A 1964 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 40|
5. Oktober 2012QUALITÄTSSICHERUNG
Demotivation der Ärzte vermeiden
Verpflichtende Qualitätssicherungsmaßnahmen stoßen auf Akzeptanz, wenn sie als nützlich für die eigene klinische Praxis und im Hinblick auf den Aufwand als vertretbar angesehen werden.
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ie Ärzte und Pflegenden wis- sen nicht nur, wo die Proble- me in der Versorgung liegen. Sie bringen mit ihrem Berufsethos eine intrinsische Motivation zur stetigen Verbesserung der Patientenversor- gung mit sich, die wahrscheinlich je- dem monetären Anreiz überlegen ist.“ Für Dr. med. Regina Klakow- Franck, unparteiisches Mitglied im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), ist diese Schlussfolgerung in einer Studie der Universität Bre- men über „Anreize zur Verhaltens- steuerung im Gesundheitswesen“bemerkenswert. Die große Mehrheit der Ärzte brauche man gar nicht eigens zu motivieren, so ihre Be- hauptung auf der 4. Qualitätssiche- rungskonferenz des G-BA am 27.
September in Berlin – „man darf sie nur nicht demotivieren“. Dann wer- de Qualitätssicherung (QS) als nor- male Aufgabe gelebt und umgesetzt.
Allerdings sei es wichtig für die Akzeptanz verpflichtender QS-Maß- nahmen, dass diese als nützlich für die eigene klinische Praxis und im Hinblick auf den Aufwand als ver- tretbar angesehen würden. Wenn aber ein großer Dokumentationsauf- wand für die konkrete Versorgung der Patienten in der Praxis völlig unerheblich sei, wäre dies ein Knock- out-Kriterium für eine geplante Qua- litätssicherungsmaßnahme.
Pragmatische Lösungen Auf der von mehr als 500 Teilneh- mern besuchten Konferenz wurde deutlich, dass sich die sektorenüber- greifende Qualitätssicherung (SQS) schwieriger als erwartet umsetzen lässt. Die parlamentarische Staats- sekretärin im Bundesministerium für Gesundheit, Annette Widmann- Mauz (CDU), bezeichnete die SQS als die größte Herausforderung des Gemeinsamen Bundesausschusses
und warb für zeitnah zu entwickeln- de praktikable Lösungen. Parallel sollte die Qualitätssicherung in den Sektoren vorangetrieben werden. Sie sicherte dem G-BA die konstruk - tive Unterstützung ihres Ministeri- ums bei dessen Qualitäts- anstrengungen zu.
Widmann-Mauz warb für verstärkte Bemühun- gen um Transparenz der Qualitätsberichte für die Patienten; diesbezügliche Arbeiten sollten fortge- setzt werden. Wichtig sei es, dass die Qualitätssi- cherung bei allen Betei- ligten Akzeptanz finde.
Um dies zu erreichen, müsse auch sensibel mit Daten umgegangen wer-
den; sie sollten nur dort erhoben wer- den, wo es wirklich notwendig sei.
Auch Klakow-Franck sprach sich mit Blick auf die sektorenüber- greifende Qualitätssicherung dafür aus, nun vorrangig pragmatische Lösungen in einzelnen Bereichen anzustreben, ohne allerdings das Ziel einer umfassenden SQS aufzu- geben. „Die sektorenübergreifende Qualitätssicherung ist alternativlos.
Der Gemeinsame Bundesausschuss wird diese deshalb gezielt weiter umsetzen und voranbringen.“
Die SQS sei allein schon deshalb unverzichtbar, weil immer mehr Leistungen künftig in gleicher Wei- se von Krankenhäusern und nieder- gelassenen Ärzten erbracht würden,
sagte die Vorsitzende des zustän - digen Unterausschusses Qualitäts- sicherung beim G-BA. Aber man habe mit der SQS methodisches Neuland betreten. „So einfach, wie wir uns die sektorenübergreifende Qualitätssicherung am Reißbrett ausgedacht haben, geht das nicht.“
Lehrbuch der externen QS Offen sei auch noch, inwieweit man in Zukunft die elektronische Ge- sundheitskarte für SQS-Zwecke nutzen könne. So gebe es Diskus- sionen mit der Gematik, ob man ei- nen QS-Marker auf die elektroni- sche Gesundheitskarte aufbringen könne. Die unterschiedliche Codie- rung des Behandlungsgeschehens in den Arztpraxen und den Kran- kenhäusern stelle zudem ein riesi- ges Problem für die SQS dar.
Vorgestellt wurde auf der Konfe- renz der vom AQUA-Institut im Auftrag des G-BA erstellte Quali- tätsreport 2011. Dessen Geschäfts- führer, Joachim Szecsenyi, bezeich- nete den Report als ein Lehrbuch darüber, wie externe Qualitätssiche- rung angewendet werde. Mehr als in den Jahren zuvor sei der Report darauf ausgerichtet, einen konkre- ten Einblick zu vermitteln, wie das System der gesetzlichen Qualitäts- sicherung aufgebaut sei und wie es kontinuierlich weiterentwickelt werde. Trotz vieler Verbesserungen zeigten die Ergebnisse des Reports, sagte Szecsenyi, „dass es in der Versorgung noch immer Defizite und Verbesserungspotenziale gibt“.
Dies gelte etwa für die zu lange präoperative Verweildauer bei hüft- gelenknahen Femurfrakturen und für einige andere Indikatoren bei ambulant erworbenen Pneumonien, bei Hüft- und Knieendoprothesen und bei der Geburtshilfe.
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Thomas Gerst
„ So einfach, wie wir uns die sektorenübergreifende QS am Reißbrett ausgedacht haben, geht das nicht.
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Regina Klakow-Franck, G-BA
Foto: Katja-Julia Fischer