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Obstipation und Stuhlinkontinenz im Alter

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Academic year: 2022

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Obstipation und Stuhlinkontinenz sind häufige Symptome im höheren Alter, die zum einen organische Komplikationen nach sich ziehen und zum anderen die Lebensqualität erheblich einschränken können. Die Kunst bei der dia- gnostischen Abklärung und Therapie besteht darin, überflüssige Untersuchungen zu ver- meiden und rationale Therapien gezielt ein- zusetzen.

A H M E D M A D I S C H

Etwa 20 Prozent der über 60-Jährigen klagen spontan über Obstipation, fast40 Prozent bei gezielter Befragung. Mehr als 50 Prozent der älteren Patienten im Krankenhaus oder in Pfle- geheimen erhalten Laxanzien zur Therapie einer chronischen Obstipation. Die chronische Obstipation kann grundsätzlich in eine organische und eine funktionelle unterteilt werden.

Einteilung der Obstipation

Zu den organischen Ursachen der Obstipation zählen:

■ neurologische Erkrankungen (z.B. M. Parkinson)

■ endokrine Ursachen (z.B. Hypothyreose)

■ medikamentöse Ursachen

■ Störungen des Beckenbodens (z.B. Rektozele).

Bei funktioneller Obstipationliegt dagegen nach den Leitlinien definitionsgemäss keine organisch fassbare Ursache vor. Beiden Obstipationsformen ist jedoch gemeinsam, dass für die Chroni- zität der Obstipationssymptome mindestens zwei der folgen- den Kriterien über drei Monate anhaltend oder rezidivierend er- füllt sein müssen:

■ Notwendigkeit zu pressen in mehr als 25 Prozent der Ent- leerungen

■ harte Stuhlkonsistenz in mehr als 25 Prozent der Entlee- rungen

■ Gefühl der inkompletten Entleerung bei mehr als 25 Pro- zent der Entleerungen

■ weniger als zwei Stühle pro Woche.

Aus pathophysiologischer Sicht kann die chronische Obsti- pation zusätzlich – egal, ob organisch oder funktionell – in zwei Hauptgruppen unterteilt werden:

■ langsamer Kolontransit und

■ Defäkationsstörungen (bedingt durch Sphinkterfunktions- störungen, Rektozele, inneren Rektumprolaps, u.a.).

Allerdings ist bei etwa 60 Prozent der Patienten mit Obstipation eine normale Kolontransitzeit zu verzeichnen. Die Diagnostik und Therapie der Obstipation beim älteren Menschen werden im Wesentlichen durch den Schweregrad der Symptome, die bestehende Multimorbidität sowie die zugrunde liegenden Ursachen beeinflusst.

Diagnostik bei Obstipation

Die rationale Diagnostik zur Abklärung einer Obstipation be- steht aus einem Zweistufenschema und stützt sich im Wesent- lichen auf eine Basisdiagnostik (Kasten 1), die neben der aus- führlichen (Medikamenten-)Anamnese vor allem auch die kör- perliche Untersuchung mit Inspektion und rektal-digitaler Untersuchung und eine prospektive Symptomerhebung an- hand eines Stuhlprotokolls beinhaltet.

Obstipation und Stuhlinkontinenz im Alter

Was müde Därme auf Trab bringt

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■ Um eine Obstipation abzuklären, sollte man sich an einem Zweistufenschema orientieren, das Basis- diagnostik und Endoskopie umfasst.

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■ Allgemeinmassnahmen reichen zur Stuhlregulierung bei Obstipation oft nicht aus. Als Laxanzien der ersten Wahl bieten sich dann PEG-(Macrogol-)Elek- trolytlösungen an.

M M M

M e e e e rr rr k k k k ss ss ä ä ä ä tt tt zz zz e e e e

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Die Basisdiagnostik wird bei vorhandenen Alarmsymptomen (Kasten 2) um die Endoskopie erweitert, die in erster Linie dem Ausschluss organischer Ursachen dient (Abbildung 1). In Ein- zelfällen wird eine Spezialdiagnostik mit Transitzeitmessung (nach Hinton), Manometrie oder Defäkografie ergänzt.

