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Archiv "Bei Qumran werden Grenzgänger bedient" (12.07.1985)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Kulturmagazin

Bei Qumran werden Grenzgänger bedient

Ein Medienliebling unter den Kleinverlagen

Als Signet wählte Qumran afrikanische Felszeichnungen, die das Verlags- programm kennzeichnen: eine Brücke zwischen den Kulturen

Frankfurt, Bäckerweg 32. Kurzer Weg durchs Treppenhaus, Ein- gang linkerhand. Regale, ku- schelige Sitzecke, Graffitis (auf Postern) an den Wänden, ein Schreibtisch, ein Bestellbuch, Handlagerbestände. Kabuff-At- mosphäre. Gemütlich, fast an- heimelnd. Sichtbar placiert mehrere Mappen mit Rezen- sionsbelegen, fein säuberlich geordnet, mehrere 100 an der Zahl.

Hier also ist der Verlag Qumran (man spreche: Kumran) zu Hau- se. Exakt die Redaktion. Von diesem Büro aus hat der Verle- ger Dr. Hans-Jürgen Heinrichs binnen kürzester Zeit das ge- schafft, wovon Altverleger Sai- son für Saison träumen mögen:

Er und sein Programm sind Me- dienlieblinge geworden. Und dies, ohne daß Heinrichs (an- fangs) auch nur einen Pfennig in die Werbung gesteckt hätte.

Prinzip, wie er sagt. (Abgesehen davon, daß von den 80 000 DM, mit denen er seinen Verlag für Ethnologie und Kunst im Mai 1980 gegründet hat, für werb- liche Aktivitäten ohnehin nichts übriggeblieben wäre.)

Ohne Rückendeckung

Leben wir doch in einer Zeit, in der (verlegerische) Zeichen und Wunder noch möglich sind, in der Nischen, Marktecken aufge- tan, erschlossen werden kön- nen, ohne Konzernabsicherung

Charles Wilp fotografierte Joseph Beuys in Afrika für die Fotokassette

„Sandzeichnungen in Diani"

im Rücken, einzig mit Enga- gement, Risikobereitschaft, Ex- perimentierfreude? Dr. Hans- Jürgen Heinrichs — ein Muster- beispiel dafür? Ein Wagemuti-

ger, ein Könner, oder einzig ein Glückspilz? Oder von allem et- was?

Heinrichs, Jahrgang 1945, stu- dierte (zunächst) Theaterwis- senschaft, Philosophie, Germa- nistik. Begeisterte sich dann für die Wissenschaftsfelder Ethno- logie und Psychoanalyse und promovierte in Bremen (über

„Neue Modelle in den Wissen- schaften von Menschen").

Sein erster hautnaher Kontakt mit dem Buchhandel datiert aus dem Jahre 1975. Damals edierte er bei Suhrkamp seinen ersten Titel: Bachofens „Mutterrecht"

innerhalb der Taschenbuch-Rei- he „stw". Es folgten ethnologi- sche Schriften von Michel Leiris bei Syndikat. Damit jedoch längst nicht genug. Heinrichs reiste (rund ein dutzendmal nach Afrika) durch die Lande, ar- beitete kurzzeitig als Regieassi- stent, verbrachte ein Jahr als Sti- pendiat in Rom, verzeichnete den Abdruck erster eigener lite- rarischer bzw. literaturtheoreti- scher Arbeiten in „Akzente",

„Manuskripte"; wurde Kulturbe- richterstatter für Zeitungen und Rundfunkanstalten, schrieb Buchrezensionen u. a. für „Die Zeit", die „Frankfurter Allgemei-

ne Zeitung" sowie die „Frank- furter Rundschau"; zeichnete

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 28/29 vom 12. Juli 1985 (77) 2129

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Qumran-Verlag

bei Wagenbach für die Heraus- gabe eines „Tintenfisch"-Jahr- buchs, war bei der Zeitschrift

„Sprache im technischen Zeital- ter" für zwei Ausgaben als Her- ausgeber verantwortlich; ge- langte mit seiner „Bachofen"- Ausgabe als „Sachbuch des Mo- nats" gar auf die „Bestenliste"

des SWF-Literaturmagazins (auf der er später auch mit Qumran- Titeln plaziert war).

Ein Schriftsteller, ein Wissen- schaftler, ein Journalist, ein Kri- tiker, ein Weltreisender, der al- les erreicht, was er anpackt?

Jener Ort am Toten Meer 1978 überlegte sich Heinrichs erstmals, wie es denn wäre, wenn er nicht länger für andere Verlage und Häuser editorisch arbeiten würde — sondern für sich selbst. Und: Welche (neu- en) Möglichkeiten er damit nut- zen könnte. Anfang 1980 wurde die Sache konkreter, im Mai dann der Qumran Verlag (be- nannt nach jenem Ort am Toten Meer, wo einst die alten Schrift- rollen gefunden wurden) aus der Taufe gehoben, zur Buch- messe 1980 schließlich das erste Programm präsentiert. Und das gleich 24 (!) Titel umfassend. Ein Programm, das eine gangbare Brücke darstellen sollte zwi- schen abendländischer Kultur und jenen außereuropäischen Kulturkreisen.

