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Deutsche Sprache unter der Apartheid Schweizer

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FORUM

Da für das Selbstverständnis der Redaktion von ZS weder der Vorwurf politischer Nestbe- schmutzung noch der Vorwurf repressiver Toleranz ins Gewicht fallen kann, wird nachste- hend ein Reisebericht Harro Schweizers zur Situation der deutschen Sprache in Südafrika und Namibia mit der ausdrücklichen Einladung veröffentlicht, die Widersprüche zu publi- zieren, zu denen der Bericht wegen seiner Kompromißlosigkeit insbesondere in Termino- logie und gezogenen Konsequenzen reizen muß. Die Ausgewogenheit eines Forums wird als Ergebnis eines selbstregulativen Prozesses und nicht der beschwichtigenden redaktio- nellen Eingriffe gesehen. Diese ihre Auffassung dokumentieren zu.können, ist der Redak- tion nicht nur im Hinblick auf Beiträge von politischer Brisanz willkommen.

Harro Schweizer

Deutsche Sprache unter der Apartheid

Ein Reisebericht über die Situation der deutschen Sprache in Südafrika und Namibia

0. Vorbemerkung; 1. Allgemeine Sprachsituation im Apartheidsystem; 2. Deutsche Sprachpflege in der Republik Südafrika; 2.1. Deutsche Schulen; 2.2. Sprachkurse für

„andersrassige" Schüler; 2.3. Germanistische Linguistik; 3. Deutsche Spräche in Nami- bia; 3.1. Kampf um deutsche Sprachrechte; 3.2. Das deutsche Schulwesen Namibias;

4. Schlußfolgerungen; Literaturnachweis.

Pflegt die deutsche Sprache Wahrt das deutsche Wort Denn der Geist der Väter Lebt in ihnen fort

(Inschrift im Speisesaal der Deutschen Schule Hermannsburg/Natal).

Wir werden laut sprechen müssen,

denn zu lange haben andere für uns gesprochen (Sipho Sepamla).

0. Vorbemerkung

Im Rahmen meiner Bemühungen um ein Verständnis der Sprachprobleme im kolonialen und post-kolonialen Afrika hat mich eine Forschungs- und Informa-

Zeiuchrift für Sprachwissenschaft 2 (1982). 201-241 Vandcnhoeck & Ruprecht

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tionsreise im Herbst 1981 nach Namibia und in die Republik Südafrika geführt Im Mittelpunkt meines Interesses stand eine Bestandsaufnahme der Aktivitäte um die deutsche Sprache, die in den beiden besuchten Ländern einen nicht z vernachlässigenden Faktor bildet. Auf meinem Programm standen Besuche a zahlreichen deutschen Schulen, Begegnungen mit germanistischen Sprachwi senschaftlern, Vertretern deutschsprachiger Medien, Verantwortlichen kulti reller Einrichtungen, Regierungsbeamten des Bildungssektors sowie Politiken daneben Studien in Bibliotheken und Archiven.

Mit dem vorliegenden Bericht wird die Absicht verfolgt, die unterschiedliche Dimensionen in der gegenwärtigen Existenz der deutschen Sprache unter de politischen Bedingungen der Apartheid herauszustellen. Als leitende Frageste lungen bieten sich an:

- Welcher Stellenwert kommt der deutschen Sprache in Südafrika und Nam bia zu?

- Welche Interessen sind an die Aufrechterhaltung und Pflege der deutsche Sprache geknüpft?

- Wer ist an den Bemühungen um das Deutsche beteiligt? Welche Rolle spiele dabei offizielle Institutionen der Bundesrepublik Deutschland?

- Wie konkretisieren sich diese Bemühungen um die deutsche Sprache in de gesellschaftlichen Teilbereichen Unterricht, Wissenschaft, Kulturpolitik?

L Allgemeine Sprachsituation im Apartheidsystem

Das politische System der Republik Südafrika ist auf der Herrschaftsideolog der Apartheid (seit einigen Jahren auch als „getrennte Entwicklung'* bezeichne aufgebaut, die seit den fünfziger Jahren gesetzlich ausgebaut und abgesiche wurde. „Divide et impera" ist das Prinzip, nach dem die weiße Minderheit il

„Recht auf Herrschaft" durch Spaltung der schwarzen Mehrheit festigen wi Dabei wird das Konzept der territorialen Trennung, das heute der weißen Mii derheit 87% der Fläche des Landes und der afrikanischen Bevölkerungsmeh heit 13% des Landes garantiert, durch die „Bantustan"- (oder auc

„Homeland"-)Politik der Regierung realisiert: eingeteilt nach tribalistischi und muttersprachlichen Kriterien wird jeder Afrikaner, unabhängig von seine]

bisherigen Wohnsitz, einem der bislang neun „Homelands" zugeordnet. Au enthalt in weißem Gebiet ist nur noch mit besonderer Arbeitserlaubnis möglicl

l Die Reise wurde durch eine finanzielle Unterstützung des Präsidenten der Freie Universität Berlin ermöglicht.

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Deutsche Sprache unter der Apartheid 203 jedoch in von Weißen streng getrennten Wohngebieten. Die Benachteiligung und Unterdrückung der afrikanischen Bevölkerung erfaßt das gesamte gesell- schaftliche Leben.

Die herrschende südafrikanische Sprachwissenschaft klassifiziert die Spra- chen und ihre Sprecher nach rassischen Gesichtspunkten und orientiert bei den einheimischen afrikanischen Sprachen auf eine möglichst feine Aufgliederung unter dem Gesichtspunkt ethnischer Zugehörigkeit, was der Regierung ein we- sentliches Kriterium für die Aufspaltung der schwarzen Bevölkerung an die Hand gibt. Dies mag Tabelle (1) verdeutlichen. Die jeweilige Sprache fungiert neben Englisch und Afrikaans auch als Amtssprache des genannten Gebiets.

Tab.J Bantu-Sprache

Zulu Xhosa Süd-Sotho Nord-Sotho Tswana Venda Tsonga Swazi

Anzahl der Sprecher 4026000 3929000 1453000 1 604000 1719000

358000 737000 499000

„Bantustan"

KwaZulu Transkei/Ciskei Basotho-Qwaqwa Lebowa

Bophuthatswana Venda

Gazankulu KaNgwana

Für die 415000 Sprecher des Ndebele in Transvaal wurde trotz entsprechen- der Planung noch kein getrenntes Gebiet geschaffen. Die angegebenen Zahlen2

beziehen sich ausschließlich auf die Sprecher in Südafrika, obwohl fast alle Spra- chen auch in angrenzenden Staaten zu finden sind.

Es ist das sprachplanerische Ziel der Regierung Südafrikas, diese Sprachen - ebenso wie ihre Sprecher - streng getrennt voneinander sich entwickeln zu las- sen, obwohl viele Sprachen zum Teil sehr eng miteinander verwandt sind. Die Nguni-Sprachgruppe etwa, zu der Zulu, Xhosa, Swazi und Ndebele gehören und die somit fast neun Millionen Sprecher umfaßt, verfügt zu rund 70.% über einen gemeinsamen Wortschatz.3

2 Die Zahlen sind Lanham/Prinsloo (1978) entnommen, die sich auf eine amtliche Erhebung von 1970 stützen.

3 Vgl. Dunjwa-Blajberg(1980:21). Heine (l 979:50) schreibt: „Die beiden bedeutend- sten Sprachen Zulu und Xhosa sind so eng verwandt, daß sie als einer Abstand- und einer Gemeinschaftssprache zugehörig angesehen werden können. Sie sind jedoch durch die geschichtliche Entwicklung und die Sprachplanung zu zwei verschiedenen Ausbauspra- chen geworden. In ähnlicher Weise teilen Nord-Sotho, Süd-Sotho und Tswana eine enge Verwandtschaft".

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Die beiden offiziellen Sprachen des Landes sind Afrikaans und Englisch. Afri- kaans, eine vom Holländischen abgeleitete, vermutlich kreolisierte Sprache, wird nach den offiziellen Statistiken von 1970 von 3421000 Sprechern als Mut- tersprache beherrscht, Englisch von 1423000 Sprechern und beide Sprachen zusammen von weiteren 1022000 Sprechern als Muttersprache. Neben zahlrei- chen indischen Sprachen, unter denen Tamil von 154000 Sprechern, Hindi vor 117000 Sprechern und Gujarati von 46000 Sprechern als Muttersprache gespro- chen werden, klassifiziert die südafrikanische Linguistik die übrigen weißer Sprachen als „Immigranten-Sprachen": Deutsch mit 49000 Sprechern, Portu- giesisch mit 42000 Sprechern, dahinter noch Griechisch, Italienisch, Niederlän- disch und Französisch (vgl. Lanham/Prinsloo 1978: 30).

Im Rahmen der Mandatsherrschaft über Namibia hat Südafrika nicht nur die Apartheid-Politik in sein Nachbarland verpflanzt, das „divide-et-impera"·

Prinzip schlug sich ebenfalls in der Einrichtung von insgesamt 10 „Bantustans"

nieder. Eine Gesamtübersicht über die in Namibia gesprochenen Sprachen und Anzahl ihrer Sprecher ist nur schwer möglich, weil die Angaben in der Literatui sehr widersprüchlich sind und die Klassifizierungen Einzelsprachen, Sprach- gruppen bzw. Sprachfamilien und ethnische Zugehörigkeit ständig vermischen, Während die drei aus Europa bzw. Südafrika importierten, vom Landesrat zu

„Nationalsprachen" erklärten Sprachen Afrikaans, Englisch und Deutsch zu- sammengenommen heute von etwas über 10% der Bevölkerung als Mutterspra- che gesprochen werden, verfügte die dominante Sprache, das Ovambo, nach Schätzungen von 1970 bereits über einen Sprecheranteil von 45,9% der Bevölke- rung (vgl. Heine 1979: 44). Das Ovambo findet sich in allen offiziellen Statisti- ken subklassifiziert in die „Dialekte" Ndonga und Kwanyama, als welche sie immer noch die beiden stärksten Sprachen des Landes sind. Dahinter rangieren mit Abstand Nama mit über 14%, Afrikaans mit deutlich unter 10%, Herero mil etwa 7% und die Okavango-Sprachen mit etwa 5%. Noch vor dem Deutschen als Muttersprache stehen die Khoisan-Sprachen, im Kolonialstil oft noch als

„Buschmannsprachen" bezeichnet, mit 2,8%.4

Gemessen an der Gesamtbevölkerung machen die Sprecher des Deutschen in Südafrika nur rund 0,2%, in Namibia knapp 2,5% aus, ein scheinbar vernachläs- sigbarer Faktor, der die Vermutung nahelegt, daß die deutsche Sprache bald ihre Existenz aufgeben wird. Doch es sind mindestens zwei Gesichtspunkte, die es sinnvoll und notwendig erscheinen lassen, sich eingehender mit der deutschen Sprache in Südafrika und Namibia zu beschäftigen.

