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Heute auf Seite 3: Bekenntnis zur Unmenschlichkeit

U N A B H Ä N G I G E W O C H E N Z E I T U N G FÜR D E U T S C H L A N D

Jahrgang 36 Folge 41 Erscheint w ö c h e n t l i c h

P o s t v e r t r i e b s s t ü c k . G e b u h r bezahlt

12. Oktober 1985

Landsmannschaft O s t p r e u ß e n e. V .

Parkallee 84/86, 2000 Hamburg 13

C 5 5 2 4 C

Deutsche Frage:

Sind wir Romantiker?

„Patentrezept Europa" als unredliche Absage an den Nationalstaat

Die Union, so war kürzlich aus Bonn zu hören, wolle die deutsche Frage zum Inhalt des kommenden Bundestagswahlkampfes ma- chen. Sollte es dazu kommen, werden sich die anderen Parteien darauf einstellen müssen.

Die Sozialdemokraten haben dies teilweise schon getan: Sowohl durch immer wiederkeh- rende Äußerungen aus dem Lager Schmude und Apel, wonach es keine deutsche Frage mehr gebe, wie auch über Andreas von Bülow und sein Papier, in dem er über eine gesamt- deutsche Zukunft ohne die Präsenz amerika- nischer und sowjetischer Truppen nachdenkt.

Die Wellen um diese unterschiedlichen Konzepte schlugen hoch. Und hoch werden auch die Wellen schlagen, wenn die Union er- klärt, in welcher Weise sie die deutsche Frage konkret thematisieren wird, welche neuen Anstöße sie für eine Diskussion liefern will, die seit 40 Jahren, wenn nicht schon seit Napo- leon, die Deutschen und ihre Nachbarn be- schäftigt.

Oder sollte es so sein, daß die Union die Dis- kussion um die Zukunft des geteilten Deutsch- lands längst begonnen hat? Solches behauptet zumindest der der C D U nahestehende Journa - list Ludolf Herrmann im .Rheinischer Merkur"

vom 21. September, wo er wenige Wochen zuvor an gleicher Stelle vertretenen Aussagen des deutschlandpolitischen Kanzlerberaters Michael Stürmer entgegentritt, der behauptet hatte, der Nationalstaat sei tot und Deutsch- landpolitik könne keine Grenzen verändern, sondern müsse sich darauf beschränken, aus der Anerkennung des Status quo heraus die wirtschaftliche und kulturelle Kooperation zwischen Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokratische Republik auszuwei- ten (siehe auch .Das Ostpreußenblatt", Folge 36, Seite 3).

Ludolf Herrmann schreibt dazu: .Der Bun- deskanzler fordert zu einer gigantischen Dis- kussion heraus, aber bisher hat sich niemand darauf einlassen wollen. Es geht . . . um die Frage, was uns die Einheit Deutschlands heute bedeutet... Helmut Kohl hat die Offenheit des Geländes zunächst einmal durch einen Ver- trauten erkunden lassen." Dieser Vertraute, so Herrmann, sei Stürmer mit seinen Beiträgen im .Rheinischer Merkur" gewesen.

Die in Koblenz erscheinende Wochenzei- tung hat nun in der Ausgabe von der vergange- nen Woche das Thema .Deutschlandpolitik heute" erneut aufgegriffen. Wieder meldet sich ein Kanzlerberater zu Wort, nämlich der Mainzer Historiker Professor Werner Weiden- feld, und wieder stellt er die Behauptung auf:

„Der alte deutsche Nationalstaat kommt nie wieder."

Für Weidenfeld ist es unverständlich, daß neuerdings .die Nation wieder gegen Europa ins Feld geführt" werde. A l l z u offenkundig seien die .anachronistischen Verkürzungen:

Da wird der Nationalstaat gefeiert — aber kein Wort darüber verloren, daß viele Aufgaben und Probleme längst über seine Grenzen hin- weg ausgewandert sind". Daher gelte seit

Aus dem Inhalt:

Seite Außenpolitischer Schulterschluß

in Sicht? 2 Kassette mit Volksliedern

aus Ostpreußen 6 Zu den Friedensschlüssen des

Deutschordensstaats 10 Masuren Ist ein Naturparadies . . 11

Jenseits der Blockgrenze (I) 20

Adenauer die Formel: .Deutschlandpolitisch handelndes Subjekt wird die Bundesrepublik Deutschland nur über Europa. Souveränitäts- gewinn durch Souveränitätsverzicht."

Antworten auf die deutsche Frage hätten in der Vergangenheit nie zu einer stabilen Ord- nung der Mitte Europas geführt, daher hätten .die Gründungsväter der Bundesrepublik Deutschland und die Gründungsväter der Eu- ropäischen Gemeinschaft die Absage an die bisherigen Unsicherheiten ihrer politischen Perspektiven" vollzogen und die »normative Grundentscheidung für die politische Archi- tektur der Nachkriegszeit" gefällt. Dies bedeu- tet gleichzeitig eine Absage an .alles unstet flackernde in der deutschen Außenpolitik, die Absage an Sonderwege, vor allem an den N a - tionalismus". Weidenfeld warnt davor, solche Absagen zu relativieren, .wenn neue Sehn- süchte nach Sonderwegen wuchern sollten, wenn politische Romantik erneut aufkeimt".

Sind also diejenigen Romantiker, die ent- sprechend der Präambel des Grundgesetzes die nationale und staatliche Einheit Deutsch- lands anstreben ? Ist dieser Auftrag der Verfas- sung lediglich ein romantisches Überbleibsel alter Ideen, die heute nur noch als Träume an- gesehen werden dürfen? Ist der C D U / C S U - Fraktionsvorsitzende Alfred Dregger ein Träumer, weil er unlängst im Bundestag sagte:

. W i r wollen die Einheit Deutschlands. Für Deutschland gibt es keinen Ersatz. Auch Eu- ropa kann nicht Ersatz für Deutschland sein."

Den Sonderweg, vor dem Weidenfeld und andere gelegentlich warnen, gehen wir Deut- schen im Moment: Während unsere Nachbarn in Ost und West in dem für Europa normalen Zustand der staatlichen Einheit leben und nicht ernsthaft daran denken, diesen Status aufzugeben, ist Deutschland zerrissen, leben die Deutschen in verschiedenen Staaten, unter verschiedenen Gesellschaftssystemen.

Wer behauptet, er halte diesen Zustand für nicht akzeptabel und wolle ihn überwinden und die Einheit der Nation wiederherstellen, Fortsetzung auf Seite 2

Bock auf Bambule: In Frankfurt (unser Foto) und anderen Städten der Bundesrepublik liefer- ten gewalttätige Demonstranten der Polizei bürgerkriegsähnliche Gefechte. Stehen wir wie- der vor einem heißen Herbst? Foto dpa

Stehen wir vor einem „heißen" Herbst?

H . W . — Wenn die vorliegenden Informa- tionen zutreffen, so hatte der bei einer Demon- stration in Frankfurt ums Leben gekommene Demonstrant bereits einen Schädelbasis- bruch erlitten, bevor er von einem Wasserwer- fer der Polizei überrollt wurde. Wenn sich diese gerichtsmedizinische Untersuchung be- stätigen sollte, so kann der junge Mensch durch ein Wurfgeschoß aus den eigenen Rei- hen niedergeworfen und dann, mit Sicherheit nicht absichtlich, von einem Polizeifahrzeug überrollt worden sein. Ursache für die Demon- stration war eine von knapp 80 Leuten besuch- te Veranstaltung der NPD im Frankfurter Bür- gerhaus Gallus. Die NPD als rechts und die DKP als links angesiedelte Partei sind vom Ge- setzgeber nicht verboten und, wie Bundes-

Ostverträge:

Gibt es eine Bindungswirkung?

Unzufriedenheit in Teilen der Unionsparteien mit Genscher-Kurs

Noch immer geben die umstrittenen Äuße- rungen des stellvertretenden CDU/CSU-Frak- tionsvorsitzenden Volker Rühe über eine .BindungsWirkung" der Ostverträge für ein wiedervereinigtes Deutschland Anlaß zu hef- tigen Kontroversen. Wie erst jetzt bekannt wurde, erging am 7. Februar dieses Jahres ein Telegramm des Auswärtigen Amtes an die deutschen Botschaften in Warschau, Moskau, Prag, Sofia, Budapest, Washington, London, Paris und Rom sowie an die deutschen Vertre- tungen bei der U N O , der N A T O und der K V A E . Der Leiter der Osteuropaabteilung im Auswärtigen Amt, von Braumühl, nimmt darin Bezug auf die Aktuelle Stunde im Bundestag am 6. Februar und auf Rühes These von der .Bindungswirkung". Wörtlich heißt es, der Bundeskanzler habe .ausdrücklich" festge- stellt, .daß MdB Rühe seine, des Bundeskanz- lers, Position aus der Sicht der Union darge- stellt" habe. Die Adressaten .werden gebeten, bei Gesprächen im Gastlande die Uberein- stimmung der Fraktionen hinsichtlich unserer Politik gegenüber der Volksrepublik Polen wie auch die Kontinuierlichkeit unserer Politik zu unterstreichen".

Der Widerspruch zu der Reaktion des CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Dregger, der erklärt hatte, daß weder die Fraktion noch die Bundesregierung die Auffassung Rühes teilten, ist offenkundig. Genscher, kraft seines Amtes oberster Dienstherr im Auswärtigen Amt, und Bundeskanzler Kohl beschreiten unübersehbar gegensätzliche Pfade in der Deutschlandpolitik. So jedenfalls ist die Mei- nung des CDU-Abgeordneten Manfred Abe- lein, der gegenüber der Presse erklärte, Gen- scher könne sich bei diesem Schritt nicht auf Helmut Kohl berufen, habe dieser doch un- mißverständlich erklärt, daß die deutsche Frage offen sei und die Ostverträge keine „poli- tische Bindungswirkung" haben. Der Frie- densvertragsvorbehalt gelte uneingeschränkt.

