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Archiv "Vierzig Jahre in Praxis und Haus" (04.05.1989)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

1949 1989

Vierzig Jahre

in Praxis und Haus

Walter Burkart

Hilfe des Arztes bei der Entschei- dungsfindung der Frau im Rahmen der menschlichen Reproduktion" - und daraus sollen wir nun „etwas machen"!

(Jetzt wäre eigentlich noch der Anruf fällig, mit dem jeder Redak- teur mindestens einmal in der Wo- che zu tun hat: Ein Leser hat sich über etwas geärgert, und der stellt dann die Frage: „Sind Sie eigentlich Kollege?" - Wobei man immer ver- sucht ist zu sagen: „Nein; sind Sie denn etwa Kollege?" - nämlich im journalistischen Beruf. - Man darf es ja eigentlich nicht öffentlich schrei- ben: Nicht nur sind die Eigenheiten des Arztberufes unser „täglich Brot";

sondern wir haben alle auch schon einmal ein ICrankenhaus „gerochen";

wir haben alle schon mal einen Kittel angehabt und bei einer Operation daneben gestanden; wir haben alle schon eimnal in einem Sprechzim- mer „Hand angelegt" . . . denen, die uns das ermöglicht haben, sei hier einmal gedankt. Wir werden es nie verraten, wie sie zu diesem Zweck et- wa gegen die Berufsordnung versto- ßen haben.)

Um so schmerzlicher ist für uns das Auseinanderklaffen des ärzt- lichen Handelns und der täglichen Sprache. Jeder Ärzteblatt-Redak- teur wäre froh, wenn sich mehr Au- toren der Feststellung Saint-Exup6- rys erinnern würden: „Die Sprache ist die Quelle der Mißverständnisse."

Oder soll ich noch Karl Kraus zitie- ren?: „Wenn immer alle Kommas richtig gesetzt würden, gäbe es keine Kriege!"

Und im übrigen, das muß auch einmal gesagt werden - vor allem denjenigen, denen nach ihrem gera- de gehaltenen Referat so geschmei- chelt wird, daß es „unbedingt im vol- len Wortlaut im DÄ erscheinen muß" -: Auch für das Deutsche Ärzteblatt gilt die Definition, die einmal für eine der international re- nommiertesten Medizinzeitschriften gefunden wurde: „. . wo alles, was überhaupt wert ist, gesagt zu werden, auf nicht mehr Fläche untergebracht werden muß, als dem T-Shirt eines Flohs entspricht."

Eben deswegen muß nun auch dieser (viel zu lange) Artikel hier en- den . . .

Es

ist in diesem unseren Lande immer gut, wenn man den „Spiegel" zitieren kann. Dessen Schlagzeile war, als ich zehn Jahre nach der Wie- derbegründung bei den ÄRZT- LICHEN MITTEILUNGEN anfing, diese: Opas Praxis ist tot. Opas Pra- xis war die: Sprechzimmer, Stetho- skop, Blutdruckmesser, der „klini- sche Blick" und der Rezeptblock.

Daß eine solche Art des Arztens im Zeitalter der damals beginnenden Technikgläubigkeit nicht mehr aus- reichte, war fester Bestandteil des Denkens jedes der damaligen „Spie- ger-Journalisten - und auch von uns allen. Da mußten chromblitzende Geräte her, solche zur Diagnostik wie zum Beispiel ein umfangreiches Labor mit einer ganzen Helferin da- zu, natürlich ein tolles Röntgengerät, Mikrowellen oder Reizströme, alle möglichen diagnostischen oder the- rapeutischen Apparate, und es kam mancher Unsinn hinzu - jedenfalls:

Eine Praxis, in der nicht in allen Ecken und allen Räumen die mo- dernste Technik stand, war - auch und gerade in den Augen der Patien- ten - einfach nicht auf der Höhe der Zeit. Daß die Gebührenordnungen solches Investieren honorierten, ist eine Frage für sich.