Zum einen ist es die bedeutende wirtschaftliche Zusammenarbeit der beiden Länder mit der Bundesrepublik Deutschland, die von deutsch-südafrikanischei Seite mitunter als Argument für eine notwendige Aufrechterhaltung der deut- schen Sprache angeführt wird und die zugleich von Seiten der südafrikanischen 4 Vgl. Heine (1979: 44); die Angabe über den Anteil der Nama-Sprecher ist Kloss (1978P: 58) entnommen.

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Deutsche Sprache unter der Apartheid 205 Regierung anerkennende Gesten gegenüber der deutschsprachigen Minderheit verlangt. Die Bundesrepublik Deutschland ist immerhin einer der wichtigsten Handelspartner der Republik Südafrika: 1979 hat kein anderes Land der Welt mehr nach Südafrika importiert als die Bundesrepublik, und in der Exportbilanz Südafrikas nimmt die Bundesrepublik hinter den USA den zweiten Platz ein.

Zudem ist Südafrika ein beliebtes Land für Investitionen der bundesdeutschen Privatwirtschaft, garantiert doch das Land höchste Profite aufgrund seines be- sonderen Charakters, hochentwickeltes Industrieland zu sein, das es durch sein Apartheidsystem dem Investor ermöglicht, die Arbeitskräfte nach den Bedin- gungen eines Entwicklungslandes auszubeuten. So ist verschiedentlich der Ver- dacht geäußert worden, daß die Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik und Südafrika im wirtschaftlichen Bereich ohne die Zusammenarbeit im kultu- rellen Bereich möglicherweise weniger intensiv wäre.5 Dennoch liegt für den hier interessierenden Zusammenhang der umgekehrte Schluß, daß ohne die beste- hende enorme wirtschaftliche Zusammenarbeit die Bemühungen im kulturellen Sektor gewiß weniger intensiv wären, näher, da zwischenstaatliche Beziehungen über wirtschaftliche Verbindungen hinaus im allgemeinen auch zu kulturellen Verpflichtungen und Notwendigkeiten führen.

Andererseits geht es um den sprachpolitischen Kontext im engeren Sinne: als Deutschsprachiger in Südafrika lebt man im Bewußtsein, die „drittstärkste Muttersprache in der weißen Bevölkerung"6 zu sprechen, in Namibia sogar die zweitstärkste, die ehemals sogar Landessprache war, bevor unter weltpoliti- schen Veränderungen die weißen Machthaber wechselten. Allein der seit weit über hundert Jahren durchgesetzten weißen Kolonial- und Rassenpolitik ist es zu verdanken, daß sich die deutsche Sprache zum Teil in vierter und fünfter Generation als mündliches und schriftliches Kommunikationsmittel erhalten konnte. Die rassebewußten Deutschen konnten sich wegen ihrer Hautfarbe stets zu den Privilegierten rechnen, die das Recht auf Landerwerb und auf Ausbeu- tung afrikanischer Arbeitskräfte besaßen. Die Absonderung von anderen wei- ßen Sprachgruppen garantierte zusammen mit der staatlich abgesicherten Do- minanz über „Andersrassige" größtmögliche sprachliche Eigenständigkeit.

5 So z. B. Ripken (1978:226). Sicher ist, daß dies auf den Sektor nuklearer Technolo- gie zutrifft, in dem die Kooperation zwischen beiden Staaten-zumindest wesentlich - über einen kulturpolitisch motivierten Wissenschaftler-Austausch zustande kam; vgl. dazu Ro- de (1978: 111).

6 Stielau (1980:2). Dies dürfte allerdings fragwürdig geworden sein, da man sich bei dieser Aussage auf die Erhebungen von 1970 bezieht, während seit 1975 sehr viele Portu- giesen nach der Unabhängigkeit Angolas unter anderem auch nach Südafrika ausgewan- dert sind.

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206 Harro Schweizer

2. Deutsche Sprachpflege in der Republik Südafrika

Die deutschsprachige Bevölkerung der Republik Sudafrika verteilt sich heute auf zwei recht unterschiedliche Bereiche: verstreute und relativ isolierte ländli- che Gemeinden, die jeweils höchstens einige hundert Sprecher vereinigen, und deutsche Sprachgemeinschaften in einigen städtischen Zentren - besonders Pre- toria, Johannesburg, Kapstadt, Durban -, wo sich neben Schule und Kirche

„Deutsche Clubs" als Mittelpunkte kultureller Begegnung entwickelten. In Na- mibia kann man hingegen geradezu von deutschsprachigen Städten sprechen - Lüderitz, Swakopmund, Karibib; von der Größe her sind namibische Städte allerdings aufgrund völlig anderer Einwohnerverhältnisse schon fast mit den ländlichen Gemeinden in der Republik Südafrika vergleichbar. Daneben gibt es in Namibia weit voneinander entfernte Farmbetriebe, die zu einem hohen Anteil in deutscher Hand sind. Dort verfügen mitunter auch die schwarzen Arbeits- kräfte über elementare Deutschkenntnisse.

Im weiteren seien die beiden Staaten gesondert behandelt, nicht nur weil gera- de die Situation der Deutschen und ihrer Sprache recht verschieden ist, sondern auch um der - von der Republik Südafrika noch immer nicht akzeptierten - politischen Wirklichkeit zweier voneinander unabhängiger Staaten zu entspre- chen.

2.1. Deutsche Schulen

Die Zentren deutscher Sprachpflege in der Republik Südafrika sind in erster Linie die deutschen Schulen, aber auch die Kirchen, aus deren früherer Mis- sionstätigkeit die meisten der deutschen Schulen hervorgegangen sind. Die Ras- senzugehörigkeit war seit Gründung der Schulen in der zweiten Hälfte des neun- zehnten Jahrhunderts (die erste deutsche Schule entstand in Hermannsburg im Jahre 1856) das Kriterium für den Besuch der Schulen. Hingegen zeigen die alten Schulsatzungen, daß die Schulen „Kindern anderer Nationalitäten", was selbst- verständlich „weiße Nationalitäten" meinte, durchaus offenstanden, wenn auch die Priorität stets darauf lag, „Kindern von deutscher Abkunft einen gründli- chen Unterricht zu erteilen, durch den ihnen deutsche Sprache und deutsche Gesinnung erhalten wird" (Schulsatzung der Deutschen Schule Pretoria von 1899).

Seitdem aber die Afrikaner zum Zwecke der Durchführung der in der Apart- heid-Ideologie vorgesehenen Aufteilung in „eigenständige" Reservate ebenfalls als „Nationalitäten" kategorisiert wurden, waren Korrekturen in den Schulsat- zungen erforderlich. Und als im Zuge der weltweiten Ächtung des Apartheidre- gimes die Bundesregierung von den deutschen Schulen verlangte, jeden An- schein des Rassismus zu vermeiden, um weiterhin in den Genuß finanzieller Unterstützung zu kommen, wurde in den Satzungen ausschließlich auf die deut-

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Deutsche Sprache unter der Apartheid 207 sehe Sprachgruppe bezug genommen. So stellt sich der deutsche Schulverein Kroondal die Aufgabe, „Kindern aus deutschsprachigen Familien eine deut- sche, in Südafrika wurzelnde Erziehung und Bildung auf evangelisch-luthe- rischer Grundlage zu geben, um dadurch beizutragen, daß das deutsche kultu- relle Erbe gepflegt und erhalten wird und daß die Kinder zu guten, tüchtigen Bürgern des Landes erzogen werden", wie es in der Satzung heißt. Die hier zum Ausdruck kommenden Bildungsaspekte der christlichen Verpflichtung, der kul- turellen Pflege und des Bezugs auf Südafrika sind repräsentativ für die Haltung aller anderen Schulen. „Da des öfteren die Frage an uns gestellt wird, wie unsere Stellung zu anderen Bevölkerungsgruppen unseres Landes sei", sah sich der Schulvorstand 1977 gegenüber den Bonner Behörden zu einer Erklärung ge- zwungen, in der die oben zitierte Zielsetzung einer „Auslegung" unterzogen wurde: man konstatiert, „daß unsere Landesgesetze grundsätzlich die Schulaus- bildung aller Kinder im Lande auf muttersprachlicher Grundlage fordert, Kin- der englischsprechender Familien werden in englischsprachigen Schulen ausge- bildet, afrikaanssprachige Kinder in Schulen ihrer Muttersprache. Auch unsere Schule fallt unter diese staatliche Gesetzgebung." Und dem wird hinzugefügt:

„Abgesehen von der Voraussetzung, daß eben Deutsch im Elternhaus gespro- chen wird, ist die persönliche Herkunft unserer Schüler, den Satzungen unseres Schulvereins entsprechend, gleich. Weder arm noch reich, noch rassische Unter- schiedlichkeit sind demzufolge Kriterien der Aufnahme in unsere Schule".7 Daß aber gerade die staatliche Gesetzgebung über den „Bantu Education Act" von 1953 ein besonderes Erziehungsprogramm nur für Afrikaner vorschreibt und damit über rassisch getrennte Schulen verfügt, wird in der Erklärung ebenso verschwiegen wie die Tatsache, daß auch weiße Kinder aus afrikaanssprachigen Familien diese deutsche Schule besuchen und zwei schwarze deutschsprachige Kinder, die sich jahrelang in der Bundesrepublik aufgehalten hatten, nicht ein- mal in die außerunterrichtliche Musikerziehung aufgenommen wurden. Es ist ein Faktum, daß sich Elternschaften und Schulvorstände der deutschen Schulen weiterhin weigern, afrikanische Kinder in ihren regulären Unterricht aufzuneh- men. Da es sich bei den meisten Schulen um reine Privatschulen handelt, wäre dies möglich, ohne mit den Landesgesetzen in grundsätzlichen Konflikt zu gera- ten. Wo die Regierung des Landes die Schulen mitfinanziert, hat dies schon eher symbolische Bedeutung. Die Verwalter der Apartheid dokumentieren damit ih- re Unterstützung und ihr Interesse an einer kontinuierlichen Weiterarbeit und Aufrechterhaltung der Privatschulen. Tabelle (2) soll einen Überblick über die augenblicklich betriebenen deutschen Schulen in der Republik Südafrika und ihre Schülerzahlen geben. Die Angaben beziehen sich auf das Schuljahr 1981.