Abelein forderte Hans-Dietrich Genscher auf, unverzüglich die Behauptung, der Bun- deskanzler gehe mit den Ansichten Rühes konform, zu widerrufen. Die Antwort des M i - nisters steht noch aus. Es ist wohl an der Zeit für Helmut Kohl, seinen Außenminister über die Bedeutung des Begriffes „Richtlinienkom- petenz" aufzuklären. Gaby Allendorf

kanzler Kohl in einem Interview sagte, „ohne jedes politische Gewicht, wie man bei den Wahlen sieht". Wenn die DKP in die Schlag- zeilen der Presse gerät, dann meistens auf- grund der Demonstrationen gegen politisch Andersdenkende.

A n dieser Veranstaltung entzündete sich letztlich jene Demonstration, bei der Steine und Flaschen, ätzende Buttersäure und Leichtmunition auf die Polizei flogen, deren Aufgabe es war, die Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten. Der Einsatz von Schlag- stöcken und Wasserwerfern diente dem Zweck, diese gewaltsame Phase der politi- schen Auseinandersetzung, bei der die De- monstranten zum Teil vermummt waren, zu beenden. Wenn sich die Polizeiführung in Hessen (wo die Regierung ohnehin auf die empfindsamen „Grünen" Rücksicht nehmen muß) zueinem entsprechenden Einsatz veran- laßt sah, dann darf man davon ausgehen, daß ein solcher dringend geboten war. Rück- blickend gewinnt man den Eindruck, daß die genannte Veranstaltung der N P D geradezu ein gesuchter Vorwand war, um die Polizei und mit ihr den Staat herauszufordern. Damit hätte die Veranstaltung praktisch nur eine Alibifunktion für gewisse Berufsdemonstran- ten gehabt, die zu einem Signal wurde für ähn- liche Auftritte in anderen bundesdeutschen Großstädten. Die hier geleistete Präzisionsar- beit läßt erkennen, daß es keineswegs nur bei der R A F eine funktionierende Logistik gibt.

Der Bürger aber, der seiner Arbeit nachgeht, seine Steuern zahlt und an der Prosperität un- seres Gemeinwesens mitwirkt, ist einmal er- schreckt, wenn er hört, daß sich unter den mili- tanten Kreisen Kräfte befinden, die von der Sozialhilfe leben, jede Arbeit ablehnen und besetzte Häuser zu Festungen ausbauen. Zum anderen aber fragt sich der Bürger mit Recht, weshalb nicht eindeutiger mit diesem gefähr- lichen Unfug Schluß gemacht wird. Bei der Un- tersuchung dieser Frage gelangen wir zu der Auffassung, daß unser Verfassungsgericht so- zusagen ein bißchen Gewalt in Kauf nimmt, denn bei entsprechenden Demonstrationen ist das Maß der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung allein nicht ausrei- chend, vielmehr müssen auch „wichtige Ge- meinschaftsgüter" als gefährdet erscheinen.

Nun, nachdem bereits ein Schaden von bald 5 Millionen D M erkennbar geworden ist, wird

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wohl die Frage erlaubt sein, ob dieser Wert

„wichtiger Gemeinschaftsgüter" als „ausrei- chend" angesehen werden kann oder ob unse- re oberste Rechtssprechung politisch so ange- kränkelt ist, daß sie ein noch höheres „Limit"

für erforderlich hält.

Unsere Polizei befindet sich nach dem 1970 entschärften „Demonstrationsstrafrecht" in keiner beneidenswerten Lage. Bisher ist auch das Verbot der Maskierung oder Vermum- mung von Demonstranten im Bundestag ge- scheitert. W e n n Vermummte die Fenster- scheiben der Geschäfte einwerfen, dann ist das fast nur noch ein Kavaliersdelikt, und dieser Art von Gewalttätern wird nur beizukommen sein, wenn nicht nur die Personalien aufge- nommen, sondern wenn erkannte Täter in Strafverfahren rascher abgeurteilt werden.

Man solle nach Großbritannien, nach Frank- reich oder in die Schweiz blicken, wo der Rechtsstaat den radikalen Rechtsbrechern mit Entschlossenheit und Stärke entgegentritt.

W e n n Alfred Dregger sagte, der Gesetzgeber müsse prüfen, ob er einen Beitrag gegen den Terror auf deutschen Straßen leisten k ö n n e , so meinen wir, die Union wird unter anderem auch daran gemessen werden, wie sie mit die- sem Problem fertig wird. So kann man nur hof- fen, daß der Anregung des Bundesinnenmini- sters an seine Kollegen in den Bundesländern, die Konsequenzen zu erörtern, die aus den Er- eignissen zu ziehen sind, auf fruchtbaren Boden fallen. Chaoten und Streuner nämlich werten Großzügigkeit als Schwäche und zum Auftakt für die nächste Bambule.

Sozialdemokraten:

Außenpolitischer Schulterschluß in Sicht?

Den Grundkonsens in der Deutschlandpolitik zugunsten der Zusammenarbeit mit Kommunisten aufgegeben

zuStellenistschondeswegensobitter,weilwir J - " ? ^ in der Bundesrepublik Deutschland sicherlich tion seiner Fraktion in w a r In unsere politische Umgangssprache ist das

Wort von der „Neben-Außenpolitik der SPD"

neu eingeführt worden, und dies aus gutem Grund. In einer Ausarbeitung der C D U / C S U - Bundestagsfraktion heißt es: „Diese Neben- Außenpolitik der SPD erfreut sich sichtbarer Unterstützung der kommunistischen Führun- gen. Gemeinsame Kommissionen wurden be- reits mit der SED, der KPdSU, der K P Polens (PVAP) und der KP Ungarns (USAP) angesetzt.

In Vorbereitung ist die Bildung einer Kommis- sion mit der K P der CSSR."

Eine Demokratie bedarf des Konsenses der Regierungsparteien und der Opposition, selbstverständlich nicht auf allen Feldern, aber doch in entscheidenden Punkten wie Außen- und Verteidigungspolitik, in unserem deutschen Falle gerade auch der Deutsch- landpolitik. Daß sich in der Politik Streitpunk- te genug ergeben, gehört gleichfalls zur demo- kratischen Auseinandersetzung zwischen Re- gierung und Opposition. W i r müssen jedoch in der Bundesrepublik Deutschland Klage dar- über führen, daß es einen Konsens gerade in den entscheidenden Fragen, die jeden von uns bewegen, nicht mehr gibt. Dieser Konsens ist von der SPD aufgekündigt worden. Dies fest-

tretern der dortigen Staatspartei, der Vereinig- ten Polnischen Arbeiterpartei, zusammenge- kommen ist, um den uralten Rapacki-Plan einer atomfreien Zone neu zu beleben Zur gleichen Zeit war jedoch kein W o r t der SPD in Warschau zur Situation der Deutschen oder zum Verbot freier Gewerkschaften oder zu den Hunderten von politischen Gefangenen zu vernehmen!

W i r haben erfahren müssen, daß nach dem Besuch des SPD-Vorsitzenden W i l l y Brandt beim SED-Chef Erich Honecker eine neue Kommission gebildet worden ist, die wieder- um unmittelbare Gespräche zwischen SPD und SED über Fragen der Verteidigung und Si- cherheit zum Inhalt hat, mit den Sozialdemo- kraten Egon Bahr und dem Kommunisten Hermann A x e n an der Spitze.

Was will die SPD bewirken? Sie treibt auf eigene Faust Außenpolitik und ist bereit, nicht nur mit den kommunistischen Parteien, die zugleich immer auch die Staatsparteien der Diktatur des Ostblocks sind, das Gespräch zu führen, sondern zu vertraglichen A b s c h l ü s s e n zu gelangen. Deren Inhalt soll die »neue Phase der Entspannungspolitik" einleiten und be- kräftigen, was auch immer darunter zu verste- hen ist. Daß demokratische Regierungen mit kommunistischen Diktaturen sprechen und verhandeln m ü s s e n , ist nun einmal geboten und eine Realität. A b e r daß jetzt eine demo- kratische Partei mit kommunistischen Staats- parteien Verhandlungen führt und zu Be-

Widerspruch zwischen „sozialistischer Wirtschaftsintegration" und Abhängigkeit von westlichen Finanzspritzen

Schlüssen kommt, ist nicht nur e m p ö r e n d , sondern Grund zur Sorge.

immer drei politische Kräfte und Richtungen haben werden: die Konservativen, wofür die C D U / C S U steht, die Sozialisten, für die SPD zu nennen ist, und die Liberalen — FDP. W e n n nun eine so gewichtige politische Kraft wie die SPD in den Lebensfragen der Nation aus- schert, so ist das nicht nur ihre eigene Sache, sondern betrifft uns alle. W i e soll die Bundes- republik Deutschland ihre politische Stärke auf die Waagschale legen können, wenn es in diesen Lebensfragen der Nation nahezu un- überbrückbare Gegensätze gibt.

W i r haben erfahren müssen, daß sich für die SPD deren außenpolitischer Sprecher Karsten Voigt und für die SED deren Politbüromitglied Hermann A x e n zusammengesetzt haben, um einen Beschluß über die chemischen Waffen in Europa zu fassen. Wer denkt dabei nicht an die unheimliche Zusammenkunft von Otto Gro- tewohl (SPD) und Walter Ulbricht (KPD), als durch deren Kollaboration die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands geboren und die SPD in Mitteldeutschland annulliert wurde!

