A-1061
M E D I Z I N
Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 16, 23. April 1999 (45) Untersuchungen haben gezeigt, daß
für die intrazelluläre Signalübertra- gung nach der BMP-Rezeptor-Bin- dung die sogenannten Smads als Se- cond-Messenger verantwortlich sind (34). Im Rahmen der enchondralen Ossifikation kommt es innerhalb we- niger Tage zur Ausbildung von Kno- chengewebe, welches sich funktionell umbaut und blutbildendes Knochen- mark beinhaltet.
Die stärksten knochenbildenden Eigenschaften besitzen BMP-2 und BMP-7, wobei die Knochenbildung sowohl orthotop (im Knochendefekt) als auch heterotop im Muskelgewebe induziert werden kann. Toriumi und Mitarbeiter berichteten über die erfolgreiche Rekonstruktion von drei Zentimeter langen Unterkieferde- fekten in Hunden mit BMP-2 (35). Ge- genwärtige Untersuchungen konzen- trieren sich unter anderem auf die Entwicklung geeigneter Freisetzungs- systeme beziehungsweise Trägermate- rialien für die BMPs. Diese sollen zum einen resorbierbar sein, andererseits bestehen in Abhängigkeit vom Im- plantatlager unterschiedliche biome- chanische Anforderungen. Zur Zeit
werden hierfür Trägermaterialien aus bovinem Kollagen beziehungsweise boviner Kochenmatrix favorisiert.
Unsere eigenen Untersuchungen mit E.-coli-exprimiertem BMP-2 haben gezeigt, daß eine Knocheninduktion in Kombination mit fast allen kommer- ziell erhältlichen, osteokonduktiven Knochenersatzmaterialien erzielt wer- den kann (Abbildung 8). Die stärkste Knochenneubildung beobachteten wir jedoch mit pulverisierter boviner Knochenmatrix. Durch die zusätzliche Augmentation von AAA-Knochen- chips mit rekombinantem BMP kön- nen auch biomechanisch stabile Im- plantate hergestellt werden.
Die zukünftige Verfügbarkeit von gentechnisch hergestellten BMPs wird zu vollständig neuen rekonstruk- tiven Techniken führen. Im ersatzstar- ken Lagergewebe kann durch deren Implantation ortsständig neues Kno- chengewebe induziert werden. Bei er- satzschwachem oder ersatzunfähigem Transplantatlager kann BMP-indu- ziertes Knochengewebe durch intra- muskuläre Implantation zunächst de- fektfern gebildet werden, um dieses dann sekundär in freier Form oder ge-
fäßgestielt (bei Implantation in einen gestielten Muskellappen) an den Ort des Unterkieferdefektes zu verpflan- zen. Sowohl BMP-2 als BMP-7 befin- den sich bereits im Zulassungsverfah- ren. Mit einer kommerziellen Verfüg- barkeit ist innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre zu rechnen.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1999; 96: A-1054–1061 [Heft 16]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Son- derdruck beim Verfasser und über die Inter- netseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.
Anschrift der Verfasser
Prof. Dr. med. Dr. med. dent.
Jürgen F. Reuther
Priv.-Doz. Dr. med. Dr. med. dent.
Norbert R. Kübler
Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie Bayerische
Julius-Maximilians-Universität Pleicherwall 2
97070 Würzburg AKTUELL/FÜR SIE REFERIERT
Der Pathomechanismus der Acne inversa ist identisch mit dem der Acne vulgaris, daher zählt die Erkrankung zum Formenkreis der Akneerkran- kungen. Gesicht, Brust und Rücken sind kaum oder nicht betroffen, um so auffälliger die intertriginösen Areale wie Leistenbeugen, Axillen, Perigeni- talregion, Analfalte und zusätzlich Nacken und Kopfhaut. Die Acne in- versa umfaßt in ihrer vollen Ausprä- gung: Acne conglobata, oft schon aus- gebrannt und nur noch an Narben er- kennbar; abszedierende Fistelgänge in den intertriginösen Arealen; abszedie- rende Perifollikulitis und Abszesse an Nacken und Kopfhaut sowie Pilonidal- sinus in oder oberhalb der Analfalte.
Studien an Serienschnitten und insbe- sondere Exzisionsmaterial initialer Lä- sionen haben Aufschluß über die Se- quenz der Entzündung bei der Acne inversa gegeben. Der erste morpholo-
gisch faßbare Schritt ist eine Ruptur des Follikelepithels der Talgdrüsen- und Terminalhaarfollikel. Die ekkri- nen und apokrinen Schweißdrüsen werden erst später sekundär in den Entzündungsprozeß einbezogen. Das Abszeßgewebe dehnt sich aus, begün- stigt durch bakterielle Superinfektion mit gramnegativen Keimen. Der fol- genschwerste Schritt der Entzündung ist der Versuch auseinandergerissener Follikelepithelien, das Abszeßgewebe zu umschließen und zu lokalisieren.
Dadurch bilden sich epithelausgeklei- dete Gänge, die fuchsbauartig weite Teile der intertriginösen Areale durch- ziehen können. Die Acne inversa ist ei- ne schwere und selten lebensgefährli- che Erkrankung. Gefürchtete Kom- plikationen umfassen dermatogene Kontrakturen, bakterielle Meningitis, Bronchitis oder Pneumonie, systemi- sche Amyloidose und spinozelluläre
Karzinome mit Metastasierung auf dem Boden der chronischen Entzün- dung. Differentialdiagnostisch ist an Furunkel, Lymphogranuloma inguina- le, Morbus Crohn, vegetierende Pyo- dermie, Aktinomykose, Tuberculosis subcutanea et fistulosa und bei Kopf- hautbefall an tiefe Trichophytie zu den- ken. Zur Sanierung der intertriginösen Hautveränderungen stehen chirurgi- sche Maßnahmen im Vordergrund, die zur Rehabilitation und Resozialisation der oft erheblich beeinträchtigten Pati- enten führen. Systemisches Isotreti- noin, das mit großem Erfolg bei schwe- ren Akneformen wie Acne conglobata und Acne fulminans eingesetzt wird, ist bei Acne inversa nicht effektiv und wird lediglich prä- und/oder post- operativ zur Konditionierung des Ope- rationsgebietes empfohlen. jne Jansen T, Plewig G: Acne inversa. Int J Dermatol 1998; 37: 96–100.
Dr. med. Thomas Jansen, Dermatologi- sche Klinik und Poliklinik, Ludwig-Maxi- milians-Universität München, Frauenlob- straße 9–11, 80337 München.