Therapie der Obstipation

Im Vordergrund der Therapie steht die ursächliche Behandlung der Grundkrankheit. Ist dies nicht oder nur unzureichend mög- lich, ist bei entsprechenden Beschwerden eine symptomatische Therapie der Obstipation indiziert. In erster Linie kommen All- gemeinmassnahmen zum Einsatz, die ein Toilettentraining, eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr und eine faserreiche Kost von 25–30 g/Tag beinhaltet, wobei lediglich die Effektivität der faserreichen Kost durch Studien abgesichert ist.

Häufig reichen diese Allgemeinmassnahmen zur Stuhlregulie- rung alleine nicht aus, sodass eine Therapie mit Laxanzien not- wendig wird. Hierbei bieten sich als Laxans der ersten Wahl, da auch durch kontrollierte Studien abgesichert, PEG-(Macrogol-) Elektrolytlösungen (Movicol®, Transipeg®) an, da sie dosis- abhängig effektiv, gut steuerbar und nebenwirkungsarm sind.

Ballaststoffe können ebenfalls eingesetzt werden, hierbei sind jedoch die wasserlöslichen Gelbildner (z.B. Flohsamenschalen [Agiolax®]) wegen der geringeren Blähwirkung zu be- vorzugen. Bei Obstipation infolge einer Störung des Beckenbodens im Sinne einer Defäkationsstörung soll- ten in regelmässigen Abständen lokale Entleerungs- hilfen wie Klysmen oder Einläufe, Suppositorien und Glyzerin-haltige Zäpfchen eingesetzt werden. Dies gilt insbesondere für die Prophylaxe und Therapie der Stuhl- impaktation als schwerwiegender Komplikation der Obstipation.

Stuhlinkontinenz

Eine Stuhlinkontinenz wird von vielen Patienten ver- schwiegen, sodass deren Häufigkeit unter Berücksichti- gung einer hohen Dunkelziffer nur geschätzt werden kann. Man geht davon aus, dass in der Altersgruppe über 65 Jahre 1 bis 1,5 Prozent der Bevölkerung an einer Stuhlinkontinenz leiden, wobei die Frauen häufiger be- troffen sind. Als direkte Risikofakoren für eine Stuhl- inkontinenz gelten höheres Alter, weibliches Geschlecht und eine Komorbidität.

Die anale Kontinenz ist das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels zwischen Kolonfunktion, rektaler Sen-

sibilität und Analsphinkter. Störungen einer oder mehrerer Komponenten führen zur Stuhlinkontinenz, in den meisten Fäl- len sind jedoch mehrere Komponenten beteiligt. Klinisch unter- scheidet man drei Grade der Stuhlinkontinenz:

Grad I: Inkontinenz für Winde

Grad II: Inkontinenz für geringe Stuhlmengen Grad III: Grobinkontinenz.

Ein einfacher Test zur Erfassung einer groben Inkontinenz ist der Einlauf mit 100 ml Wasser. Kann dieses gehalten werden, ist eine grobe Inkontinenz unwahrscheinlich.

Diagnostik bei Stuhlinkontinenz

Die diagnostische Abklärung einer Stuhlinkontinenz (Abbil- dung 2) beginnt immer mit einer Basisdiagnostik, mit der schon viele Störungen ohne umfangreichen apparativen Aufwand er- fasst werden können. Die Basisdiagnostik besteht aus einer ausführlichen Anamnese mit prospektiver Erhebung der Sym- ptome anhand eines Stuhlprotokolls sowie aus der klinischen Untersuchung einschliesslich einer rektal-digitalen Unter- suchung.

