A 2108 Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 107|
Heft 43|
29. Oktober 2010 Dosen von Ranibizumab und Beva-cizumab inkubiert. Jene RPE-Zellen, die Bevacizumab ausgesetzt waren, zeigten Vesikel, die mit dem Wirk- stoff angefüllt waren, was nach Ra- nibizumabgabe nicht beobachtet werden konnte. Je stärker die Anfül- lung, desto geringer die Aufnahme von Latex-Kügelchen (1 µm Durch- messer) als Marker der Phagozyto- seaktivität (1). Dies wird als ein Hin- weis gewertet, dass die Fähigkeit des RPE zur Phagozytose nach Bevaci- zumab-Exposition herabgesetzt ist, was sich klinisch in einer reduzier- ten Sensitivität der Netzhaut äußern würde. Eine neuere Untersuchung hat nun einen weiteren, bislang nicht bekannten Effekt der VEGF-Anta-
gonisten auf das RPE festgestellt: sie vermögen die tight junctions zwi- schen den RPE-Zellen aufzulösen.
Unter Bevacizumab war die dadurch erhöhte Zellpermeabilität wesentlich länger nachweisbar als unter Ranibi- zumab, nämlich bis zu 9 Tage (2).
Fazit: Die klinischen Auswirkungen einer möglicherweise nach Ranibi- zumabgabe reduzierten Phagozyto- seaktivität des RPE sind noch nicht erforscht, doch sind die Ergebnisse für Roider ein weiterer Hinweis da- für, dass die eigentliche intrazellulä- ren Wirkmechanismen der VEGF- Inhibition nach wie vor nicht ent- schlüsselt sind; der lang andauernde Effekt des Bevacizumab spricht
eher dagegen, dass es sich bei der Therapie um einen reinen Antikör- pereffekt handelt, wie zunächst ver- mutet. Roider unterstreicht, das man es trotz gleicher Applikationsweise (Injektion in den Glaskörper) und vergleichbaren Visusstabilisierungen und gelegentlich auch -verbesserun- gen mit zwei völlig unterschied- lich wirkenden Substanzen zu tun hat. Ronald D. Gerste
1. Klettner A et al.: Intracellular bevacizumab reduces phagocytotic uptake in RPE cells.
Graefes Arch Clin Exp Ophthalmology 2010; 248: 819–24.
2. Miura Y et. al.: VEGF-Antagonists decrease barrier function of retinal pigment epithelium in vitro. Invest Ophthalmol Vis Sci 2010, 51:
4848–55
Patienten mit Vorhofflimmern und weiteren Risikofaktoren für Schlag- anfälle profitieren von einer Anti- koagulation mit oralen Vitamin- K-Antagonisten. Die Therapie er- fordert aber regelmäßige Gerinnun- gunskontrollen mit Dosisanpassun- gen, ein relevantes Blutungsrisiko bleibt. Mit dem direkten Thrombin - inhibitor Dabigatran lässt sich die Zahl von Schlaganfällen und Blu- tungskomplikationen im Vergleich zu Warfarin reduzieren, ohne regel- mäßige Gerinnungskontrollen. Das hatte die von Boehringer Ingelheim finanzierte RE-LY-Studie (Rando- mized Evaluation of Long-term An- ticoagulation Therapy, n=18 113) ergeben (1). Nun wurde in einer Post-hoc-Analyse ein möglicher
Zusammenhang zwischen der Überlegenheit von Dabigatran und der Qualität der INR-Kontrolle im Warfarin-Arm untersucht (2).
Dazu wurde für jedes Zentrum (n = 951) der durchschnittliche Pro- zentsatz der Warfarin-Therapiezeit errechnet, in dem der INR-Wert im Zielbereich zwischen 2,0 und 3,0 gelegen hatte. Diese Prozentsätze wurden in Quartile unterteilt (Ta- belle). Es zeigte sich: Der Vorteil von Dabigatran (110 und 150 mg zweimal täglich) gegenüber Warfa- rin bei der Verhinderung von Schlaganfällen, systemischen Em- bolien und intrakraniellen Blutun- gen hing nicht von der Qualität der INR-Kontrolle ab. Hingegen wurde mit der höheren Dosierung von
Dabigatran die Häufigkeit aller schweren Blutungen (wie intrakra- nielle und gastrointestinale) umso stärker reduziert, je schlechter die INR-Kontrolle war (p = 0,03 für die Interaktion zwischen Effekt und INR-Kontrolle). Beide Dosierun- gen verhinderten bei schlechter, nicht jedoch bei guter INR-Kontrol- le kardiovaskuläre Ereignisse. Die Reduktion der Mortalität war nicht ganz signifikant von der INR-Kon- trolle abhängig (p = 0,066 für 110 bzw. p = 0,052 für 150 mg).
Fazit: Lokale Behandlungsstan- dards haben Einfluss darauf, wie groß der Nutzen neuer Therapien ist: Für Prof. Dr. med. Hans-Chris- toph Diener (Essen) bedeuten diese Ergebnisse, dass man einen Patien- ten, der mit einem Vitamin-K-Anta- gonisten auf eine stabile INR zwi- schen 2,0 und 3,0 eingestellt ist, derzeit nicht umstellen müsste. De- novo-Patienten und solche mit schwankenden INR-Werten würde er jedoch mit Dabigatran behan-
deln. Josef Gulden
1. Connolly SJ et al.: Dabigatran versus warfarin in patients with atrial fibrillation.
NEJM 2009; 361: 1139–51.
2. Wallentin L et al.: Efficacy and safety of dabigatran compared with warfarin at different levels of international normalised ratio control for stroke prevention in atrial fibrillation: an analysis of the RE-LY trial.
Lancet 2010; 376: 975–83.
SCHLAGANFALLRISIKO BEI VORHOFFLIMMERN
Vorteil von Thrombininhibitor teilweise von INR-Kontrolle abhängig
TABELLE
Schlaganfall und systemische Embolien in Abhängigkeit von der Qualität der Gerinnungskontrolle
Quelle:modifiziert nach Lancet 2010; 376: 975-83 Zeitanteil
der INR im Zielbereich (Quartilen)
< 57,1 % 57,1–65,5 % 65,5–72,6 %
> 72,6 %
110 mg Dabigatran
Patienten (n)
1497 1524 1474 1482
Rate/100 Personen- jahre 1 91 1,67 1,34 1,23
150 mg Dabigatran
Patienten (n)
1509 1526 1484 1514
Rate/100 Personen -
jahre 1,10 1,04 1,04 1,27
Warfarin
Patienten (n)
1504 1514 1487 1509
Rate/100 Personen- jahre 1,92 2,06 1,51 1,34
110 mg Dabigatran vs. Warfarin Hazard Ratio (95%
KonfidenzintervalI)
1,00 (0,68–1,45) 0,81 (0,56–1,17) 0,89 (0,58–1,36) 0,92 (0,59–1,45)
150 mg Dabigatran vs. Warfarin Hazard Ratio (95%
Konfidenzintervall)
0,57 (0,37–0,88) 0,50 (0,33–0,77) 0,69 (0,44–1,09) 0,95 (0, 61–1,48)