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Heber eine Sammlung neuentdeckter himjari¬
scher Inschriften.
Vortrag, gehalten in der Orientalistenversammlung zu Augsburg
den 24. September 1862.
Ton Drt E. Oslander.
Seitdem icb in einer grösseren Abhandlung (in Bond X
nnsrer Zeitscbrift) die hauptsächlichsten Resultate, die sich mit
Sicberbeit aus den bis dahin bekaont gewordenen himjarischen In¬
schriften ergeben, xusammenzustellen versucbt habe, ist bis vor
kurzem das vorhandene Material durcb keineu erbeblicbeo, den Fort¬
gang dieser .Studien wesentlich fürdernden Zuwaclis vermebrt worden.
^1 sab lüngere Zeit aus, als ob vor der Hand auf keine bedeutendere neue Ausbeute zu hoffen sei ; die bekannle Gährung in der islamischen
Welt, die sich, wie in Syrien und Palästina — von Indien nicbt zu
reden — so in Arabien selbst in gewaltsamen Ausbrüchen I.,uft
machte, schien vollends jeden Gedanken an eine wesentliche
Bereicherung des Stoffs auszuschliessen, du ja die Schwierigkeiten,
die der Nachforschung nach Inschriften und der ürwerbung oder
Copirung derselben im Wege stehen, schon friiher namentlicb
durch die — vielleicbt tbeilweise etwas übertreibenden — Berichte
Arnauds hinreichend bekunnt waren. So musste man schon einige
kleinere Schriftdenkmäler mit Freuden begrüssen, die gelegentlich
ans [jclit kamen: Beiträge die freilich im Verbältniss zu den
uns noch vorenthaltenen Schätzen kuum nennenswerth und auch
nicbt geeignet sind, unsere Kenutniss der Sprache irgendwie
erheblich zu fördern.
Zunächst sind es ein paar Gemmen oder Cylinder mit
himjarischer Inschrift, welche ich hier anzuführen habe. Die Ver¬
öffentlichung von zweien derselben in unserer Zeitschrift haben
wir dem um semitische Paläographie uud Epigraphik so vielfach
verdienten, auf verschiedenen Gebieten so rührigen und unternehmen¬
den Herrn Dr. Levy zu verdanken. Schon die Gewissbeit, dass
Gemmen ihit himjarischer Inschrift vorhnndeu siud, ist für uns vun
nicbt geringer Bedeutung, weil dadurcb auf deu ganzen Cultur-
zustand des alten Sabäer-Reichs ein neues Licht geworfen, oder
richtiger gesogt, die hohe Meinung, die wir aus andern Gründen
von demselben zu fassen geneigt aein mUssen, nur bestätigt wird,
Was nun die erste der genannten Gemmen betrifft, weicbe
flerr Levy im XI. Bande der Zeitschrift S, 73 zugleich mit einem
790 Oiiander, über eine Sammlung neuentdeekter himj. Intchriften.
Erklärungsversuche veröffentlicht hot, so lässt sich, die Richtigkeit
und Genauigkeit der Copie vorausgesetzt, aus dem ziemlich unvoll¬
kommenen, fast rohen Charakter der abgebildeten Figur, wie aus
der diesem entsprechenden Beschaffenheit des Scbrifttypus, besooders
aus den Pehlen des sonst mit auffallender Regelmässigkeit ange¬
wendeten Trennungsstrichs vielleicht der Schluss ziehen, dass wir
es bier mit einem Schriftdenkmale von ziemlich hohem Alter xu
tbun baben. Ueber den vun lierrn Levy beigefügten Erki»>-"ngs-
versuch werde ich mich in einem demnächst in dieser Zeitachrift
zu veröffentlichenden Artikel Uber die himjar. Inscbriften aussprechen
und bemerke vorläufig nur, dass das von mir früher vermuthete
Nichtvorhandensein des Artikels im Himjarischen durch die neuesten Inschriften vollständig bestäligt wird.