W i r haben erfahren müssen, daß der stell- vertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Pro-

Sowjetunion:

Es bleibt im wesentlichen alles beim alten

Welche Kurskorrekturen wird es unter dem neuen Machthaber im Kreml geben? Diese Fragen stellen Politiker und Journalisten mit fast grenzen- loser Penetranz bei jedem Führungswechsel in der Moskauer Spitze erneut; schnell vermutet man

„Ansätze zur Vermenschlichung" und „Liberalisie- rung" im totalitären System, Hatte der neue Stern am sowjetischen Firmament nicht irgendwann und irgendwo einmal von „tiefgreifender Umgestaltung"

oder „Wandel im System der gesellschaftlichen Be- ziehungen" gesprochen? Sollten die Zügel gelockert

3,5 Mio. Deutsche in Südosteuropa

Nach den Zahlen der bis heute in Ost- und Süd- osteuropa lebenden Deutschen sowie der seit 1950 aus diesem Bereich ausgesiedelten Deutschen frag- te der CDU-Bundestagsabgeordnete Joachim Ka- iisch die Bundesregierung. Hierzu teilte Staatsse- kretär Carl-Dieter Spranger vom Bundesinnenmi- nisterium mit, daß der Bundesregierung keine sta- tistisch gesicherten Angaben über die Gesamtzahl der in Ost- und Südosteuropa lebenden Deutschen vorliegen. Nach Erkenntnissen, die teilweise auf Volkszählungsergebnissen, teilweise auf Schät- zungen beruhen, könne man jedoch von einer Zahl von rund 3,5 Millionen Deutschen ausgehen. Beim Deutschen Roten Kreuz waren Ende 1984 rd. 284 Ausreise wünsche Deutscher aus diesem Raum mit Beurkundungen in den letzten fünf Jahren registriert worden. In den Jahren 1950 bis 1985 sind insgesamt 1 284 935 Aussiedler aus Ost- und Südosteuropa in den freien Teil Deutschlands gekommen. Die Zahl der aus Mitteldeutschland nach Westdeutschland übergesiedelten Deutschen beläuft sich für den

gleichen Zeitraum auf 3 077 247. MF

werden, und sollte es zu vorsichtigen Befreiungs- versuchen bei den Satellitenstaaten kommen? Spe- kulationen über Spekulationen, die beim Übergang der Führung von Stalin auf Chruschtschow 1953 ebenso vorgetragen wurden wie beim Amtsantritt Gorbatschows. Und immer wieder die gleiche Er- kenntnis: Es bleibt im wesentlichen alles beim alten.

Gerade in diesen Tagen mahnte der sowjetische Parteichef die Ostblockstaaten zur Vasallentreue.

Gorbatschow drängte auf eine „Beachtung der all- gemeinen Gesetzmäßigkeiten des Sozialismus" — was immer das sein mag — und auf eine „Stärkung des Zusammenhalts im Warschauer Pakt". Bevor der Kremlchef in Genf mit US-Präsident Reagan zu- sammentrifft, um über Fragen des Ost-West-Ver- hältnisses, insbesondere der Sicherheitspolitik zu sprechen, nimmt er eine Bestandsaufnahme im „ei- genen Hause" vor.

Das Ergebnis bietet in seinen Augen sicher kei- nen Grund zur ungetrübten Freude. Die wirtschaft- lichen Probleme Rumäniens, die politische Instabi- lität Polens und mögliche und völlig unerwartete Reibereien mit der bulgarischen Führung, schlagen in der Rechnung als Negativposten zu Buche.

Keineswegs aber ist es so, wie uns einige optimi- stische Ostblockbeobachter Glauben machen wol- len, keineswegs wankt der Koloß im Osten so stark, daß seine Existenz ernsthaft gefährdet ist, zumin- dest so lange nicht, wie der kapitalistische Westen ihn wirtschaftlich und finanziell stützt: Über War- schau schwebt nach wie vor der „ Pleitegeier", daß er sich jedoch nicht dauerhaft einnisten kann, dafür sorgen „kapitalistische Finanzspritzen". Zur Linde- rung der Versorgungsengpässe im Ostblock wird die EG in Kürze wieder einmal ihren Butterberg ab-

S S Ä S S Ä „Patentrezept Europa" als unredliche Absage an den Nationalstaat

In diesen Tagen wurde bekannt, daß der Präsi- dent der US-Großbank Chase Manhattan, David Rockefeller, eine „Internationale Stiftung für die polnische Landwirtschaft" einrichten wird. Mit dem Primas der polnischen Kirche, Kardinal Glemp, und dem polnischen Partei- und Regierungschef Gene- ral Jaruselski verhandelte Rockefeiler über vier konkrete Projekte: die Produktion von Speck und Schinken, von Fruchtsäften und tiefgefrorenen Gemüse sowie über Bodenmelioration. Wie ein Sprecher der Stiftung in New York mitteilte, soll das Programm sowohl der privaten polnischen Land- wirtschaft als auch dem staatlichen Sektor zugute kommen.

Auf dem bevorstehenden Gipfel des Warschauer Pakts in Sofia würde, so schreibt eine große deut- sche Tageszeitung, die wirtschaftliche Abhängig- keit vom Westen als Widerspruch zur Forderung nach „sozialistischer Wirtschaftsintegration" of- fenkundig. Dieses, wie es heißt, „Kernproblem der sowjetischen Beziehungen gegenüber den osteuro- päischen Vasallen" (unter diesen führt der Verfas- ser übrigens auch die DDR auf, die nun keineswegs in Osteuropa liegt), ist für die Führung der UdSSR bisher nie eine ernsthafte Bedrohung geworden.

Und auch in und nach Sofia wird es keine Risse geben, die das Gebäude in absehbarer Zukunft zum Einsturz bringen könnten. Gaby Allendorf

Es soll die offizielle Außenpolitik der Bundes- republik Deutschland unterlaufen, ja gegen diese Position bezogen werden. Die SPD bietet sich mit der These an, daß es eben doch leich- ter sei, mit ihr zu sprechen und zu verhandeln als mit der Bundesregierung, was logischer- weise die Kommunisten nur veranlassen kann, auf diese Weise ihre Vorstellungen in das Konzept einer demokratischen Partei und damit in die Bundesrepublik Deutschland ein- zuführen. Niederschlag dieses Erfolges ist be- reits unser Wortschatz, i n d e m immer häufiger Begriffe auftauchen wie Ä q u i d i s t a n z , Sicher- heitspartnerschaft, neue Ostpolitik, atomwaf- fenfreie Zone. Das jüngst bekannt gewordene Konzept des SPD-Abgeordneten Axidreas von Bülow zur Sicherheitspolitik der Bundesrepu- blik Deutschland tendiert in dieselbe Rich- tung.

Aus dem Schulterschluß der SPD mit den kommunistischen Staatsparteien des Ost- blocks droht uns allen größte Gefahr. Hoffent- lich merkt das auch der Bürger, denn es geht um seine und unser aller Freiheit und Si- cherheit. Dr. Herbert H u p k a

Deutsche Frage:

Sind wir Romantiker?

Ankaufpreis abgibt. Gleiches gilt für den französi- schen Export von EG-Rindfleisch, das die Sowjet- union jetzt gegen eine „Anerkennungsgebühr" von 1,70 DM pro Kilogramm bezieht. Die Steuerzahler in der EG sponsern das Geschäft mit 6,30 DM pro Kilo.

Fortsetzung von Seite 1

muß schon um einiges konkreter werden als es Weidenfeld mit der Behauptung ist, die voll- ständige Integration Westdeutschlands in eine westeuropäische Union werde eines

Zehm i m August 1984 unter der Überschrift

„Gerechtigkeit für Bismarck" eine faire Beur- teilung des Nationalstaates: Anstatt sich von ihm, der durch den Zusatz .Bismarckscher Prägung" oder.des 19. Jahrhunderts" leicht zu

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U N A B H Ä N G I G E W O C H E N Z E I T U N G F Ü R D E U T S C H L A N D

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Tages auch die deutsche Einheit ermöglichen, diskreditieren ist, eilfertig loszusagen sollten Die Frage nach dem .Wie?" bleibt offen. Nie- sich Politiker und

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mand verlangt Patentrezepte von denen, die die deutsche Frage zu ihrem Thema machen.

Verlangen kann man aber Überlegungen, die über den Charakter leerer Sprechblasen und Behauptungen hinausgehen und stattdessen konkrete Ansätze für gangbare Wege zumin- dest am Horizont erkennen lassen.

Im M a i vergangenen Jahres schrieb Ernst- Otto Maetzke in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" von der „alten Frage", ob „Europa-Se- ligkeit — echte, künstliche oder vielleicht gar unredliche — nicht am Ende Tatsachen schaf- fe, die dem Streben nach deutscher Einheit strikt zuwiderlaufen". Es sei zu fragen, „ob eine Europa-Politik, die sich das Ziel der .Vereinig- ten Staaten von Europa* setzt, und eine Deutschland-Politik, wie sie das Grundgesetz vorschreibt, vielleicht unvereinbar seien.

Sogar die Erfüllung der Pflicht zum Offenhal- ten der deutschen Frage — mehr ist zur Zeit nicht möglich — kann auf solche Weise mög- licherweise erschwert werden und in Zweifel geraten".

In der »Welt" schließlich forderte Günter

„stattdessen ein Beispiel an der Bismarck- schen Gleichgewichtspolitik nehmen".

