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Archiv "Medizinethik: Sorge nimmt tragisch-komische Züge an" (22.05.1998)

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A-1272 (8) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 21, 22. Mai 1998

S P E K T R U M LESERBRIEFE

nicht die bösen Menschen, die habgierig sind.

Klaus Mahler, Preußenallee 34, 14052 Berlin

Mehr öffentliche Diskussion

Vielen Dank für Ihren an- regenden Beitrag „im Jahr- zehnt der Verunsicherung“.

Der philosophische Vor- schlag eines Paradigmen- wechsels hin zur Besonnen- heit in der Medizin ist sicher- lich überfällig. Wenn er denn nur rasch über die Fachgesell- schaften in Qualitätsstan- dards umgesetzt würde.

Wenn sich dann auch noch der Berufsstand der Juristen zum Mithandeln entschlie- ßen würde. Wenn die Sozial- politiker die notwendige Zi- vilcourage zur notwendigen Rahmenstrukturierung auf- bringen würden.

Ich wünsche mir darüber nur noch eine öffentliche Diskussion, nicht nur im DÄ, sondern in den maßgeb- lichen, meinungsbildenden Medien, denn nur dann erle- ben wir im nächsten Jahrtau- send das Zeitalter von Beson- nenheit und Maß anstelle von Aggression ob des Scheiterns des allseits propagierten und ausgelebten Hedonismus.

Dr. med. R. Gommann, Voß- straße 49, 47574 Goch

Sorge nimmt tragisch- komische Züge an

Auch wenn die Argumen- tationsfigur der Knappheit gesellschaftlicher Ressourcen aus Philosophenmunde nicht weniger ideologieverdächtig bleibt als ihr Mißbrauch in den bekannten politischen Begründungen restriktiver Maßnahmen, bleibt die Zita- tensammlung aus dem Schatzkästlein der Sophrosy- nen bedenkenswert. Es fehlte dabei der Verweis auf I. Il- lichs bekannte Kritik: „Daß die Sorge des medizingesät- tigten Wohlstandsbürgers um seine Gesundheit zu den größten Gefahrenquellen ge-

worden ist.“ Jene Sorge, die vielleicht zu den folgenreich- sten Infektionen mit dem Keim der Pleonexie gehört.

Über den Surrogatcharakter dieser Art von Sorge, als Per- vertierung des Begriffes von Heil, als transzendente Größe nachzudenken ist we- niger aus ökonomischen, denn aus sittlichen Gründen geboten.

In Anbetracht des Ge- sundheitszustands der Armen dieser Welt, deren medizini- sche Ressourcen in „sophro- synischer Versonnenheit“

übergangen werden, nimmt die Sorge um Begrenzung der Ressourcen hier tragisch-ko- mische Züge an . . .

Dr. med. Rainer Baden, Dia- konie Stetten e.V., Devizes- straße 4, 71332 Waiblingen

Skepsis bei Vertrauen in den Markt

Ob der antikisierte Blick Höffes auf die Tugenden zwi- schen „Unersättlichkeit“ und

„Mäßigung“ hinreicht, die komplexe Sachfrage der Verteilungsgerechtigkeit mit der wünschenswerten Tiefen- schärfe zu erfassen, steht da- hin. Denn ihr Umrißcharak- ter erfuhr unter der Führung des „Protestantischen Gei- stes“ eine ambitendente Zu- spitzung, wie sie ökonomiehi- storisch Max Weber im Blick auf den „Geist des Kapitalis- mus“ untersuchte. Die Tu- gend des leistungsbezogenen, zweckrationalen Maßhaltens triumphierte im okzidentalen Wirtschaften, so daß sie – ab- gelöst von ihrer religiösen Motivation – im Markthabi- tus mit der Tendenz zur al- leinigen innerweltlichen Be- reicherung übereinkommen konnte. Diese paradoxe In- dienstnahme der asketischen Lebensführung – auch für das medizinische Wirtschaften – läßt zweifeln, ob sie als via re- gia aus der Ressourcen- knappheit zu empfehlen ist.