Daneben gibt es in einigen Städten „Sonnabendschulen", die vergleichbar sind mit Einrichtungen in Nordamerika, wo überwiegend Schülern deutscher

7 Zitiert aus einem internen Papier des Schulvereins Kroondal vom 21.2.1977.

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Herkunft deutsche Sprachkurse angeboten werden. Oft richten sie sich auch a berufstätige Erwachsene.

Die wichtigsten Unterstützungsleistungen kommen vom Auswärtigen Am der Bundesrepublik, vermittelt über die Zentralstelle für das Auslandsschulw*

sen in Köln. Die finanziellen Leistungen sind sehr unterschiedlich verteilt. Wät rend die großen Schulen Johannesburg, Pretoria und Kapstadt den größten Te ihres Haushalts aus der Bonner Staatskasse erhalten, entfallen auf die meiste anderen Schulen kleinere Beträge, die jedoch gemessen am jeweiligen Gesaml haushält erhebliche Anteile ausmachen. Nur ganz wenigen Schulen wurden di Gelder gestrichen, weil sie eine sinnvolle Größe bei weitem unterschritten. D die Elternschaften alle Verluste auszugleichen in der Lage sind, bildet die übera sinkende Schülerzahl das einzige Existenzproblem.

An den Schulen Johannesburg, Kapstadt, Pretoria und Hermannsburg arbe;

ten insgesamt 34 von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen vermittelt und bezahlte Lehrer (siehe Tabelle (2)). In Kroondal kommt eine vom Kultusm nisterium Baden-Württembergs freigestellte Lehrkraft hinzu.8 Der Entsec

Tab. 2

Von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen Schule Schülerzahl vermittelte Lehrer Hermannsburg

Vryheid Neu-Hannover Port Natal/Durban Wartburg-Kirchdorf Harburg

Izotsha Moorleigh Lüneburg Uelzen Paulpietersburg Johannesburg ' Pretoria Gerdau Kroondal Wittenberg Kapstadt East London

160 50 ca. 100 ca. 100 ca. 400 9050 unter 20 60 907 1250520 1860 ca. 120 ca. 450 30

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16 8 (D 8

8 Wieviele von den Kultusministerien freigestellte (nicht vermittelte) Lehrer an dei Schulen beschäftigt sind, entzieht sich meiner Kenntnis.

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Deutsche Sprache unter der Apartheid 209 dungsvertrag des Auswärtigen Amts verpflichtet jeden vermittelten Lehrer, sich an die Gesetze des jeweiligen Landes zu halten, was für die Tätigkeit im Apart- heidsystem impliziert, die Außerkraftsetzung elementarer Menschenrechte zu akzeptieren trotz früherem Eid auf das bundesrepublikanische Grundgesetz.

Nach den mir vorliegenden Unterlagen läßt sich für 1981 ein Betrag von mindestens sieben Millionen Mark errechnen, der aus bundesdeutschen Steuer- geldern für die Aufrechterhaltung des Betriebs der deutschen Schulen in der Republik Südafrika bezahlt wurde. Nicht einbezogen sind die Kosten für Bau- maßnahmen, wofür in den vergangenen Jahren einige Millionen Mark aufge- wendet wurden. Weitere Finanzierungsquellen für die Schulen ergeben sich,- neben hohen Schulgeldern und Schulfesten — aus einem breiten Privat- und Wirtschaftssektor und machen einen nicht unwesentlichen Haushaltsfaktor aus:

Patenschaften mit bundesrepublikanischen Städten und Schulen, rechtsradikale Gruppierungen (wie etwa die „Deutsche Wochenzeitung"), Privatpersonen, Stiftungen und Organisationen im Umfeld der CDU/CSU, deutsche Rotarier und ganz besonders in Südafrika investierende deutsche Firmen tragen zum Budget der Schulen durch Einzelgaben und regelmäßige Unterstützungen bei.

Dennoch ist die Schülerzahl z. T. stark rückläufig, was sich aus der mehrsprachi- gen Situation erklärt. Viele Schüler besuchen afrikaans- oder englischsprachige Regierungsschulen, weil sich ihre Eltern zunehmend eher als südafrikanische Bürger denn als „Deutschstämmige" verstehen. An einer Reihe deutscher Schu- len spricht eine große Anzahl von Kindern nicht mehr Deutsch als Mutterspra- che, weshalb vermittelte Lehrer aus der* Bundesrepublik häufig die Meinung vertreten, daß eineVermittlung der deutschen Sprache als Fremdsprache an die- sen Schulen adäquater und realistischer wäre. Dennoch wird gerade von einhei- mischen Lehrern und Eltern krampfhaft am „muttersprachlichen Niveau" des

Unterrichts festgehalten.

Lehrpläne, Unterrichtsziele, Unterrichtsmethodik, Prüfungen sowie das ge- samte Schulleben orientieren sich eng an den Verhältnissen der südafrikanischen Regierungsschulen. Mitunter werden gewisse „modernistische** Tendenzen, wie sie von vermittelten Lehrern ins deutschsprachige Schulwesen hineingetragen werden, von Elternschaften, Schulvorständen, aber auch Regierungsvertretern kritisiert. Aber gerade dort, wo die vermittelten Lehrer tätig sind, halten sich auch Kinder von nur vorübergehend in Südafrika beschäftigten Bundesbürgern auf, die meist auf Vertragsbasis für eine deutsche Firma arbeiten. In Johannes- burg und Pretoria ist dies etwa ein Drittel der Schülerzahl, was die Deutsche Schule Johannesburg dazu veranlaßt, sich zunehmend als „Expertenschule" zu profilieren. Solchen Schulen kommen vom Auswärtigen Amt besonders hohe finanzielle Zuwendungen zugute, weil sie im Rahmen des deutschen wirtschaftli- chen Engagements im Ausland primär auf die Notwendigkeit „schulischer Be- treuung deutscher Kinder im Ausland nach deutschen Lehrplänen" abgestellt sind (Vgl. dazu: Auswärtige Kulturpolitik 1980: 14f.). Es gilt jedoch festzustel- len, daß keine der in Südafrika bestehenden deutschen Privatschulen sich in

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diese Richtung der „Expertenschule" entwickelt, da überall die ansässigen Kin- der dominieren und lediglich die deutschen Firmen dieses Angebot für ihre Be- schäftigten bereitwillig annehmen, müßten sie doch andernfalls selbst Investitio- nen für „Firmenschulen** tätigen.

Während in früheren Jahren die regierende „Nationale Partei" eine prinzipiel- le Einheitlichkeit unter der weißen Bevölkerung auch über die Sprache, d. h. das Afrikaans, herzustellen versuchte, wird in einer der jüngsten Verlautbarungen eine gerade für deutsche Privatschulen höchst interessante Wende deutlich. In einer vielbeachteten Rede anläßlich der 125-Jahrfeier der Deutschen Schule zu Hermannsburg im Oktober 1981 betonte Erziehungsminister Viljoen, daß seine Regierung ein großes Interesse am Bestand solcher Schulen habe, die sich um Aufrechterhaltung und Pfege besonderer kultureller Traditionen bemühen; so richtete sich sein ausdrücklicher Dank an die Bundesrepublik Deutschland für ihre großzügige Unterstützung dieser Schulen. Zur Begründung gab er die allge- meine Erziehungspolitik der Regierung an, „daß jedes Kind unserer multi-kul- turellen Gesellschaft möglichst eine Schulausbildung im Rahmen seines eigenen kulturellen Erbes" haben sollte (Speech Viljoen 1981). War dieser Grundsatz, bislang ausschließlich kultur- und bildungspolitischer Stützpfeiler der Rassen- trennungspolitik, so wird er erstmalig auch auf die kleineren Sprachgruppen unter der weißen Bevölkerungsminderheit explizit angewandt. Allerdings läuft die tendenzielle Zurücknahme bisheriger Identifizierung von weißer Hautfarbe mit einheitlicher europäisch tradierter Kultur nicht auf die Spaltung der weißen Bevölkerung hinaus. Die Hervorhebung des Rechts auf eigene kulturelle Entfal- tung der deutschen Sprachgruppe wird auch in der Rede des Ministers als sy- stemstabilisierende Maßnahme angesehen, wenn er - in den Worten des ehema- ligen Gründers der Hermannsburger Schule zitiert - als zu verfolgendes Ziel angibt, „die Jugend zuzurüsten und zu erziehen, daß sie auch dann, wenn sie aus der Geborgenheit der Schulgemeinschaft in das öffentliche Leben tritt, ihrer Heimat verantwortlich dienen kann, ohne den lutherischen Glauben und die Eigenart zu verleugnen" (Speech Viljoen 1981:14). Hinter diesem Akt scheinba- ren Entgegenkommens gegenüber der deutschen Minderheit als Teil der privile- gierten Rasse dürften jedoch mindestens folgende politische Erwägungen ste- hen:

- Die Nationale Partei muß zunehmenden Widerstand unter der weißen nicht- burischen Bevölkerung befürchten, wenn sie ihre extrem konservative und religi- öse, calvinistisch ausgerichtete Ideologie des „Afrikanerdom" für alle weißen Südafrikaner verbindlich machen will.

