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Archiv "Koalitionsvereinbarung: Fürjeden etwas und immer noch zu wenig" (31.01.1991)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Koalitionsvereinbaren

Begehrlicher Blick auf die Einsparpotentiale

Iah MIR

Mit drei Sätzen gedenken die Koalitionsparteien der sogenannten Gesundheitsreform: „Das Gesund- heits-Reformgesetz ist zügig weiter umzusetzen. Das gilt insbesondere für die von der Selbstverwaltung zu erschließenden weiteren Einsparpo- tentiale, vor allem durch Festbeträ- ge, Richtgrößen und Wirtschaftlich- keitsprüfungen. Auch in diesem Zu- sammenhang sollen, wie bei der Be- schlußfassung über das Gesundheits- Reformgesetz angekündigt, dessen Auswirkungen geprüft sowie not- wendigen Anpassungen Rechnung getragen werden."

Die Aussagen zeugen noch vom Blümschen Geist, obwohl Norbert Blüm nach augenblicklichem Stand nicht mehr für die Fortführung seiner Gesundheitsreform zuständig sein soll. Das wird Sache von Gerda Has- selfeldt, der früheren Bau- und nun- mehrigen Gesundheitsministerin, sein. Auf Blüm, der mit der Gesund- heitsreform weitgehend identifiziert wurde, muß die Weitergabe der Ab- teilung Krankenversicherung wie eine Zurechtweisung wirken. Immerhin, mit der Pflegeversicherung winken ihm neue Aufgaben. Wenn er freilich an seiner Absicht, die Pflegeversiche- rung unter dem Dach der Kranken- versicherung anzusiedeln, festhalten will, wird er sich mit der CSU-Kollegin auseinanderzusetzen haben.

Die hat von ihrer Vorgängerin eine weitere Erblast übernommen -

das Versprechen, das Berufsbild des psychologischen Psychotherapeuten gesetzlich zu regeln. Die Koalitions- vereinbarung bekräftigt die umstrit- tenen Eckpunkte, die die Koalitions- fraktionen nicht vor Schluß der Le- gislaturperiode ausgearbeitet hatten.

Die Koalitionsvereinbarung ist von Bundesärztekammer und Kas- senärztlicher Bundesvereinigung mit Enttäuschung aufgenommen wor- den. BÄK-Präsident Dr. Karsten Vilmar kritisierte in einer ersten Stellungnahme, die Aussagen zur

„Gesundheitsreform" seien einseitig auf die Einsparpotentiale abgestellt, sie zeugten von Reglementierung und Dirigismus. Nach Auffassung des KBV-Vorsitzenden Dr. Ulrich Oesingmann wurde die Chance, deutliche Signale für eine Struktur- verbesserung in der Krankenversi- cherung zu setzen und die Freiberuf- lichkeit des Kassenarztes zu sichern, vertan.

Fügen wir, noch hoffnungsvoll, hinzu . einstweilen. Die Koalitions- vereinbarung muß ja nicht das letzte Wort dieser Regierung sein. NJ

Familienpolitik: sozial- flankierende Maßnahmen

Die (Neu-)Regelung des Para- graphen 218 wurde von den Koaliti- onspartnern zunächst zurückgestellt;

der Streit um die von der FDP gefor- derte Fristenlösung soll so lange ru- hen, bis im kommenden Jahr die Richter über eine bayerische Nor-

menkontrollklage entschieden ha- ben.

Einig waren sich Union und Li- berale jedoch in der Notwendigkeit von „sozial flankierenden Maßnah- men zur Verbesserung der sozialen Hilfen im Schwangerschaftskonflikt und zur Förderung einer kinder- freundlichen Umwelt". So wird die Zahlung des Erziehungsgeldes, ver- bunden mit Erziehungsurlaub und Beschäftigungsgarantie, ab 1993 auf 24 Monate verlängert. Die Länder werden aufgefordert, ein Landeser- ziehungsgeld zu gewährleisten, so daß der Erziehungsurlaub mit Be- schäftigungsgarantie zum 1. Januar 1992 auf drei Jahre ausgeweitet wird.

Kinderbetreuungskosten sollen ab 1994 bis zu 18 000 DM steuerlich ab- setzbar sein.

Durch die Einrichtung zusätzli- cher Kindergartenplätze will der Bund in Zusammenarbeit mit den Ländern einen Anspruch auf Kin- dergartenerziehung ermöglichen.

Notwendig sei außerdem ein be- darfsgerechtes Betreuungsangebot für Kinder unter drei Jahren.