Ebenso wie Bismarck gerechter beurteilt werden muß, m ü s s e n auch alle Aspekte der Westeuropa-Integration geprüft werden:

Dazu gehört zweifellos die schriftliche Zusi- cherung der EG-Partner, den Deutschen bei ihrem Wunsch nach Einheit und Selbstbe- stimmung zu helfen. Dazu g e h ö r e n aber auch die Ä u ß e r u n g e n des Herrn Andreotti, das Wort des Franzosen Francois Mauriacs: .Ich hebe Deutschland so sehr, daß ich froh bin, daß es zwei davon gibt", oder des Historikers Golo Mann, der die deutsche Teilung als das Ge- heimnis der deutsch-französischen Freund- schaft diagnostizierte.

Wer den Nationalstaat negiert und Europa als das Allheilmittel anpreist, muß Indizien lie- tern, die ü b e r das Niveau von Sonntagsreden hinausgehen Und wer Deutschland zum Wahlkampfthema machen will, sollte sich genau uberlegen, ob er mit glaubhaften Argu- menten etwaigen Kritikern beikommen kann.

Ansgar Graw

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12. Oktober 1985 — Folge 41 — Seite 3

2Ms Oftimulrnblall Zeitgeschehen

S

eit 1917 strebt der Kommunismus sowje- tischer Prägung nach der Weltherrschaft.

Um dieses Ziel zu erreichen, bedienen sich seine Machthaber aller nur erdenklichen Mittel: Propaganda, Desinformation, politi- sche Wirtschafts- und Militärspionage.

Besonderen Wert legt er auf das Prägen von Schlagworten, die leicht eingängig sind und den Wunschvorstellungen der Menschen ent- sprechen. Diese können sich kaum vorstellen, daß die Berufung auf den Frieden, das Anstre- ben .friedlicher Koexistenz" und die Propagie- rung der .Entspannung" vor allem Mittel zum Zweck bei den Auseinandersetzungen in der .politischen Arena" sind. Nur selten wurde dies so unmißverständlich aufgezeigt, wie es der französische Außenminister George Bi- dault auf der Februar-Konferenz 1954 in Berlin tat, alserauf die Diskrepanz zwischen Worten und Taten der Kommunisten bei den Bemü- hungen um die Lösung der deutschen Frage hinwies: «Es ist vielmehr die Initiative zu Handlungen zu ergreifen, die zusammen mit der Vereinigung Deutschlands, den Beginn der Lösung der Probleme garantieren, die uns be- schäftigen . . . Im umgekehrten Falle riskieren Sie, neue Komplikationen heraufzubeschwö- ren, das heißt anders ausgedrückt, nicht den Fortschritt des Friedens, sondern lediglich die

Friedensbekenntnisse täuschen

Propaganda im Namen des Friedens zu för- dern, was nicht dasselbe ist."

Viele Menschen, besonders auch jüngere ohne die notwendige Lebenserfahrung, lassen sich durch die ständige Anrufung des Friedens täuschen. Sie verstehen es nicht, wenn Politi- ker und betroffene Menschen sich auf Rechts- titel berufen und Unrecht anklagen, und sind sogar bereit, in den Chor jener miteinzufallen, die den Einsatz für das Selbstbestimmungs- recht aller Deutschen als .friedensstörend"

anprangern. Nur so ist es zu verstehen, daß die Anwendung und Androhung brutaler Gewalt durch die Kommunisten ohne den notwendi- gen Aufschrei hingenommen werden.

In der ersten Hälfte des Jahres 1985 veröf- fentlichte die französische Zeitung ,Le Figaro"

eine umfangreiche Liste der Opfer des Kom- munismus in der Welt, die sie mit 138 633 700 Toten angab. Als Opfer in der UdSSR von 1917

Willy Brandt und Alexej Kossygin bei der Unter- zeichnung des Moskau- er Vertrages am 12. A u - gust 1970: Wurde hier der Grundstein für die .Umwandlung Europas in einen Kontinent des Friedens" (Gorbatschow) gelegt? Foto Archiv

erwähnen, nannte das .Neue Deutschland" am 13. August 1985 als Ursache für die Errichtimg der Mauer den geplanten .Einmarsch der Bun- deswehr mit klingendem Spiel durch das Brandenburger Tor". Dann hieß es, daß die Maßnahmen des 13. August 1961 vor aller Welt deutlich gemacht hätten, daß auf deut- schem Boden zwei Staaten mit unterschiedli- chen Gesellschaftssystemen bestehen, und daß die Grenzen zwischen ihnen unantastbar seien. Bereits zehn Jahre später hatte die DDR ihre .Ausblutung" überwunden und konnte die .entwickelte sozialistische Gesellschaft auf breitester Grundlage" gestalten. Es folgte ihre Aufnahme in die UNO. Wörtlich ist dann zu lesen: .Daß am 13. August 1961 der Frieden gerettet wurde, war gut für ganz Europa. W i c h - tigen Grundsätzen des Völkerrechts wurde Geltung verschafft: den Prinzipien der Sou-

ker können die Hebelwirkung des freien Teils Berlins für die kommunistische Deutschland- Politik nicht sorgfältig genug beobachten.

Niemals darf vergessen werden, daß am 17.

Mai 1972 bei der Ratifizierungsdebatte der Ostverträge im Deutschen Bundestag der Re- gierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Schütz, an die Abgeordneten appellierte:

.Sagen Sie ja zum Warschauer Vertrag, sagen Sie ja zum Moskauer Vertrag, und sagen Sie ja zum Frieden für uns alle und zu einer gesicher- ten Zukunft für Berlin."

Zum 15. Jahrestag der Unterzeichnung des Moskauer Vertrages sandte Bundespräsident Dr. Richard von Weizsäcker ein Schreiben an den Vorsitzenden des Präsidiums des Ober- sten Sowjets der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, A . A . Gromyko, in dem es hieß, daß die Bundesrepublik Deutschland

Weltkommunismus:

Bekenntnis zur Unmenschlichkeit

Propaganda und Desinformation wollen Gewalt und deutsche Teilung aufrecht erhalten

V O N Dr. HEINZ GEHLE

bis 1978 nannte sie 69700 000, in China 63000000 und in Kambodscha 2 500 000. Sie vergaß aber auch nicht 2 293 700 Deutsche, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bei der Vertreibung aus ihrer angestammten Heimat ihr Leben verloren. Diese Zahlen ins- gesamt sind fast nicht vorstellbar. Vielleicht ist dies eine Erklärung dafür, daß sie nur selten zur Kenntnis genommen werden. Ebenso ist es mit dem rücksichtslosen Überfall sowjetischer Truppen zu Weihnachten 1979 auf Afghani- stan mit den brutalen kriegerischen Handlun- gen gegen die Zivilbevölkerung bis zum heuti- gen Tage, die im weiten Blätterwald und in an- deren Medien nur ein geringes Echo finden.

Nicht wenige Menschen trösten sich damit, daß es hätte noch schlimmer kommen können.

Sie werden so direkt oder indirekt zu Helfers- helfern der Kommunisten. Sie und andere ver- drängen die Tatsache, daß wir ständig den Ernstfall erleben: die Zurückdrängung der Freiheit in der Welt. Die Freiheit wird sich aber nur behaupten, wenn freie Menschen in eine geistige Offensive gehen, Unrecht anklagen, das falsche Spiel mit der Humanität bloßstel- len und die eigene Freiheit vor denjenigen si- chern und schützen, die sie mißbrauchen.

Ein Schulbeispiel für ein Bekenntnis zur Unmenschlichkeit wurde in Kommentaren der DDR zum 13. August 1985 geboten. W ä h - rend in der freien Welt nur sporadisch daran erinnert wurde, was am 13. August 1961 in Ber- lin geschah, und die zahlreichen tragischen menschlichen Schicksale ebenso wie die Fol- gen der Mauer für Deutschland, Europa und die Welt kaum Erwähnung fanden, widmeten die Medien der DDR diesem unmenschlichen Schandmal zahlreiche Beiträge. Sie feierten es als Ausgangspunkt der Festigung ihres Staa- tes. Ohne die riesige Fluchtbewegung deut- scher Menschen aus dem Paradiesder DDR zu

veränität, der Nichteinmischung, der Unver- letzbarkeit der Grenzen. Das wiederum war eine elementare Voraussetzung für Fortschrit- te der Sache der friedlichen Koexistenz. Es kam zum Grundlagenvertrag zwischen der DDR und der BRD, zum europäischen Ver- tragswerk überhaupt und zur Schlußakte von Helsinki. Ihr wichtigstes Verdienst ist die Be- kräftigung der politisch-territorialen Realitä- tenauf unserem Kontinent, wie sie im Ergebnis des Zweiten Weltkrieges entstanden sind."

Es ist unübersehbar und interessant, daß in dieser Aufzählung das Berlin-Ultimatum Chruschtschows vom 27. November 1958, sein .FriedensVertragsentwurf für Deutschland"

vom 10. Januar 1959, der Moskauer Vertrag vom 12. August 1970 und die Folgeverträge und Abkommen fehlen. Schon in dem Frie- densvertragsentwurf wurde in Artikel 25 eine .entmilitarisierte Freie Stadt" West-Berlin an- gestrebt. Es ist deshalb von großer Bedeutung, daß der Generalsekretär des ZK der SED und Vorsitzende des Staatsrates der DDR, Erich Honecker, sich in einem Interview mit dem Chefredakteur von .Le Monde", Daniel Ver- net, am 7. Juni 1985 wie folgt auf das Berlin- Abkommen vom 3. September 1971 bezog:

.Aber glauben Sie einem, der es gut kennt, das Wort Berlin kommt darin nicht vor. Im Viersei- tigen Abkommen geht es um die Westsekto- ren von Berlin. Sonst hätte es kein Abkommen gegeben. Deshalb enthält es ausschließlich Bestimmungen über Berlin (West)."

