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Neue

orientalistische Probleme biblischer Textgeschichte.

Von Anton Baumstark

Zwei verschiedene Problemengebiete biblischer Text¬

geschichte dürften neben dem zentralen des hebräischen bzw.

aramäischen Originaltextes des A. T.s gegenwärtig vor allem

zu einer Beschäftigung mit sich den Orientalisten aufrufen

und bieten ihm Gelegenheit, durch die eigene Forschung über

deren unmittelbaren Bereich hinaus auf Nachbargebiete in

maßgeblicher Weise klärend und aufschlußbietend hinüber-

zuwirken. Für das A. T. ist es das Problemengebiet des Tar-

gums, oder vorsichtiger gesprochen, targumischer Überliefe¬

rung im weitesten Sinne des Wortes, für das N. T. dasjenige

des Tatianischen sog. ,,Diatessarons". Vom ersteren sehen

wir uns auf das Gebiet hinübergeführt, welches als dasjenige

der LXX-Forschung bezeichnet zu werden pflegt und rich¬

tiger vielleicht geradezu als ein solches der Entwicklungs¬

geschichte des griechischen Targumtextes bezeichnet würde.

Mit dem letzteren ist das Problemengebiet des altlateinischen

Evangelientextes unlösbar verbunden.

Wenn ich versuchen soll, in gedrängtester Kürze einen

Überblick über die Einzelprobleme zu geben, die seit einer

Reihe von Jahren mich persönlich und die Arbeiten des

Orientalischen Seminars der Westfälischen Wilhelms-Uni¬

versität in Münster auf jenen beiden Gebieten beschäftigten,

so kann leider nicht wesentlich mehr als eine ihren inneren

Zusammenhang andeutende Aufzählung geboten werden.

Kaum, daß es möglich sein wird, hin und wieder durch An-

1) Geboten wird hier, von einigen Anmerkungen begleitet, der

nur wenig erweiterte Text eines am 31. 8. 34 beim 7. Deutschen Orien¬

talistentag in Bonn gehaltenen Vortrags.

(2)

führung einzelner Belege des in Betracht kommenden Sach¬

verhaltes die Dürre einer solchen Aufzählung zu beleben.

Für alle Targumforschungen wird immer der Befund rich¬

tunggebend zu sein haben, den das samaritanische Targum

in einer bunten Mannigfaltigkeit seines genaueren Wortlautes

bis zu einem Grade aufweist, daß hier beinahe jede einzelne

Hs. in gewissem Sinne eine eigene Fassung des Textes ver¬

tritt. Entsprechend — dies ist eine unverrückbar festzuhal¬

tende Erkenntnis von grundlegender Bedeutung — muß zu¬

nächst in der aramäischen Targumüberlieferung auch des

Judentums am Anfange eine nicht geringe Mannigfaltigkeit

der Einzelprägung des Wortlauts gestanden haben, die erst

allmählich einer zunehmenden Fixierung desselben Platz

machte, um schließlich die Entwicklung in streng gefestigte

Textkodifikationen von kanonisch gewordener Geltung aus¬

münden zu lassen. Eine solche Kodifikation ist für den Penta¬

teuch, durch seine Sprachform zwar wohl auf Judäa als Ur¬

heimat zurückweisend, aber auf dem Boden Babyloniens mit

dem Glanz eines schlechthin offiziellen Ansehens umkleidet,

Onkelos. Neben ihm läßt eine ältere palästinensische Über¬

lieferung in den sog. Jerusalmi-Fragmenten und über diese

hinauf heute in dem durch Kahle veröffentlichten wert¬

vollen Geniza-Material noch, wenn auch nicht mehr entfernt

so stark wie das samaritanische Targum, etwas von der

ursprünglichen Freiheit einer in lebendigem Fluß befind¬

lichen Gestaltung des Wortlauts erkennen. Den Versuch

einer neuen Kodifikation durch Verschmelzung dieser palä¬

stinensischen Überlieferung mit Onkelos stellt Ps.-Jona¬

than dar 2).

1) Masoreten des Westens II. (Stuttgart 1930), S. 1—65.

2) Ich beschränke mich hier zunächst auf die Verhältnisse des

Pentateuchtargums, Aber selbstverständlich sind eine Reihe der im

folgenden zu berührenden Erscheinungen wie P und deren aus den

Zitaten altsyrischer Literatur zu erhebende Vorgeschichte, Vulgata

und christlich-palästinensischer Bibeltext nicht minder, ja sogar in

besonders hohem Grade in ihrem Verhältnis zum Prophetentargum

von Bedeutung, für das uns an Jonathan ben Uzziel zweifellos eine

verhältnismäßig sehr späte Kodifikation vorliegt.

(3)

A. Baümstabk, Neue oriental. Probleme biblischer Textgeschichte. 91

Aber auch der Pentateuch der P(g§ittä) ist letzten Endes

nichts anderes als eine in der ostaramäischen Sprachform

der Osrhoene oder — vielleicht unmittelbar — der Adiabene^)

erfolgte Kodifikation, der in einem bestimmten Stadium

ihrer Entwicklung die palästinensische Targumüberlieferung

zugrundeliegt. Den Beweis hierfür habe ich an der Hand aller

derjenigen Stellen, die eine materielle Abweichung vom MT

aufweisen und die hier eine peinlich sorgfältige und vorbildlich

saubere Durcharbeitung erfahren haben, in der noch un¬

gedruckten Dissertation eines vielversprechenden Schülers

CuRT Peters erbringen lassen. Schon hier wird deutlich, daß

dabei näherhin die in der P nachwirkende Entwicklungsstufe

jener palästinensischen Überlieferung noch hinter derjenigen

zurückliegt, welche selbst die Kahleschen Geniza-Stücke

greifbar werden lassen. Ich hatte dieses Ergebnis selbst be¬

reits in einem kurzen Aufsatz über „Pesittä und palästinen¬

sisches Targum", Biblische Zeitschrift XIX, S. 257—270, vor¬

läufig wahrscheinlich gemacht 2). Nunmehr wird es gelten,

auch in einem formalen Vergleich der P mit den verschiedenen

Formen des jüdisch-aramäischen Targums, ihr Verhältnis zu

diesen weiter zu klären, wobei ganz besonders jene Frage

nach dem Alter der jüdischen Überlieferung im Auge zu be¬

ll Wenn anders meine Vermutung zutrifft, daß die Verbreitung

eines westaramäischen in Palästina beheimateten Targums nach dem

Osten mit dem Übertritt der adiabenischen Herrscherfamilie zum

Judentum in der Zeit des Claudius zusammenhängen, also unter der

Regierung des Izates und Monobazos erfolgt sein sollte. Ich habe diese

Vermutung erstmals in meinem Aufsatz „Wege zum Judentum des neu-

testamentlichen Zeitalters" , Bonner Zeitschrift für Theologie und Seel¬

sorge, 1928, S. 24—34, angedeutet. Bestimmend war sie für mich be¬

reits „Geschichte der syrischen Literatur mit Ausschluß der christlich¬

palästinensischen Texte" (Bonn 1922|, S. 18 f.

21 Vgl. besonders das hier S. 263—267 besprochene Material zu

Gn. 38, 5, Lv. 18, 21 und Gn. 14,13 bzw. 35, 2 und endlich Gn. 7, 4. Ich

möchte hier ergänzend darauf hinweisen, daß die dort berührte Ent¬

stehung eines yobs (= IJaXccTiov) aus T'obn statt T'Ql'bn auf einer

vielleicht spezifisch palästinensischen gelegentlichen Schreibung von

D für 3 beruhen könnte, wie sie z. B. auch in der palästinensischen Rezension derTephilla, Benediktion 1 und 13 naar statt no'yo vorliegt.

(4)

halten sein wird, welche uns die in den Händen der syrischen

Christenheit entgegentretende Kodifikation kenntlich werden

läßt. In diesem Zusammenhang werden neben dem unmittel¬

baren targumischen Textematerial eine besondere Beachtung

die gelegentlichen Angaben über die targumische Wiedergabe

einzelner Schriftstellen zu finden haben, die sich hier und

dort im jüdischen Schrifttum vor allem der Midraäim finden.

Gelegentlich werden sich von dieser Seite her höchst präzise

Altersangaben für bestimmte Fassungen gewinnen lassen.

Wenigstens ein Beispiel mag dies beleuchten. Für das

Gn. 29,17 von den Augen Leas gesagte niST bietet die P

in Übereinstimmung mit dem Geniza-Text E bei Kahlb und

einem Jerusalmi-Fragment gegen Onkelos und Ps.-Jonathan

Dieses aber wird BereSith Rabbä LXX, 15 als die

Wiedergabe bezeugt, die von einem zeitgenössischen un¬

genannten Amoräer gebraucht, aber durch den 279 n. Chr.

verstorbenen Jöhannän Nappähä abgelehnt wurde. Wir sehen

uns hier also mit aller Bestimmtheit rund etwa bis um die

Mitte des 3. nachchristlichen Jahrhunderts hinaufgeführt.

Eine höchst wichtige Frage ist es dann aber weiterhin, ob

nicht etwa und wieweit alsdann bezüglich des P-Textes selbst

über seine handschriftlich vorliegende Gestalt an der Hand

der Zitate ältester syrischer Literatur zu einer noch targum-

näheren Form sich vordringen läßt, die somit weitere wert¬

volle Aufschlüsse über den Bestand der dem Pentateuch der

syrischen Kirchenbibel zugrundeliegenden Fassung targu¬

mischer Überlieferung zu vermitteln geeignet wäre.