Der Anspruch auf Freistellung von der Arbeit zur Pflege kranker Kinder ist von bisher fünf auf künftig zehn Tage für jeden Ehepartner oder 20 Tage für Alleinerziehende zu erweitern; die Altersgrenze der zu pflegenden Kinder wird allgemein auf zwölf Jahre angehoben.

Der Kinderfreibetrag wird für das erste Kind auf rund 2400 DM und für weitere Kinder in entspre- chend geringerem Maße erhöht. Das Kindergeld sei mit Rücksicht auf die neuen Bundesländer unverzichtbar, da Kinderfreibeträge von den mei- sten Familien nicht genutzt werden könnten. Ab 1992 wird das Erstkin- dergeld auf 70 DM erhöht. Der steu- erliche Kinderfreibetrag sei auf ei- nen Betrag anzuheben, der zusam- men mit dem Kindergeld das Exi- stenzminimum sichert.

Die Leistungen des Arbeitsför- derungsgesetzes für Frauen nach der sogenannten Familienphase seien dahingehend zu verbessern, daß au- ßer der Erziehungstätigkeit auch die Pflegetätigkeit anerkannt wird. Zur Wiedereingliederung von Pflegekräf- ten soll im Rahmen des Arbeits- förderungsgesetzes ein Sonderpro-

Fürjeden etwas und immer noch zuwenig

Die zähen Verhandlungen um die Koalitionsvereinbarung zwischen CDU, FDP und CSU deuten darauf hin, daß die kommende Bundes- regierung es mit den eigenen Leuten schwer haben wird. Eine kom- fortable Mehrheit bürgt eben nicht für einfaches Regieren. Die Ko- alitionsvereinbarung ist dick und detailreich. Und dennoch: Umstrit- tene Punkte bleiben außen vor, so die Themen § 218 und Pflegever- sicherung. Nachstehend eine kurzgefaßte Übersicht über gesund- heits- und sozialpolitisch und ökologisch relevante Aussagen.

Dt. Ärztebl. 88, Heft 5, 31. Januar 1991 (19) A-275

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gramm der Bundesregierung ge- schaffen werden. Die Bonner Koali- tion hat die Entscheidung über den Paragraphen 218 zwar vertagt, sie steht jedoch weiterhin unter Zug- zwang, denn der Einigungsvertrag sieht eine einheitliche Lösung bis Ende nächsten Jahres vor. Die in den Koalitionsvereinbarungen vor- gesehenen familienpolitischen Lei- stungen gehen aber auf jeden Fall davon aus, daß die bisherigen sozia-

Umweltpolitik: privates Kapital und Ökobilanzen

Ursprünglich „grüne" Themen gedeihen inzwischen auf ihre Weise auch in einem CDU-CSU-FDP-Ko- alitionspapier.

Doch es beginnt eher konserva- tiv: In der Energiepolitik (Kohle, Erdgas, Kernenergie) bleibt im we- sentlichen alles, wie es ist.

Deutlicher werden die Koalitio- näre beim Kohlendioxyd: Ziel ist es, die CO 2-Belastung bis zum Jahre 2005 um 25 bis 30 Prozent zu redu- zieren. Der CO 2-Ausstoß soll durch eine „restverschmutzungs-abhängi- ge" CO2-Abgabe belastet werden, deren Aufkommen für den Umwelt- schutz zu verwenden ist.

Im Kapitel „Verkehrspolitik"

kommt an erster Stelle die Eisen- bahn — allerdings etwas aus dem Ne- bel: Ausbau und Entwicklung dieses Verkehrsmittels müßten nachdrück- lich gefördert werden, wesentliche Elemente: Die Trennung von Fahr- weg und Betrieb sowie „eine unter- nehmerische Fortentwicklung der Bahnen". Außerdem sollen für den gesamten Bereich der Verkehrswege neue Geldquellen durch den ver- stärkten Einsatz von privatem Kapi- tal erschlossen werden.

Am detailliertesten sind jene Absprachen zum Thema Umwelt, die im eigens dazu verfaßten Kapitel ste- hen. Maxime der Umweltpolitik ist:

nachhaltige Nutzung des Eigeninter- esses der Betroffenen als Grundprin- zip marktwirtschaftlichen Denkens und deshalb der Einsatz wirtschaft- lich wirkender Instrumente. Wichti- ges Einzelvorhaben ist die Novellie- rung des Abfallgesetzes durch:

len Hilfen für schwangere Frauen in Notlagen nicht ausreichten, wodurch vielen die Bereitschaft zum Kind er- schwert oder sogar unmöglich ge- macht wurde.