Nie wird es an Versuchen der Kommunisten fehlen, auf die Eigenständigkeit West-Berlins hinzuweisen. Wer glaubt wirklich, daß der Einmarsch einer Delegation aus West-Berlin und ihre besondere Erwähnung bei der Schlußansprache der Weltjugendfestspiele in Moskau Ende Juli 1985 ein unbeabsichtigtes Versehen gewesen ist? Aufmerksame Politi-

auch weiterhin .den Moskauer Vertrag als Fundament für einen konstruktiven und fruchtbaren Ausbau der friedlichen Beziehun- gen zur Sowjetunion" betrachtet. Bundeskanz- ler Dr. Helmut Kohl schrieb an den Generalse- kretär des Zentralkomitees der KPdSU, M i - chael S. Gorbatschow, und an den inzwischen abgelösten Vorsitzenden des Ministerrates der UdSSR, Nikolai A . Tichonow, daß durch den Abschluß dieses Vertrages .das Vier- mächte-Abkommen vom 3. September 1971 und der KSZE-Prozeß möglich geworden"

sind. Schließlich betonte der Bundesminister des Auswärtigen, Hans-Dietrich Genscher,

Hier zeigt es sich, daß nach Ansicht der Kommunisten Fakten Bestand haben sollen, die ohne Befragung der betroffenen Menschen und unter Anwendung und wiederholter A n - drohung von Gewalt entstanden sind. Darüber können noch so häufige Betonungen des fried- lichen Charakters des Sozialismus nicht hin- wegtäuschen.

Es ist nicht überraschend, daß gerade Fran- zosen mit ihrem ausgeprägten Nationalgefühl und ihrem Humanitätsbegriff bei aller eventu- ellen Sorge für die Wiedervereinigung Deutschlands eintreten. Bei einer repräsen- tativen Umfrage des Pariser Sofres-Instituts für die linksliberale Wochenzeitschrift .Le Nouvel Observateur" im Februar 1984 ent- schieden sich nur 15 Prozent für die Ableh- nung der Wiedervereinigung, 28 Prozent spra- chen sich für sie aus, um so einen internationa- len Spannungsherd zu beseitigen. 41 Prozent meinten, die Deutschen würden sich, wenn sie die Wahl hätten, für die Wiedervereinigung entscheiden. A m 28. Juni 1985 veröffentlichte die französische Tageszeitung .Le Monde" die Ergebnisse einer Meinungsumfrage des Institut Francais de l'Opinion Publique, bei der 59 Pro- zent der Befragten betonten, daß es heute legi- tim wäre, wenn Deutschland wiedervereinigt würde. Nur 28 Prozent sahen darin eine große politische Gefahr für Europa und 27 Prozent hielten sie gefährlich für die französische Wirtschaft. Es wäre gut, wenn deutsche Ver- antwortliche und auch die veröffentlichte Meinung davon Kenntnis nähmen und vor- sichtig mit gegenteiligen Äußerungen wären, die sie pauschal auch auf andere Länder be- ziehen.

Nüchterne, vernünftige Überlegung ließ einen der führenden französischen Publizi- sten, Jean-Francois Denian, zum Jahrestag der deutschen militärischen Kapitulation 1985 in ,Le Figaro" schreiben: .Jemand außerhalb Deutschlands, genauer gesagt, jemand in Frankreich muß den Mut finden, öffentlich auszusprechen, daß die Teilung Deutschlands 40 Jahre nach dem Ende des letzten Weltkrie- ges nicht normal i s t Nicht normal und viel-

Eine Normalität kann es angesichts der Mauer nicht geben

in einem Grußtelegramm an seinen sowjeti- schen Amtskollegen, Edward A . Scheward- nadse, daß dem deutsch-sowjetischen Ver- hältnis für die Festigung des Friedens und die Zusammenarbeit in Europa .zentrale Bedeu- tung" zukommt. In den Antworten der ent- sprechenden sowjetischen Gremien ohne per- sönliche Unterschrift wurde besonders her- vorgehoben: .Von bleibender Bedeutung sind das im Vertrag festgelegte Prinzip der Unver- letzlichkeit der Grenzen aller Staaten in Euro- pa jetzt und in Zukunft..." Nur W i l l y Brandt, der die Ostverträge zu verantworten hat, er- hielt auf sein Schreiben ein persönliches Tele- gramm Michael Gorbatschows, in dem dieser betonte, daß die Sowjetunion .ein konsequen- ter Anhänger der Umwandlung Europas in einen Kontinent des Friedens" sei. Der Mos- kauer Vertrag fixiere .das wichtige Prinzip der Unverbrüchlichkeit der Grenzen aller Staaten in Europa heute und in Zukunft".

leicht gefährlich. Die Zeit ist gekommen, den Drang nach Einheit als natürlich anzusehen."

Dieser Franzose und viele andere Ausländer wissen, ohne daß es so mancher Deutsche wahrhaben will: Solange Deutschland willkür- lich in mehrere Teile zerrissen und Millionen Deutschen die Heimat genommen ist, solange nicht allen Deutschen das Recht gegeben wird, in freien Wahlen über ihr Schicksal zu ent- scheiden, bleibt es ein Hohn, von der .Norma- lität" des deutschen Problems zu sprechen und unter diesen Gegebenheiten Entspannung an- zustreben. Die Ehrlichkeit — gerade auch dem gesamten Ausland gegenüber — verlangt es, dies immer wieder festzustellen. Nur so wer- den ausländische und deutsche Politiker Wege zu einer wahren Entspannung und zum Frieden in der Welt finden. Das gilt es zu be- rücksichtigen, wenn im nächsten Jahr die Mauer in Berlin, auf die die Kommunisten so stolz sind, bereits 25 Jahre steht.

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Politik

txa C f i r m u f i m b l a l l 12. Oktober 1985 - Folge 41 - Seite 4

Mit Fernglas

und Lupe

So langweilig auch die sowjetischen Zei- tungen bekanntlich sind — wer zwischen den Zeilen zu lesen versteht, kann manches daraus entnehmen. Ab und zu stehen sogar ganz ein- deutige .Offenbarungen' in der Moskauer Presse. So in der.Iswestija" vom 18. September

1985 im Vierspalter .Zweifelhafte Analogien'.

Da erfährt man wieder einmal etwas Genaue- res über das gegenwärtige sowjetisch-chine- sische Verhältnis.

„Hegemonismus bedeutet Krieg"

Der .Iswestija"-Artikel beginnt folgender- maßen: .Der 40. Jahresgedenktag zum Ende des Zweiten Weltkrieges, der Zerschlagung des faschistischen Deutschlands und des mili- taristischen Japans wurde in der ganzen Welt als großes und wichtiges Ereignis beachtet."

Auch in China, wo der Vorsitzende des Gene- ralstabes auf einem Symposium in Peking eine Rede gehalten habe. Leider passe sie nicht zu den historischen Lehren und zur gegenwärti- gen Lage. Wörtlich wird der chinesische Gene- ralstabs-Vorsitzende mit folgender Äußerung zitiert: .In der Vergangenheit sagten wir: Fa- schismus — das bedeutet Krieg. Heute können wir sagen: Hegemonismus — das bedeutet Krieg. Die zwei Supermächte fahren in der Anhäufung ihrer Waffen und in der Kriegsvor- bereitung fort, kämpfen um die Vorherrschaft in der Welt und wurden zur Hauptgefahr für den Frieden auf der Erde.'

Die .Iswestija' ist empört darüber, daß Pe- king die UdSSR und die USA auf eine Stufe der Gefährlichkeit stelle. Wörtlich dann im Mos- kauer Regierungsblatt:.Darüber hinaus ist der Vorsitzende des chinesischen Generalstabes in seinem Kampf gegen die Gefahr der ,Su- permächte' nicht einmal ehrlich gegen sich selbst. Denn es ist gut bekannt, daß nach der Linie seines Amtes die Kontakte mit den USA

— derteinen Supermacht' laut seiner Termino- logie — eine Periode lebhafter Entwicklung erleben. Das paßt schlecht mit den Versuchen des Generalstabs-Vorsitzenden überein, die Einstellung Pekings in seinen Beziehungen zur UdSSR und zu den USA auf eine Stufe zu stellen.'

Hier hat die Moskauer Zeitung etwas richtig erkannt: Trotz verbaler Jiquidistanz' Pekings zur Sowjetunion und zu Nordamerika ist der unmittelbare Nachbar, also der sowjetische Bär, wegen seiner militärischen Präsenz und seiner Stützpunkte in Afghanistan, Indochina und der Äußeren Mongolei nach wie vor für China die unausgesprochene größere Gefahr.

Deng unbeirrt auf Reformkurs

Wie die kürzliche außerordentliche Natio- nal-Konferenz der Kommunistischen Partei Chinas gezeigt hat, geht Deng Xioaping, der 81jährige starke Mann in der Pekinger Füh- rung, unbeirrt seinen Reformkurs weiter, um das wirtschaftliche Los der eine Milliarde Menschen im Lande entscheidend zu verbes- sern. Viele alte orthodoxe Parteikader, die nichtsvon Reformen und einer sehr freien Aus- legung der kommunistischen Parteidoktrin wissen wollten, wurden abgelöst. Das Mos- kauer Politbüro fürchtet nicht zuletzt eine Wirtschaftsentwicklung im .Reich der Mitte", die starre marxistisch-leninistische Vorschrif- tenauf den Müllplatz der Geschichte wirft und den Lebensstandard in einigen Jahrzehnten deutlich anheben will. Ein Zurück zu .kapitali- stischer Ausbeutung, Ungerechtigkeit und Korruption' wird es nach Dengs Worten aller- dings nicht geben. Sollte es Peking tatsächlich gelingen, mit seinem Kurs große Erfolge zu er- ringen, dürfte sich das auf die sogenannte Drit- te Welt zwischen Ost und West stark auswir- ken.