Zudem stimmt das ungebro- chene Vertrauen des Denkers vom Fach auf den sich selbst ausbalancierenden Markt an- gesichts der Langzeitarbeits-

losigkeit skeptisch, wie auch der „konstruktive Vorschlag“

des „Prinzip[s] Freiheit“ ob der begrenzten Kontextana- lyse nur dem glücklichen Zu- fall – oder verdienten Schick- sal – des Langzeitarbeitstäti- gen gefallen darf.

Matthias Bormuth, Garten- straße 175, 72074 Tübingen

Zur Ungerechtigkeit tendierende Elitisierung

Höffes diskussionswürdi- ge gesundheitspolitische Dia- gnosen und Therapievor- schläge sind eingebettet in problematische Präsupposi- tionen: Was er gesundheits- politisch zu analysieren an- mahnt, hat er weder sozial- noch bildungspolitisch be- dacht: Ressourcenknappheit.

Bedingungsmöglichkeit und nicht nur nachträgliche Kor- rektur der Verhältnisbestim- mung von Freiheit und Gleichheit und damit der Ge- rechtigkeit ist die Teilhabe, das heißt die Zugangschance zu (nicht nur politischen, son- dern auch sozialen) Ressour- cen. Nur wenn sie gewährlei- stet wird, kann sich der ein- zelne qualifiziert zwischen Freiheit und Gleichheit ent- scheiden. Bevor Teilhabe nicht thematisiert wird, ist al- le Rede vom Vorrang der Freiheit und der Tauschge- rechtigkeit nicht vom Vor- wurf einer zur Ungerechtig- keit tendierenden Elitisie- rung freizusprechen. Beson- nenheit allein wird weder die Ressourcenknappheit behe- ben noch den Weg in die Zweiklassenmedizin aufhal- ten.

Peter Dabrock, Ruhr-Uni- versität Bochum, 44780 Bo- chum

Schlußwort

Eine vernünftige Knapp- heitspolitik fällt der profes- sionellen Politik aus dem ein- fachen Grund schwer, daß sich ihr Auftraggeber und Souverän, der Bürger, selber schwer tut. Nach wenigen Jahrzehnten wirtschaftlicher

Blüte hat er die Einsicht ver- drängt, daß die Knappheit zur Conditio humana gehört und daher nach zwei Grundhal- tungen (Tugenden: aretai) verlangt, die wir seit der Anti- ke kennen: Die Besonnenheit tritt der ausufernden Begehr- lichkeit (pleonexia) entgegen, und die Gerechtigkeit dem Sozialdarwinismus (zu Dr.

Raitzig), da sie jene Knapp- heit, die auch nach Korrektur mancher „Fehlverwendung“

zurückbleibt (zu Herrn Mah- ler), nach Maßgabe einer zwangsbefugten Moral (und nicht freiwilliger Mehrlei- stungen) bewältigt.

Weil die heutige Knapp- heit nicht bloß anthropologi- sche, sondern auch zeitspezi- fische Ursachen hat, erliegt meine Diagnose nicht, wie Herr Bormuth befürchtet, ei- nem „antikisierten Blick“.

Im übrigen ist es schön, daß die humanistische Bil- dung lebendig bleibt. Das von Dr. Seemann genannte apeiron derphysisspielt aber in Platons und Aristoteles’

Ethik keine Rolle, und da die Sache der Tugend eingeführt ist und der Stoiker-Hinweis an meiner Diagnose nichts ändert, erweist sich das selbstauferlegte Weiterlese- verbot als überflüssig. Und Aristoteles’ Metaphysik,ihre Einleitungskapitel und die Schlußkapitel der Nikoma- chischen Ethik geben in der Tat dem nutzenfreien Wissen den Vorrang vor der prakti- schen Philosophie (zu Dr.

Laux).

Nicht nur in der Medizin besteht die Neigung, das hier- zulande herrschende An- spruchsniveau für schlicht ge- rechtigkeitsgeboten zu hal- ten.

Der Ländervergleich mahnt zur Vorsicht. Wenn in den USA auf die entspre- chende Einwohnerzahl gut vier, bei uns aber gut zehn Betten kommen, so kann man schwerlich jede kleinste Re- duktion schon als Gerechtig- keitsverstoß brandmarken.