Die (weite, in Band XII. S. 1&9 veröffentlichte Gemme
enthält nur die 3 Buchstaben snv, sicber Abbreviaturen, welch«
— wie die beigesetzten Figuren zeigen und die Bedeutung solcher
Gemmen Uberbaupt, die vermutblich besonders als Talismane dienten,
annehmen lässt — religiöse Bedeutung haben, aber sich vor der
Hand wobl jeder einigermassen wahrscheinlichen Deutung entliehen,
üm so interessanter sind in religionsgeschicbilicher Bcsiehm^
die beiden, sehr hübsch ausgeführten Thiergestalten, balb Bock,
balb Widder, interessant namentlicb dadurch, dass sie auf unwider¬
legliche Weise das Vorbandensein des Phallnsdienstes auf
diesem Gebiet constatiren. Für Herrn Renan wird das ein neuer
willkommener Beweis für das Vorbandensein uicht-semitiacber
(cuscbitiscber) Elemente im südlichen Arabien sein , du ja die
Sabäer schon darum keine äcbten Semiten und namentlicb keine
ächten Araber gewesen sein können, weil sie es vorgeaogen
haben, statt in Zelten su campiren, in Städten su wobnen und
Paläste und Tempel su bauen (Histoire gin^rale et Systeme
compare des langues semitiques, s. B. S, 184. 312 f.); für uns,
die wir die Sache sine ira et studio betrachten und, so gut wie
bei Moabitern und Ammonitern und aaderen äcbt-semitiachea
Völkern, auch bei den .Arabern Spuren gescblechtlicher Culte
finden, — man denke an lT^' Diener dea Phallus, an >>f
m
nnd ^y^i an v_»U>l and — für uns kann daria nur aia Be¬
leg davon IB erkennen lein, daai aueh an dieier .äusieriten Grenae
des SemitisMBs noch dia das lemitiicbe Ueidaotbua obarakteri-
■ireaden Bricbeinungen vorkommen.
leb knüpfe bieran eine kune einstweilige Mittbeiinng über
eiaen im brittischen Mnieum vorhandanaa Cylinder,
aaf welcben ich darcb eine Bemerkung der Redaction (B«L XI.
t. 73. Aua. 1) aufmerksam gemacht wur«!«, und wovoi air
4«Kb di« Giite d«i Herm Dr. Biea unter Veraittinug «einei
Fraoadei . Wrigbt ein Abdrack »gekomaen ist. Der Cyliadir
Otiander, über eine Sammlung neuenldeckler Atm;'. Inschrifitn. 791
enthält i Intchriften, beide in der Mitte von je 2 Figuren, natür¬
lich nur aus wenigen Zeicben bestehend : erstens eine pbönicische
Inschrift, die weniger deutlich erhalten ist und deren Typus an
deu auf assyriscben und babyloniscben Alterthümern vorkommenden
erinnert, womit auch der Charakter der Figuren übereinstimmt; swei-
tens eine etwaa besser erbaltene bimjuriscbe Inschrift. Sollte uns
auch bier eine sichere Erklärung nicht gelingen, so ist doch jeden¬
falls diese doppelte Inschrift im höchsten Grade merkwürdig und
liefert den handgreiflichen Beweis für den lebhaften Verkehr
zwiscben dem südiicben Arabien und den mesopotamiscb-babyloni-
schen Gebieten, zwischen Sabäem und Pböniciern oder pbönicisch
Sebreibenden, wie das nnmentlich Movers nachgewiesen hat
Neben diesen kleineren Schriftdenkmälern waren es noch
2 Inschriften, weicbe längere Zeit den einzigen Zuwachs
unsers Materials bildeten.
Schou zu Anfaug des Jahres 1858 wurde mir durch die
geehrte Redaetion eine fünfzeilige Inschrift zugeschickt, die
Herr Mordtmann mit dem Bemerken eingesandt, dass er dieselbe
bei Sr. Exc. Subbi Bey — den Lesern der Zeitschrift durch sein
Münzkabinet rühmlich bekannt — welcbem sie ein Reisenderaus
„Dhafur" mitgebracht, copirt habe. Gewiss ist der Fundort
(!^afär), wobei wir einstweilen dahingestellt sein lassen, ob
die alte Hafenstadt ^ufAr in Mahrah oder die alte binnenländiache
Residenz dieses Nomens, welche auch Niebubr und Seetzen be¬
sucbten, gemeint ist. Die Inschrift selbst scheint nach oben und
nach unten nur ein Fragment zu sein, und gebört zu den Denk¬
mälern , die für eine haltbare Erklärung so ziemlich gar keine
Handhabe bieten. Diess ist denn auch, neben meinem damaligen
Befinden , der Grund , warum ich eine sofortige Veröffentlichung jener Insebrift unterliess, indem ich von derselben allein keinerlei
Förderung der himjarischen Sludien erwartete.