Freilich, feilgeboten in alles an- derer als herkömmlicher Mach- art. Drei Schriftrollen waren da- bei (u. a. „Entlang des Nils in die Berge der Nuba"), vier Plakate (u. a. „Europäisch-Afrikanische Frisuren — Die selbstgemalte An- gebotstafel eines Frisörs in Ni- geria"), neun Fotokassetten (u.

a. Joseph Beuys, „Sandzeich- nungen in Diani", „Afrikanische Felsbilder") sowie acht „Text"- Bände (u. a. Hubert Fichte, „Psy- che — Anmerkungen zur Psych- iatrie in Senegal", „Erzählungen und Gedichte der Tuareg").

Heinrichs rückblickend zu sei- nem Auftaktprogramm: „Wenn ich das vorher hätte kalkulieren lassen, ich glaube, ich hätte das nie gewagt." Was er im einzel- nen gewagt hat, würdigten die Kritiker von „Spiegel" bis

„FAZ", von „Die Welt" bis zur

„Frankfurter Rundschau", von der „Süddeutschen Zeitung" bis hin zu den Rundfunkanstalten.

„Die Zeit" charakterisierte den Jungverleger beispielsweise so:

„Mutig, risikobereit und voller Lust auf das Abenteuer, Bücher zu machen." Die „Basler Zei- tung" lotete die Programmrich- tung wie folgt aus: „Es läuft auf eine Verbindung von Kunst und Völkerkunde, von Poesie und Reisen, von afrikanischem und europäischem Denken hinaus."

Und „Vaterland" merkte an:

„Aber nicht nur die Auswahl der Titel ist bei ,Qumran' außerge- wöhnlich, sondern auch die Her- stellung. Inmitten einer Flut von gleichartigen Massenprodukten bekennt sich hier ein Verleger zum ,schönen Buch'! ..."

Ein Verleger als Reisender Hans-Jürgen Heinrichs ist in der Tat mutig. „Ich identifiziere mich ganz mit meinem Pro- gramm", sagt er. „Ich bin gegen die Austauschbarkeit der Ver- lagsprogramme." Und: „Ich werde nicht das machen, produ- zieren, was der Buchhandel (an- geblich) will." Er macht andere Bücher, andere Buchprodukte, Projekte, denen man die liebe- volle Handarbeit noch ansieht.

„Ich habe in den letzten Jahren beobachten können", gab er in einem Interview zu Protokoll,

„wie mancher neue Verlag ideell gescheitert ist, weil er sich mit seinem Programm den Marktgesetzen meinte anpassen zu müssen — mit dem Ergebnis, daß es am Ende nur noch aus Kompromissen bestand."

Die will Heinrichs nicht einge- hen, zumindest nicht beim Pro-

grammgestalten. Entgegenkom- men ja, aber anders. Beispiels- weise in Sachen Vertrieb. Hier ging er anfangs den Weg, den früher etliche Verleger höchst- selbst gegangen sind: Er berei- ste Buchhandlungen. Rund 120 schaffte er bei der Auftaktvisite.

Erfahrungen konnte er dabei sammeln, wie man sie heute in etlichen Chefetagen nur noch vom Hörensagen her kennt. Mit Novitäten wie auch einer mittler- weile recht ansehnlichen Back- list, in der Titel bis zu einem La- denpreis von 850,— DM aufschei- nen (so etwa der numerierte und signierte Band von Josef Beuys:

„Naturerfahrung in Afrika"). Das Prinzip der „gespaltenen" Auf- lagen (zum einen die „Normal- ausgabe", zum anderen die handsignierte und limitierte) wird auch bei Qumran prakti- ziert. Mit Erfolg.

„Das Unternehmen", so Hein- richs auf seine Verlegerzukunft hin am Rande der letzten Frank- furter Buchmesse befragt, „wird sich hoffentlich tragen — ob es Gewinne macht, bleibt abzuwar- ten; jedenfalls das jeweils näch- ste Programm wird zu finanzie- ren sein .. " So darf man auch weiterhin auf angenehme Über- raschungen aus Frankfurts Bäk- kerweg 32 hoffen. Von Jahr zu Jahr. Eine liest sich etwa so: Seit dem 1. Januar 1985 kooperiert der Qumran-Verlag mit dem wis- senschaftlichen Campus-Verlag,

Frankfurt. Verwaltung und Ver- trieb übernimmt nun der „grö- ßere Bruder"; am Programm und an der Ausstattung der nun als „Edition Qumran im Cam- pus-Verlag" geführten Bücher soll sich dadurch nichts ändern.

Nachdem das ursprünglich auf Ethnologie und Kunst speziali- sierte Programm des Verlages sich nunmehr auf Kunsttheorie, Philosophie und Psychoanalyse erweitert, wird sich Hans-Jürgen Heinrichs noch stärker der Er- schließung, Betreuung und edi- torischen Arbeit neuer Autoren und Projekte widmen.

W. Christian Schmitt 2130 (78) Heft 28/29 vom 12. Juli 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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