Eine nicht ganz neue Erkennt- nis, hatte doch das Bundesverfas- sungsgericht schon 1975 gefordert, daß vor der Strafandrohung „sozial- politische und fürsorgerische Mittel zur Sicherung des werdenden Le- bens einzusetzen" seien. Kli

• Vermeidungs- und Verwer- tungsgebote,

• Aufstellung von Ökobilanzen zur Bewertung von Produkten und Stoffen,

• Festlegung von Rücknahme- und Pfandpflichten, Stabilisierung von Mehrwegsystemen,

• Kennzeichnungspflichten für schadstoffhaltige Produkte.

Auch die Umweltverträglichkeit von Fahrzeugen will die neue Koali- tion verbessern: Die Kraftfahrzeug- Steuer soll in eine Schadstoffsteuer

„mit starker Spreizung und CO 2 -Komponente" umgewandelt werden.

Kurz: Eine Fülle sinnvoll klingender Vorschläge, zu denen ein Slogan paßt, der einmal für Beton ausge- wählt wurde: „Es kommt drauf an, was man draus macht." th

Organisationsreform, Krankenhaus: Laue Luft

Eher wie Selbstgänger lesen sich jene Postulate der Koalitionsverein-

barung, die sich mit der Pflege, ins- besondere der Altenpflege befassen:

„Ein bundeseinheitliches Altenpfle- gegesetz ist anzustreben. Den Pfle- gekräften sind Qualifizierungs- und Aufstiegsmöglichkeiten zu eröffnen.

Die Umschulung in die Berufe der Alten- und Krankenpflege soll ver- stärkt und gefördert werden." Ein Pflegesicherungsgesetz soll bis zum 1. Juni 1992 vorgelegt werden. Kärr- nerarbeit ist gefordert, um das Ge- sundheitswesen der ehemaligen DDR zu erneuern und möglichst kurzfristig auf West-Niveau herauf- zuschleusen. Allein um den Erneue- rungs- und Investitions-Bedarf der

440 Krankenhäuser in den neuen Bundesländern zu erfüllen, müßten in den nächsten zehn Jahren rund 35 Milliarden DM bereitgestellt wer- den. Weil in den öffentlichen Kassen ständig Ebbe herrscht, baut die Ko- alition vor, indem sie dazu animiert,

„vorrangig auch die Mittel des Ge- meindekreditprogramms" im Kran- kenhaussektor zu verwenden und die

„Einwerbung privaten Investitions- kapitals" zu unterstützen.

Bei der Problemfülle, die sich aus der Erneuerung des abgewirt- schafteten Ex-DDR-Gesundheitswe- sens ergibt, scheint die Reform der Organisations- und Finanzstruktu- ren in der gesetzlichen Krankenver- sicherung (GKV) in den Hinter- grund zu rücken.

Unter der Flagge „Organisati- onsreform" segeln zwei Vorhaben:

—Erweiterung der Kassenwahl- freiheit unter Wahrung des gegebe- nen gegliederten Systems und

—Reduzierung von strukturell bedingten Beitragssatzunterschieden (bei Ablehnung eines kassenarten- übergreifenden Finanzausgleichs).

Wer erwartet hatte, daß der lei- stungs- und ausgabenexpansive Sek- tor Krankenhäuser an die Kandare genommen und das Finanzierungs- recht erneut, und zwar von Grund auf, revidiert wird, sieht sich ent- täuscht. Hier: nur ein laues Müt- chen. Das 1985/86 revidierte Finan- zierungsrecht soll nur partiell weiter- entwickelt, mehr marktwirtschaftli- che Elemente sollen eingebaut wer- den. Die Parole von einer besseren Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung ist erneut hoch im Kurs . . .

Ein Lichtblick: Künftig sollen sich die Personalanhaltszahlen nicht mehr nach dem „mitternachtswar- men Bett" richten. Vielmehr sollen belastungsorientierte (zeit-/arbeits- intensiv orientierte) Anhaltszahlen für die pflegerischen Tätigkeiten durch den Verordnungsgeber entwickelt werden. Wie die annähernd 20 000 Fehlstellen im Klinikärztebereich ab- gebaut werden können, davon kein Sterbenswörtchen. Der bereits seit Anfang der achtziger Jahre anhalten- de Streit um bessere Anhaltszahlen auch im ärztlichen Dienst geht also unvermindert weiter . . . HC A-276 (20) Dt. Ärztebl. 88, Heft 5, 31. Januar 1991

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