- Ganz wesentlicher Bestandteil des burischen Nationalismus ist die afrikaanse Sprache. Im Kampf gegen den britischen Expansionismus seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts setzten die Buren mit der „Afrikaanse Taalbe- weging" ihre Sprache gegen alle Anglisierungsbestrebungen ein. Angesichts der Tatsache, daß Englisch als eine der beiden offiziellen Sprachen Südafrikas Welt- sprache ist und - sieht man von Namibia ab - in keinem Land außerhalb Süd-

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Deutsche Sprache unter der Apartheid 211 afrikas Afrikaans gesprochen wird, müssen die Buren langfristig um die Auf- rechterhaltung ihrer eigenen Sprache bangen. Langfristig kann aber eine positi- ve Haltung zu Afrikaans nur erreicht werden, indem dem nicht-burischen Teil der weißen Bevölkerung der Bure als nationaler Partner glaubhaft gemacht wird, der für die Interessen aller Weißen einzutreten bereit ist, einschließlich kultureller Entfaltungsmöglichkeiten einzelner Gruppen.

- Nicht zuletzt drückt der besondere Fall eine ausdrückliche Reverenz vor der Bundesrepublik Deutschland aus, der sich die südafrikanische Regierung als einem ihrer wichtigsten Wirtschaftspartner und damit wesentlichen Stabilisie- rungsfaktor innenpolitischer Herrschaftsverhältnisse verbunden und verpflich- tet weiß.

Innerhalb des südafrikanischen deutschen Schulwesens gibt es kaum eine ko- ordinierende, die einzelnen Schulen zusammenfassende Instanz. Einzig der

„Deutsche Lehrerverein für Süd- und Südwestafrika" bemüht sich, durch die Organisierung der betroffenen Lehrer engere Kontakte zwischen den Schulen herzustellen. Der seit 1926 bestehende Verein findet aber als Körperschaft unter den südafrikanischen Deutschlehrern wenig Beachtung. Die knapp 100 (weißen) Mitglieder repräsentieren bei weitem nicht alle Schulen, es handelt sich aus- schließlich um deutschsprachige Deutschlehrer und einige vermittelte Lehrer aus der Bundesrepublik. Deutschlehrer der englisch- und aFrikaanssprachigen Regierungsschulen sind nicht vertreten, und auch nach Namibia bestehen nur ganz vereinzelte Kontakte. Laut Satzung sind die obersten Ziele des Vereins,

„das deutsche Kulturerbe, insbesondere die deutsche Sprache zu pflegen", mit den Behörden in Südafrika und der Bundesrepublik zusammenzuarbeiten, den südafrikanischen Unterrichtsbehörden „seine Erfahrungen zur Verfügung zu stellen" sowie „die Zusammenarbeit zwischen in Südafrika ausgebildeten Leh- rern und aus Deutschland beurlaubten Lehrkräften zu gewährleisten". Alljähr- lich führt der Verein Deutschprüfungen durch, mit denen man das Leistungsni- veau im Umgangmit dem Deutschen heben oder zumindest vor weiterem Nach- lassen bewahren will. Diese Prüfungen sind allerdings völlig unverbindlich, weil es von den einzelnen Lehrern abhängt, ob sie ihre Schüler teilnehmen lassen oder ob sie nach erfolgter Teilnahme die Ergebnisse akzeptieren. Der Sinn und die Verfahrensweise der Prüfungen werden erheblich angezweifelt, da keinerlei Kri- terien für Bewertungsmaßstäbe bestehen, was sich in einem sprunghaften Rück- gang in der Teilnahme manifestiert. Die jährlichen Lehrertagungen und die zweimal im Jahr erscheinenden „DLV-Inforroationen" vermögen über einen gegenseitigen Informationsaustausch kaum hinauszugehen. Die Erstellung ei- nes Deutsch-Lesebuchs für die spezifische Situation der Deutschen in Südafrika und Namibia ist seit 1934 in Arbeit. Es ist nicht absehbar, ob dieses Projekt überhaupt zu Ende geführt wird.9 Von der Kölner Zentralstelle für das Aus- 9 Für Namibias deutsche Schulen hat der Hermann Schroedel Verlag 1969 das Lese- buch „Heimat Südwest" herausgebracht, das bislang das einzige im südlichen Afrika geblieben ist.

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landsschulwcsen erhält der Deutsche Lehrerverein Zuwendungen, weil er von dieser Abteilung des Auswärtigen Amts als „förderungswürdig" eingestuft wur- de.

2.2. Sprachkurse für „andersrassige" Schüler

Auf Verlangen des Auswärtigen Amts der Bundesrepublik sollen seit 1978

„deutsche Sprachkurse für nicht-deutschsprachige Kinder" an den deutschen Privatschulen in Südafrika und Namibia durchgeführt werden. Inzwischen be- stehen diese Kurse an den großen Privatschulen in Johannesburg, Pretoria, Kapstadt, Hermannsburg und Windhoeck/Namibia, außerdem an einer Schule in Soweto. Dafür hat das Auswärtige Amt über die Kölner Zentralstelle einen Koordinator nach Südafrika entsandt. Die Kurse werden vollständig von der Bundesregierung finanziert, so das Unterrichtsmaterial und die Lehrkräfte, die sich meist aus den vermittelten Lehrern rekrutieren; aber auch Ortskräfte, die mitunter den Unterricht durchführen, erhalten die Bezahlung für diese Stunden von der Kölner Zentralstelle.

Die Sprachkurse haben sich inzwischen zum Politikum entwickelt. Die deut- sche Botschaft in Pretoria verbietet es den beamteten Lehrern aus der Bundesre- publik, daß sie öffentlich in Publikationen von ihren Erfahrungen und vom Stand der Kurse berichten. Will man nähere Informationen von der Kölner Zentralstelle, der umfangreiche Berichte und Statistiken von der deutschen Bot- schaft vorliegen, einholen, wird -nach Rücksprache mit übergeordneten Stellen im Auswärtigen Amt - mit dem Hinweis auf die „Brisanz" der Angelegenheit jegliche Auskunft versagt.

Wenn auch gravierende Veränderungen für die Durchführung der Sprachkur- se dringend notwendig wären - Inhalt, Didaktik und Methodik, Unterrichtsmit- tel und Alter der Schüler bei Kurseintritt wären zu überprüfen -, so sind es doch in erster Linie politische Probleme, die das schlechte Gewissen der damit befaß- ten bundesrepublikanischen Behörden bedingen.

In Soweto, der schwarzen Millionenvorstadt von Johannesburg, hatte ein vermittelter Lehrer 1980 im Auftrag des Auswärtigen Amts an der Ibhongho School einen Sprachkurs mit drei Parallelklassen des neunten Schuljahrs (insge- samt etwa 130 Schülern) begonnen. Die Schüler hatten sich damals nicht freiwil- lig melden können. Bis Ende 1981 waren 10 Schüler übriggeblieben. Dort hatte man den Schülern, die von zuhause aus entweder Sotho sprechen und dann Englisch, Afrikaans und Zulu lernen müssen, oder Zulu sprechen und dann Englisch und Afrikaans lernen, zugemutet, daß sie mit Deutsch ihre dritte oder gar vierte Fremdsprache lernen sollten. Die ohnehin bestehende Unzulänglich- keit dieser Sprachkurse erhöht sich noch angesichts der Tatsache, daß sämtli- che Lehrer der Sprachkurse, also einschließlich jener Kurse an den Privatschu- len, nicht als Fremdsprachenlehrer ausgebildet sind. In Soweto haben die Schü-

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Deuische Sprache unter der Apartheid 213

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ler teils freiwillig die Kurse wieder verlassen, teils wurden sie wegen schlechte Testcrgebnisse allmählich aus den Kursen verwiesen. Was vom Auswärtige!

Amt noch als entwicklungspolitischer Beitrag ausgegeben worden war (nebei einem ebenfalls von der Kölner Zentralstelle betreuten Lehrerfortbildungspro jekt in Soweto), hat sich als ein Debakel für die Betroffenen erwiesen, denen mai Hoffnungen auf bessere Ausbildungsmöglichkeiten bei deutschen Finnen ii Südafrika gemacht hatte.

Die Kinder, die in den deutschen Schulen die Sprachkurse absolvieren, fahrei ein- bis zweimal wöchentlich für zwei Stunden mit dem Schulbus von ihre eigenen Schule im Township zur deutschen Schule im weißen Gebiet. Ausge wählt wurden sie nach einem bestimmten Auslese- und Aufnahmeverfahren, ii Johannesburg wurden aus verschiedenen Schulen für Schwarze, Chinesen un<

„Coloureds", die unter der Apartheid keine gemeinsame Schule besuchen kön nen, die jeweils drei besten Schüler des sechsten Schuljahres berücksichtigt, so fern sie Interesse am Erlernen der deutschen Sprache hatten. Dieses Interess war tatsächlich sehr groß, versprach man doch von deutscher Seite, daß zu nächst die besten Schüler im Anschluß an den Kurs an die deutsche Schul überwechseln könnten, um dort die Schulabschlußprüfung abzulegen. Als wei teres Argument wurde unter den Schülern, ihren Eltern und den Herkunftsschu len der Kinder verbreitet, daß diejenigen, die später nicht in die deutsche Schul aufgenommen werden könnten, mit ihren erworbenen deutschen Sprachkennt nissen eine aussichtsreiche Zukunftsperspektive bei einer der zahlreichen deut sehen Firmen haben werden. Trat man also von bundesdeutscher Seite mit den Konzept an, die sprachlichen Voraussetzungen für ein Überwechseln an di deutschen Schulen zu ermöglichen, so war der ideologische Nebeneffekt, di deutschen Schulen seien keineswegs rassistisch ausgerichtet, wie dies in der bun desrepublikanischen Öffentlichkeit oft angeprangert worden war, durchaus be absichtigt; mehr noch - das Auswärtige Amt propagierte ausdrücklich die Be reitschaft zur „Öffnung der Schulen".