Ich habe kürzlich in Ausführungen über „Das Problem

der Bibelzitate in der syrischen Übersetzungsliteratur", Oriens

Christianus, Dritte Serie VIII, S. 208—225, mich eingehend

mit der wichtigen Tatsache beschäftigt, daß hier grundsätz¬

lich Bibelzitate nicht nach der griechischen Vorlage neu über¬

tragen, sondern aus dem den Übersetzern geläufigen syrischen

Bibeltext eingesetzt zu werden pflegten oder daß doch dieser

Text auf die Wiedergabe wesentlich eingewirkt hat. Schon

das hier für die Textgeschichte der P, beispielsweise etwa in

den Übersetzungen des Titos von Bostra oder der Kirchen-

(5)

A. Baumstark, Neue oriental. Probleme biblischer Textgeschichte. 93

gescbichte und der Theophanie des Eusebios, zu gewinnende

Material zeigt gelegentlich noch nicht zu unterschätzende

Abweichungen von dem P-Text, den die handschriftliche

Überlieferung bis in die zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts

hinaufzuverfolgen gestattet. Eine besonders sorgfältige Unter¬

suchung, zu der ich soeben durch Stellung einer akademischen

Preisaufgabe anzuregen versuche, würde aber vollends das

umfangreiche Material verdienen, das die Pentateuchzitate

Aphrems, Aphrahats und des aus messalianischen Kreisen

hervorgegangenen ,, Buches der Stufen" darstellen.

Der aus Nisibis stammende und von dort nach Edessa

übergesiedelte Aphrem scheint im allgemeinen bereits eine

der endgültigen sehr nahestehende Textform der P des Penta¬

teuchs gelesen zu haben. Immerhin begegnen auch bei ihm

einzelne Varianten, und unter ihnen fehlt es nicht an solchen,

die tatsächlich im Gegensatz zu jener endgültigen Textgestalt

sich noch näher mit der palästinensischen Targumüberliefe¬

rung berühren. So etwa, wenn, entsprechend der für jene

Überlieferung bezeichnenden Neigung zu erläuternden Text¬

erweiterungen, Aphrem Gn. 35, 2 in seinem P-Text die noch

bei Ps.-Jonathan wiederkehrende Bemerkung eingeschoben

las, daß die Leute Jakobs die Götzenbilder, die sie aus ihrer

Mitte zu entfernen aufgefordert werden, als Kriegsbeute aus

Sichem mitgebracht hättenDurch Aphrem bezeugte Text¬

erweiterungen gleicher Art sind dann aber natürlich auf die

gleiche Grundlage zurückzuführen, auch wenn sie zufällig

in keiner erhaltenen Form jüdischer Targumüberlieferung

auftreten, und stellen alsdann eine sehr wertvolle Bereiche¬

rung des Bildes einer ältesten Gestalt dieser Überlieferung

dar. Das gilt beispielsweise sofort in Gn. 35, 4, wo nur der

von Aphrem gelesene P-Text die doppelte Erweiterung bot,

daß die von den Leuten Jakobs ihm neben den Götzenbildern

abgelieferten Ohrgehänge als goldene und als solche bezeichnet

wurden, die sich — nicht in den Ohren der Leute selbst,

1) Sancti Ephraemi opera omnia (Römische .\usgabe) I, S. 88

^Lpj )a>ait ^ ^bc^ODj; ,^0). Vgl. Daiä misc: rcaa pn-imn.

(6)

sondern — in den Ohren der Götzenbilder befunden gehabt hätten

Noch ungleich stärker als der von Aphrem in Nisibis und

Edessa gelesene muß sich von demjenigen der endgültigen P

der syrische Pentateuchtext unterschieden haben, den im

Innern des Perserreichs sein vielleicht noch etwa älterer Zeit¬

genosse Aphrahat benützte. Seine oft sehr umfangreichen

alttestamentlichen Zitate machen im allgemeinen den Ein¬

druck, keineswegs — was ja schon durch diesen Umfang aus¬

geschlossen würde — bloß gedächtnismäßige zu sein und da¬

mit etwa der Gefahr einer gedächtnismäßigen Vermengung

verwandter Schriftstellen zu unterliegen^). Um so auffallender

ist es, wie häufig solche des Pentateuchs tatsächlich eine Auf¬

füllung des Textes aus andern Stellen verwandten Inhalts

beobachten lassen. So bringt, um auch hier wieder wenig¬

stens ein charakteristisches Beispiel anzuführen — zu An¬

fang der 22. Abhandlung ein Zitat von Dt. 24, 19—22 solche

Auffüllungselemente aus Lv. 19,9; 23,22 und 26,10, ein

solches von Dt. 8, 7—9 entsprechendes Gut aus Ex. 3, 8 und

Dt. 11, 12. Auch hier begegnen gelegentlich im Gegensatz

zum endgültigen P-Text Berührungen mit Targumtext

altpalästinensischen Gepräges, so wenn in dem ersten jener

beiden Zitate als Wiedergabe des hebräischen statt des

);?oci\ der normalen P in Übereinstimmung mit Ps.-Jo¬

nathan j'Q-v^ erscheint. Jene merkwürdige Textmischung

selbst aber wird nur dahin zu erklären sein, daß dem palästi¬

nensischen Targumtext, dessen jüngste Entwicklungsphase P

darstellt, ein hebräischer Pentateuchtext zugrundelag, der

wie derjenige der Samaritaner und offenbar noch weit stärker

1) Ebenda: >^O^vsl^; l)?!^? )=>Ot? wUt^jBo.

2) Bezeichnend für diesen grundsätzlichen Charakter der alt¬

testamentlichen Zitate Aphrahats ist beispielsweise in hohem Grade

die Anführung geradezu des ganzen Textes von Dan. 9 in der 19. Ab¬

handlung, die in der Tat einige immerhin beachtenswerte, aber doch

nur wenige und keineswegs allzu tiefgehende Abweichungen vom end¬

gültigen P-Text aufweist. Zu Derartigem steht der merkwürdige, ganz

anders geartete Befund gerade im Pentateuch in einem doppelt bedeut¬

samen Gegensatz.

(7)

A. Baümstark, Neue oriental. Probleme biblischer Textgeschichte. 95

als dieser zu jener Auffüllung aus Parallelstellen neigte, die

eine charakteristische Eigentümlichkeit des vulgären Penta-

teuchtextes etwa des apostolischen Zeitalters gewesen sein

muß. War sie doch in Übereinstimmung mit dem hebräischen

Pentateuchtext der Samaritaner, wie Kahle ^) gezeigt hat,

auch demjenigen griechischen Pentateuchtext eigen, der

hinter der großen Stephanusrede der Apg. steht.

Für die Verifizierung targumischer Elemente in altertüm¬

lichem P-Text sind wir im übrigen nicht ausschließlich auf

einen Vergleich mit dem Material der vorliegenden jüdisch¬

aramäischen Übersetzungen angewiesen. Nach dem allgemein

nicht genügend beachteten Zeugnis von Siphre zu Dt. 34, 3*)

muß es schon in vorislamischer Zeit eine jüdische Übersetzung

des Pentateuchs auch ins Arabische, ein arabisches Targum

also, gegeben haben. Mit diesem Zeugnis sind die bedeut¬

samen Ergebnisse zusammenzuhalten, zu denen in einer von

mir angeregten Dissertation P. Ernst Algermissen^) be¬

züglich der Pentateuchzitate des spanischen Muslims Ibn

Hazm (994—1064) gelangte. Wohl irgendwie, wenn auch

noch so mittelbar, mit jenem alten arabischen Targum zu¬

sammenhängend, zeigen sie auffallende Berührungen mit den

erhaltenen aramäischen Targumen und denn auch wieder

mit der P, deren Zusammenhang mit jenen sich auch auf

diesem indirekten Wege aufs neue erweist. Besonders auf¬

fallend sind dann aber die Berührungen der Zitate Ibn Hazms

mit der Vulgata, die, wenn auch zu einem verhältnismäßig

kleinen Teile zugleich Berührungen mit — bezeichnender¬

weise gerade palästinensischer — aramäischer Targumtradi-

1) Untersuchungen zur Geschichte des Pentateuchtextes, Theolo¬

gische Studien und Kritiken 1915, S. 399—439, speziell S. 400ff., nach

dem Vorgang von H. Hammer, Traktat vom Samaritanermessias, Stu¬

dien zur Existenz Jesu (Bonn 1913).

2) Dt. 33, 2 wird hier dahin gedeutet, daß die Thora dem Volke

Israel in vier Sprachen gegeben sei, wobei an dritter Stelle nach He¬

bräisch und Griechisch und vor Aramäisch das Arabische erscheint:

■»ms ni pND -inn yoin.

3) Die Pentateuchzitate Ibn Hazms. Ein Beitrag zur Geschichte der

arabischen Bibelübersetzungen (Münster i. W. 1933).

(8)

tion sind. Der Befund erinnert nachdrücklich daran, wie

stark man auch bei dem Übersetzungswerk des Hieronymus

mit dem Einfluß targumischer Überlieferung zu rechnen hat,

sei es, daß dieselbe dem Heiligen unmittelbar durch die nach

seinem eigenen Zeugnis von ihm beigezogenen rabbinischen

Mitarbeiter vermittelt werden mochte, sei es, daß sie auf ihn

in der griechischen Gestalt der Übersetzungen eines Aquila

und Symmachos gewirkt hätte. Namentlich dem letzteren hat

er ja zweifellos außerordentlich vieles zu verdanken gehabt

Müssen somit in den Bereich einer wirklich tiefschürfenden

Targumforschung durchaus auch die Probleme einbezogen

werden, welche die Arbeitsweise des Schöpfers der Vulgata

stellt, so darf auf einen Vergleich auch mit seinem Werke

nirgends verzichtet werden, wo es gilt, in irgendwelcher text¬

lichen Größe einen genetischen Zusammenhang mit der Tar¬

gumüberlieferung nachzuweisen.