Moskau bleibt auch unter dem neuen KP- Chef Gorbatschow in den alten ausgefahre- nen Gleisen. Nachdem schon zuvor in den Me- dien die .schöpferische Heldentat" eines Sta- chanow vor 50 Jahren gerühmt worden war, kam es zu einem in den Moskauer Blättern groß herausgestellten Treffen Gorbatschows mit Veteranen der Stachanow-Bewegung.

Hauptüberschrift dazu in der .Iswestija' vom 21. September 1985: .Hervorragend arbeiten nach Stachanow-Art'. Die Rede des jungen Parteichefs war ganz die alte Methode von Zuckerbrot und Peitsche: Lob für die Über-Er- füller des Planes; .härteres Vorgehen — auf Wunsch der Werktätigen — gegen Faulpelze'.

Erneuter Appell an den .neuen sowjetischen Menschen', Kampf gegen Schlendrian und Trunksucht. Wörtlich: .Wir wissen gut, daß eine lange, hartnäckige Arbeit bevorsteht zur Einführung der alkoholischen Enthaltsamkeit als Lebensnorm unserer Gesellschaft.' Auch im Russischen gibt es den Spruch: Neue Besen kehren gut. MarUn Jenke

Mitteldeutschland:

Vom JCther-Feind" zum Helfer der SED

Wie die Parteispitze der D D R sich die bundesdeutschen Sender nutzbar macht

Die DDR-Bewohner müssen sich beim Ra- diohören und beim Fernsehen »zwischen Freund und Feind entscheiden", wobei der

„Feind" im Westen sitzt. Denn »die Sender der DDR senden alles, was die Bürger der DDR wissen müssen". So schrieb noch vor einein- halb Jahren die militante SED-Zeitung «Der Kämpfer". Es war ein Nachhutgefecht. Denn in der letzten Zeit ist es auffallend still geworden um die Parteiprogaganda gegen westliche Rundfunk- und Fernsehstationen.

Das hat seinen Grund. Zyniker meinen, die westlichen politischen Sendungen, die Fern- sehmagazine und selbst die Nachrichten seien inzwischen so »ausgewogen", daß die SED sie nicht mehr als so gefährlich betrachtet. Ihre jahrelange Kampagne gegen Westempfang hatte die Bevölkerung nie erreicht und nur zeit- und stellenweise unter Druck setzen kön- nen. Die Glaubwürdigkeit westlicher Statio- nen nahm dadurch eher noch zu.

Und dieses Vertrauen in die vom Westen verbreiteten Informationen ist es nun, was die zuständigen SED-Funktionäre mit wachsen- der Freude erfüllen dürfte. Denn die oft negati- ven Darstellungen und Kommentierungen der Vorgänge im Westen — Arbeitslosigkeit, Ju- gendprobleme, die angebliche Unzufrieden- heit von DDR-Zuwanderern, die hohen Preise,

Kirche:

die massive Kritik an der Bonner Koalitionsre- gierung — durch die westlichen Medien macht dies alles für viele Menschen in Ost-Berlin und in der DDR besonders glaubhaft.

Die SED hat sich inzwischen gut darauf ein- gestellt. Ihre Medien liefern zunehmend Mate- rial, das die selben Themen behandelt und damit auch von den in ihrer großen Mehrzahl regimekritischen DDR-Deutschen nicht mehr so weggewischt wird wie früher. Westdeut- sche, die häufiger .die großzügigen Besuchs- und Reisemöglichkeiten" der DDR wahrneh- men, können bei manchen ihrer Gesprächs- partner erstaunliche Veränderungen feststel- len, wobei der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß keineswegs mehr alleiniges Reizwort ist.

Die politische Sympathie gehört überwie- gend weiterhin der SPD. Über Wahlsiege der C D U sind selbst viele Gegner der SED .ent- setzt" und bedauern, daß in ihrer Partei W i l l y Brandt und Helmut Schmidt keine vergleich- baren Nachfolger gefunden haben. Die Tatsa- che, daß die SED-Spitze nicht nur Strauß und Brandt hofiert, sondern auch namhafte Kapita - listen wie Beitz und Amerongen öffentlich ehrt, wird von vielen Deutschen d r ü b e n prak- tisch .verdrängt".

Politische Analytiker verfolgen jedenfalls mit zunehmender Sorge das oft unreflektierte Verhältnis der DDR-Bevölkerung g e g e n ü b e r der durch den Ä t h e r s t r ö m e n d e n westlichen Informationen. Sie halten sie weiterhin für glaubhaft, selbst wenn sie sich grundsätzlich mit der SED-Version decken. Das Publikum d r ü b e n glaubt sich auch ausreichend mit Nachrichten aus dem Westen versorgt. Dabei klingt häufig noch unterschwellig die Meinung an- W e n n das vom Westen selber schon so schlimm geschildert wird, dann ist es wahr- scheinlich tatsächlich noch viel schlimmer.

Nur selten stoßen westliche Besucher bei ihren G e s p r ä c h s p a r t n e r n auf die Einsicht, daß der westliche Journalismus Themen lieber .hochspielt" als .abwiegelt". Gerade Rundfunk und Fernsehen k ö n n e n wegen der zeitlichen Beschränkung nur den kleineren Teil der Gründe, H i n t e r g r ü n d e und Z u s a m m e n h ä n g e deutlich machen. Der Westdeutsche kann dieses Informationsdefizit durch Zeitungen und Zeitschriften decken, der Ostdeutsche nicht. Daher stehen die westlichen Sender in einer ihnen meist nicht b e w u ß t e n Verantwor- tung gegenüber den Deutschen d r ü b e n . Der Betrachter der Tagesschau in Leipzig hat einen anderen Informationsstand als sein Lands-

mann i n Hannover. wona

Appell an Eigeninitiative statt Ruf nach Staat

Diakonie-Präsident Heinz Neukamm: Gemeinden müssen stärker in die Pflicht genommen werden

.Wir dürfen nicht immer nur an die anderen, vor allem an den Staat appellieren, sondern wir müssen zuerst unsere Herzen zum Dienst bewegen". Diesen Aufruf zur Eigeninitiative hat der Präsident des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Karl-Heinz Neukamm an die Adresse der Kirchengemeinden gerichtet.

Anläßlich eines Besuchs beim Diakonischen Werk Rheinland in Düsseldorf erläuterte Neu- kamm, wie er sich die Lösung der sozialen Gegen- wartsprobleme vorstellt, die unter dem gängigen Schlagwort von .der neuen Armut" momentan in aller Munde sind. Mit seiner Überzeugung, daß Ab- hilfe hier nicht allein vom Staat zu erwarten sei, und die Kirche mit der Forderung nach der .helfenden Gemeinde" in die Pflicht genommen werden müs- se, stößt der Präsident des Diakonischen Werks in kirchlichen Kreisen nicht immer auf Gegenliebe.

Er warnte deshalb davor, das gewachsene Ver- trauen zwischen der Diakonie, also den kirchlichen Sozialdiensten, und dem Sozialstaat dadurch zu zerstören, daß die Kirche unter Berufung auf die .neue Armut" ständig «auf die Pauke haut". Die per- sönliche Not alter Menschen und .die viel zu vielen Abtreibungen" müßten vielmehr als alte Probleme einer nur nach dem Staat rufenden Gesellschaft verstanden werden.

Auf die Frage des Schwangerschaftsabbruchs angesprochen, meinte Neukamm, er persönlich halte nichts von einer gesetzlichen Änderung des Paragraphen 218, .weil sie politisch nicht durch- setzbar ist". Die Kirche müsse sich deshalb beson- ders bemühen, die Bedingungen für schwangere Frauen in Konfliktsituationen zu verbessern. Mehr Beratung für das ungeborene Leben und mehr prak-

tische Hilfe für die Famüien seien entscheidende Schritte im Kampf gegen die Abtreibung.

In diesem Zusammenhang riet der Diakonie-Prä- sident den entsprechenden Beratungsstellen nach- drücklich davon ab, sich aus der Bundesstiftung .Mutter und Kind" zurückzuziehen, deren Mittel von 50 auf 60 Millionen DM heraufgesetzt werden sollen. Er äußerte den Verdacht, daß viele Bera- tungsstellen die Bundesstiftung nur deshalb ab- lehnten, weil sie von der unionsgeführten Bundes- regierung durchgesetzt worden sei.

Die hohe Arbeitslosigkeit und die Überforderung der öffentlichen Sozialhilfe sind für Karl-Heinz Neukamm die eigentlichen Gegenwartsprobleme, die das Schlagwort von .der neuen Armut" eher verdecke als verdeutliche. Die Antwort der Kirche auf diese gesellschaftlichen Nöte müßte nach seiner Meinung die .helfende Gemeinde" sein: .Wir müs- sen wieder die eigene zupackende Hand anwenden und heilende Gemeinschaft werden, in der sich die

Haus Schlesien:

Menschen aufgenommen fühlen. Dann sparen wir auch viele Therapeuten".

Neukamm verwies in diesem Zusammenhang darauf, daß allein im Rheinland durch Zuschüsse aus Kirchenmitteln in Millionenhöhe zwölf .Fir- men" gegründet worden seien, die gezielt denen Arbeit böten, die es auf dem Arbeitsmarkt beson- ders schwer hätten. Erfreulich wäre es seiner Mei- nung nach, .wenn von den Landeskirchen ein Signal in Richtung Vorruhestand kommen würde". Zudem solle die Kirche mit ihren Doppelverdienern end- lich ein Zeichen des .notwendigen Teilens der Ar- beit" setzen.