Die endoskopische Untersuchung als Erweiterung der Basis- diagnostik dient in erster Linie dem Ausschluss organischer Ur- sachen der Stuhlinkontinenz (z.B. Nachweis von Entzündun- gen). Die Endosonografie liefert den wichtigsten Beitrag in der morphologischen Beurteilung der Integrität des Analsphink- ters. Eine weiterführende Funktionsdiagnostik ist nur in Einzel- fällen notwendig, sie beinhaltet die anorektale Manometrie, die Defäkografie und neurophysiologische Untersuchungen.

Therapie der Stuhlinkontinenz

Die Stuhlinkontinenz ist ein ernst zu nehmendes Problem beim alten Menschen. Neben häufig bestehenden Grunderkrankun- F O R T B I L D U N G

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Kasten 1:

Basisdiagnostik bei Obstipation

Anamnese

Körperliche und psychische Untersuchung

Rektal-digitale Untersuchung

Stuhlvisite und Stuhlprotokoll

Labordiagnostik

Anamnese und körperliche Untersuchung

Medikamente Alarmsymptome

Umstellung Absetzen

Endoskopische Diagnostik

Probatorische Therapie

Weiterführende Diagnostik

ja ja

nein nein

kein Erfolg

kein Erfolg

Abbildung 1: Algorithmus bei Obstipation

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gen wie Diabetes mellitus oder geburtstraumatischen Schädi- gungen bei Frauen nehmen mit zunehmendem Alter die Sphinkterdrücke und die Reservoirfunktionen durch vermin- derte Compliance ab.

Es gibt keine alleinige medikamentöse Therapie der Stuhl- inkontinenz. Die Therapie richtet sich nach der jeweiligen Symptomatik. Sie basiert im Wesentlichen auf Allgemeinmass- nahmen (Aufklärung, Ernährungsberatung, Toilettentraining, Beckenbodengymnastik und Sphinktertraining) und der Stuhl- regulierung durch Ballaststoffe und Medikamente bei Diarrhö oder Obstipation.

Bei ausgewählten Patienten (z.B. spastischer Beckenboden) ist die Biofeedback-Methode effektiv. Eine Sonderform der Stuhl-

inkontinenz stellt die Stuhlimpaktation im Rektum dar, die we- niger als Stuhlinkontinenz, sondern vielmehr als «Überlauf- symptom» anzusehen ist. In diesen Fällen sollte neben der digitalen Ausräumung der Stuhlmassen eine erneute Impaktie- rung des Stuhls durch regelmässige Applikation von Glyzerin- Zäpfchen vermieden werden.

Die Diagnostik und Therapie der Stuhlinkontinenz erfolgt häu- fig multidisziplinär in Zusammenarbeit mit Gastroenterologen, Chirurgen, Urologen, Gynäkologen und Physiotherapeuten. Die chirurgische Therapie allerdings kommt in erfahrenen Zentren erst nach ausführlicher Diagnostik und Ausschöpfung aller konservativen Möglichkeiten infrage. Literatur unter: www.allgemeinarzt-online.de

Dr. med. Ahmed Madisch Medizinische Klinik und Poliklinik I Universitätsklinikum Dresden D-01307 Dresden

Interessenkonflikte: keine

Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 6/2007. Die Über- nahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor.

Kasten 2 :

Alarmsymptome bei Obstipation

Zunehmende Abdominalschmerzen

Schmerzen beim Stuhlgang

Änderung der Stuhlgewohnheiten

Meläna oder Analblutung

Allgemeinsymptome (Gewichtsabnahme, Abgeschlagenheit)

3. Stufe: Spezialdiagnostik

Manometrie

Endosonografie

Neurophysiologische Untersuchung Defäkografie

1. Stufe: Basisdiagnostik

Anamnese

Körperliche Untersuchung einschl. digitaler Untersuchung

Stuhltagebuch/-protokoll

2. Stufe: erweiterte Diagnostik

Labor

Endoskopie

Abbildung 2: Diagnostisches Stufenschema bei Stuhlinkontinenz

Referenzen

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