhersagen.

Die globale Vernetzung macht es Viren einfach, von Kontinent zu Kontinent zu springen. Das konnten Geografen im Rahmen von Simula- tionen sehr anschaulich nachwei- sen: Das SARS-Virus (ein für Lun- genentzündungen verantwortliches Coronavirus) folgte bei seinem Feldzug im Jahr 2003 ziemlich ge- nau dem Wegenetz des internatio- nalen Flugverkehrs und schaffte es, ausgehend vom chinesischen Guan- dong, innerhalb von 90 Tagen um die Welt.

Zehn Jahre nach SARS bringt sich das Virus wieder in Erinne- rung. Im Februar warnte die WHO vor einem gefährlichen SARS-ähn- lichen Coronavirus, an dem in den zurückliegenden Monaten mehrere Menschen erkrankt waren.

Das Chikungunya-Virus ist auf dem Weg nach Europa

Die Asiatische Tigermücke, ein wichtiger Überträger des Chikun- gunya-Virus, bevorzugt eigentlich tropische Temperaturen. Als im Jahr 2007 Eier dieser Stechmücken- art auf einer Autobahnraststätte der A5 in Baden-Württemberg gefun-

den wurden, spürten Geografen dem neuartigen Reiseverhalten der Mücken nach. Vermutlich kamen die nur millimetergroßen Mücken, von denen im Jahr 2012 auch einige erwachsene Exemplare in Deutsch- land eingefangen wurden, unter an- derem mit Schiffstransporten über Genua zu uns. Die blutsaugenden Tiere heften ihre Eier gern ans „Lu- cky Bamboo“, einer auch hierzu- lande beliebt gewordenen Zier- pflanze.

Während Mückenein- schleppungen über Rot- terdam und Hamburg aus klimatischen Gründen (noch) unwahrscheinlich sind, fanden die Mücken im Sommer 2007 in Ita- lien gute Lebensbedin- gungen vor und breiteten sich rasch aus. Zeitgleich wurden dort bis zum Sep- tember 2007 insgesamt 197 Fälle von Chikungunya-Fieber gemeldet, wobei die meisten der Betroffenen zuvor keine Reise in ein ausländisches Endemiegebiet unternommen hatten.

Die vom Chikungunya-Virus ausgelöste, mit Fieber und Gelenk- beschwerden einhergehende Infek- tionskrankheit hat eine zumeist gute Prognose und hinterlässt eine le- benslange Immunität. Eine ärztli- che Meldepflicht besteht nur, wenn der Patient ein hämorrhagisches Fieber entwickelt.

Von Chikungunya-Epidemien auf La Reunion, Mauritius, Komo- ren, Seychellen und Madagaskar mit insgesamt 260 000 Erkrankten waren in den vergangenen Jahren

auch viele Touristen betroffen, so dass die Krankheit nicht nur auf- grund der Vorkommnisse in Italien und Süddeutschland ins Blickfeld gerückt ist.

In mancher Hinsicht vergleich- bar mit dem Chikungunya-Fieber ist die Leishmaniose, die durch Pro- tozoen der Gattung Leishmania her- vorgerufen wird. Der von Sandmü- cken übertragene Parasit befällt au- ßer Menschen auch (Haus-)Tiere;

in Griechenland, Spanien und Frankreich sind bis zu 70 Prozent der Hunde damit infiziert. Aus dem Urlaub mitgebrachte Hun- de beherbergen häufig Leishmanien und sind ein Erregerreservoir für den Fall, dass Sandmücken den Weg nach Norden schaffen.

Beim Menschen kommt die Leishmaniose im Mit- telmeerraum als viszerale Form (Kala Azar) oder als kutane Form (Orientbeule) vor. Auch hier sind der Schutz vor Mückenstichen, die Mückenbekämpfung beziehungs- weise in Nordeuropa die Verhinde- rung der Mückenausbreitung die geeigneten Prophylaxemaßnahmen.

In Deutschland wurden Sandmü- cken-Arten vereinzelt nachgewie- sen, wobei allerdings unklar ist, ob diese als Vektoren für Leishmanien infrage kommen.

Um das potenzielle Ausbrei- tungsgebiet der beiden Mückenar- ten in Europa zu bestimmen, erstel- len Kartografen sogenannte biokli- matische Modelle. Darin fließen unter anderem die aktuellen Vor- kommenspunkte der Mücke, welt- weite Klimadaten sowie ökologi- sche und sozioökonomische Rah- menbedingungen ein. Es geht dabei auch um die Geschwindigkeit, die Richtung und die Wahrscheinlich- keit, mit der ein Vektor (in diesem Fall die Tigermücke oder die Sand- mücke) in neue Gebiete vordringt.

Solche Risikoanalysen können künftige „Hotspots“ des Infektions- geschehens aufzeigen und bei Be- darf Monitoring- beziehungsweise Surveillance-Maßnahmen ansto-

ßen.

Dr. med. vet. Beate Grübler Die vom Institut für Hygiene und Öffentliche Ge-

sundheit (IHPH) der Universität Bonn konzipierte Internetseite www.malariainfo.net hilft Ärzten bei der reisemedizinischen Beratung ihrer Patienten.

Per Schlagwortsuche, Auswahl eines Landes über die Liste oder einen Maus-Rechtsklick in die Kar- te werden die länderspezifischen Empfehlungen zu Malariaprophylaxe, Standby-Medikation und Resistenzlage als Factsheet zum Ausdruck bereit- gestellt. Sämtliche Informationen lassen sich

auch in Form von Karten abrufen, was insbeson- dere bei Unsicherheiten in der Länderauswahl und bei grenzüberschreitenden Reisen hilfreich ist. Die von Geografen und Reisemedizinern des IHPH gepflegte Internetseite kann kostenfrei ge- nutzt werden. Für die Malaria-Impfempfehlungen werden verschiedene Quellen regelmäßig ausge- wertet (WHO Travel and Health, Deutsche Tropen- medizinische Gesellschaft, Centrum für Reiseme- dizin und andere).

PRAKTISCHE GEOGRAFIE: MALARIAPROPHYLAXE

In einer aktuellen Ausstellung im Universitäts - klinikum Jena (9. Oktober bis 15. November) wird exemplarisch an- hand von 26 medi- zinischen Karten gezeigt, wie sich die Thematische Kartografie in den vergangenen 200 Jahren im Hinblick auf die eingesetzten Methoden und Tech- niken verändert hat.

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