Eine solche Größe dürfte nun aber, was bislange noch

niemals erkannt wurde, sogar der christlich-palästinensische

Text des A. T.s sein, der glücklicherweise neben dem Lewis-

schen vollständigen Lektionar und anderen mehr oder we¬

niger umfangreichen Lektionarbruchstücken auch durch ein¬

zelne Reste biblischer Volltexte vertreten wird. Man ging

bisher — ich möchte sagen: wie von einem Dogma — von

der Annahme aus, daß dieser Text schlechthin eine Über-

1) Übernommen hat Hieronymus von Symmachos besonders ge¬

wisse Allüren literarisch gehobener, um nicht zu sagen : anspruchsvoller

Textgestaltung, Einführung von Satzunterordnung statt semitischer

Satzbeiordnung, Partizipialkonstruktionen und ähnliches. An charakte¬

ristischen Einzelheiten seien aufs Geratewohl einige aus Ex. angeführt, etwa 3, 22 onbsp spoliabitis — Symmachos: aKvXevasrs; 4,10 D'^^n'^

eloquens = eiiXalos', 4, 26 13Bn ^'^"3 et dimisit eum = &cpi]xt äk avrov, 5, 7 Di^äblZ) bians sicut prius = xaddwfe xai TtQÖrsQOv; 12,29 Tian n'^na in carcere = iv t& difffiorjjpi'ra ; 26,41 nsbo consecrabis = teXeimaeig, was dem JJxia.l. der syro-hexaplarischen Fußnote zugrundeliegen wird.

In derartigen Fällen scheint die Abhängigkeit des lateinischen Über¬

setzers von dem griechischen außer Frage zu stehen. Man müßte denn

nur sich beide von der gleichen festgeprägten Form jüdischer Über¬

setzungsauffassung, d. h. von einer bestimmten Targumtradition, ab¬

hängig denken.

(9)

A. Baumstark, Neue oriental. Probleme biblischer Textgeschichte. 97

Setzung aus dem Griechischen sei, und erklärte sich die sehr

häufigen materiellen Übereinstimmungen mit der P, die er

gegen alle griechische Überlieferung aufweist, aus einer nach¬

träglichen Angleichung an die P, wenn nicht gar, indem man

diese vom christlich-palästinensischen Übersetzer als Hilfs¬

mittel bei seiner Arbeit herangezogen wähnte. Aber was in

dem zweisprachigen Palästina einem Übersetzer aus der

einen griechischen in die andere westaramäische Landes¬

sprache die Beiziehung eines ostaramäischen Textes wesent¬

lich hätte helfen sollen, ist kaum abzusehen. Ebensowenig

ist auf dem Boden des melchitischen Ritus, d. h. in einer

geistig ganz vom Griechentum beherrschten kirchlichen Welt,

die Überarbeitung eines griechisch-syrischen Bibeltextes nach

der P innerlich glaubhaft. Es scheint mir an der Zeit, allen

Ernstes einmal die Frage sehr sorgfältig zu prüfen, ob nicht

gerade umgekehrt die Übereinstimmung mit P gegen grie¬

chische Überlieferung zur ältesten Schicht des Textbestandes

gehören sollte, und somit nicht vielmehr zunächst einmal

wieder mindestens der christlich-palästinensische Pentateuch

von Hause aus eine Form palästinensischer Targumüber¬

lieferung gewesen sein dürfte, die, durch die christliche Kirche

von der Synagoge übernommen, nunmehr auf christlichem

Boden eine allerdings stärkste Überarbeitung auf Grund des

hier kanonischen LXX-Textes erfahren hätte. Was fast ge¬

bieterisch nach dieser Richtung weist, ist der Befund, den

die Bruchstücke von Vollhandschriften zumal im Zusammen¬

halt mit Lektionartexten einer und derselben Stelle bieten.

Das Zusammengehen mit P gegen LXX ist in jenen offen¬

sichtlich altertümlicheren Texten stärker als auf dem Boden

der Lektionare. Es ist sehr häufig zugleich ein Zusammen¬

gehen auch mit irgendwelcher Targumüberlieferung und,

was am schwersten wiegt, es fehlt keineswegs an — dabei

häufig wieder paraphrastisch erweiternden — Textelementen,

die gegen P wie LXX eine Übereinstimmung oder doch Be¬

rührung nur mit einem jüdisch-aramäischen Text oder auch

der Vulgata darstellen. Das eine kurze Textstück Gn. 19, 1

bis 10 bei Fr. Schulthess, Christlich-palästinensische Frag'

Zeitschrift d. D.M. G. Neue Folge Bd. XIV (Bd. 89) 7

7 •

(10)

mente aus der Omajjaden-Moschee in Damaskus (Berlin 1905),

S. 19 f., bietet für alles dies geradezu eine Häufung von Bei¬

spielen^). Wäre aber einmal ursprünglicher Targumcharakter

auch des christlich-palästinensischen Textes des A. T.s oder

doch des Pentateuchs gesichert, so würden sich wohl auch

von dieser Seite her gelegentliche Ergänzungen des Bildes

buntester Vielgestaltigkeit ergeben, die ehedem wie für das

samaritanische auch für das jüdische Targum in aramäischer

Sprache bezeichnend gewesen sein muß.

Eine gleiche Vielgestaltigkeit ist naturgemäß auch für

das Targum der griechisch sprechenden hellenistisch-jüdi¬

schen Diaspora anzunehmen, und nicht anderes als dieses

Targum ist ja — immer wieder zunächst jedenfalls für den

Pentateuch — von Hause aus, das, was wir heute LXX

nennen. Es ist, auch wenn mit ihm der Name eines Großen

wie P. de Lagarde verbunden ist und auch wenn auf ihm

heute wesentlich die textkritische Konstruktion der Göt¬

tinger LXX-Ausgabe aufgebaut wird, ein verhängnisvoller

Irrtum, zu glauben, daß jenseits der drei ,, Rezensionen" des

Origines, Lukianos und Hesychios etwas wie eine einheitliche

Erscheinung höherer Literatur gestanden habe, die sich aus

jenen drei Rezensionen wie auf Grund einer divergierenden

dreifachen handschriftlichen Überlieferung rekonstruieren

ließe. Jenseits der drei Rezensionen liegt vielmehr die Welt

des wilden Textes einer auf dem griechischen Sprachboden

nicht anders als auf dem aramäischen im Dienste des syna-

gogalen Gottesdienstes ursprünglich in reichster Mannig¬

faltigkeit des Wortlautes erwachsenen unliterarischen Dol¬

metschertradition.

1) Ich verweise beispielshalber auf die Einfügung eines sonst

völlig unerhörten .^0)fO = Jerusalmi ömi in v. 1, diejenige eines

entsprechenden OjO = Vulgata : necdum in v. 8 oder die Eröffnung

von v. 10 durch ein nicht minder singuläres O, das eine gewisse

Entsprechung allein in Vulgata: et ecce findet. Alles dies ist P nicht

minder fremd als griechischer Überlieferung. Und in v. 9 steht statt

eines über MT und LXX überschießendes ^\ der P vielmehr ^ISdO

= Ps.-Jonathan: "jm.

(11)

A. Baumstark, Neue oriental. Probleme biblischer Textgeschichte. 99

Nichts anderes als eine ungleich ältere griechische Pa¬

rallelerscheinung zu Onkelos, Jonathan ben Uzziel und P, die

älteste Kodifikation griechischen Targumtextes, war es — so

wird der Orientalist vom Standpunkt seiner Forschungs¬

ergebnisse aus urteilen müssen —, was die im Aristeasbrief

niedergelegte Legende früherer Freiheit der Textgestaltung

gegenüber zum Siege zu führen versuchte, indem sie es mit

dem Nimbus des Wunders umkleidete. Der Versuch ist keines¬

wegs sofort restlos geglückt. Das beweisen die jüngeren so¬

genannten griechischen Übersetzungen eines Aquila, Sym¬

machos, Theodotion und Unbekannter. Denn auch sie sind

eben tatsächlich keine reinen Neuübersetzungen, sondern

wiederum Kodifikationen in der Targumtradition schon bis¬

her vorhandener Strömungen, wenn auch Kodifikationen,

denen die bewußte Eigenwilligkeit ihrer Verfasser eine un¬

gleich stärkere Einheitlichkeit des Textbildes gegeben hat,

als der Text der angeblichen ,, Siebzig" sie aufweist. Daß die

Dinge hier so und nicht anders liegen, erhellt aus der be¬

kannten Tatsache, daß charakteristische Elemente, die später

in jenen jüngeren griechischen Übersetzungstexten wieder¬

kehren, schon früher in Zitationen ältesten christlichen

Schrifttums auftauchen^).

So wird dieses Schrifttum zur eigentlichen Hauptquelle

für eine ahnende Erkenntnis jener ursprünglichen Mannig¬

faltigkeit auch der griechischen Targumüberlieferung, von

1) Vgl. H. Vollmer, Die alttestamentlichen Zitate bei Paulus text¬

kritisch und biblisch-theologisch gewürdigt (Freiburg i. B. u. Leipzig 1895),

S. 21—35, W. Bousset, Die Evangelienzitate Justins des Märtyrers in

ihrem Wert für die Evangelienkritik (Göttingen 1890), S. 18—32: §4.

Die alttestamentlichen Zitate Justins, und neben Justin für Klemens

und Hermas A. Bludau, De Alexandrinae inter pretationis libri Danielis

indole critica et hermeneutica (Münster i. W. 1891), S. 18—22. Neben

der urchristlichen Literatur lassen entsprechende Erscheinungen die

Schriftzitate des Josephus und diejenigen Philos wenigstens in zwei

Schriften und auch hier nur nach ebenso vielen Hss. beobachten. Vgl.

C. Siegfried, Die hebräischen Worterklärungen des Josephus, Zeitschrift f. d. alttestamentl. Wissenschaft III, S. 32—52 und A. Mez, Die Bibel

des Josephus untersucht (Basel 1895) bzw. A. Gercke, De Philonis

Alexandrini vetere testamento (Greifswald 1907).

(12)

der bedauerlicherweise bislange kein einziges Papyrusfrag¬

ment vor- auch nur sicher oder außerchristlicher Herkunft

aufgetaucht ist. Wertvolle Einblicke in eine Welt noch sehr

wilden ,,LXX"-Textes gewähren besonders noch, vielleicht

erst aus der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts, die alt¬

testamentlichen Zitate der Apostolischen Didaskalia, deren

griechisches Original sich nur unvollständig in den BB I — VI

der Apostolischen Konstitutionen erhalten hat^). Die Er¬

gänzung dieses griechischen Materials auf Grund der syrischen

Übersetzung der Didaskalia wird so zu einer höchst wichtigen

Aufgabe, die nur durch den Orientalisten gelöst werden kann.