Solche Planungen und Versprechen gegenüber den schwarzen Schülern stie ßen allerdings bei den deutschen Elternschaften und Schulvorständen auf hefti gen Widerstand. Da die Vertreter des Auswärtigen Amts mit der Durchsetzunj ihrer Vorstellungen auch die weitere Finanzierung der Schulen verknüpften sahen sich die deutschen Privatschulen jedoch genötigt, entgegen apartheidli chen Gepflogenheiten auch „andersrassigen" Schülern Möglichkeiten zum Er lernen der deutschen Sprache an der weißen Schule zu eröffnen. Dennoch sollt gewährleistet bleiben, daß die weißen Schüler weiterhin unter sich blieben: di Kurse finden erst nach Unterrichtsende in den deutschen Schulen statt.

An die 12- bis 14-jährigen Kursteilnehmer aus den ethnisch getrennten Schu len werden extreme Lernanforderungen gestellt, wenn sie unmittelbar nach ei nem achtstündigen Schultag und einer langen Busfahrt die Konzentration fü einen Fremdsprachenkurs aufbringen müssen. Die Ausfallquoten sollen dem entsprechend hoch sein.

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Deutsche Sprache unter der Apartheid 215 Erst längere Zeit nach Anlaufen der Kurse wurde von Seiten einiger verant- wortlicher Lehrer eine Umfrage unter deutschen Firmen in Südafrika durchge- führt, um den „Markt*4 für die schwarzen Schüler mit Deutschkenntnissen ge- nauer einschätzen zu können. Das Ergebnis stellte die Sprachkurse in ihrer bis- herigen Begründung in Frage: die Auskünfte der deutschen Firmen ergaben keinerlei besonderes Interesse an Kenntnissen der deutschen Sprache bei jenen Mitarbeiterstellen, die für schwarze Schulabgänger vorgesehen sind. Sprachli- che Voraussetzung für eventuelle Anstellungen, die ohnehin rückläufige Ten- denzen zeigen, ist einzig die Beherrschung des Englischen. Die stets gegenteilige Aussage des Auswärtigen Amts und einiger Schulleiter offenbarte sich besten- falls als Spekulation, wenn nicht als Irreführung. Die Schüler in den Kursen wurden über diese Erkenntnis nicht aufgeklärt. Mit diesem Umfrageergebnis entfällt das auf die meisten Teilnehmer zutreffende Motiv zum Erlernen der deutschen Sprache und auch eine zentrale Begründung für die Sprachkurse selbst.

Inzwischen hat sich aber auch in aller Klarheit herausgestellt, daß der von bundesrepublikanischer Seite erhoffte Lernprozeß der deutschen Schulen hin- sichtlich größerer Toleranz und zunehmender Bereitschaft zur Aufnahme schwarzer Schüler ausbleibt und anstelle dessen eher eine Verhärtung getreten ist. So macht der Schulvorstand der deutschen Schule in Hermannsburg die Existenz der Sprachkurse für seinen starken Schülerrückgang an weißen deutschsprachigen Schülern verantwortlich. Er sieht bei Aufnahme „andersras- siger" Schüler nunmehr das Weiterbestehen der Schule in Frage gestellt. Um jedoch das Finanzierungsproblem für die Schule zu bewältigen, das vom Aus- wärtigen Amt in die Diskussion um die „Öffnung4* der Schulen hineingetragen wurde, hat man sich auf längerfristige finanzielle Unabhängigkeit eingestellt:

für die Einrichtung einer kommerziellen Trustfarm, die Geld für die Schule erwirtschaften soll, hat man in den vergangenen zwei Jahren weit über eine Million Mark investiert. Selbst wenn sich ein einzelner Schulleiter oder Kurslei- ter noch verbal dafür einsetzt, Schüler aus den Kursen an die Schulen zu über- nehmen, hat er keinerlei Chancen, sich gegenüber der Elternschaft und dem in allen Fragen entscheidenden Schul vorstand oder auch den sehr konservativen deutschen Kirchengemeinden durchzusetzen. Somit entfiele auch der zweite Teil der Begründung für die Einführung der Sprachkurse.

Der eigentliche politische Skandal liegt nun aber darin, daß sich das Auswärti- ge Amt inzwischen selbst allmählich von seiner einstigen Initiative zurückzieht.

Offenbar befürchtet man politische Spannungen mit Pretoria für den Fall ernst- hafter und konsequenter Verhandlungen über Sondergenehmigungen für die Schulen zur Aufnahme afrikanischer Schüler. Stattdessen signalisiert Bonn den Schulen, daß man nicht bereit sei, zusätzliche Finanzierungen für die Übernah- me von Schülern aus den Sprachkursen bereitzustellen, wie es einst die Bonner Initiative implizierte. Dies wäre nötig etwa als Ausgleich für die hohen Schulgel- der an den deutschen Privatschulen, die von Afrikanern kaum aufgebracht wer-

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den können, oder für die Einrichtung von Mehrzügigkeit an den Schulen und Förderkurscn, was mit höheren Personalkosten verbunden wäre.

Es bleibt für die Sprachkurse das Fazit zu ziehen, daß afrikanische Schüler zum Opfer bundesdeutscher Außenkulturpolitik werden, indem man mit ihrer Hilfe eine Rassenfreundlichkeit der deutschen Schulen in Südafrika vortäuscht, um dem Widerstand gegen die bundesdeutsche Finanzierung dieser Schulen entgegenzuwirken. Die betroffenen afrikanischen Schüler werden zum Legiti- mationsobjekt für kulturpolitische Unterstützungsmaßnahmen, an denen sie aufgrund ihrer Hautfarbe nicht teilhaben können. Da die Zusagen, unter denen die Schüler angetreten waren, nicht den tatsächlichen Gegebenheiten der Sprachkurse entsprechen, können sie sich selbst noch nicht einmal bildungsmä- ßige Vorteile erarbeiten. Es ist folglich schwer, dem Eindruck zu begegnen, daß es dem Auswärtigen Amt bei der Durchführung von Sprachkursen für afrikani- sche Schüler in Südafrika und Namibia in Vergangenheit und Gegenwart einzig darum ging, einen propagandistischen Effekt gegenüber der bundesrepublikani- schen Öffentlichkeit, aber auch gegenüber den Vertretern der Dritten Welt zu erzielen, wo in den letzten Jahren die wirtschaftlich intensive Kooperation und politisch stets widersprüchliche Haltung der Bundesregierung gegenüber dem Apartheidstaat auf zunehmende massive Kritik gestoßen war.

2.3. Germanistische Linguistik

Das Fach Germanistik ist an nahezu sämtlichen Universitäten des Landes ver- treten. Dieser Umstand kann nun weniger in Zusammenhang mit der deutsch- sprachigen Minderheit im Land gebracht werden, er signalisiert vielmehr die Bedeutung, die der „Weltsprache Deutsch" in Südafrika gewiß nicht zuletzt aufgrund der seit Jahrzehnten wirtschaftlich florierenden Kooperation mit der Bundesrepublik beigemessen wird. Deutsch nimmt an den Hochschulen einen weitaus höheren Stellenwert ein als etwa Französisch oder Portugiesisch, das über eine vergleichsweise ähnlich große Sprecherzahl in Südafrika verfügt.

Gerade von Germanisten wird gegenwärtig in Südafrika beklagt, daß die deutsche Sprache „bedrohlich" an Boden verliere (so etwa Plüddemann 1981).

Die Gründe dürften primär im verstärkten Zusammenrücken unter der weißen Bevölkerung zu finden sein, die sich im Kampf um die Erhaltung ihrer Privile- gien und ihres Reichtums gegenüber der Bevölkerungsmehrheit einer immer stärker werdenden Befreiungsbewegung ausgesetzt sieht. Hinzu kommt eine zu- nehmend anti-südafrikanisch eingestellte Weltöffentlichkeit, was die weiße Be- völkerung eine Verteidigungshaltung annehmen läßt, die an die „Wagenburg der Voortrekker" erinnert. Neben diesen allgemeinen Tendenzen setzt sich unter den bodenständigen wie auch den städtischen Deutschsprachigen eine ideologi- sche Abwendung vom Mutterland durch. Grund dafür ist nicht so sehr die

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Deutsche Sprache unter der Apartheid 217 generelle „emanzipatorische Aufldämngskultur in Deutschland", wie Plüdde- mann (1981:2) meint, es sind eher die spezifisch auf die Verhältnisse des Landes zielenden teils antirassistischen Haltungen in den wenigen offiziellen und raas- senmedialen Verlautbarungen einschließlich der Informationen über die Anti- Apartheid-Bewegung. Dies steht in scharfer Diskrepanz zur eigenen Ideologie, mit der zumindest ein großer Teil der Deutschsprachigen - Südafrika-Deutsche der vierten und fünften Generation sowie große Teile der kurz vor und kurz nach dem zweiten Weltkrieg nach Südafrika ausgewanderten ehemaligen Nationalso- zialisten - eine deutsche Kultur erhalten möchte, die jene vaterländische Tradi- tion des wilhelminischen Zeitalters, einige Kulturelemente des Faschismus und eine christliche Tradition enthält. Der übrige Teil der Deutschsprachigen will einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit der weißen Südafrikaner eine kulturpo- litische Flanke bereiten. So zitiert Plüddemann die Position des auf die Zukunft ausgerichteten Südafrikaners (hier die beiden europäischen Fremdsprachen Deutsch und Französisch betreffend): „South Africa maintains important trade links with Europe and the West African states. The culture of the white popula- tion is deeply rooted in the European tradition, so that South Africans need to retain the ability to speak at least French or German or face material and spiritu- al decline4*.10 Mit diesem Argument soll der Germanistenverband nach Auffas- sung Plüddemanns „zu deutschen privatwirtschaftlichen Unternehmen bzw. der entsprechenden Industrie- und Handelskammer Kontakte aufbauen" (Plüdde- mann 1981: 7).

Seit 1966 besteht dieser „Südafrikanische Germanisten verband", dessen Ziel es ist, das Studium und die Erforschung der deutschen Sprache und Literatur unter anderem durch eine nationale und internationale Kooperation zu fördern.