Präsident Neukamm vertrat die Auffassung, daß die Zukunft der Diakonie in einer Konzentration der Kräfte und mehr glaubendem Dienen in den Ge- meinden läge. Ärgerlich sei es dagegen, wenn die Kirche sich in der Politik als eine Art .Oberschieds- richter" aufspiele, und viele Pastoren »die Kanzel mit dem Bundestag" verwechselten. Elke Rudat

Geburtstagsfeier für Herbert Hupka

Dr. Ottfried Hennig gratulierte für die Landsmannschaft Ostpreußen

.Der König rief, und alle, alle kamen..." So mußte das Resümee über den Empfang am 27. September 1985 zu Ehren des 70. Geburtstages des Bundesvor- sitzenden der Landsmannschaft Schlesien lauten.

Viele Schlesier waren aus nah und fern in das Haus Schlesien in Königswinter-Heisterbacherrott ge- kommen, um Herbert Hupka Reverenz zu erweisen und ihm für sein Engagement für Schlesien — nein, für seine Liebe zu Schlesien zu danken.

„Du bist doch bibelfest, Bruder Johannes; wie dem Wasser am Roten Meer?"

hat Moses das eigentlich damals gemacht mit Zeichnung aus Kölnische Rundschau

Stellvertretend für alle Schlesier gab der stellv.

Bundesvorsitzende der Landsmannschaft Schle- sien, Heinz Lorenz, der Wertschätzung und Aner- kennung, deren sich Hupka erfreut, beredten (und mit Humor gewürzten) Ausdruck und erinnerte be- sondersan seinen Werdegang in der Politik und der landsmannschaftlichen Arbeit. Zu den Gratulanten zählten Alt-Bundespräsident Professor Dr. Karl Carstens, der Bundesminister für innerdeutsche Be- ziehungen Heinrich Windelen, der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Dr. Alfred Dregger, Staatssekretär Dr. Ottfried Hennig, der Beauftragte für Vertriebene und Flüchtlinge der Katholischen Bischofskonferenz Weihbischof Gerhard Pieschl, der Apostolische Visitator für die Priester und Gläubigen der Erzdiözese Breslau Prälat Winfried König sowie Botschafter und Abgeordnete des Deutschen Bundestages und der Landtage.

Ein Höhepunkt des Empfangs war die ihm aus i^ilaß seines Geburtstages gewidmete Festschrift

»Für unser Schlesien", die ihm vom Vorsitzenden des Vereins Haus Schlesien, Dr. Klaus Ulimann, uberreicht wurde, und der auch Ministerpräsident Dr. Ernst Albrecht, Minister Heinrich Windelen, Jesuitenpater Johannes Leppich ihre Mitwirkung nicht versagt hatten.

Ministerialrat Günter Kelbel, der Präsident des Schlesischen Kreis-, Städte- und Gemeindetages, uberreichte ein Geburtstags-Geschenkbuch be- sonderer Art: Schlesische Heimatgruppen und Heimatkreisvereinigungen stellen ihren Heimat- kreis oder ihre Heimatstadt sowie sich selbst und das Patenschaftsverhältnis dar, eine Dokumenta- tion, die Hupka sehr erfreute.

A r h ^ f n6? Dankesworten versprach Hupka, in der Arbeit für Schlesien und Deutschland nicht nachzu- lassen, ein Versprechen, das nicht nur die Schlesier diesem - zwar ergrauten - aber jugendlich wir- kenden und mit Elan und Temperament versehe-

nen 70er gern glauben werden. L S

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12. Oktober 1985 — Folge 41 — Seite 5

!Ms £(lDnulimt)Iui!

A

Aus aller Welt

Juden

M e i n u n g e n Südafrika:

ANC— Bürgerrechtler oder Terroristen?

Im Westen werden auch radikale Oppositionelle gefeiert und verharmlost

Seit dem Ausbruch der schweren Unruhen und der Verhängung des Ausnahmezustandes in mehreren Provinzen Südafrikas wird die bundesdeutsche Öffentlichkeit über die Ent- wicklungen am Kap noch intensiver manipu- liert als üblich. Die Frontorganisation der kommunistischen Partei Südafrikas (SACP), der African National Congress (ANC). er- scheint neuerdings sogar als .Bürgerrechts- bewegung", selbst in einer Nachrichtensen- dung des .Senders Freies Berlin" (SFB).

Der 1964 zu lebenslangem Zuchthaus verur- teilte ANC-Führer Nelson Mandela, der sich im Verlauf seines Prozesses ebenso wie die sieben anderen Angeklagten offen zu Gewalt und Terror bekannte und dies in diesem Jahr wiederholte, erscheint in diesen Tagen als red- licher .Nationalist". Verschwiegen werden auch andere öffentliche Selbstbekenntnisse Mandelas in Wort und Schrift — darunter ein Buch mit dem vielsagenden Titel . W i e man ein guter Kommunist wird". Dabei bleibt sogar die Tatsache .unter der Decke", daß es die so oft zitierte und über jeden Verdacht der Apart- heid-Begünstigung erhabene Hilfsorganisa- tion .amnesty international" ablehnt, sich für Mandela einzusetzen.

Jedem, der sich sachlich informieren wollte, ist längst bekannt, daß der A N C eine von Kommunisten geleitete Kampforganisation ist. So wurde in der internationalen Presse ein- gehend berichtet, daß im November 1982 das frühere ZK-Mitglied der S A C P und des Natio- nalen Exekutivkomitees des A N C , Bartholo- mew Hlapane, vor einem Ausschuß des ame- rikanischen Kongresses erklärte: .Der A N C kann keinen wichtigen Beschluß ohne Zu- stimmung des Zentralkomitees der Partei fas- sen. Tatsächlich werden die meisten Initiati- ven unmittelbar vom Zentralkomitee eingelei- tet." Knapp einen Monat nach seiner Aussage vor dem Ausschuß wurden Hlapane und seine Frau in ihrer Wohnung in Soweto erschossen aufgefunden. Die tödlichen Schüsse stammten aus Sturmgewehren des sowjetischen Typs AK-47, wie die Ermittlungen ergaben.

Von den 22 Mitgliedern des A N C - E x e k u - tivkomitees sind zwölf gleichzeitig Mitglie- der der S A C P , darunter der stellvertretende ANC-Vorsitzende Josuf Dadu, der sogar Chef der S A C P ist und ANC-Generalsekretär A l - fred Nzo.

Mandela, der zusammen mit dem amtieren- den Vorsitzenden des A N C , Oliver Tambo, der kein Parteimitglied ist, eine Anwalts- kanzlei in Johannesburg betrieben hatte, hat entscheidend zur Radikalisierung des A N C in Richtung revolutionärer Marxismus-Leni- nismus beigetragen. Darüber hinaus gründete er mit dem weißen, sich ebenso offen zum Kommunismus bekennenden Rechtsanwalt Joe Slovo den militärischen Flügel des A N C , den .Umkhonto we size" (.Speer der Nation").

Slovo ist heute Generalstabschef dieser Orga- nisation.

Slovos Frau Ruth First, die von einer Brief- bombe in der mosambikischen Hauptstadt Ma-

Polen:

puto getötet wurde, war Chefideologin der S A C P . Es war die Organisation von Slovo und Mandela, die auf der Farm .Lilliesleaf" in dem Johannesburger Vorort Rivonia ein großes Materiallager zur Herstellung von Haftminen und Handgranaten angelegt hatte, deren Ent- deckung zu dem inzwischen berühmt gewor- denen .Rivonia'-Prozeß im April 1964 führte, in dem Mandela Hauptangeklagter war.

Joe Slovo, gleichzeitig Mitglied des ZK der S A C P und nach Erkenntnissen westlicher Nachrichtendienste Major des KGB, hat in einem kürzlich der .Washington Post" gege- benem Interview die Überzeugung geäußert, daß der bewaffnete Aufstand der südafrikani- schen Massen unmittelbar bevorstehe. Slovo, der offen zugibt, die meisten Bombenanschlä- ge in Südafrika in den letzten Jahren geplant, organisiert und geleitet zu haben, erstrebt als Ziel, in Südafrika eine sozialistische Gesell- schaftsordnung nach der streng orthodoxen Lehre zu errichten. Desgleichen hat auch O l i - ver Tambo in den ersten Gesprächen, die der A N C mit den Vertretern der süd-afrikani- schen Wirtschaft gegen den ausdrücklichen Willen der Regierung in Pretoria geführt hat, die Verstaatlichung der Industrie, bezie- hungsweise die Enteignung der Produktions- mittel als eines der ersten unmittelbaren Ziele des A N C genannt.

Es entspricht der von Moskau konzipierten Strategie der SACP, den Kampf gegen das Apartheid-System unmittelbar an die revolu- tionären Zielsetzungen kommunistischer Prä- gung zu binden. Die Entwicklung in Südafrika

gibt ein Schulbeispiel ab für das, was Lenin als Umwandlung der bürgerlich-freiheitlichen Revolution in Klassenkampf und proletarische Revolution nennt. Dabei werden die Frei- heitsbestrebungen der Massen entfacht, die Partei setzt sich an die Spitze der Bewegung und im richtigen Augenblick, wenn die revolu- tionäre Situation herangereift ist. gibt sie ihr die entscheidende Wende, die zur Macht- übernahme und zur Errichtung der Diktatur des Proletariats führt.