Dabei begegnet ihre Lösung sehr erheblichen Schwierigkeiten,

weil die Wiedergabe der Zitate durch den syrischen Über¬

setzer stark von der P beeinflußt ist. Mit wie minutiöser

Sorgfalt hier wird gearbeitet werden müssen, habe ich in

meinen Ausführungen über „Das Problem der Bibelzitate in

der syrischen Übersetzungsliteratur" an dem kurzen Textstück

Ez. 18, 29—32 gezeigt. Aber auch jene Schwierigkeiten werden

auf dem Wege einer so minutiösen Forschungsarbeit über¬

wunden werden müssen.

Naturgemäß sind endlich aramäische und griechische

Targumtradition nicht in völliger Selbständigkeit neben¬

einander hergegangen, sondern sie dürften sich gegenseitig

beeinflußt und gelegentlich die eine sich statt unmittelbar

an das hebräische Original an die andere angeschlossen haben.

Aufschlüsse in diesem Sinne vermitteln überraschenderweise

die altlateinischen Texte. Ich habe in dem Aufsatz „Aramä¬

ischer Einfluß in altlateinischem Text von Habakuk 3", Oriens

Christianus, Dritte Serie Yl, S. 163—181, das erstmals nach¬

gewiesen und denke, daß es sich hier um einen geradezu

mathematischen Beweis gehandelt hat, wenn etwa in v. 19

sich die altlateinischen Varianten „in cantico" und „in gloria"

gegenüberstanden, erstere die Wiedergabe des normalen grie¬

chischen iv rfj d)dfj, letztere diejenige eines ev rfj dö^t], dem

nur die dieser Auffassung allerdings näherliegende aramäische

1) Vgl/ den von mir angeregten Hinweis bei P. Kahle, Masoreten

des Westens II, S. 6f.

(13)

A. Baumstark, Neue oriental. Probleme biblischer Textgeschichte. 101

Wiedergabe jener griechischen Normalform durch Xnnauhna

zugrunde liegen kann^). Das nächste Heft des Oriens Chri¬

stianus wird binnen kurzem einen kleinen Aufsatz von Curt

Peters über „Targum und Praevulgata des Pentateuchs"

bringen, der weiteres einschlägiges Material von nicht minder

durchschlagender Beweiskraft vorlegt. Man wird auch diese

merkwürdigen Beziehungen zwischen altlateinischem und

aramäischem Übersetzungstext des A. T.s weiter zu verfolgen

und dabei, wenn auch vielleicht vorerst als eine ganz ent¬

fernte, die Möglichkeit im Auge zu behalten haben, daß

D. S. Blondheim, Les Parlers judeo-romains et la Vetus La-

tina (Paris 1925) mit der Annahme eines geradezu noch

jüdischen Ursprungs ältesten lateinischen Übersetzungstextes

des A. T.s nicht völlig unrecht gehabt haben sollte.

Fast ebenso schwankend wie der Wortlaut des samarita¬

nischen Targums immer geblieben ist und derjenige des jüdi¬

schen Targums in griechischer wie in aramäischer Sprache

ursprünglich gewesen sein muß, scheint die altsyrische Gestalt

des Evangelientextes gewesen zu sein, über die für die Orien¬

talistik der Weg in den Problemenkreis des Tatianischen

Diatessarons führt. Die beiden erhaltenen altsyrischen Hss.

des Syr^'° und Syr'^'^'^ lassen sich nicht in das Schema eines

Abhängigkeitsverhältnisses in der einen oder anderen Rich¬

tung pressen, stehen vielmehr als zwei voneinander unab¬

hängige Schosse einer Entwicklung gleichberechtigt neben¬

einander. Und von keinem dieser Schosse, sondern offenbar

von einem dritten, ist wieder der Evangelientext der P als

das Ergebnis einer Überarbeitung nach antiochenischem grie¬

chischem Vulgärtext des frühen 5. Jahrhunderts abhängig.

Weitere Gestalten altsyrischen Evangelientextes werden nun

1) Unbedingt zwingend ist hier allerdings nur die Annahme der

zweiten lateinischen Fassung von der zu erschließenden aramäischen.

Ob zwischen beiden wirklich das griechische iv tg tfdgj gestanden hat

oder die lateinische Fassung unmittelbar aus einem aramäischen Text

geflossen ist, läßt sich auf Grund der einzelnen Stelle allein nicht aus¬

machen. Hier wird eine umsichtige Bewertung weiteren gleichgearteten

Materials eine Entscheidung zu begründen haben.

(14)

aber wiederum durch die Zitate altsyrischer Literatur greif¬

bar. Daß diejenigen Aphrahats beispielsweise mindestens in

einer und derselben Abhandlung auf eine einzige bestimmte

Hs. zurückgehen müssen, ist klar, offensichtlich aber auch,

daß sie keineswegs auch nur in diesem Umfang sich etwa

durch die Bank mit dem Text des Syr^'" oder Syr^'" decken.

Auf die Bedeutung des wiederum ganz einzigartigen Materials,

das die Zitate des messalianischen ,, Buches der Stufen" dar¬

stellen, hat zunächst an Hand der Mt.-Zitate mein Kollege

und Freund Adolf Rijcker in einem Aufsatz der Biblischen

Zeitschrift XX, S. 342—354, aufmerksam gemacht. Einen

besonderen Wert gewinnen dann auch hier wieder die statt

einer Übertragung des griechischen Kontexts in alter grie¬

chisch-syrischer Übersetzungsliteratur eingesetzten Zitate des

dem jeweiligen Übersetzer geläufigen syrischen Wortlauts.

In der schon wiederholt angeführten Arbeit über „Das Pro¬

blem der Bibelzitate in der syrischen Übersetzungsliteraiur"

konnte ich feststellen, daß hier ein und derselbe altsyrische

Evangelientext in der Übersetzung des Titos von Bostra und

in derjenigen der Eusebianischen Theophanie benützt ist^).

Gerade dieser Text ist einmal durch sein Verhältnis zur P

in höchstem Grade bedeutsam. Jenes Verhältnis ist nämlich,

verglichen mit demjenigen zu Syr®'" und Syr^""", ein so

enges, daß wohl in dem durch die beiden Übersetzungen

kenntlich werdenden derjenige altsyrische Evangelientext

erblickt werden darf, den der Urheber der P der Evangeüen,

wahrscheinlich eben doch Rabbula von Edessa, nach dem

Griechischen seiner Zeit und seiner räumlichen Umwelt

revidierte.

Was nun alle jene altsyrischen Zeugen in verschiedener

Stärke und oft an verschiedener Stelle bekunden, ist der

Einfluß des Diatessarons, dessen, wie heute wohl unbedingt

1) Vgl. besonders Oriens Christianus, Dritte Serie VIII, S. 2221.

Von durchschlagender Beweiskraft ist besonders, daß in Mt. 16,18 statt

nvlai Titos IV, 114 wie Eusebios 111,27; IV, 11 und V, 40 jlöo»

(= fiöxXoi) erscheint.

(15)

A. Baumstark, Neue oriental. Probleme biblischer Textgeschichte. 103

feststehen dürfte, sprachlich syrisches Original^) die älteste

Gestalt gewesen sein wird, in der der Evangelientext überhaupt

auf dem syrischen Sprachgebiet Mesopotamiens sich ver¬

breitete. Alles, was in der vielgestaltigen Überlieferung alt¬

syrischen Evangelientextes von griechischer Überlieferung

abweicht, wird darauf zu prüfen sein, ob in ihm Bausteine

zu einer auch formalen Rekonstruktion des Tatianischen Wer¬

kes vorliegen. Als besonders wertvoll dürfte sich hierbei

andererseits wieder der in den Übersetzungen des Titos und

der Eusebianischen Theophanie benützte Altsyrer erweisen.

In einer schon seit längerer Zeit abgeschlossenen, aber noch

immer nicht im Druck erschienen Arbeit über „Die syrische

Übersetzung des Titos von Bostra und das Diatessaron" zeige

ich dies zunächst an Hand des Titosmaterials. Es ist die ent¬

scheidende Aufgabe der Diatessaronforschung und damit eine

der wichtigsten Aufgaben der neutestamentlichen Text¬

geschichte, das altsyrische Material in seiner Gesamtheit im

Zusammenhalt mit den bezüglich des materiellen Bestandes

des Tatianischen Textes zu Gebote stehenden Quellen flüssig

zu machen*). Bestimmendes Ziel ist eine in tunlichster Breite

durchzuführende Wiederherstellung des Diatessarontextes in

seiner ursprünglichen syrischen Sprachgestalt.

Als eine der weiteren hier zu berücksichtigenden Quellen

kommt eine erste arabische an der Übersetzung des Abü

1-Farag 'Abdallah ibn at-Tajjib (gest. 1048)^) nur in sehr be-

1) So muß ich heute gegen Geschichte der syrischen Literatur, S. 19,

eben auf Grund der Tatsache urteilen, daß der lateinische Nachhall

des Diatessarons sich mit aller Bestimmtheit als ein solcher syrischen

Textes erweist. Das Richtige hat also schon immer Tu. Zahn gesehen

gehabt, über die gesamte ältere Literatur zur Frage vgl. Geschichte der syrischen Literatur a. a. O.

2) Ich habe die hier zu leistende Arbeit bereits einmal in semina¬

ristischen Übungen für den Auferstehungsbericht durchgeführt und

gedenke als Spezimen einer tunlichsten Rekonstruktion des ganzen

Diatessarons das dabei gewonnene Ergebnis an einer fortlaufenden

Textrekonstruktion mit einem Apparat des begründenden Materials

der Zeugnisse in einiger Zeit zu veröffentlichen.