Und heute? Wir hören ununter- brochen den Ruf, ja den Schrei nach dem „guten alten Hausarzt", der sich quasi „handgreiflich" um seinen Pa- tienten kümmert, seine „Ganzheit"

erfaßt (was das auch immer sei); und die Gebührenordnungsziffern für die technischen Leistungen werden re- duziert, bis es sich fast nicht mehr lohnt, solche Geräte überhaupt an- zuschaffen . . ."

Diese Sätze waren etwa der An- fang eines Vortrages, den der Be- treuer der Rubrik „Praxis und Haus"

des Deutschen Ärzteblattes vor ei- nem halben Jahr in einer Akademie für politische Bildung vor einem Pu-

blikum zwischen 17 und 70 Alters- jahren gehalten hat. Er umfaßt nur drei Viertel der heute zu betrachten- den Zeit. Was war in dem davor lie- genden ersten Viertel alles gesche- hen!

1949 - das war das erste Jahr des Wirtschaftswunders. Noch wohl kaum ein Arzt - vor allem: kein Kas- senarzt - war in der Lage, von der

„Scheinpauschale" große Investitio- nen zu tätigen. Aber es war immer- hin möglich, die Praxis und die Woh- nung allmählich zu verbessern, weil es nicht mehr über Behörden oder Beziehungen - letzteres häufiger - ging, sondern ein Markt entstand, auf dem es mehr und mehr zuhauf reelle Angebote gab. Nach einem halben Jahrzehnt lief der Bauboom an - aus familiärer Erfahrung kann ich sagen, daß Beamte (wegen groß- zügiger Zuschüsse der Dienstherren an eine bestimmte Bausparkasse) mindestens ebensogut dran waren wie Arzte.

Rund zehn Jahre später: Der Redakteur, der heute unter anderem

„Praxis und Haus" betreut, machte eine Reise der Hans-Neuffer-Stif- tung zum Studium des britischen Staatlichen Gesundheitsdienstes mit.

Die Überschrift seines Berichtes im Deutschen Ärzteblatt: „Mit Blut- druckmesser und Stethoskop". Mit

„Opas Praxis" im Hinterkopf hatte er zu seinem größten Erstaunen fest- gestellt, daß die „General Practitio- ners" im britischen Gesundheits- dienst genau nichts anderes betrie- ben als eben - Opas alte Praxis.

Und der Redakteur wies haar- scharf nach, daß dieses natürlich ei- ne Systemfrage ist: Britanniens All- gemeinpraktiker sind wegen der

„Seelenpauschale" (heute sagen wir:

„Kopfpauschale", aber damals war es noch etwas dramatischer) über- A-1334 (86) Dt. Ärztebl. 86, Heft 18, 4. Mai 1989

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Zwei Beispiele aus dem Jahre 1974 — das ist noch gar nicht so lange her: So sah damals der modernste Arbeitsplatz für die Arzthelferin aus. Und so sehen auch heute noch viele solche Arbeitsplätze aus — aber wenn man, wie der Redakteur, der „Praxis und Haus" betreut, weni- ger die bestehenden Praxen als vielmehr die heutigen Prospekte der Praxis-Möbelhäuser kennt, dann kommt ihm ein Angebot von 1974 schon so vor, als ob es in ein Buch über die Geschichte des Designs gehört. Und, auch aus 1974, ein Bericht über einen Taschenrech- ner: „Die Miniaturisierung elektronischer Bauteile ermöglicht es, immer mehr verschiedene Funktionen in kleinen Geräten zu kombinieren." In diesem Fall: Ein Taschenrechner mit Quarzuhr, Datum und Wochentag sowie einem Wecker. Und jetzt kommt's: „Das ganze Ge- rät ist sechs mal zwölf Zentimeter groß, acht Millimeter dick und kostet noch keine hundert Mark" Heute gibt es alle diese Funktionen in einem Kugelschreiber aus dem Versandhaus für 9,80 DM ...

haupt nicht zu Investitionen in die Praxis motiviert. Alles, was etwas mehr „fachärztlich" ist, geht ohnehin zu den „Consultants" im Kranken- haus, die ebensoviel ambulante wie stationäre Tätigkeit betreiben.