In dieser Sicht begeht man hierzulande den selben Fehler, den man einst dadurch began- gen hat, daß man Hitlers .Mein Kampf nicht rechtzeitig gelesen und ernstgenommen hat.

Und wer liest jetzt Lenin?

Es besteht nicht der geringste Zweifel daran, daß die konkrete Anwendung der Revolu- tionsdoktrin im Falle Südafrikas eine bis in die Einzelzeiten durchdachte, vorbereitete und geführte Aktion der KPdSU ist. 1976 hat der KGB-Überläufer Grigorij Glagolew, lange Zeit in der für Afrika zuständigen Abteilung tätig, darüber berichtet, daß das Politbüro schon Ende der 60er Jahre diesen Plan erörtert und beschlossen hat.

Alle diese Tatsachen finden in den bundes- deutschen Medien keinen Niederschlag. Viel mehr wird hierzulande die Figur des Bischofs Desmond Tutu hochgespielt, den selbst im Antiapartheid-Kampf engagierte südafrikani- sche Politiker, weiße und schwarze gleicher- maßen, als .Popanzfigur" betrachten und be- handeln. Aber Tutu ist ja Friedensnobelpreis-

träger, wona

Afghanistan:

Für Sowjets kein fremdes Land mehr

Alarmierende Formulierungen — Bald 16. Republik der UdSSR?

Erstmals hat eine amtliche sowjetische Zei- tung die Formulierung veröffentlicht, daß Af- ghanistan nicht mehr als .fremdes Land" ver- standen werde. Die vom Verteidigungsmini- sterium herausgegebene Militärzeitung. Kras- naja Swesda" zitierte in ihrer Ausgabe vom 5.

September eine armenische Mutter, deren Sohn in Afghanistan durch Kugeln umge- kommen sei, die sich .nicht von den bei Krupp hergestellten unterschieden*.

Laut. Krasna ja Swesda" erklärte die Mutter:

.Ich kann stolz sein, daß ich solch einen Sohn aufgezogen habe... Das Blut meines Sohnes wurde auf afghanischer Erde vergossen, wes- wegen ich sie nicht länger als fremd ansehen kann."

Zuvor waren schon im offiziellen sowjeti- schen Sprachgebrauch Formulierungen auf- getaucht, die in eine ähnliche Richtung wie- sen. Der Kampf gegen die als .Banditen" be- zeichneten afghanischen Widerstandskämp- fer wurde als .Ausdehnung der Verteidigung des Mutterlandes" bezeichnet Gleichzeitig tauchten Begriffe auf, die sonst nur auf die

Orthodoxer Pfarrer ermordet

Wo sind die Täter zu suchen? — Monatelang vertuscht

Kämpfe im .Großen Vaterländischen Krieg"

1941 — 1945 angewendet wurden wie .patrioti- sche Pflicht" statt der anfangs nach dem Ein- marsch im Dezember 1979 benutzten Formel .internationalistische Pflicht".

In ihrer Ausgabe vom 25. November ver- gangenen Jahres hatte die .Krasnaja Swesda"

schon vorgefühlt. In einem Bericht über sowje- tische Heldentaten in Afghanistan wurden Vergleiche mit dem Zweiten Weltkrieg gezo- gen. Die Sowjetsoldaten heute in Afghanistan würden so kämpfen, wie vor 40 Jahren ihre Väter und Großväter die Freiheit und Ehre .unseres großen sozialistischen Mutterlandes"

verteidigt hätten, schrieb das Blatt.

Politische Beobachter verwiesen in diesem Zusammenhang auf deutliche Sowjetisie- rungsmaßnahmen in Afghanistan. So sind etwa 50 000 junge Afghanen, darunter hunder- te achtjährige Kinder, zur Ausbildung in die Sowjetunion gebracht worden. A n den Schu- len Afghanistans wird Russisch als Pflicht- sprache gelehrt. Moskaus Botschafter in Kabul, Fikriat Tabajew, sagte, man müsse die Afghanen lehren, .sich wie gute sowjetische Bürger zu benehmen". Einige Beobachter schließen daher nicht mehr aus, daß Moskau Afghanistan zur 16. Sowjetrepublik umwan-

deln will. wo N e u e P r e s s e

Regisseur Fassbinder im Himmel

Frankfurt — . W ä r e es nicht so traurig, könnte man sich ein lustiges Bild vorstellen:

Da sitzt Fassbinder schwergewichtig auf einem Wölkchen und hält sich den Bauch vor Lachen. Er lacht und lacht. Dann stupst er sei- nen Nachban an — Boll, wen sonst — und spricht: .Junge, stell' dir das mal vor: Du schreibst dir da so ein paar Sachen auf, aus denen du mal 'n Stück machen willst. Dann legst du den Kram unerledigt zur Seite, stirbst und bist doch höchst lebendig.'... Ob die Pre- miere ein schwacher Abgang wird oder nicht, das ist egal. Denn so stark, wie das Stück vor seiner Aufführung hochgespielt worden ist, so stark kann es nie werden... Und Fassbinder wird auf dem federweißen Wölkchen sitzen und wieder laut lachen: ,Die Kunst, sich mit wenig unsterblich zu machen, das soll mir erst mal einer nachmachen."

ABENDPOST — NACHTAUSGABE

Gute Nachrichten vom Bhagwan

Frankfurt — .Die beste Meldung wohl seit langem ist die von der Bankrotterklärung des Sektengründers Bhagwan Shree Rajneesh. Er hat nun in Amerika Abschied von seiner ,Reli- | gion' genommen und seine Jünger allerorten aus der Pflicht entlassen. Leider mit einer Bü- cherverbrennung, was gerade in Deutschland traurige Erinnerungen an das wahre Wort, W o man Bücher verbrannt, verbrennt man am Ende auch Menschen' hervorruft. Immerhin wollen wir aber vorerst die frohe Botschaft vernehmen und die Hoffnung verkünden, daß wohl eine Menge junge Leute ihre Denkzellen in Bewegung setzen. Es könnte ja sein, daß sie dahinterkommen, daß Frust am Leben auf der einen Seite und ein Rattenfänger auf der ande- ren keine Basis für eine zeitgemäße Heilslehre bieten. Dazu braucht es eben doch mehr als ein buntes Tuch um den Kopf und ein Gewirr in demselben."

Nivellierung im Bildungswesen

Hamburg — .In den ersten 30 Jahren dieses Jahrhunderts holten die Deutschen die mei- sten Nobelpreise. Heute gibt es Abiturienten, die auf die Frage .Wieviel ist 11 weniger 7'ant- worten: ,6', dazu Rechtschreibfehler, daß einem graut. Wer sich nicht ordentlich aus- drücken, nicht richtig rechnen kann, kann auch nicht ordentlich denken. SPD und FDP haben uns in den 70er Jahren eine Bildungspo- litik aufgenötigt, die angeblich die Dummen klug machen sollte; in Wahrheit wurden die Klugen auf das Niveau der weniger Klugen herabgedrückt. Wenn wir nicht ganz schlicht und einfach wieder rechnen, lesen und schrei- ben lernen, wie es sich gehört, wird Goethes Wort an uns wahr: ,Weh Dir, daß Du ein Enkel bist'."

Der Mord an einem orthodoxen Geistlichen in Narew, 225 Kilometer nordöstlich von War- schau, ist mehr als drei Monate lang durch Zu- sammenspiel der Behörden, der offiziellen Medien und der regimetreuen orthodoxen Kirche geheimgehalten worden. Wie erst jetzt in Warschau bekannt wurde, hatte Pfarrer Pjotr Poplawski (41) am 15. Juni seine W o h - nung verlassen. A m 21. Juni fand man ihn in einem Wald nahe Narew tot auf.

'. Wie der Sprecher der 600 OOOköpfigen or- thodoxen Kirche Polens, Jerzy Tofiluk, in Warschau auf Anfrage westlicher Journali- sten erklärte, starb Poplawski . i n bisher uner- klärten Umständen". Der Informationsdienst des britischen Menschenrechtsgremiums .Keston College" berichtet mit Berufung auf eine .gewöhnlich sehr zuverlässige Quelle", der Gerichtsmediziner, der die Leiche obdu- zierte, sei unter Druck gesetzt worden, um einen Selbstmord zu bescheinigen.

Offenbar sei dies nicht möglich gewesen, denn die Witwe des Pfarrers, Irina, erklärte westlichen Journalisten, ihr Mann sei an

einem Baum festgebunden gefunden worden.

Der Pfarrer hatte Spuren schwerer Schläge auf dem Kopf, mehrere Stichwunden an Brust und Bauch und in seinem Mund und in den Lungen sei Erde gefunden worden.

Der Sprecher der Kirche erklärte, die poli- zeilichen Untersuchungen seien auch drei Monate nach dem Mord nicht abgeschlossen.

.Die Gläubigen und die Kirche vermeiden es jedoch, von ihm als einen Märtyrer zu spre- chen, da es sich auch um Raubmord handeln könnte."

Die polnischen Medien verschwiegen den Mord. Trotzdem war jetzt zu erfahren, daß an der Beisetzung in Narew mehrere tausend Gläubige teilgenommen haben, da Poplawski sehr beliebt gewesen sei. Pfarrer Poplawski hinterließ drei Kinder.

.Keston College" berichtet, in der Bevölke- rung, aber auch in den Reihen des orthodoxen Klerus würden Vergleiche mit dem im vergan- genen Herbst von polnischen Geheimpolizi- sten ermordeten katholischen Pfarrer Jerzy

Popieluszko gezogen. na

Wie ANDERE es sehen:

Gorbatschow bei Mitterrand Zeichnung aus

.Frankfurter Allgemeine Zeitung"

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