3) Ausgabe von A. Ciasca, Tatiani evangeliorum harmoniae ara-

bice (Rom 1888) bzw. der Fragmente einer weiteren Beiruter Hs. von

(16)

schränkten! Umfang in Betracht. Der von dem arabischen

Übersetzer wiedergegebene Text einer Evangehenharmonie

hatte wohl wie das um 545 durch Bischof Victor von Capua

vorgefundene lateinische „Diapente" des Codex Fuldensis

mit dem Tatianischen Werk noch die Struktur seines Auf¬

baues gemeinsam. Materiell war aber im allergrößten Stil wie

dort Vulgatatext, so hier der Text der P eingesetzt. Die

arabische Tatianübersetzung, T'*^, muß als Zeugin des mate¬

riellen Bestandes Tatianischen Textes überall da als methodisch

entwertet gelten, wo sie materiell mit P übereinstimmt. Nur

wo dies nicht der Fall ist, verdienen die fortwährenden

Buchungen dieser Quelle im kritischen Apparat von Sodens

Beachtung. Die unbedingte Notwendigkeit einer systemati¬

schen Nachprüfung des T^ an Hand von P leuchtet ein.

Grundsätzlich entsprechend, wenn auch praktisch glück¬

licherweise ungleich günstiger, liegen die Dinge bei einer erst

seit einem starken Jahrzehnt durch Plooij in die Diatessaron¬

forschung eingeführten Größe, einer mittelniederländischen

Evangehenharmonie^), T^. Auch hier führt die materielle

G. Graf bei S. Eurikqkb, Die Überlieferung der arabischen Übersetzung des Diatessarons (Freiburg 1912). Einen die Benützung dieses Überliefe¬

rungszweiges eigentlich erst ermöglichenden „Index to the arable Dia¬

tessaron" bietet als Appendix V die Vetus Syra-Ausgabe von A. S. Le¬

wis, The old Syrian gospels or Evangelien da-MepharreshS (London 1910).

Ausdrücljüch zu warnen ist leider vor der posthum herausgegebenen

deutschen Übertragung E. Preuschen's, Tatian: Diatessaron aus dem

Arabischen übersetzt. Mit einer einleit. Abhandlung u. textkrit. Anmer¬

kungen hrsg. von A. Pott. Vgl. die Besprechung von P. Kahle, Orien¬

talistische Literaturzeitung XXXI, Sp. 973-—976.

1) Ausgabe von J. Berosma, De Levens van Jezus in het Middel-

nederlansch (Leyden o. J.). Vgl. D. Plooij, A primitive Text of the

Diatessaron . . . with an introductory note by Dr. J. Rendel Harris, Manchester (Leyden 1923); ders., A further study of the Liege Diatessaron

(Leyden 1925) bzw. Die heutige Lage des Diatessaronproblems, Oriens

Christianus, Dritte Serie I, S. 201—222. Beginn einer Neuausgabe

größten Stils von Plooij in den Verhandelingen der Koniklijke Akademie

van Wetenschapeen te Amsterdam. Afdeeling Letterkunde. Nieuwe reeks,

Deel XXIX, No. 1: The Liege Diatessaron . . . with the assistance of

C. A. Phillips, English translation of the dutch text by A. J. Barnouw (Amsterdam 1929).

(17)

A. Baumstark, Neue oriental. Probleme biblischer Textgeschichte. 105

Übereinstimmung mit der Vulgata zu methodischer Ent¬

wertung, aber freilich hatte der Einfluß der von Hieronymus

geschaffenen Textgestalt in jener verlorenen lateinischen Vor¬

lage des Mittelniederländers sich noch unendlich weniger

stark durchgesetzt als im „Diapente" des Codex Fuldensis.

Ein wesentlich durch Vergleichung mit orientalischem

Zeugnismaterial und von Fall zu Fall immer wieder aufs neue

zu klärendes Problem stellt dabei übrigens der Wert der ein¬

zelnen Hss. des T^ dar. Bislange hat die in Lüttich befind¬

liche schlechthin als die wertvollste gegolten, und tatsächlich

ist in ihr im allgemeinen der Vulgataeinfluß am schwächsten.

Immerhin fehlt es jedoch nicht an Stellen, an denen offen¬

sichtlich vielmehr eine Stuttgarter oder sogar eine Haager Hs.

eine ursprünglichere Textform erhalten hat. Stärkste mate¬

rielle Beziehungen weisen aber die verschiedenen Formen alt-

syrischen Evangelientextes und die materiell von P ab¬

weichenden Elemente des T^ nicht nur mit T^ auf.

Jene Beziehungen bestehen vielmehr bekanntlich zwischen

altsyrischem und altlateinischem Evangelientext überhaupt.

Die Erklärung dieser Tatsache und damit mindestens in der

Hauptsache die Lösung für das Problem des sog. Western-

textes liegt in der grundlegenden Bedeutung, die hier wie

dort das harmonistische Werk Tatians besessen hat. In zwei

Aufsätzen über „Die Evangelienzitate Novatians und das Dia¬

tessaron" und über „Tatianismen im römischen Antiphonar",

Orlens Christianus, Dritte Serie V, S. 1—14 und 165—174,

konnte ich zunächst für den offiziellen altlateinischen Evan¬

gelientext der römischen Kirche nicht nur durch den Ver¬

gleich mit T^ und dem orientalischen Material zeigen, wie

stark derselbe von materiellen Tatianismen durchsetzt war,

sondern auch nachweisen, daß in ihm letzten Endes Über¬

setzungsarbeit nicht nach dem Griechischen, sondern nach

dem Syrischen, d. h. eine alte lateinische Übersetzung des

Diatessarons nach dessen syrischem Original nachwirkt^). In

1) Ich verweise hier nur auf den in dem ersteren Aufsatz, S. 11,

besprochenen durchschlagenden Fall von Jo. 8, 18, wo dem ^iaQtvQtl

aller griechischen Überlieferung ein „testificatus est" des Novatian-

(18)

gleichem Sinne müßte nun aber der gesamte Bestand alt¬

lateinischer Evangelientexte untersucht werden. Ich kann

schon heute sagen, daß immer wieder bei den europäischen

Zeugen das gleiche Bild nicht nur mannigfacher materieller

Übereinstimmung mit der Tatianüberlieferung, sondern auch

gelegentlicher zweifelloser Abhängigkeit von sprachlich syri¬

scher Vorlage sich ergeben wird. Sollen schon heute aufs

Geratewohl einige Beispiele dieses Befundes namhaft gemacht

werden, so verweise ich etwa auf Mt. 3, 4: super lumbos suos

g^ = P: wOtO'^^^L^L für tieqI rrjv oaqmv avrov; Mt. 19, 21: quae

habes g^ = Syr®'": für aov rä vndgxovra; Mk. 1, 23:

qui kabebat spiritum immundum ebq für h nvevpan axa^dgro).

Vgl. Syr®*": JfcaSo^ |-o» o>3 Loo) fc^/j; Mk. 4, 27: dum nescit

bff^iq = P: >C ji oo» für wq ovx oIöev avrov; Mk. 11, 12:

alia die bff^iq = Syr®*" P: lit-/ IäqIX für r^ enavQiov; Mk.

12, 12: de eis b = Syr®*" P: für nqog avrovg; Mk. 14,

44: traditor hfP = P: für d nagadidoix; avrov. Häufig

genug hat sich die charakteristisch syrisch-lateinische Fassung

bis in die Vulgata erhalten. So ist dies von den sieben

angeführten Stellen nur bei den drei Mt. 4, 4, Mk. 1, 23 und

Mk. 12, 12 nicht der FalP).

Zitats gegenübersteht, das sich nur aus irriger perfektischer Auffassung

eines vielmehr partizipial-präsentisch gedachten und noch jeder An¬

deutung einer Vokalisation entbehrenden syrischen JOfiO erklärt. In

umgekehrtem Sinne liegt dasselbe völlig zwingende Verhältnis Mk. 16,2

vor, wo griechischem dvaTctlarros tov riliov die herrschende alt¬

lateinische Fassung „Oriente sole" gegenübersteht, gegen die Hierony¬

mus offenbar mit seinem „orto iam sole" ausdrücklich polemisiert, und die nur aus falscher partizipial-präsentischer Auffassung eines vielmehr perfektisch gedachten syrischen '^f" «O (= SyrSin gegen P : wwJI «o) sich erklärt.

1) So ist z. B. selbst das „gratia plena" von Lk. 1, 28 und damit des Ave Maria-Gebetes der katholischen Kirche offensichtlicher Syris- mus = jl "^'-^ t»iNYa gegenüber dem wirklich unmittelbar auf grie¬

chisches x£;(ocp(T(aft^vi) zurückgehenden „gratificata" afrikanischen lateinischen Evangelientextes.

(19)

A. Baümstabk, Neue oriental. Probleme biblischer Textgeschichte. 107

An demjenigen des einzigen griechischen Westerntext-

zeugen D wird zwar keineswegs ein neues, wohl aber in neuem

Licht ein sehr altes Problem im Zusammenhang mit dieser

Erkenntnis stärksten syrisch-tatianischen Charakters des

europäischen altlateinischen Evangelientextes aufzugreifen

sein. Abgesehen von Lk., wo die Dinge vielleicht im Zu¬

sammenhang mit dem eigentümhchen D-Text der Apg. be¬

sonders gelagert sein könnten, wird sich der völlig isolierte

und immer wieder mit syrischer Überlieferung sich berührende

Befund der bilinguen Hs. bei einer systematischen Unter¬

suchung doch wohl daraus erklären, daß ihr griechischer Text

aufs allerstärkste zwar nicht durch den heute neben ihm

stehenden lateinischen, wohl aber durch denjenigen einer

verschollenen altlateinischen Evangelienhandschrift von be¬

sonders prägnantem syrisch-lateinischem Typus beeinflußt

istl).

Ein anderer verschollener Altlateiner würde geradezu der¬

jenige Altlateiner sein, welcher die höchste Bedeutung für

das Problem des Zusammenhangs altlateinischer Textüber¬

lieferung mit dem syrischen Original des Diatessarons zu be¬

anspruchen hätte. Er redet zu uns aus einer zweiten arabischen

Quelle, die so an Bedeutung T^ um ein Vielfaches überragt.