1981 hatte der Verband knapp 200 (weiße) Mitglieder. Als Publikationen er- scheinen das Jahrbuch „Acta Germanica" und die mindestens zweimal jährlich herausgegebene Zeitschrift „Deutschunterricht in Südafrika". Nach den Wor- ten seines bis Oktober 1981 amtierenden Vorsitzenden K. Köhnke, früher Pri- vatschullehrer in Karibib/Namibia, heute Ordinarius an der Randse Afrikaanse Universiteit in Johannesburg, wird der Verband insbesondere von der Deut- schen Forschungsgemeinschaft, dem Deutschen Akademischen Austausch- dienst, Inter Nationes und dem Goethe-Institut, daneben auch von der Deut- schen Botschaft in Pretoria unterstützt.

Das Fachgebiet einer Linguistik der deutschen Sprache, wie es an südafrikani- schen Hochschulen etabliert ist, bemüht sich im wesentlichen unter drei Aspek- ten um die deutsche Sprache. Traditionelle Beschreibungsmethoden insbeson- dere der Morphologie, Syntax und des Lexikons des Neuhochdeutschen reprä- sentieren die herrschende Lehre und Forschung; Deskriptionen der schrift-

10 K. Struckmann zit. nach Plüddemann (1981); Struckmann ist Inspektor für das Fach Deutsch bei der sudafrikanischen Erziehungsbehörde.

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sprachlichen Form des heutigen Deutsch werden dabei nicht selten aus der Per- spektive des Altphilologen vorgenommen. Auf diesen Aspekt soll hier nicht weiter eingegangen werden. Ein für die Situation der deutschen Sprache im Lande interessanter und auch praktisch relevanter Aspekt ist die Erforschung der Veränderungen des Deutschen unter den multilingualen Verhältnissen in Südafrika. Schließlich wird unter dem Gesichtspunkt universitärer Forschungs- praxis sowie außeruniversitärer Vermittlungspraxis der Rolle der deutschen Sprache als Fremdsprache nachgegangen.

Ohne Kenntnisnahme des neueren Standes von Theorie und Methodologie der Interferenz- und Bilingualisrausforschung hat die Mediävistin H. I. Stielau das in der südafrikanischen Provinz Natal gesprochene Deutsch erforscht. Die Autorin hat eine umfangreiche Sammlung von Neubildungen und Abweichun- gen, „die mir im Sprachgebrauch der Nataler auffielen" (Stielau 1980: 7), zu- sammengetragen. Die Daten über Lehnwörter, Kontaminationen etc. haben recht zufälligen Charakter, es wurden keine Tonbandaufnahmen verwendet, einzig ein Übersetzungstest zur Überprüfung von Satzbildung und Wortstellung kann zwar als systematische, jedoch methodisch höchst problematisch angestell- te Datenerhebung betrachtet werden. Es herrscht im ganzen das Prinzip der Singulardeskription bei Angaben der Sprachkontaktherkunft vor. Weitgehend wird dabei allerdings vom reichen Wortschatz zur Diskriminierung der rassisch unterdrückten Mehrheit des Landes sowie vom spezifischen Wortschatz aus dem Bereich des politischen Lebens der Apartheid abgesehen.

Diese Arbeit wäre in ihrer wissenschaftlichen Bedeutung nicht weiter erwäh- nenswert, hätte das Institut für deutsche Sprache in Mannheim (IdS) sich nicht in besonderer Weise um sie bemüht. Im Auftrag des IdS wird die Arbeit von L.

Auburger, H. Kloss und G. Kolde als Band 7 der Reihe „Deutsche Sprache in Europa und Übersee" herausgegeben. Damit wird die Arbeit in einen For- schungsbereich des IdS integriert, in dem die kodominante bzw. indominante Rolle der deutschen Sprache in europäischen und überseeischen Gebieten the- matisiert wird. Zweifellos gehört Südafrika (und auch Namibia) zu diesen Ge- bieten. Dennoch müssen sich die Verantwortlichen des IdS, das als außeruniver- sitäre Forschungseinrichtung eine Stiftung des bürgerlichen Rechts ist und des- sen Haushalt aus öffentlichen Mitteln je zur Hälfte vom Ministerium für Wis- senschaft und Kunst Baden-Württemberg und vom Bundesministerium für For- schung und Technologie finanziert wird, fragen lassen, welche Interessen sie mit der Veröffentlichung dieser Untersuchung verfolgen. Daß diese nicht primär im Rahmen der Förderung von Wissenschaft zu finden sind, dafür sprechen ver- schiedene Gesichtspunkte. Stielaus Studie, bereits 1965 als Dissertation bei Tschirch und Seiler in Köln vorgelegt, sind Daten zugrunde gelegt, die zum Teil vor mehr als 20 Jahren gewonnen wurden. Nimmt man die spezifische Situation der untersuchten deutschen Gemeinden in Natal, so bedeuten die beginnenden sechziger Jahre zwar eine bestimmte Entwicklungsetappe in der Veränderung der deutschen Sprache unter dem Einfluß der herrschenden Sprachen Englisch

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Deutsche Sprache unter der Apartheid 219 und Afrikaans, jedoch hat sich diese Entwicklung in der Zwischenzeit so sehr beschleunigt und zugespitzt, daß die Probleme um die „Spracherhaltung" eine völlig neue Qualität angenommen haben. Einige der Schulen, die bei Stielau noch als deutsche Schulen mit deutschem Muttersprachenunterricht geführt werden, sind entweder längst geschlossen worden (wegen Schülermangels) oder sind bestenfalls noch Schulen mit dem Fach Deutsch als dritter Sprache nach Englisch und Afrikaans. Die ehemals kleineren deutschen Landgemeinden, die der Stielauschen Studie das Datenmaterial abgegeben hatten, haben ihre für die Spracherhaltung bislang so entscheidende Isolation gegen städtischen Einfluß wesentlich eingebüßt. In der Folge von Zuzug und Familiengründungen mit englisch- und afrikaanssprachigem Bevölkerungsanteil beklagen die Deutsch- sprachigen gerade in diesen Gemeinden eine zunehmende „Überfremdung"

durch andere „weiße Spracheinflüsse". Diese Faktoren haben inzwischen.die gesprochene wie auch die geschriebene deutsche Sprache in einer Weise verän- dert, wie sie durch die dokumentarische Sammlung von zufällig notierten sprachlichen Erscheinungen auf einem Sprachentwicklungsstand von vor zwan- zig Jahren nicht mehr adäquat erfaßt werden kann. Stielaus Studie in der IdS- Reihe verdient keinesfalls das Prädikat, ein wissenschaftlicher Forschungsbe- richt zu sein, auch wenn die Herausgeber den ehemaligen Anspruch der Disser- tation auf eine „Dokumentation4* reduziert haben, auch wenn sie sich bemüht haben, den ideologischen Sprachgebrauch der Autorin etwas zu glätten und solche abwertenden Terme wie „Zulu-Brauch" für die Phonologie des Zulu eliminiert haben, auch wenn sie die rassistisch gefärbte Ethnonymie, die die Autorin für ihre Dissertation noch dem Apartheidsystem entliehen hatte („Afri- kaner" für die afrikaanssprachigen Buren, „Eingeborene" für alle Nichtweißen, vom Feldarbeiter bis zum Hochschullehrer), zumindest weitgehend ersetzt ha- ben. Die Tatsache, daß gerade die „Deutsch-Südafrikanische Gesellschaft" als vehementer Verteidiger der Apartheidpolitik und Südafrikas Public-Relation- Agentur in der Bundesrepublik sowie die äußerst konservative Randse Afri- kaanse Universiteit in Johannesburg die Herausgabe durch das IdS finanziell ermöglicht haben, läßt die Vermutung zu, daß weniger rein wissenschaftliche Gesichtspunkte als eher wissenschaftspolitische bzw. kulturpolitische Erwägun- gen bei der Entscheidung der IdS-Veröffentlichung eine Rolle gespielt haben.

Soziolinguistisch orientiert versteht R. Grüner, Hochschullehrer der Germa- nistik an der Universiteit van die Oranje-Vrystaat in Bloemfontein, seine Unter- suchungen über die Sprachverhältnisse sogenannter „deutscher Sprachinseln", speziell der kleinen deutschen Landgemeinde Kroondal in Transvaal. In seiner Arbeit wird er nicht nur finanziell, sondern auch „wissenschaftlich" unterstützt vom staatlichen südafrikanischen Forschungsinstitut, dem „Raad vir Geestes- wetenskaplike Navorsing" (RGN), im Ausland eher bekannt unter der Bezeich- nung „Human Sciences Research Council" (HSRC). Dieses unter strenger staatlicher Kontrolle arbeitende und der südafrikanischen Regierung rechen- schaftspflichtige Institut vergibt im allgemeinen Forschungsaufträge aus den

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Bereichen der Sozialwissenschaften11 nach den Kriterien der Erfüllung staatli- cher Interessen bzw. Notwendigkeiten. Neben der finanziellen Unterstützung an Grüner lieferte das HSRC für dessen Datenerhebung einen Fragebogen, der Anfang der siebziger Jahre zur Erforschung der Verwendung von Englisch und Afrikaans unter den Weißen in städtischen Gebieten Südafrikas zur Überprü- fung der bilingualen Sprachpolitik der Regierung erarbeitet wurde. Grüner hat diesen Fragebogen (abgedruckt in Hauptfleisch (1977: 54-71)) für die Zwecke seiner Studie leicht verändert. Grüners soziolinguistische Fragestellungen zielen primär auf das „sprachliche Milieu*' der Sprecher, was die Rolle der deutschen Sprache innerhalb der Familie sowie die Beziehung der Sprecher und ihrer An- gehörigen zu den beiden Landessprachen Englisch und Afrikaans meint, sowie auf die „mündlichen Sprachkontakte" der Informanten, wobei das Merkmal der „Rassezugehörigkeit'* sowohl zur Klassifizierung der Sprecher wie auch zur Klassifizierung der Sprachen herangezogen wird. Auf dieser Grundlage werden Schlußfolgerungen und mögliche bzw. notwendige Handlungsanweisungen für die Existenzsicherung der im ländlichen Bereich lebenden Auslandsdeutschen erarbeitet, eine Existenzsicherung im „deutschen Charakter", d.h. unter Erhal- tung „deutschen Brauchtums", zu dem auch die Sprache gerechnet wird. Ein wichtiger Teilbereich wird in der Effektivierung des deutschsprachigen Schulwe- sens im Lande gesehen - unter ausdrücklicher Beibehaltung seiner Exklusivität, also der Nicht-Öffnung für andere Bevölkerungsteile, insbesondere andere Ras- sen.