Ein paar Jahre später besuchte eben dieser Redakteur einen Vetter in Nordschweden. Auch da war das Gesundheitswesen inzwischen ver- staatlicht. Der aber hatte eine ganz ordentliche Ausstattung in seiner (staatlichen) Praxis, die er zusam- men mit einem Kollegen und einem

„Turnusarzt" (sozusagen ein ärzt- licher Azubi) betrieb. „Opas Praxis"

war das nicht - nach unseren Vor- stellungen vielleicht „Papas Praxis".

Nur: Wenn man sich die dort beste- henden Umstände ansah, war das völlig logisch: Eine Gemeinschafts- praxis von zweieinhalb Allgemein- ärzten, deren Einzugsgebiet so groß war wie ganz Belgien und bei der die nächste spezialärztliche Beratung nur mit dem Flugzeug zu erreichen war - die mußte ja eine bestimmte Mindestausstattung haben. Und ob das privatwirtschaftlich zu schaffen war, das war in dieser einsamen Ge- gend im Norden Schwedens recht fraglich.

Seitdem ist der Redakteur, der im Deutschen Ärzteblatt für „Praxis und Haus" zuständig ist, in seinen Urteilen recht vorsichtig geworden.

Es gibt keinen „Normal-Standard"

für eine Praxis, auch nicht auf dem begrenzten Gebiet der Bundesrepu- blik Deutschland. Da es bei uns staatliche Vorgaben nicht gibt (ich meine damit nicht irgendwelche Richtlinien, sondern: Vorgaben für das, was einer machen will, möchte und darf), bestehen eben tausender- lei Praxen, die zu vergleichen un- möglich ist.

und Haus", so heißt die Rubrik. Sie fing, von Frau Dr. Do- rothea Bier gestaltet, im Nierentisch- Zeitalter an. Der Redakteur, der sie heute betreut, gibt freiwillig zu, daß er seinen Geschmack nicht ganz un- terdrücken kann. „Stilmöbel" (was für ein irreführender Ausdruck!) sind bei ihm noch nicht vorgekom- men. Eigentlich sollte an dieser Stel-

le eine Illustration erscheinen, die sonst nicht erschienen wäre. Aber das hat nicht geklappt: Entsprechen- des Material ist so schnell in den Pa- pierkorb gefallen, daß es, wenn man es schon mal bräuchte, „vergriffen"

ist . . .

Was zum Schluß noch einen Ex- kurs zum Thema „Ärzte-Ge- schmack" erlaubt: Den gibt est Eini- ge Beispiele:

Da war vor mehr als zwanzig Jahren eine Sitzung des Bundesärz- tekammer-Vorstandes, und der mehrfach genannte Redakteur über- sah von seinem Zimmer aus den Parkplatz. Es sind zwölf Kammer- Präsidenten. Da standen neun weiße Mercedes 280! Nur Bayerns Präsi- dent hatte natürlich einen BMW, grün, denn der weiße war eben ei- nem Unfall zum Opfer gefallen; ein anderer Präsident von einer ganz kleinen Kammer begnügte sich mit einem 220, und ein ausgeprägter In- dividualist (Prof. Fromm, Hamburg) fuhr einen englischen Daimler -

nicht mehr lange, das Ding hatte bloß Pannen, und er stieg auf (na, was wohl?) einen (weißen) Mercedes 280 um.

Zweites Beispiel: In den sechzi- ger und siebziger Jahren konnte man Arzte-Gattinnen ganz leicht erken- nen: Die meisten hatten die gleiche Frisur. Das ist heute vorbei!

Und das dritte: In den Siebzi- gern konnte man auf Kongressen die Allgemeinpraktiker ganz leicht von den (damals noch so genannten) Fachärzten unterscheiden: Die Prak- tiker trugen überwiegende weiße Rollis.

Der Redakteur, der „Praxis und Haus" betreut, bittet um Vergebung.

Aber gerade diese Rubrik, die für ihn nur eine Nebenbeschäftigung ist, bietet immer wieder überraschende Einblicke in das Leben und Weben eines Berufsstandes, der eben doch ganz eng mit dem Auf und Ab der gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung des Volkes verflochten

ist, dem er dient. ■

Dt. Ärztebl. 86, Heft 18, 4. Mai 1989 (89) A-1337

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