Es ist dies die im Jahre 946 n. Chr. von Isaak Velasquez aus

Cordoba gefertigte spanisch-arabische Evangelienübersetzung,

der Ibn Hazm seine Evangehenzitate entnommen hat und

deren Text vorläufig am besten durch die im Jahre 1394 nach

1) Vgl. in diesem Sinne vorläufig einige beispielsmäßige Andeu¬

tungen Oriens Christianus, Dritte Serie VIII, S. 2, Anm. 1. Einen wei¬

teren bezeichnenden Beleg der Sachlage liefert Lk. 24, 7. Hier war von

den zwei griechischen Worten ivQ-Qmnrnv äiiaQTcoXäv im Diatessaron

nach dem zwingenden übereinstimmenden Zeugnis von TN gegen Vul¬

gata und TA nur das zweite wiedergegeben. Ein vielmehr bloßes „ho-

minum" der Altlateiner b e ff erklärt sich offenbar daraus, daß es, einem älteren rein tatianischen lateinischen Text als Ergänzung über-

oder beigeschrieben, irrtümlich als Korrektur seines bloßen „pecca-

torum" gefaßt wurde und so dieses verdrängte. In D steht an bloßem äv^gmnav die Rückübersetzung des Endergebnisses dieser zweistufigen lateinischen Textentwicklung.

(20)

einer Vorlage vom Jahre 1145 gefertigten Münchener Hs.

Ar. 238 kenntlich wird^). Man hat bisher angenommen, daß

Velasquez nach der Vulgata übersetzt habe, und einen starken

Vulgataeinfluß hatte die von ihm benützte Hs. allerdings

erfahren. Das ist um die Mitte des 10. Jahrhunderts alles eher

als verwunderlich. Aber jene Hs. war auch noch voll von

Hunderten und aber Hunderten altlateinischer Lesarten jenes

spezifisch syrisch-lateinischen Charakters, die zu einem guten

Teil auch nicht in einem einzigen der heute noch erhaltenen

Altlateiner der Evangelien zu belegen sind. Denn immer

wieder begegnen in dem arabischen Text Fassungen, die

gegen Vulgata bald mit einem oder mehreren erhaltenen Alt¬

lateinern, bald mit altsyrischer Überlieferung, bald mit T^

oder mit T^ gegen P übereinstimmen^) oder durch ihren

harmonistischen Charakter sich als tatianisch erweisen, oder

endlich ihre Herkunft aus einer syrischen Vorlage verraten,

die unmittelbar nirgends erhalten ist. Der letztere besonders

instruktive Fall liegt namentlich dann vor, wenn die un¬

mittelbare lateinische Vorlage des spanischen Arabers eine

offensichtliche syrische Textkorruptel wiedergab. So, wenn

Lk. 4, 9 der Versucher den Herrn gegen „super pinnam tem-

pli" der Vulgata s^i^ (auf den Felsen des Hauses)

führt, was auf die Verlesung eines syrischen \3uo (Fels) statt

des zurückgeht, durch das hier P und Mt. 4, 5 Syr®'"

und P das griechische nregvyiov wiedergeben. So, um noch

ein zweites Beispiel anzuführen, wenn Mt. 4, 16 gegen „po-

pulus qui" der Vulgata Ihn Hazm in der Übersetzung des

Velasquez las (jeder, der), was sich nur daraus erklärt,

daß dem von diesem übersetzten altlateinischen Text eine

Korruptel des in Syr^"^ vorliegenden syrischen j jjaik (das

1) Vgl. Ig. Guidi, Le Traduzioni degli Evangelii in Arabo e in

Eliopico (Rom 1888), S. 28f. und K. Völlers und E. von Dobschütz,

Ein spanisch-arabisches Evangelienfragment, ZDMG LVI, S. 633—648,

wo nach der genannten Münchener Hs. und den Fragmenten einer Leip¬

ziger, die in dieser allein erhaltenen Bruchstücke der Kapitel-Inhalts¬

angabe zu Mt. und Mk. mit Prolog zu Mk. herausgegeben sind.

2) Einige einprägsame einschlägige Belege Oriens Christianus,

Dritte Serie VIII, S. 12, Anm. 1.

(21)

A. Baümstabk, Neue oriental. Probleme biblischer Textgeschichte. 109

Volk, das) in J )» (was auch immer) zugrunde lag. Ich hahe

bisher nach der Münchener Hs. eine vollständige Vergleichung

für Mt., Mk. und etwa die Hälfte von Jo durchgeführt und

gedenke in einer vorläufigen Veröffentlichung das Ergebnis

der Vergleichung, wenn sie für alle Evangelien beendet sein

wird, auch vorzulegen. Die Bedeutung der Übersetzung des

Velasquez ist aber eine derartige, daß als Grundlage ihrer

endgültigen Verwertung eine kritische Ausgabe auf Grund

des ganzen bei G. Graf, Die christlich-arabische Literatur bis

zur fränkischen Zeit (Freiburg i. B. 1905), S. 24f., verzeich¬

neten handschriftlichen Materials unerläßlich sein wird.

Mit T-*^ und dem spanisch-arabischen Evangelientext ist

das arabische Material nicht erschöpft, das von der Diates¬

saronforschung zu berücksichtigen ist. Auch fern im Osten

hat augenscheinlich ältestem vielleicht noch in vorislamischer

Zeit nach syrischer Vorlage entstandenem arabischen Evan¬

gelientext noch nicht die P, sondern irgendein Zweig alt¬

syrischer Überlieferung zugrunde gelegen. Ein Zitat von

Mt. 1, 19 bei Ibn Qutaiba^) stimmt beinahe wörtlich mit

überein und bietet damit auch die in der sonstigen altlatei¬

nischen und in der altsyrischen Überlieferung an der Stelle

auftretenden Eigentümlichkeiten. Nicht minder verrät sich

Zusammenhang mit der vom Diatessaron herkommenden alt¬

syrischen Linie in den Evangelienzitaten des Ali ibn Rabban

at-Tabari in seinem Kitäb ad-dln wad-daulah^). Die in den

Hss. Borg. Or. 95 und Berol. Or. 1108 vollständig erhaltene

1) Kitäb al-Ma'ärif in dem kurzen Abschnitt über Jesus (Ausgabe

Kairo 1300 H., S. 18). Ich werde dieses Stück und seine ganz außer¬

ordentliche Bedeutung für d£is Problem ältester arabischer (Psalter-

und) Evangelienübersetzung demnächst näher behandeln.

2) Ausgabe von A. Mingana, The book of religion and empire . . .

by Ali Tabari (Manchester 1923). Ich führe als einige Belege an Mt. 4,18:

JoL» j = SyrSin : )2a.j oifc>aCD OA^^ statt itaga rr)v

« ^*

d-äXaaeav; Mt. 4,22: KjUa.*Jl j L*.*^ = SyrSin; |^i.O)fy>2> «^OlQSjJ

£

statt tb nlotaov xai rbv nariQu; Mt. 21, 24: äJL«»^ = TN: questie statt X6yov; Jo. 14,16 J-m-jJ = SyrSin; »jjtj statt ämaii.

8

(22)

altarabische Evangelienübersetzung endlich i) ist zwar wesent¬

lich eine solche aus dem Griechischen. Doch gibt merkwür¬

digerweise auch sie einzelne Fassungen wieder, denen wir

sonst im weiten Umkreis griechischer Überlieferung nicht

mehr, wohl aber dort begegnen, wo der Einfluß des syrischen

Diatessarons sich geltend macht 2).

Wie im Südosten auf dem syrisch-arabischen Grenzgebiet,

wird dieser Einfluß endlich auch im Nordosten in armeni¬

schem und georgischem Bibeltext fühlbar. Ich darf in diesem

Zusammenhang auch heute noch auf meine vor einem halben

Jahrzehnt erschienene Ausführungen „Zum georgischen

Evangelientext", Oriens Christianus, Dritte Serie III/IV, S. 117

bis 124 verweisen. Allen Versuchen zum Trotz, die armenische

und ihr nach dann auch die georgische Überlieferung des

Evangelientextes als ein reines Kind der griechischen zu be¬

ll Von mir behandelt in den beiden Aufsätzen Die sonntägliche

Evangelienlesung im vorbyzantinischen Jerusalem, Byzantinische Zeit¬

schrift XXX, S. 350—359 und Das Problem eines vorislamischen christ¬

lich-kirchlichen Schrifttums in arabischer Sprache, Islamica IV, S. 562 bis 575, speziell S. 570ff.

2) Vgl. Oriens Christianus, Dritte Serie VIII, S. 8, Anm. 1 und

S. 9f., Anm. 1. An einigen weiteren Beispielen seien hier genannt

Lk. 1, 37: äUI statt naga tov »eov. Vgl. TA juJLc yiw^j )i M ^

1^-^ (gegen P); Lk. 1,64, wo besonders auch die Wortstellung zu be¬

achten ist: xXcL« statt &vemx&ri «fi tö ardfia avrov -na-

gaxew^. Vgl. SyrSin : o^aS^J jioco^ -ifciJt/ J bojO 0)S0 und bezüglich der Wortstellung TN (gegen Vulgata) : mettin so ward oc Zacharias mont

ontploken und P: OpSOS —fcwSL/ |j-«2DO; Lk. 1, 74: ijötiLsMl = TA

(gegen P) statt gvoO-ivtag. Vgl. TN (gegen Vulgata) : om ons te vereloesene ; Lk. 2, 22: statt inXrjad-riaav. Vgl. TN (gegen Vulgata) : end alse de

tyd quam, Lk. 2,44: ^Ls:ioi>o! = SyrSin; .^otb^C^ )a\ bzw. P:

>^0)1^C^ )aX statt ir Tg avvoSia ; Jo. 1,42: jJ ^Jlsj = SyrSin ;

ojb^ »Jojo statt bloßem: tlntv. Vgl. TN (gegen Vulgata): so sprac hi

hem ane en seide. Zu einer Edition und eingehenden textgeschichtlichen

Bearbeitung dieses altarabischen Evangelientextes habe ich einen

jungen schwedischen Gelehrten, Dr. Bernhard Lewin, angeregt. Man

kann nicht dringend genug wünschen, daß er diese Aufgabe möglichst

bald lösen möchte.