Eine zweite Insebrift, die von Loftus in Warki (in der
Näbe des Eupbrats) entdeckt und in seiuem bekannten Werke
veröffentlicbt wurdeu, hat auch Uerr Dr. Levy in unserer Zeit¬
schrift Bd. XII mitgetbeilt, und zugleicb xu ihrer Brklärung
einen wertbvollen Beitrag gegeben (S. 216 f.). Die Bedeutung
dieser Inschrift ist eine äbniiche, wie die des oben angeführten
Cylinders : sie beweist die Verbindung zwischen Südarabien und
den Euphratländern , — sei es nun, dass wir bier das Grabmal
eines lufällig auf der Reise verstorbenen Handelsmannes haben,
dem seine Genossen diesen Denkstein gesetst, oder dass sicb
in War^ä eine Uandelscolonie von Sabäem befand.
Aber so interessant im Eiozelnen diese Schriftdenkmäler sein
mögen, eine wesentliche Förderung unserer Kenntniss des himjar.
Spracbidioms und Volkes bracbten sie uns nicbt, und ich begann be¬
reits die Hoffnung auf weitere Entdeckungen aufzugeben. Etwaa
erantbigt wurde ich indess durcb eio interesivntes Sebriftcben,
792 Osiander , iiber eine Sammlung neuenldeckler himj, Inschriflen.
das mir Wright vor etwa zwei Jahren zusandte : A Memoir on
the ancient reservoirs lately discovered — at Aden; der \'er-
fasser ist der jetzige Capitain Playfair, Assistent Political Resi¬
dent iu 'Aden. Zunächst überzeugte ich mich daraus, dass es
dort Männer giebt, welche für die Sabäischen .Alterthümer Interesse
baben; ja es war sogar von einer aufgefundenen Insebrift die
Rede. Der Gedanke, den icb sufort gegen Wright aussprach, ob
wir nicbt voo dieser Seite etwas erhalten konoteo, ist in Erfüllung
gegangen, und zwar io einer Weise, wie ich es nie zu hoffen
gewagt batte. Im Frühjahr 1861 erhielten wir durch Wrights
Vermittlung von Playfair eioe trefiflich erbalteoe Inschrift in Ab¬
klatsch und Photographie nebst der Ankündigung, dass üer in
'Aden stationirte Colonel Coghlan noch eine Anzubl ähnliober
Inscliriften besitze. Wäbrend ich nun eben daran war, eine kurze
Revue des bisber aogeführteo neuen Materials mit einer Besprechung
dieser letztgeoaooten loschrift abzuschliessen, kam gegen Ende
des letzten Jahres eine Sendung von mebreren grösseren In¬
schriften, der bald eine weilere folgte; und nun im Laufe dieses
Jahres (1862) bis io die letzteo Tage ist so vieles eingelaufen, dass
wir eine ganze Sammluog vnn 37 inschriften nebst dem Abdruck
eines hirnjarischen Siegels beisammen baben. Wenn ich es einer¬
seits nur beduuern kann, dass icb neben den Geschäl'icii des
Amtes keioe Müsse fand, die mir schun früher zugekutnincnen
Inschriften zu bearbeiten, um der verehrten Generalversonimlung das vullständige Resultat, das sicb ous denselben ergibt, vurlegen
zu können, so war es andererseits gut, dass icb erst jetzt mich
ernstlicher damit beschäftigte, weil nun erst, da die gaoze Samm¬
lung vor mir liegt, vieles ricbtig verstanden werden kuon.
