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Archiv "Herzglykoside und Vasodilatatoren" (16.03.1989)

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KONGRES RICHT

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Herzglykoside

und Vasodilatatoren

Neue Erkenntnisse zur Diagnose und Therapie

der Herzinsuffizienz — Hessische Internistentagung 1988

Der Stellenwert der Herzglyko- side und der Vasodilatatoren bei der Behandlung der akuten und vor al- lem bei der chronischen Herzinsuffi- zienz ist in den letzten Jahren zu ei- nem „thematischen Dauerbrenner"

in Fachzeitschriften und auf Kon- gressen geworden; auch auf der 23.

Tagung der hessischen Internisten in Fulda (4. bis 6. November 1988) wur- de hierüber lebhaft und teilweise kontrovers diskutiert.

Prof. E. Erdmann, München, setzte sich mit der Frage auseinan- der, wann die Digitalis-Therapie auch heute noch indiziert ist. Er hob hervor, daß bei der chronischen Herzinsuffizienz eine Dysfunktion der Barorezeptoren vorliegt. Wenn es gelingt, deren Sensibilität zu stei- gern, so führt dies zu einer Abnahme der als prognostisch ungünstig zu be- wertenden vermehrten Noradrena- lin-Konzentration. Durch Senkung der Füllungsdrucke kann eine ver- besserte Sensibilität der Barorezep- toren erreicht werden. Aus neueren Untersuchungen geht hervor, daß Digitalis selbst einen direkten Ein- fluß auf die Empfindlichkeit der Ba- rorezeptoren besitzt, damit läßt sich wahrscheinlich auch die Abnahme des Sympathikustonus unter einer Glykosidmedikation erklären.

Unterschiedliche

Glykosidempfindlichkeit

Ein nach Erdmann bislang zu wenig beachtetes Phänomen besteht darin, daß die Affinität der Glyko- sidrezeptoren von Mensch zu Mensch erheblich variieren kann.

Wenn ein Patient nur über relativ wenige Glykosidrezeptoren verfügt, dann wird man mit einer normalen Digitalisdosis keinen nennenswerten positiv-inotropen Effekt erzielen können. Da es andererseits Patien- ten mit hoher Affinität der Digitalis-

rezeptoren gibt, bedeutet dies, daß Herzglykoside individuell nach Wir- kung dosiert werden müssen.

Die manifeste chronische Herz- insuffizienz gilt nach wie vor als eine gesicherte Indikation für eine Digita- listherapie, und zwar auch bei der durch dilatative Kardiomyopathie oder durch eine KHK verursachten Insuffizienz. Ebenfalls unumstritte- ne Indikationen sind die tachykarde Arrhythmie infolge Vorhofflimmern

ACE-Hemmer mit Sofort- und Späteffekten

Das zunehmende Interesse, das Vasodilatatoren bei der Therapie der chronischen Herzinsuffizienz ge- funden haben, läßt sich nach den Ausführungen von Prof. H. Just, Freiburg, damit begründen, daß es mit den derzeit verfügbaren ACE- Hemmern Captopril und Enalapril zum ersten Mal gelungen ist, die Überlebenschance dieser Patienten zu verbessern. Dies wird offenbar nicht allein durch die Entlastung des erkrankten Herzens erreicht, es müs- sen hier noch andere Faktoren mit im Spiel sein.

Untersuchungen der Freiburger Arbeitsgruppe (mit dem noch in kli- nischer Prüfung befindlichen Cila- zapril) haben gezeigt, daß die Hem- mung der peripheren Noradrenalin- Freisetzung ein Charakteristikum dieser Substanzen ist. Ein weiterer Faktor ist die Verbesserung der Be- lastbarkeit, wie sie unter anderem in einer umfangreichen Captoprilstudie dokumentiert werden konnte. Hier- bei kam es während einer Behand- lungsdauer von 12 Wochen im Ver- gleich zu Placebo zu einer allmählich zunehmenden Besserung der Belast- barkeit. Dies erlaubt den Schluß, daß trotz sofortigen Erreichens eines wirksamen Plasmaspiegels die Ver- besserung der Leistungsfähigkeit nur sukzessive eintritt und daß hier