(23)

A. Baumstark, Neue oriental. Probleme biblischer Textgeschichte. JH

greifen, wird früfier oder später eine Revision des Problems

im Sinne jener Ausführungen durchgeführt werden müssen.

Ihr Ergebnis ist mir nicht zweifelhaft. Irgendein diatessaron-

naher Altsyrer hat die Grundlage der ältesten armenischen

Evangelienübersetzung gebildet, deren Gesicht dann durch

eine radikale Überarbeitung nach dem Griechischen beinahe

verwischt wurde, und auf eine dessen Urgestalt noch erheblich

näherstehendes Entwicklungsstadium des armenischen Textes

geht wieder der älteste georgische zurück. Vorerst mag der

Hinweis auf eine einzige Erscheinung genügen, die, in der

georgischen wiederkehrend, sich in der armenischen Über¬

lieferung sogar dauernd gehalten hat und jedem Versuch

einer Erklärung aus griechischer Vorlage spotten dürfte.

Mt. 3, 3, Mk. 1, 3 und Lk. 3, 4 findet sich für qxovrj ßocovrog

übereinstimmend armenisches fupi pjuppjua-y (Stimme des

Ruf ens) und entsprechendes georgisches hmai gagadebisai

steht sicher wenigstens an derMt.- und Mk.-Stelle. Zugrunde¬

liegen kann nur die denn auch in dem „stemme des roepens"

des T^i) nachwirkende falsche Lesung )lvoy statt jlvjoj

eines syrischen Textes. Zu denken gibt hier sodann noch die

Tatsache, daß das merkwürdige Quidproquo mindestens im

Armenischen an sämtlichen Parallelstellen auftritt. Das

könnte darauf hinweisen, daß die irrige Lesung und dem¬

entsprechend Falschübersetzung geradezu bei einer armeni¬

schen Übersetzung des Diatessarons selbst erfolgt wäre. An

eine solche als letzte Grundlage der Entwicklung des arme¬

nischen Evangelientextes hat ja tatsächlich kein Geringerer

als Fr. Conybeare gedacht

Ein letztes und besonders heikles Problem der Diates¬

saronforschung erwächst nun allerdings bei einem näheren

Vergleich dieses weitschichtigen Materials, das hier nur flüch-

1) So nach der Haager Hs. gegen das regulärere: „stemme . . . eens die roepen sal" der Lütticher und das; „stemme des raupende" der Stutt¬

garter.

2) Vgl. die hochbedeutsamen einschlägigen Mitteilungen von

G. Krüger in seinem Nachruf „Frederick Cornwallis Connybeart", Zeit¬

schrift f. d. Neutestamentl. Wissenschaft XXIII, S. 5f.

(24)

tig umrissen werden konnte. Es ergibt sich nämlich, daß nicht

selten für eine und dieselbe Stelle verschiedene Überliefe-

rungszweige oder Gruppen solcher bei streng methodischem

Vorgehen der Untersuchung mit gleicher Zwangsläufigkeit

auf verschiedene Fassungen für das Tatianische Werk führen.

Ich habe mich mit dieser Sachlage und der einzigen für sie

möglichen Deutung kürzlich in einem Aufsatz „Zur Geschichte

des Tatiantextes vor Aphrem", Oriens Christianus, Dritte Serie

VIII, S. 1—12, für das Beispiel der Mk. 14, 25, Mt. 26, 29,

Lk. 22, 18 bzw. 16 überlieferten Herrenworte beschäftigt,

wobei an dem in armenischer Übersetzung erhaltenen Dia-

tessaronkommentar Aphrems i) noch ein letzter Überliefe¬

rungszeuge beizuziehen war, dem man bislange einen ganz

besonders hohen Wert glaubte beimessen zu dürfen. Jene

Deutung kann nur in der einzigen Richtung liegen, daß der

Text des Diatessarons selbst kein unverbrüchlich fester ge¬

wesen ist, sondern im Laufe der Zeit und zwar eben schon

vor der Abfassung des Aphremschen Kommentars seine Ge¬

schichte gehabt hat, die ihn im einzelnen modifizierte. Schei¬

den die Textzitate des Kommentars schon vermöge seiner nur

sprachlich armenischen Überlieferung für die Wiedergewin¬

nung der formalen Gestalt des Diatessarons naturgemäß von

vornherein aus, so lehren sie uns — und zwar, ganz vorsichtig

beurteilt, auch nur dann, wenn sie nicht mit dem normalen

Wortlaut des armenischen Evangelientextes zusammenfallen,

so daß der Verdacht einer Beeinflussung durch diesen aus¬

geschlossen ist, — selbst den materiellen Bestand nicht des

ursprünglichen, sondern eben nur desjenigen Diatessaron¬

textes kennen, den Aphrem etwa im dritten Viertel des

4. Jahrhunderts in Edessa gelesen hat. Da die gewiß in Rom

wohl noch im letzten Viertel des 2. Jahrhunderts aus dem

Syrischen geflossene lateinische Übersetzung des Diatessa¬

rons, auf welche die Tatianismen im altlateinischen Evan¬

gelientext und noch in der Vulgata, vor allem aber in der

1) Ausgabe im 2. Band der Mechitharisten-Ausgabe des armeni¬

schen Aphrem S. 5—260. Lateinische Übersetzung von G. Mösinqer,

Sancti Ephraemi Syri evangelii concordantis expositio (Venedig 1876).

(25)

A. Baümstark, Neue oriental. Probleme biblischer Textgeschichte. 113

arabischen Übersetzung des Velasquez, zurückgehen, ganz

unmittelbar an die Zeit des Autors selbst heranführen, wird

jenem auf sie zurückweisenden Material für die materielle

Rekonstruktion der Urgestalt seines Werkes die schlechthin

führende Bedeutung zukommen. Ganz allgemein wird aber

bezüglich der Diskrepanzen dessen, was sich als Diatessaron-

text aus den verschiedenen Überlieferungsschichten ergibt,

folgendes festzuhalten sein. Jene alte Geschichte des Dia¬

tessarontextes kann zu ihrem Inhalt nur die Entwicklung

einer zunehmenden Annäherung desselben an den griechischen

Evangelientext des jeweiligen Zeitpunktes und schließlich

also an die für den geographischen Raum Syriens maßgeblich

gewordene Koine Antiocheias gehabt haben. Es muß also

eine Fassung als um so ursprünglicher erscheinen, je weiter

sie von dieser griechischen Koine abliegt, und als Kennzeichen

der Ursprünglichkeit einer bestimmten Fassung kann mit der

größten Sicherheit ihre Abweichung von aller griechischen

Uberlieferung gelten.

Eine sehr nachdrückliche Warnung hat gerade bezüglich

dieses echtest tatianischen Stoffes der Orientalist an den neu¬

testamentlichen Textkritiker zu richten. Man hat sich davor

zu hüten, hier etwa unbesehen Rückübersetzungen ins Grie¬

chische vorzunehmen und diese alsdann als schon von Tatian

vorgefundene oder gar als Varianten eines griechischen Dia¬

tessarons, dessen Existenz mindestens nicht erwiesen und

vorläufig nicht erweislich ist, im kritischen Apparat einer

griechischen Evangelienausgabe zu buchen. Durchweg ist es

nur der — noch stark von rein aramäischem Sprachgefühl

geleitete — Übersetzer oder sogar schon der Exeget Tatian,

der hier redet, wo man bei einem solchen Vorgehen alte

Varianten des 2. Jahrhunderts festzustellen wähnen würdei).

1) Bei schuldiger methodischer Strenge ist man also nicht berech¬

tigt, aus irgendeiner im Umkreis des Diatessarons auftauchenden nicht-

griechischen Texterscheinung auf eine entsprechende griechische zu¬

rückzuschließen, wenn diese nicht tatsächlich auch in griechischer Über¬

lieferung auftaucht. Daß dabei wie bei aller methodischen Entwertung

möglicherweise, ja gewiß sogar tatsächlich zu weit gegangen wird, ist

Zeitschrift d. D. M. O. Neue Folge Bd. XIV (Bd. 89) 8

8 *

(26)

Auch in dieser Beziehung wimmelt es im Apparat von Sodens

von Fehlgriffen in der Diatessaronfrage, die sich zu einem

großen Teil nicht nur auf T^, sondern auch auf Syr®'°,

Syr*^ und P erstrecken.

Targumforschung und Diatessaronforschung werden sich

endlich einem Problem gegenüber zu vereinigen haben, dessen

allerhöchste Bedeutsamkeit es als besonders prekär erscheinen

läßt, wenn vorläufig nur mit wenigen Worten angedeutet

werden kann, in welcher Richtung ich eine völlig neue und

erstmals völlig befriedigende Lösung desselben bzw. den Weg

zu einer solchen sehe. Es ist dies das Problem der alttesta¬

mentlichen Zitate in den synoptischen Evangelien, vorab in

dem ursprünglich in semitischer Sprachform abgefaßten Mt.

Soviel müßte zunächst jedenfalls einleuchten, daß man

diesem Problem mit den landläufigen Annahmen gedächtnis¬

mäßig unkorrekter oder gar tendenziös fälschender Zitation

beikommen zu können, sehr zu Unrecht geglaubt hat. Wer

es unternahm, dem jüdischen Volke auf Grund der Erfüllung

bestimmter prophetischer Aussagen zu beweisen, daß in

Jesus von Nazareth der von ihm erwartete Messias erschienen

sei, konnte sich weder die bodenlose Nachlässigkeit gestatten,

jene Aussagen ungefähr immer gedächtnismäßig falsch zu

zitieren, noch die bodenlose Keckheit, sie in gleichem Um¬

fang bewußt zu fälschen. Eine wieder einmal mit minutiöse¬

ster Sorgfalt durchzuführende Untersuchung wird vielmehr

von dem merkwürdigen Befund auszugehen haben, daß für

jene Zitate beinahe ausnahmslos in dem auf das Diatessaron

zurückgehenden Material mehr oder weniger ausgedehnt

charakteristische materielle Abweichungen von aller ihrer in

griechischer Überlieferung auftretenden Fassung festzustellen

klar. Aber da die Grenze, bis zu der eigentlich gegangen werden sollte, nicht sichtbar zu werden vermag, bleibt nichts anderes übrig, als dieses

Übel mit in Kaut zu nehmen. Besser fehlen im Apparat einige grie¬

chische Varianten, die einmal wirklich existiert und Tatian in dem von

ihm gelesenen griechischen Text vorgelegen haben, als daß er mit

hunderten griechischer Varianten übersät ist, die es in Wirklichkeit nie gegeben hat.