Freilich musa gleich beigefügt werden, dass ich vun diesen 37
luscbriften nur 11 (Nr. 27—37) im himjarischen Text besitze,
dugegen Nr. 1—26 nur iu der arabischen Transcriptiou des
Capitain Playfair; ein Nacbtheil, der dadurch etwus verringert
wird, dass Herr Playfair sein Alphabet beigelegt hat, und dnss die
Inschriften dem Inhalte nach eine grosse Verwandtschaft mit ein¬
ander habeo, so dass es möglicb ist einigermassen die Transoriptioo IU controliren, beziehungsweise zu rectificiren. Wenu z. B. Playfair regelmässig vj>>-^ schreibt, so setze icb dafür nicht bloss ver¬
mutbungsweise, sondern auf einen meiner bimjor. Texte gestützt
^jj^Xio. Nichts deslo weniger wäre es, wie ich mich wiederholt über¬
zeugt, von grösster Wiclitigkeit, wenn die nucb fehlendeo 26 Texte
vollends in unsere Hände kämen, und ich glaube auch die Hoffoung
oicbt aufgeben zu dUrfen, dasa diess der Fall sein werde, da ich
erst vor drei Tagen von 2 Inschriften Copieen erhalten habe (s. u.).
Um nun einen kurzen Uoberblick zu geben, su stammen
Kr. 1—27 aus 'Amrän, auf den Inscbriften mehrmals ^\'^^39, eine
Stadt (un) Uber deren Lage icb erst die näberen Angaben der
Besitzer der Inscbrifteo erwarte; nur suviel scheint mir gewiss
Osiander , iiber eine Sammlung neuentdeekter himj. Inschriften. 793
zu sein, duss sie mehr im Binnenlande, nahe dem alten classisi-lien
BoJen vnn Marjab, liegen muss, du die Inschriften nacb .Sclirift
und Spruche den Cliarakter der Arnaudsclien Inscliriften tlieilen.
Buwolint wur diese Sladt bauplsächlicb von dem liekannlen liinijiir.
Stumme der -in">i: ■'33. Diese 27 Insrliriften befinden sich ausser
Nr. 27 samintlicb im Besitze des Colonel Cogliinn in 'Ailpn.
Nr. 31—36 sind Inscliriflen vun Mu'rib (Alarjab; im Besitze des Rev. I>r. Wilson in Bunibuy.
Nr. 30 uud 37 stammen vun Abjanf^^^'j in der Nälie von 'Aden.
Davun ist besunders Nr. 30, im Besitze vun Coghlan, bemerkens¬
wertli ; es ist nämlich ein Altar der'.Attar fAsturtel, der an der
Fronte und an beiden Seiten eine zweispaltige in BustrU|ilied(tn- Form verlaufende Insebrift trägt.
Nr. 28 (Pluyfttir) ist in Tu'ez nördlich von 'Aden (s.
Abulfeda bei Reinaud, S. 121) gefunden wurden.
Kr. 29 (Coghlan) ermangelt der Angabe des Fundorts, stammt
aber, wie ich aus dem Charakter der Spruche scbliesse, aus der
Gegend vun 'Aden.
Im Ganzen können wir oamentlicb Uber die losclirifteo voo
'Amräo uod Mu'rib die Bemerkung macben, dass wir es hier
schun mit viel grösseren uod vollständigeren Seliriftnionuinenten
zu tliun baben. Su befiuden sieb unler denen vun 'Amrän, die
sämmtlich auf schmalen, läoglicben Bronzetufeln angebrucbt sind,
eine 20- zeilige, eine 13- zeilige, mehrere 12-, mehrere II-,
manche 10- zeilige Inscbrifteo u. s. f. Ebensu sind die vuo .^lii'rib
tbeilweise vno ziemliebem Umfung, namenllich Nr. 35, uur diese
leider uicbt vollständig, wie überbaupt mebrere derselben.