Im übrigen darf man nicht übersehen, daß für die Ge- sundheit außer genetischen Vorgaben sowohl soziale als

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S P E K T R U M LESERBRIEFE

auch persönliche Faktoren zuständig sind. Infolgedessen ist die Gesundheit nur teil- weise ein öffentliches, teil- weise aber auch ein privates Gut, und dem mündigen Bür- ger stehen eigene Entschei- dungsbefugnisse zu, die ihm ein ausufernder Fürsorge- staat gern verwehrt. Das aus mündiger Entscheidungsfrei- heit resultierende Mehrstu- fenmodell der Krankenversi- cherung darf man nicht mit dem „Totschlagwort“ Zwei- klassenmedizin abtun (Herr Dabrock). Die höheren Stu- fen können nämlich das bis- herige Maß, gewisse Lohn- prozente, beibehalten. Jeder Bürger soll aber unterschei- den dürfen, was ihm die Ge- sundheit wert ist, wert an ge- sundheitsbewußter Lebens- führung und an prozentualer Beitragshöhe.

Eine nüchterne Diskussi- on, deren die Knappheitsfra- ge endlich bedarf, muß für ak- tuelle Gefahren offenbleiben:

daß die Übermacht der Dia- gnostik fast jeden Gesunden als krank definieren kann, daß eine Zunahme attrakti- ver Nischenmedizin droht, ferner eine Dominanz kurz- fristiger Behandlungserfolge über den langfristigen Ge- sundheitserfolg.

Prof. Dr. phil. Otfried Höffe

Alkohol

Zu dem Medizin-Kongreßbericht „Ge- sundheitliche Vorteile durch mäßigen Konsum alkoholischer Getränke?“

von Prof. Dr. med. Reinhold Kluthe und Dipl.-Oecotroph. Rainer Thimmel M.P.H., in Heft 7/1998:

Verharmlosend

In Ihrem Artikel verharm- losen Sie die bewußtseinsver- ändernde Droge Alkohol, in- dem Sie sich auf ihre Neben- wirkungen wie Lipidstatus, Herzinfarkt- und Mortalitäts- daten konzentrieren – Daten, die im Prinzip analog auch beim Tier erhoben werden könnten. Wie das schleichen- de Versumpfen von Millionen Alkoholikern gezeigt hat,

werden aber vor allem spezi- fisch menschliche Fähigkei- ten, wie Selbstkontrolle und Selbstreflexion, durch den Alkohol untergraben. Mäßi- ges Trinken bedeutet meines Erachtens lediglich: kom- pensierte Schädigung des Menschlichen, was naturwis- senschaftlich natürlich kaum erfaßbar ist und daher über- sehen wird . . .

Paul Metzger, Güntzelstraße 49, 10717 Berlin

Magnesium

Zu dem Beitrag „Wirksamkeit verschiedener Verbindungen“ von Dr. rer. nat. Sieghard W. Golf in Heft 10/1998:

Kein Dopingmittel

. . . Dem Trugschluß einer vermeintlichen Leistungsstei- gerung durch Magnesium- Gabe sind schon mehrere Autoren erlegen, indem sie die Leistungsfähigkeit einer Gruppe, die kein Mg erhielt, verglichen haben mit einer anderen Gruppe, der Mg zu- geführt wurde. Ebenso kann man trainierte mit untrainier- ten Personen vergleichen.

Sportler haben aus ver- schiedenen Gründen generell einen erhöhten Mg-Umsatz und -Bedarf. Es ist daher ver- ständlich, daß sie ihre Lei- stungsfähigkeit nicht voll ent- wickeln können, wenn ihre Mg-Speicher nicht voll gefüllt sind beziehungsweise ergänzt werden. Das macht sich be- sonders im Ausdauersport bemerkbar.

Richtig ist, daß Athleten, die durch ausgewogene Ernährung sowie regelmäßi- ge zusätzliche Mg-Zufuhr langfristig optimal mit Mg versorgt sind, leistungsmäßig anderen Sportlern überlegen sind, die über geringere Mg- Depots verfügen . . . Ausrei- chende Mg-Zufuhr ist zum Erreichen der vollen Lei- stungsfähigkeit unentbehr- lich, aber es ist kein Doping- mittel . . .

Dr. Dr. med. Armin Schroll, Buchaerstraße 3, 81479 Mün- chen

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