Als Mitglied der „Südafrikanisch-Deutschen-Kulturvereinigung" verfolgt Grüner mit seiner Sprachinselforschung zugleich die Ziele seiner kulturpoliti- schen Organisation (deren Funktionäre ihm im übrigen auch sein Studienobjekt Kroondal vermittelt haben). Laut Satzung bemüht sich die Kulturvereinigung um Stärkung und Förderung kultureller Beziehungen zwischen Südafrika und den deutschsprachigen Ländern Europas sowie um zunehmenden Kontakt zwi- schen Afrikaans- und Deutschsprachigen in Südafrika. Letztere Zielsetzung be- deutete allerdings, in Widerspruch zum erhobenen Primat der „Pflege deutschen Brauchtums" und der „Verteidigung desselben gegen nichtdeutsches Brauch- tum*' zu geraten. Gelöst wird dieser letztlich scheinbare Widerspruch - ver- gleichbar der Diskussion um die Unterstützung deutscher Schulen durch die Regierung Südafrikas -, indem die Deutschsprachigen bei grundsätzlicher Übereinstimmung im politischen Handeln und ideologischen Denken mit dem Bevölkerungsteil der afrikaanssprachigen Buren zugleich ihre kulturelle, und das impliziert sprachliche, Eigenständigkeit betonen und auch zugesprochen erhalten. So sieht auch Grüner den Nutzen der Ideologie der Apartheid für die einzelnen Gruppen der Weißen, solange es um die Bewahrung kultureller Selb- 11 Dies betrifft unter anderem die Abteilungen „Languages, Literature and Arts",

„Communication Research", „Information and Special Services", „Psychometric Re- search", „Manpower Research", „Sociological, Demographic and Criminological Re- search".

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Deutsche Sprache unter der Apartheid 221 ständigkeit geht, der die Zusammengehörigkeit nach dem das soziale, wirt- schaftliche und politische Leben dominierenden Kriterium der Rasse überge- ordnet ist.

Nimmt man die Unkenntnis des Autors über den gegenwärtigen Stand der Soziolinguistik (Theorien, Methoden, Transkriptions verfahren) und ihrer wich- tigsten Repräsentanten zur Richtschnur seines wissenschaftlichen Schaffens, dann überrascht es, daß in einem der neueren Forschungsberichte des Mannhei- mer Instituts für deutsche Sprache die Arbeiten von Grüner in herausragender Weise Berücksichtigung finden (Grüner 1979B, 1979U). Es handelt sich dabei um die bis dahin einzigen schriftlichen Ausarbeitungen aus Grüners bereits acht Jahre währendem Forschungsprojekt. War der Aufsatz über „Brauchtum und Schulunterricht in deutschen Siedlungen Südafrikas*' bereits einige Jahre zuvor in Südafrika veröffentlicht worden, was die Herausgeber des IdS, Auburger und Kloss, allerdings unterschlagen, so handelt es sich bei dem „soziolinguistischen Fragebogen" um jene oben erwähnte überarbeitete Fassung der HSRC-Umfra- ge. Was schon unter editorischen Gesichtspunkten einen Fehlgriff darstellt, wird angesichts der eingenommenen apartheidfreundlichen Haltung in den beiden Arbeiten zum wissenschaftlichen Politikum. Es wird nicht nur einer deutsch- südafrikanischen Forschungsaktivität um ihrer selbst willen eine wissenschaftli- che Plattform zwecks Prestigeerhöhung bereitet; indem darüber hinaus die für die Apartheidpolitik übliche rassische Klassifizierung der Bevölkerung pro- grammatisch für die Sprachkontaktforschung eingeführt und von den im Auf- trag des JdS handelnden Herausgebern als wichtiger methodischer und theoreti- scher Schritt, „wie man gerade unter den besonderen überseeischen Bedingun- gen erfolgreich vorgehen kann4' (Kloss 1979: 13), akzentuiert und anerkannt wird, zieht sich das IdS als Auftraggeber dieses Forschungsberichts den Vorwurf zu, zumindest eines der wichtigsten Strukturelemente der gegenwärtigen men- schenunwürdigen Verhältnisse in der Republik Südafrika anzuerkennen und im Namen der Wissenschaft zu legitimieren.

Da das IdS neben anderen gerade Kloss für die Betreuung dieses Forschungs- bereichs autorisiert hat, der sich schon zu Zeiten, als „die nationalsozialistische Bewegung [...] machtvoll wachsend in den Vordergrund (trat)'* (wie er sich 1937 ausdrückte), mit dem Auslandsdeutschtum sowie ethnopolitischen Arbeiten be- schäftigte, mußte solche Art wissenschaftlicher Parteilichkeit von vornherein einkalkuliert werden. Unterstützt und gefördert vom südafrikanischen HSRC und der bundesdeutschen Deutsch-Südafrikanischen Gesellschaft legte Kloss 1978 eine Studie über die Sprachpolitik der südafrikanischen Regierung vor fKloss 1978P), im gleichen Jahr veröffentlichte er in der- von der in Südafrika sehr aktiven, CSU-nahen Hans-Seidel-Stiftung herausgegebenen - Zeitschrift

„Politische Studien" einen Vorschlag für eine zukünftige Verfassungsordnung Südafrikas, in der - zur Privilegienabsicherung der Weißen - vorzusehen wäre, daß „die einzelne Stimme eines schwarzen Wählers weniger Gewicht als die eines weißen" (Kloss 1978F) hat. Und bereits 1963 griff Kloss auf einer Tagung in

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Swakopmund/Namibia fördernd und beratend in die Probleme der Deutschen in Namibia ein, unter anderem mit einem Beitrag über „Mißverständnisse" in der „rassenpolitischen Terminologie**, in der Absicht, „die Verständigung zwi- schen unseren Ländern und Regierungen zu erleichtern** (Kloss 1963).

Da zwischen in Südafrika arbeitenden Repräsentanten der Bundesrepublik und südafrikanischen Einrichtungen für die Interessen der Deutschsprachigen einerseits und einzelnen Mitgliedern bzw. den von diesen repräsentierten Institu- tionen im Kuratorium des IdS andererseits enge Kontakte bestehen, ist zu be- fürchten, daß eine offizielle oder - wie in diesen Fällen mitunter üblich - ver- deckte Zusammenarbeit mit dem seit Anfang 1980 konstituierten sogenannten

„Institut für deutsche Sprache - IFDS** in Südafrika unmittelbar bevorsteht.

Prof. Grüner und G. Schmittinger, ein ehemaliger Lehrer und Kosmetikgroß- händler, der inzwischen als Leiter des Department of German an der nur für Schwarze eingerichteten Universität von Zululand (KwaZulu) in Kwa-Dlan- gezwa eingesetzt ist, zeichnen für dieses „Institut** verantwortlich. Obwohl be- reits offizielle Korrespondenzen mit den in Südafrika akkreditierten diplomati- schen Vertretungen der deutschsprachigen Länder und einigen bundesdeut-.

sehen Stellen abgewickelt werden, existiert das Institut nur auf dem Papier als Tarn-Institut. Die Satzung entspricht nahezu wörtlich der Satzung der Südafri- kanisch-Deutschen-Kulturvereinigung, deren Mitglied ja Grüner selbst ist und als deren Funktionär Schmittinger agiert; die Unterschiede zur SADK-Satzung liegen im Namen, der Zielsetzung und der Institution, an die im Falle der Auflö- sung das Vermögen des IFDS übertragen werden soll: es ist das HSRC. Als Zielsetzung wird „die Förderung der deutschen Sprache und Kultur" genannt, was geschehen soll „durch die Anfertigung und die Verbreitung von entspre- chenden audiovisuellen Hilfsmitteln, die Organisation von Kursen und kulturel- len Zusammenkünften". Der Briefkopf des Instituts enthält die Adressen der beiden „Gründungsmitglieder**, womit ein rassenintegrativer Anschein insbe- sondere gegenüber bundesrepublikanischen Stellen erweckt werden soll; so die offene Auskunft von Prof. Grüner. Noch Ende 1981 war die Mitgliederzahl des IFDS identisch mit den beiden Gründungsmitgliedern, und unter südafrikani- schen Germanisten war die „Institutsgründung** erst durch Recherchen des Au- tors bekannt geworden. Kurzfristig geht es den Initiatoren um die Vergabe von in Europa anerkannten Sprachdiplomen, wozu Grüner offizielle Lizenzen bei bundesrepublikanischen Einrichtungen erwerben will. Intensive Bemühungen laufen bereits in dieser Angelegenheit. Mittel- und langfristig erstrebt man aber über dieses papierne Institut vertiefte Kooperationsmöglichkeiten, die sich auf Finanzierungen, Bereitstellung von Arbeitsmitteln und Stipendien niederschla- gen sollen. Prof. Grüner etwa erhofft sich über das Schein-Institut einen Wissen- schaftleraustausch oder eine Gasteinladung einer deutschsprachigen wissen- schaftlichen Einrichtung oder einer Fördergesellschaft. Mit der Äußerung ent- sprechender Erwartungen hat bereits die Deutsche Botschaft in Pretoria durch ihren Kulturattache auf die Institutsgründung reagiert.

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Deutsche Sprache unter der Apartheid 223 Abschließend sei auf den Teilaspekt Deutsch als Fremdsprache eingegangen.

Neben dem Niederländischen nimmt die deutsche Sprache die bedeutendste Rolle unter den Fremdsprachen sowohl an den Universitäten als auch im Se- kundarbereich der afrikaans- und englischsprachigen Schulen ein. Unter Schwarzen hat sich das Deutsche auch zu einer Art Alternativ- und Prestigespra- che entwickelt, auf die man ausweicht, wenn das Afrikaans als „Sprache der Unterdrückung" vermieden werden soll, neben einer der beiden Landesspra- chen jedoch eine weitere Sprache gefordert wird. Auch hinsichtlich der im Lande stark vertretenen deutschen Wirtschaft wird Deutsch geschätzt.