Den Inhalt und Zweck betrefifend, so haben die Inschriften
fast ausscbliesslich religiöse Bestimmung; insbesondere kann
kein Zweifel darüber obwalten, dass die in'.Amrän aufgefundenen
Bronzetafeln sämmtlich Votivtafeln sind, die in dem dortigen
Tempel der Gottheit Almakah un den Wäodeo aufgehäogt waren,
und dass es sicb dabei um Weihgeschenke bandelt, die der Gott¬
heit zum Danke für erhaltene Woliltbaten uod zur Erlaogung ihrer
Gnade für die Zukunft dargebracht wurden. Die stehende Formel
ist dabei .-ipab« "'Jpn, was icb schou früber (Bd. X. S. 66) be¬
sprochen habe. Der .Sinn vun ^3pn kann kuum eiu anderer sein
als : er bat zugeeignet (Geiichenke dargebracht).
Indem ich nun zur vurläufigen Mittbeilung einiger interes¬
santen Resultate, die ich aus der ersten Ueberarbeitung der lu¬
schriften gewunneu habe, übergebe, bleibe ich zunächst ^bei der
re I i g i n u 8 g es c b i cb t 1 i c b en Seile steben, weil sie'neben der
linguistischen Bedeutung des Hirnjarischen ganz besonders in
Betracht kommt.
Was die Götterwesen betrifift, so kehren zunächst die aus
Bd. XVII. 6%
-J
794 Osiander, über eine Saminlung neuenldeckler himj. Inschriflen.
den Arnauil-PresneUclieii Inschriften iieknnnten wieder; übrigens,
wie schon angedeutet , tritt gnnz besonders in den Vordergrund:
1. Almakah (npsb«), in der Regel mit dem Attribut-j-^nt
d. h. t^^j^ i'^f d. b. der von Hirrän (einem von mir früher, a. a.
0. S.70, nachgewiesenen Schlosse der Himjaren, aas ohne Zweifel
ein Uauptsitz des Almakah-Cults war] ; einmal kummt auch
las:"! npnb« vor: der von Na män oder Nu'män (ein eben¬
falls früher scbon in Inschriflen entdeckter Ortsname). Aehnlichen
Sinn hat wobl aucb das ein paurmul sich findende Attribut
DIN indem hier tS*? sicher dem entspricht, und oi« sich
somit ebenfalls auf eine Localität beziehen dürfte. — Hier
kann icb nun nicht übergehen, dass meine früheren Ausrübrungen
über Almakttb eine wesentliche Modification erfahren müssen.
Ich habe früher, a. a. 0. S. 62 ff., gestützt auf die Form kJuX)
nnd geleitet durch eine Bemerkung vnn Al-Bakrt, wonach Almak
der Mond gewesen wäre, mit Ewald die Form npisb« von einer
Radix = ^I, abgeleitet und das binten angehängte n
für Femininendung gehalten. Es war freilich dabei schon das
störend, dass eine solche dem Hebräischen entsprechende Feminin¬
endung sicb sonst nirgends im Himjarischen findet. Nun zeigen
aber unsere Inscbriften ganz unwiderleglicb, dass npsb« Masculin
ist, und zum Ueberfluss findet sich etlichemale geschrieben iMp^sbci,
so dass also auch aus diesem Grunde dus schliessende .-| unmög¬
lich Femininendung sein kann. Ich sehe keine andere Möglich¬
keit, als entweder anzunehmen duss jenes i die arabische
Endung der Nomina auf u ist (hier im Himjar. freilicb dann nicht
bluss für den Nominativ gebraucht) und das Wort selbst aus bK
dem Gottesnamen und npn einem Derivat der Radix '^^y, weicbe,
wie es scheint in der Bedeutung: „erhören", in unseren Inschriften
eine ziemlicb bedeutende Rolle spielt, zusammengesetzt, oder
dass als die zu Grunde liegende Form p%)b^<, Elativ von ^-äI (in
der obengenannlen Weise), anzusehen ist, welcliem dann ein
Suffix 3. Pers. Singul. in oder wie öfter abgekürzt n , dessen Be¬
ziebung freilich vor der Hand dabin gestellt bleiben muss, bei¬
gegeben wäre.