und auch das paroxysmale Vorhof- flimmern. Wenn bei einem KHK-Pa- tienten keine ausreichende kontrak- tile Herzmuskelmasse mehr vorhan- den ist, können Digitalisglykoside nicht wirksam sein, dies gilt gleicher- maßen für obstruktive Kardiomyo- pathien und auch für das Cor pul- monale. Zu den ungesicherten Indi- kationen gehört die Belastungsin- suffizienz im Stadium II. Obwohl sich Digitalis zur Prophylaxe des Vorhofflimmerns als nicht sehr er- folgreich erwiesen hat, macht eine perioperative Gabe nach Erdmann einen Sinn, weil dadurch die Herz- frequenz um etwa 10 Schläge pro Min. reduziert wird, was sich als vorteilhaft erweist, wenn es zum Auftreten von paroxysmalem Vor- hofflimmern kommt.

ein später einsetzender Effekt ex- trakardialer Natur zum Tragen kommt.

Im Einklang damit stehen Beob- achtungen der Freiburger Arbeits- gruppe, die nach Akutgabe des ACE-Hemmers Cilazapril keine Verbesserung der Durchblutung des Beines feststellen konnte, während es im Verlauf von 12 Wochen zu ei- nem Zuwachs der maximalen 0 2

-Aufnahme und zu einer vermehrten Leistungsfähigkeit der Skelettmus- kulatur kam. Dies läßt sich nach heu- tigen Erkenntnissen damit erklä- ren, daß mit der Hemmung des Renin-Aldosteron-Angiotensin-Sy- stems (RAAS) nicht nur der endo- krine Aspekt, also das zirkulierende Angiotensin beeinflußt wird, son- dern auch ein parakriner Effekt vor- handen ist, und zwar über eine Be- einflussung des RAAS, welches in den Organen und in den Gefäßwän- den repräsentiert ist. Dieser Effekt tritt aber mit Verspätung ein, des- halb darf die Therapie mit Vasodila- tatoren vom Typ der ACE-Hemmer nicht zu früh als ergebnislos abge- brochen werden.

Stufenplan für die

akute Herzinsuffizienz

Im Hinblick auf das Zielorgan Lunge ist die akute Herzinsuffizienz stets auch eine akute respiratorische A-728 (58) Dt. Ärztebl. 86, Heft 11, 16. März 1989

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Insuffizienz. Die kardiovaskulär aus- gerichtete Pharmakotherapie mit Vasodilatatoren und Diuretika wirkt auf die hämodynamischen Störungen ein und verbessert damit auch die re- spiratorische Insuffizienz. Prof. H. -P.

Schuster, Hildesheim, machte deut- lich, weshalb im allgemeinen Vasodi- latatoren vor Diuretika eingesetzt werden: Wenn man den Effekt von Furosemid mit dem von Isosorbiddi- nitrat auf den Pulmonalkapillar- druck vergleicht, so zeigt sich, daß durch beide Substanzen eine Ver- besserung der Lungenstauung und

auch der respiratorischen Funktion erreicht werden kann. Bei der zwei- ten Zielgröße, die ebenfalls beein- flußt werden soll, nämlich beim Herzminutenvolumen, gibt es einen Unterschied. Unter Nitraten steigt es etwas an, unter Diuretika nimmt es nach kurzer Zeit jedoch ab, was durch die Einschränkung des Plas- mavolumens infolge der Diurese be- dingt ist. Deshalb werden heute im allgemeinen Vasodilatatoren vor Di- uretika gestellt, diese werden dann addiert, um so das kumulierte Was- ser definitiv zu beseitigen.

Wie Schuster berichtete, weist das neue Schleifendiuretikum Pireta- nid eine dem Furosemid vergleichba- re Wirkung auf. Bei Patienten mit akuter schwerer Linksherzinsuffi- zienz und Lungenödem läßt sich da- mit neben der vom Furosemid her be- kannten starken diuretischen Wir- kung auch ein günstiger Einfluß auf den Pulmonalarteriendruck und da- mit auf die Lungenstauung erreichen.

Dr. med.

Dieter Müller-Pettenberg Herzkamper Straße la 5600 Wuppertal

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Krankheiten und Leiden

Zu dem Editorial von

Professor Dr. Dr. Rudolf Gross in Heft 47/1988

Anthropologische Medizin

In einem seiner eu-hermeneuti- schen Editorials denkt Prof. Rudolf Gross über semantische Beziehun- gen des deutschen Morphempaares Krankheit/Leiden zum englischen disease/illness nach. Für den fachge- meinsamen objektsprachlichen Hin- tergrund der hier wie dort ausgeüb- ten Medizin als Wissenschaft ist noch anzumerken: Der von Th. S.