(27)

A. Baumstark, Neue oriental. Probleme biblischer Textgeschichte. 115

sind^). Eine solche Forschung wird zu dem einwandfrei ge¬

sicherten Ergebnis führen, daß auch sie schon Tatian eben

nicht aus dem Griechischen neu übertragen, sondern aus

einem ihm geläufigen aramäischen Targumtext eingesetzt hat.

Dieser Text wird sich dabei einerseits wieder als ein Ver¬

wandter bereits der P erweisen. Andererseits aber wird sich

ergeben, daß es ein noch ungleich näherer Verwandter, besser

gesagt: eine mehr oder weniger abweichende Spielart dieses —

wohl schon in ostaramäischer Sprachform — noch von Tatian

gelesenen Prophetentargums war, dessen westaramäischcr

Sprachform als der kurrenten seiner Zeit einst der Verfasser

des Ur-Mt. jene Zitate entnahm, deren griechische Über¬

setzung wir im heutigen Mt.-Text lesen.

Wenigstens zwei Beispiele mögen auch hier den Sach¬

verhalt vorläufig beleuchten, den auf breitester Flucht wohl

nicht viel weniger als ein Hundert solcher zu erhärten haben

wird. Mt. 2, 6 entspricht in dem Zitat von Mi. 5, 1 dem "'sbss

des MT (= jfiAt'aortj' aller griechischen Überlieferung) das

bekannte griechische rolg T^ye/aooiv, dagegen in Syr^'" und

P neben das getreulich bei Velasquez als Wiedergabe

eines sonst unerhörten altlateinischen „reges" ein 'üjLt tritt.

Zugrunde liegt olTensichtlich verschiedener Wortlaut einer

und derselben die Lesung ""S^N voraussetzenden Targum¬

tradition, die auf der einen Seite in der Fassung eines S''J121D

oder "'JISHD auf der anderen in derjenigen eines N'^o'jD oder

O^D nachwirkt. Das zweite Beispiel sei deshalb zum Schlüsse

noch angefügt, weil es zugleich die Stellung auch der Vulgata

und des christlich-palästinensischen Textes im Rahmen der

1) Dieser Befund gilt gleichmäßig für die Mt.-Zitate und das über

sie hinausschießende Zitatenmaterial bei Mk. und Lk. Nur ist aus¬

schließlich bei dem ersteren dann doch wieder ganz offenbar eine nähere

Beziehung der für Tatian zu erschließenden Fassung mit derjenigen

des griechischen Mt.-Textes zu beobachten. Ein solches Verhältnis

fehlt dagegen bei dem Zitatenmaterial der beiden ursprünglich grie¬

chischen Evangelienschriften, das naturgemäß nicht einem aramäischen Targum, sondern einer bestimmten Form des griechischen, „wilden"

LXX-Textes entnommen ist.

(28)

targumischen Gesamtüberheferung und zwar jetzt eben für

das Prophetentargum belegt. Dem seltsamen ^^')p^ des MT

in Is. 7, 14 (= xaXeasig der griechischen Überlieferung)

standen die zwei alten Targumfassungen eines NlpH'' und

eines INIp"* gegenüber. Die erstere hat sich Mt. 1, 23 als

jvofej in P, als „vocabitur" in der Vulgata des A. T.s erhalten

und war als neutestamentliches Zitat im Diatessaron ein¬

gesetzt, wie ihr Auftreten in Syr*^""" und der Wiedergabe

zweifellos der neutestamentlichen Stelle bei Aphrahat ver¬

bürgt. Die letztere liegt als .^wa-» noch im christlich-palästi¬

nensischen Text des Lewis-Lektionars vor und hatte im semi¬

tischen Ur-Mt. vorgelegen, da sie sich in dem xaXeaovaiv des

heutigen griechischen Mt.-Textes spiegelt.

Nur aussprechen will ich endlich heute schon, daß bei¬

spielsweise auch das — beinahe schon berüchtigte — ort

NaCwgaiog xXrj'dijaeTai von Mt. 2, 23 auf dem Wege der hier

angedeuteten Forschungsarbeit endgültig sich als eine aller¬

dings nur ein einziges Wort umfassende strengste Zitation

von Is. 11, 1 erweisen wird, durch den Verfasser des Ur-Mt. in

einer aramäischen Targumfassung gelesen, die dann vielleicht

wieder noch Tatian in sein Werk eingesetzt hat^).

Nachtrag.

Die S. 13 in Aussicht gestellte Veröffentlichung des Auf¬

satzes von Peters über „Targum und Praevulgata des Penta¬

teuchs" ist jetzt Oriens Christianus. Dritte Serie IX, S.49ff.

erfolgt.

Der S. 15 berührte Aufsatz über „Die syrische Über¬

setzung des Titos von Bostra und das Diatessaron" erscheint

nunmehr im übernächsten Hefte der römischen Biblica.

Als Probe der S. 19ff. behandelten arabischen Evangelien¬

übersetzung des Isaak Velasquez habe ich Oriens Christianus.

Dritte Serie IX, S. 225 — 239 Markus Kap. 2 mit einem sorg-

1) Das hier entscheidende aramäische Wort JioJ im Sinne von

hebräisch nS3 wird von der syrischen Lexikographie bezeugt. Vgl. die

Belege bei R. Payne Smith, Thesaurus Syriacus, Sp. 2443t.

(29)

A. Baumstark, Neue oriental. Probleme biblischer Textgeschichte. 117

fältigen Nachweis der hier sich spiegelnden Tatianismen ver¬

öffentlicht.

Mit dem S. 21 f. berührten Problem des Nachwirkens

einer auf einem noch höchst diatessaronnahen Altsyrer be¬

ruhenden arabischen Evangelienübersetzung bei Ibn Qutaiba

und Ibn Rabban at-Tabari habe ich inzwischen eingehend

in einem Aufsatz über die „Arabische Übersetzung eines alt¬

syrischen Evangelientextes und die Sure 21,105 zitierte Psalmen¬

übersetzung", Oriens Christianus. Dritte Serie IX, S. 165—188,

mich beschäftigt. Die Übersetzung, die mit Bestimmtheit als

eine noch vorislamische angesprochen werden darf, wird auch

noch an einer dritten Stelle, nämlich in einer Abhandlung

des 'Amr ibn Bahr al-öähizi) greifbar. Mit dem kora¬

nischen Zitat eines arabischen Psaltertextes verband sie der

charakteristische Gebrauch von g-^^ als Wiedergabe dX.j)

(= öixaiog), ein Sprachgebrauch, durch den als Zitat noch

jenes altarabischen Psaltertextes selbst sich eine Anführung

des größten Teiles von Ps. 149 wieder durch Ibn Qutaiba bei

Ibn öauzi in seinem Kitäb al-wajä jl jadä'il al-mu^tajä*)

erweist.

S. 23, Anm. 2, wäre neben der Mitteilung G. KntJGER's

vor allem Fr. Conybeare's eigener Aufsatz An armenian

diatessaron, The Journal oj theological studies XXV, S. 232

bis 246, anzuführen gewesen.

Endlich hat sich mir seit dem Bonner Orientalistentag

des letzten Spätsommers auf dem Gebiet der Diatessaron¬

forschung eine weitere bedeutsame Erkenntnis ergeben. Sie

betrifft die althochdeutsche Tatianübersetzung. Die Vorlage

derselben hatte man bisher in einem wesentlich mit dem¬

jenigen des auf Victor von Capua zurückgehenden Codex

Fuldensis identischen lateinischen Text schon von fast rest¬

losem Vulgata-Charakter erblickt. Tatsächlich war auch jene

Vorlage, wenn auch lange nicht so stark wie der durch Isaak

1) J. Kinkel, Three essays of Alä Othman 'Amr ibn Bahr al-Jahiz.

Kairo 1926, S. 27.

2) Bei Brockelmann, Beiträge zur Assyriologie und semitischen

Sprachioissenschaft III, S. 49.

(30)

Valesquez wiedergegebene Text der Einzelevangelien ein

noch altlateinisch gefärbter und mit bezeichnenden Tatia¬

nismen durchsetzter. Auch für diesen vor allem den Germa¬

nisten interessierenden Sachverhalt kann der —, wie sich

zeigen wird, völlig zwingende — Nachweis nur durch den

Orientalisten geführt werden. Denn neben T^ ist es vielfach

syrischer Evangelientext, mit dem überraschendste Überein¬

stimmungen in der althochdeutschen Übersetzung gegen den

Fuldensis bzw. den neben ihr selbst in der Sangallener Hs.

stehenden lateinischen Text festzustellen sind. Auch hier sei

wenigstens ein einziges Beispiel schon heute angeführt. Für

den Vulgata-Wortlaut : „utquid etiam terram occupat?" jener

beiden Lateiner lesen wir 102, 2 (= Lk. 13, 2): „ziu habet her

thie erde in gimeitün?", also statt des „utquid" die Wieder¬

gabe des Begriffes ,,wozu", keine solche des „etiam", und

statt „occupat" an „in gimeitun" eine Wendung, durch die

109,1 (= Mt. 20, 3) „otisos" oder genauer wohl ein auch

hier, wenngleich weniger stark, abweichendes „otiose" wieder¬

gegeben wird. Dazu vergleiche man nun das KV il^^so |uQ^

von Syr^*" ^ in Lk. 13, 2 im Zusammenhalt mit dem y^^o

des Syr®'° bzw. ,^>w^o des Syr'^ und der P in Mt. 20,3. Die

Übereinstimmung ist eine noch weit stärkere als etwa mit der

tatsächlich bezeugten aitlateinischen bloßen Variante „eva-

cuat" statt „occupat". Ähnliche Befunde begegnen in nicht

geringer Zahl.

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