2. 'A 1 1 oroder'.A 11 ar (^äXc)^ eine Form des semitiscben Namens
der Venus, weicbe gewiss ursprünglicher ist, als die mit dem Fe-
mininzeiclien : n'^ntu:', findet sich ebenfalls öfter. .Auf einen
speciell derselben gewidmeten Altar wurde bereits obeo aufmerk¬
sam gemacht.
Ebensn finden sich gelegentlich in Anrufungen Haubas (\B3in)
und die besonderen Local-Gottbeiteo a^Tzn nn uod D:^y^ rn,
welche sämmtlich schon früher besprochen wurden(s. u.a. 0. S. 64.)
Osiander, iiber eine Sammlung neuenldeckler himj. Inschriflen. 795
Weiler aber erscheinen in unseren Inschriften mehrere neue
Gütlerwesen, die hesonderes interesse bieten.
3. Ks ist diess vor allem iuaffl. Der S o n n e n dienst der
o -
Himjariten ist langst hekannt : u^*-^ ^-i-c jst nach den arabischen
Autoren ein alter sahäisclier Name. Znm erstenmal begegnen
wir diesem Namen in einer unserer Inschriften. Uorh nocb be¬
deutender ist, (lass in einer derselben ausdrücklieh der .Sonne
eine Huldigung (oder .Spende) dargebracht wird; merkwürdiger¬
weise heisst es; seine Sonne (^r.t^lX5} und ihre .Sonne
(i7:r:i0O',:} ), was man nur auf das besondere Sonnenbeiligthuni der
betreffenden Familie deuten knnn.
4. Neben der Sonne Gndet sich als Gotlheit der AI o n d, und
zwar merkwürdigerweise unter dem Namen pis (Sin) Fs ist
mir wenigstens nacb den anderweitig insbesondere von Chwolson
gegebenen Nncliweisungeu keinen Augenblick zweifelhnft, duss
Sin so und nicbt anders zu deuten ist; — abermuls eiue merkwürdige
Berührung mit dem nordsemitisclien Gehiete.
Ö. Nicbt minder interessant ist die mehrfache Erwähnung
eines Götterwesens ^V2Vr\ , was icb nicht nuders zu deuten weiss,
als: „Herr der Himmel", etwa Du-Samäwi zu lesen (hinsichtlich . 1 ,
des W vgl. u. s. w.). Was fdr ein Gott darunter zu ver¬
steben ist, muss natürlich dahingestellt bleiben; nur möge vor
einer voreiligen Annahme eines nacb Rennns Meinung specifisch
semitischen, wesentlich monotheistischen Elements gewurnt
sein; denn dieser Herr des Himmels ist zwar in einer Inschrift
als der specielle Gott einer Familie bezeiehnet, stebt aber sonst
in einer Linie mit andern Göttern und Göttinnen.
6. Schliesslich füge ich nocb bei, dass neben dem in ver-
scbiedentlichen neuen Eigennamen vorkommenden Gottesnamen
bN (z. B. bN^jn*!, bMtJ33, bwam Wahbil) aucb der andere
semitische Name nbK sich öfter findet, und zwar tbeils in Eigen¬
namen noNnb« uud ,"!bnyto — Sa'diläb), theils als besonderes
Wort, und zwar dann offenbar appellativ, z. B. ''iDUh "vannbN
» 1 I
(^^jU*«3 i^^J! ihr Gott Du Samäwf), auch im Plural -«ribN nnd
t
^nnbN Götter und Göttinnen neben einander.
Zum Scblus« mögen noch einige Beiträge zur Kenntniss des
grammatischen Baus der bimjariscben Sprache folgen.
Die bisher scbon gefundenen Verbalstämme, arab. IV. Vlll. X.,
finden sich in vielen Beispielen wieder, ebenso mit ziemlicber
Sicherheit II und V. Sehr interessant ist aber eine in der 29.
Inschrift wiederholt vorkommende Bildung des causatfven Stammes.
Während wir sonst immer charakteristiscber Weise das himjar.