Aber nur in einem Ausnahmefall hat dieser Umstand auch Konsequenzen für eine intensive wissenschaftliche Beschäftigung. Der „Arbeitskreis Deutsch als Fremdsprache (Kap)", ein loser Zusammenschluß von germanistischen Dozen- ten der beiden nahe beieinanderliegenden Universitäten in der Kap-Provinz (Stellenbosch und Belleville), bemüht sich um die Rezeption neuerer Methoden, Grammatiktheorien und Lehrbücher des Fachs. Grundlagen für eine didaktisch wirksame Fremdsprachenkonzeption sind „Pragmalihguistik", „Pragmadidak- tik" und „emanzipatorische Pädagogik"; man erwartet, daß sich das Modell der Dependenzgrammatik bewährt. Die Vermittlung der deutschen Sprache soll in Forschung und Lehre im Rahmen „interkultureller Kommunikation" verstan- den werden, um Studierende für Berufe zu qualifizieren, die eine „kulturelle Mittlerfunktion" zum Ausdruck bringen (etwa Journalisten, Lehrer, Bibliothe- kare, Übersetzer). Das hohe Ziel, die Fremdphilologie Deutsch als „Teil einer kontrastiven Kulturwissenschaft" zu begreifen, wirkt sich auch auf den obliga- torischen Lektüreplan aus: neben ethnologischen und anthropologischen Schriften von Leiris und Leach gehören dazu Watzlawick und Arbeiten über die Alltagssprache sowie kritische Analysen der bundesrepublikanischen Gesell- schaft. In erster Linie sind es in der Bundesrepublik ausgebildete und oft erst einige Jahre in Südafrika tätige Dozenten, die diese „moderne Linie" entwickelt haben und damit unter einigen aufgeschlossenen südafrikanischen Kollegen Zu- stimmung gefunden haben. Doch diese Bemühungen sind bei Zubilligung bester Absichten als hilflose, womöglich eine Alibifunktion für das politische System ausübende Versuche zu bewerten, der germanistischen Wissenschaft unter der Apartheid eine kritische Attitüde zu verleihen. Unter den gegebenen gesell- schaftlichen Bedingungen ist solche Arbeit - konsequent verfolgt - zum Schei- tern verurteilt. Indem die Beteiligten sich um Einfluß auf das Bildungswesen bemühen, werden sie von der sehr konservativen Bürokratie zurückgewiesen;

hier reihen sich ein die Examinatoren, die die Prüfungsthemen und Bewertungs- maßstäbe bestimmen, die Fachinspektoren, die der Erziehungsbehörde unter- stehen, die Lehrplankommissionen, darüber hinaus die rigide Ablehnung unter vielen Kollegen anderer Universitäten. (Nur zwei Monate nach meinem Besuch erhielt ich die Nachricht, daß einer der engagiertesten Kolleginnen dieses Pro- jekts völlig überraschend und ohne Begründung gekündigt worden ist, was zu- gleich einen Entzug der Aufenthaltserlaubnis bedeutet).

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„Deutsch als Fremdsprache" wird in Südafrika häufig auch aus rein geschäft- lichen Gründen betrieben. Nach außen mit wissenschaftlichem Image auftre- tend, offenbaren sich solche Einrichtungen oft als Ein-Mann-Unternehmen von ehemaligen Lehrern oder einfach deutschen Einwanderern aus anderen Berufs- spartcn. So wird beispielsweise das „Deutsche Sprachzentrum'* in Johannes- burg ausschließlich von einem pensionierten, früher auch einmal im baden- württembergischen Schuldienst stehenden Lehrer zusammen mit dessen Frau betrieben. Als der Unternehmer eines „Deutschen Sprachinstituts41 verstorben war, hatte die Deutsche Botschaft in Pretoria den Pensionär gewonnen, damit eine solche Unternehmung fortgeführt werden konnte. Der Pensionär, zuletzt als Lektor an der Johannesburger Pädagogischen Hochschule tätig, inseriert seitdem in der Presse für seine Sprachkurse, die er in der Deutschen Schule Johannesburg abhält. In Gruppen bis zu 60 Teilnehmer werden die erwachsenen (weißen) Schüler zusammengefaßt und gegen eine Gebühr unterrichtet, die sonst für Einzelunterricht aufgebracht werden muß. Noch lohnendere Sprachkurse werden für deutsche Firmen abgehalten, die an elementaren Deutsch ken ntnis- sen bei einzelnen ihrer Angestellten interessiert sind. Im allgemeinen nehmen an diesen Kursen untere Manager und Sekretärinnen, in Ausnahmefällen auch Schwarze als Fahrer der Chefs teil. Da es sich bei dem „Sprachzentrum" um eine private Einrichtung handelt, können keine offiziellen Sprachdiplome verliehen werden. Dennoch werden zwei verschiedene Urkunden an die Kursteilnehmer verliehen, mit denen gegenüber Teilnehmern und besonders den Firmen vorge- täuscht wird, es handle sich um ein in der Bundesrepublik von offizieller Seite anerkanntes Diplom: durch Gegenzeichnung sämtlicher Prüfungsarbeiten durch einen an der Deutschen Schule Johannesburg beschäftigten, von der Zen- tralstelle für das Auslandsschulwesen vermittelten Oberstudienrat ist jederzeit eine Kontrollinstanz für die Prüfungen vorweisbar, die im Auftrag des Auswär- tigen Amts in Südafrika tätig ist. Darüber hinaus wird auch auf die jeweilige Kultusbehörde dieses Lehrers als autorisierende Instanz für das Prüfungsver- fahren verwiesen. Der als .„Moderator" vom Betreiber des „Sprachzentrums"

angeworbene Lehrer empfängt für seine Mitarbeit eine Anerkennungsgebühr pro Gegenzeichnung. Neben Kontakten zur deutschen Botschaft in Pretoria, die regelmäßig neue Lehrmaterialien aus der Bundesrepublik zur Verfügung stellt, werden auf (kultur-)politischer Ebene intensive Kontakte zur Deutsch-Südafri- kanischen Gesellschaft, zum Goethe-Institut, zum Institut für deutsche Sprache in Mannheim, zum Verband deutscher Lehrer im Ausland und ganz besonders, weil finanziell einträglich, zum.Max-Hueber-Verlag in Ismaning bei München gepflegt. Letztere Zusammenarbeit ist eine rein geschäftliche: der Hueber-Ver- lag überläßt dem Betreiber des „Sprachzentrums" die Tonbänder zu den Sprachübungen des Lehrwerks „Deutsch 2000" zu entsprechender Lizenzge- bühr zum Kopieren. Der Verlag erhält damit zugleich eine Garantie für einen gesicherten Absatzmarkt seines Lehrbuchs, das er über seine südafrikanische Vertretung „Nasionale Boekwinkels" in Johannesburg vertreibt. Die auf Käs-

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Deutsche Sprache unier der Apartheid 225 selten überspielten Sprechübungen werden mit beträchtlichem Gewinn direkt vom „Sprachzentrum" an die Kursteilnehmer verkauft, sie können auch an andere Einrichtungen in Südafrika und Namibia vertrieben werden. Da für jeden Teilnehmer an den Sprachkursen die Sprachbücher und die Kassetten zur verbindlichen Anschaffung gehören, ist es ein für beide Seiten lohnendes Ge- schäft.

3. Deutsche Sprache in Namibia

Im Vergleich zu den 0,2% Deutschsprachigen in Südafrika spielen die Deut- schen in Namibia mit einem Bevölkerungsanteil von kaum 2,5% an der derzeit geschätzten Gesamtbevölkerung von etwas über einer Million Menschen keine wesentlich bedeutendere Rolle. Jedoch ergibt sich für die Stellung der Deutschen und damit der deutschen Sprache ein völlig anderes Bild aufgrund ihres ungleich höheren Anteils innerhalb der politisch und ökonomisch herrschenden Gruppe der weißen Siedlerschaft. Die derzeit etwa 90000 Weißen setzen sich nach ihren Muttersprachen aus etwa 60000 Afrikaans-, 25000 Deutsch- und 7000 Eng- lischsprachigen zusammen.! 2

3.1. Kampf um deutsche Sprachrechte

Aufgrund ihrer starken Position im gesellschaftlichen Gefüge weißer Herrschaft fühlen sich die Deutschen als Machtfaktor im Lande, was sich nicht zuletzt in der 1977 gegründeten „Interessengemeinschaft deutschsprachiger Südwester*' ausdrückt sowie in der gegenwärtig lebhaft geführten Diskussion um die Durch- setzung besonderer Sprachrechte. Nach Jahren politischen Gleichschritts mit den Buren, die im Auftrag Südafrikas die Landesverwaltung innehaben, sind zumindest Teile der deutschstämmigen Siedlerschaft in die Offensive getreten.

Unter den weißen Namibianern stellt sich die Frage nach der Rolle der deut- schen Sprache und ihres Stellenwerts in der gegenwärtigen Entwicklung des Landes als ein Thema von eminent politischer Brisanz dar. Dazu ist ein kurzer Rückblick in die Geschichte der Sprachrechte der Namibia-Deutschen unum- gänglich.

Aus deutscher Kolonialperspektive besehen, war Deutsch bis 1915 offizielle Sprache bzw. Landessprache des damaligen Deutsch-Südwestafrika, auch wenn es darüber keine gesetzlichen Bestimmungen gab. Eine faktische verwaltungs- 12 Dies sind geschätzte Zahlen auf der Grundlage verschiedener Quellen sowie Infor- mationen des „Erziehungsministeriums der Weißen". Insbesondere die Zahlen für die Deutschsprachigen differieren zwischen 16000 und 30000 beträchtlich.

Abbildung

Diagram 2 language stage D 2 stage ι ι Relations 5 = precedes 2 6 = is associated 2  with 7 = are abstracted from 8 = is more abstract than
Diagram 3 German NSMG MHG systems of German idiolects66NSMGsystemsMHG systems T Ύ systems for subsets of German 10

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