A K T U E L L
Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 3713. September 2002 AA2373
Fallpauschalen
Ökonomische Engpässe
Verschärfung des Facharztmangels
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ie Deutsche Gesellschaft für Chirurgie und der Be- rufsverband der Deutschen Chirurgen beurteilen pau- schalierte Entgelte für Kran- kenhäuser grundsätzlich posi- tiv. Sie sehen jedoch erhebli- chen Korrekturbedarf beim Fallpauschalengesetz. Dies teilten sie vor Journalisten in Berlin mit. Zu den Gefahren zählt nach Angaben von Prof.Dr. med. Hartwig Bauer, dem künftigen Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, und Prof. Dr.
med. Jens Witte, dem Präsi- denten des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen, bei- spielsweise der „100-Prozent- Ansatz” der in Deutschland vorgesehenen DRG-Einfüh- rung. Das heißt, alle Fachge- biete mit Ausnahme der Psy- chiatrie und Psychotherapie fallen darunter. Etwa 13 000 Krankheitsbilder mit rund
23 000 anerkannten Thera- pieverfahren würden auf 661 Fallpauschalen konzentriert, sagte Bauer. 70 Prozent der Krankenhauskosten sollen damit abgedeckt werden.
Sorge bereitet ihm auch der ständig steigende Verwal- tungsaufwand, der in Kran- kenhäusern von fünf auf sie- ben Prozent des Budgets ge- stiegen sei. Hier drohten ame- rikanische Verhältnisse mit einem Verwaltungskostenan- teil bis zu 25 Prozent. Proble- me sieht auch Dr. med. Mar- tin Siess, Klinikum rechts der Isar der Technischen Univer- sität München, bei Neu- oder Weiterentwicklungen. Die Kosten von Innovationen könnten nicht sachgerecht abgebildet werden. Gefahr sieht Prof. Dr. med. Peter Hermanek, Leiter der Bayeri- schen Arbeitsgemeinschaft für Qualitätssicherung in München, in der Weiterbil- dung von Fachärzten. „Bislang ist nicht erkennbar, dass für die Facharztweiterbildung Finanz- mittel in das Preissystem ein- kalkuliert werden.“ Fachge- sellschaft und Berufsverband fordern deshalb Gesundheits- politiker und Selbstverwal- tung auf nachzubessern.
Schizophrenie
Vorzeitiger Ausbruch bei Cannabiskonsum
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er Missbrauch illegaler Drogen, ins- besondere von Cannabis, ist bereits zurzeit des Ausbruchs einer Schizo- phrenie doppelt so häufig zu beobach- ten wie bei gesunden Personen gleichen Alters und Geschlechts aus derselben Bevölkerung. Cannabismissbrauch kann zudem die Erkrankung vorzeitig aus- lösen. Zu diesem Ergebnis kommen Heinz Häfner et al., Arbeitsgruppe Schizophrenieforschung am Zentralin- stitut für Seelische Gesundheit, Mann- heim, in einer Studie (Nervenheilkunde 2002; 4: 198–207). Die Autoren waren der Frage nachgegangen, ob Substanz- missbrauch Schizophrenie vorzeitig aus- lösen oder verursachen kann. Das Erst-erkrankungsalter bei Schizophrenie- patienten war deutlich niedriger bei denjenigen, die Drogen konsumierten, als bei Alkoholkonsumenten. Schizo- phreniepatienten ohne Substanzmiss- brauch erkrankten dagegen wesentlich später. Der Beginn des Drogenmiss- brauchs und der Erkrankung fiel si- gnifikant häufig in den gleichen Monat.
Die neurobiologisch plausible Hypo- these, dass Cannabis psychotische Sym- ptome auslöst, konnte – für die Autoren unerwartet – nicht bestätigt werden.
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annabismissbrauch beeinflusst, der Studie zufolge, den mittelfristigen Verlauf (fünf Jahre nach Erstaufnah- me) der Schizophrenie: Psychotische Symptome wie Halluzinationen, Wahn- vorstellungen sowie Denkstörungen wurden signifikant verstärkt. Negati- ve Symptome der Schizophrenie, wie Gleichgültigkeit und Abstumpfung, wur- den hingegen vermindert. Die Autorenvermuten, dass einige der Kranken Cannabis und ähnliche psychoaktive Substanzen als „dysfunktionale Co- pingstrategie“ benutzen, um die durch die Krankheit verminderte Erlebnis- fähigkeit und das unangenehme Gefühl der Abstumpfung zu mindern. Offenbar werde die Zunahme der psychotischen Symptome dafür in Kauf genommen.
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er mittelfristige Behandlungsver- lauf und der soziale Verlauf werden durch den Cannabismissbrauch ungün- stig beeinflusst, ebenfalls die Com- pliance mit antipsychotischen Medika- menten. Andere Studien belegten be- reits die verminderte Compliance bei Rehabilitationsangeboten. Die Auto- ren regen an, darüber nachzudenken, ob die erhöhte Empfänglichkeit für den Missbrauch psychoaktiver Sub- stanzen, um Erleben und Empfinden zu manipulieren, bereits vor Krankheits- ausbruch vorhanden ist. Petra Bühring AkutN
eun große Hilfsorganisa- tionen haben ein Bünd- nis für Kriseneinsätze gegrün- det. Unter dem Namen „Ak- tion Deutschland Hilft“ wol- len die Beteiligten künftig in humanitären Notlagen ihre Hilfsaktionen aufeinander ab- stimmen und gemeinsam zu Spenden aufrufen. Der Mal-teser Hilfsdienst, Die Jo- hanniter, Arbeiter-Sama- riter-Bund, Help, Arbei- terwohlfahrt, Care, Pa- ritätischer Wohlfahrts- verband,Adra und World Vision gehören der Ak- tion an. „Wir haben nicht erst bei den jetzigen Fluteinsätzen gelernt, wie wichtig ein funktionie- render Abstimmungspro- zess ist, wenn vor Ort ei- ne große Zahl von Or- ganisationen und Hilfs- kräften tätig ist. Hier- für haben wir jetzt zum ersten Mal eine zen- trale Plattform“, sagte Heribert Röhrig vom Arbei- ter-Samariter-Bund bei der Vorstellung des Zusammen- schlusses.
Das gemeinsame Spenden- konto wird unter dem Namen
„Aktion Deutschland Hilft“
bei der Bank für Sozialwirt- schaft Köln eingerichtet: Kon- to: 10 20 30, BLZ 370 205 00.
Foto:dpa (Luftaufnahme der sächsischen Stadt Grimma)
Flutkatastrophe in Deutschland: Wichtig ist die Abstimmung unter den Helfern.