Causativ de» bebräiscben entsprechend mit Ii gebildet finden
(a. a. 0. S. 38), haben wir in jener Inschrift statt des ganz ge-
52*
796 Osiander, über eine Sammlung neuenldeckler himj Inschriflen.
läufigen das allemal dem Gotlesnumen voraiigelir, '':pb,
(und naclilier n^^pio). Wir finden sumit liier sclion im Hiiiijarisrlien
einen Ueberrest jener ursprünglicben bärteren Causulbildung, die
ja im arabiscben X. Stamm sicb deutlicb erbalten bat und wovon
sich aucb noch anderweitige Beispiele, wie namentlicb das syrische und assyrische Scbafel u. s. f., vorfinden. Sollle sich uber ührr die
Richtigkeit dieser Deutung und .Annahme ein Zweifel erbeben, su
wird dieser dudurch heseiligt, dass die fragliche Inschrift über¬
haupt dialeetische Eigenthümlichkeiten zeigt und insbesondere, wie
uuch die 2 Inschriften 28 und 37, die merkwürdige Erscheinung
bietet, dass das Suffix 3. Pers. Singul. masc. satt ir, oder rr regel¬
mässig is lautet, und zwar in einer Reibe von Beispielen, — ganz
entsprechend dem & des heutigen .Hahri.
Weiter füge ieh bei, dass durcb unsere Inschriften es gunz
entschieden bestätigt wird, dass das liimjariselie Imperfect auf n
endigte, jenes n, welches das Arabische nur als verstärkte Form
des Imperfects anwendet. Daber kummt es, dass die 3. Pers. plur.
Imperf. mit zwei n scbliesst, da hier die vnlle Form üu (vgl. das
Uebräische) festgehalten wurde (s. a. a. 0. S. 40). Dafür babeu
wir hier zahllose Beispiele, leb nenue nur noch einige charuk-
teristisebe Beispiele von vbb. 1B : npl bildet Imperf. ^npi ; sei :
i9Di ; («ni : ;^<n^ leb schliesse mit diesen Bemerkungen, welche
ieb nur als Vorläufer baldiger genauerer Ausführungen in unsrer
Zeitschrift zu betrachten bitte.
Diesem Vortrag, der, obwubl ursprünglich nicht zum Druck
bestimmt, auf den Wunsch der geehrten Reduction bier mitge¬
tbeilt wird, habe icb folgendes beizufügen. Die vun mir oben
ausgesprochene Huffnung, dass wir dueb auch zu den übrigen
26 Inschriften die liiinjurisclien Texte erhalten wUrden, isl schneller,
als icb je gedacht, in Erfüllung gegangen. Im Laufe des Nu¬
vember erbielt icb durch gütige Vermittlung meines Freundes
Dr. W. Wright in London die Sammlung aller 37 himjar.
Inschriften in trefflicher photograph isc her Ab¬
bildung, weicbe ihm Capitain Playfair (d. d. 'Aden 15. October)
zur Beförderung an mich mit dem Bemerken zugesendet hatte,
dass er biermit sein eigenes Exemplar jener Pliolographieen, das
eiuzige, was er habe fertigen können, mir für uubestinimle Zeit
zu beliebiger Benutzung überlasse. Ich kann nicht umhin uu
dieser Stelle den beiden Männern, weicbe mit so grosser Zuvor¬
kommenheit die Bestrebungen deutscher Orientalisten gefördert
haben, den tiefgefühltesten Dank auszusprecben: dem wackeren
Uerrn Plhyfuir, der sicb der Sacbe so eifrig angenommen und
das in seinem Besitz befindliehe oder ihm zugängliche Material
■o bereitwillig und in so liberaler Weise mir zur Verfügung
Osiander, über eine Sammlung neuentdeekter himj . Inschriften. 797
gestellt hat, nicht minder aber dem trefflichen Wright, der sich auch
diessmal wieder als der Vermittler Deutschlunds und Englands in
Sachen morgenliindischer Sprachwissenschaft bewährt hat.
Zugleich erbielt icb die weitere wichtige Nachricht, dass nun¬
mehr die Originalien selbst, jene ehernen, beziehungsweise steinernen
Tafeln, oder Bruchstücke, durch Colonel Coghlan eingesendet, in
tiOndon angekommen und dem brittischen Museum einverleibt seien.