Kuhn vorgeschlagene, im Editorial zitierte Paradigmenwechel als Vor- aussetzung für eine „revolutionäre Weiterentwicklung der Wissen- schaft" ist für die Medizin schlicht- weg irrelevant. Die Gegenstände der Medizin selbst, eben die Krankheiten mit ihren topisch und/oder systemisch vom Arzt diagnostizierbaren Sympto- men, und die Leiden, die übersyste- misch vom Patienten psychisch rea- lisiert werden, verhindern als dauernd sich wandelndes Beispiel-Erleben per se die für eine „richtige" Wissenschaft notwendigen orthologischen Grund- lagen. Das von dem Pathologen Ro- bert Rössle eingeführte Syntagmem

„Panoramawechsel der Krankheiten"

bedeutet metachron nichts anderes, als daß der Kuhnsche Paradigmen- wechsel in der Medizin systemimma- nent impliziert ist.

Es ist überhaupt wenig hilfreich, wenn wir Mediziner im Wahne, Wis- senschaft im naturwissenschaftlichen Sinne betreiben zu müssen, immer wieder fremde Theorienbildungen für unser Fach heranziehen, die letztlich nicht oder nur sehr mittel- bar auf den Menschen als somatisch- physiologisch-psychisch-mentale Da- seins-Einheit bezogen sind. Eine facheigene Philosophie als Grundla- ge für eine Epistemologie der Medi- zin ist allein über eine Ausbildung im Fach „Anthropologische Medizin"

zu erreichen. Solange ein solches Fach nicht methodisch-didaktisch ausgereift ist, sollten derartige psy- cho-linguistische Überlegungen in den Fachzeitschriften immer wieder thematisiert werden.

Dr. med. Horst Uebel Am Zaarshäuschen 24 5060 Bergisch Gladbach 1

Keine Zeit für „Leiden"

...

Ich begrüße sehr die Auffor- derung von Professor Gross, die Zu- sammenhänge von naturwissen- schaftlichen und anthropologischen Dimensionen im Kranksein „nicht nur im Prinzip zu kennen (was für die meisten Arzte auch zutrifft), son- dern auch auf den einzelnen anzu- wenden (was vielfach in der Hektik des Krankenhaus- oder Praxisbe- triebs unterlassen wird)." Empiri- sche Befunde zu diesen Unterlassun- gen gibt zum Beispiel die Münchner Follow-Up-Studie von H.-U. Witt- chen und D. v. Zerssen. Die Studie zeigt bei Hausärzten eine vielfach falsche Indikation angesichts von

D I

„Leiden" im Sinne anthropologi- schen Krankseins auf, so daß die Au- toren in einer Presseinformation (23.

September 1988) erklärten: „Keine Therapie ist oft schlecht, aber bei be- stimmten Störungen oft besser (für Patienten und gesundheitsökono- misch) als eine falsche Therapie."

Welches sind die Gründe für jene Hektik in Klinik und Praxis? Eine wissenschaftliche Untersuchung die- ser Frage aus interdisziplinärer Sicht unter Einschluß unbewußter Motive auf individueller und kollektiver Ebene wäre der Bedeutung von Kli- nik und Praxis wohl angemessen.

Was ist Hektik? Dem griechischen Wort folgend ein Festhalten am Be- stehenden aus vollem Bewußtsein subjektiv pseudo-ethischer Selbst- rechtfertigung, wenn auch die (ärzt- liche) Welt in Scherben fällt — also eine Subspezies des Topos „Aussit- zen".

Dr. med. Christoph Biermann Nervenarzt — Psychoanalyse

— Psychotherapie Paul-Löffler-Weg 7 7400 Tübingen

Schlußwort

Beiden Herren darf ich für ihre Leserbriefe danken. Sie ergänzen meine Ausführungen wesentlich. Ich habe deshalb auch nichts Weiteres

anzufügen.

Prof. Dr. med. Dr. h. c.

Rudolf Gross

Herbert-Lewin-Straße 5 5000 Köln 41

Dt. Ärztebl. 86, Heft 11, 16. März 1989 (61) A-729

Referenzen

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