Dieselben wurden sofort von den Trustees des .Museums zur
Herausgabe bestimmt und es dürfte diese Publication nach
den neuesten Nacbrichten bis gegen Knde März zu erwarten sein,
und zwar begleitet von einer Vorrede des Herrn Bircb, welche
eine Darstellung des bisberigen Verlaufs der himjarischen Studien
enthalten soll.
Während wir so einer möglichst genauen autbentischen Ver¬
öffentlichung der Texte in kurzer Zeit entgegensehen dürfen, ist
es mir einstweilen vergönnt, auf Grund jener Photographieen die
Bearbeiiung der inscliriflen, deren Lesung nun erst mit Sicher¬
heit — soweit nicht wirklicbe Corruption stattfindet — festge¬
stellt werden kann, zu vollenden, um demnächst meine Studien
darüber iu einem grösseren Aufsatze, der theils die daraus sicb
ergebenden Resultate für I..inguistik und Alterthumskunde zu¬
sammen fassen, tbeils der Reibe nach zu den einzelnen inschriften
Erklärungsversuche oder wenigstens Beiträge zur Erklärung
geben wird, in dieser Zeitscbrift mitzutbeilen.
Im Ganzen sind die Inschriften recht wohl erhalten, nur bei
einigen wenigen bedarf es grosser Achtsamkeit und genauer
Vergleichung mit ahnlichen Stellen (wo etwa solcbe vorhanden
sind), um das Richtige herauszufinden oder zu ergänzen. Dieses
letztere ist freilich in einzelnen Fällen gar nicht mehr möglich,
insbesondere ist gerade die grösste 20- zeilige Inschrift (Nr. IV.)
die am wenigsten gut erhaltene, so dass sicb nur einzelnes davon
verstehen lässt, — was um so bedauerlicher ist, weil dario von
verschiedenen Heiligthümern (bnnn), Opfern u. s. w. die Rede
ist —, wäbrend bei anderen wenigstens grossentheils, bei einzelnen
fast vollständig mit Zuversicht eine Erklärung und Uebersetzung
gegeben werdeo kaoo. Eioe weseotlicbe Erleicbteruog ist dabei
der scbuo obeo bemerkte Umstaod, dass sie vielfacb uoter eioander
in naher Verwandtschaft steben, indem gewisse stereotype Formeln
sich öfter, theilweise regelmässig wiederholen. Diess gilt besonders
von den 27 Inschriften uus 'Amrän, denen übrigens aucb einzelne
aus Ma'rib entsprecben. Nicht unerwähnt lasse ich bier, dass
durch dieses neue Material auch die älteren, namentlich die Arnaud-
Fresnelscben Inschriften mnncbe Aufhellung und Berichtigung
erbalten.
Wenn oben besonders auf wichtigere religionsgescbichtliche
Resultate hingewiesen wurde, — wobei noch weiter anzuführen
wäre, duss auch der religiöse Sprachgebrauch uud damit das
5 2*
798 Osiander, über eine Sammlung neuenldeckler himj. Inschriflen.
religiöse Bewusstsein nuf bemerkenswerthe Weise sich zuerkennen
gibt, — so ist daneben der Gewinn für das Verständniss der
Sprache selbst, und zwar nacb ihrer grammatischen wie nach
ibrer lexikalischen Seite, ein so wesentlicher, dass dagegen dns
viele Dunkle, das namentlich in letzterer Beziebung nocb zurück
bleibt, sehr in den Hintergrund tritt. Nebenden Bildungen des Ver¬
hums , wovon bereits die Rede war, wie auch theilweise der
Nominalformen, ist es besonders das Gebiet der Relativ- (Causal-)
Partikeln, worin unsere Inscbriften viel Neues und einen verhält¬
nissmässig grossen Reichtlium enthalten, wodurch das von mir
a. a. 0. S. .iO Ausgesprochene seine Berichtigung findet. Auch
charakteristische syntaktische Erscheinungen lussen sicb erkennen.
Dahei linden sich manche eigentbünilicbe Berührungspunkte mit
deu nordsemitisclien Sprachen, z. B. aucb der chaldäischen.
Indess noch in anderer Beziehung sind diese neu entdeckten
Schriftmonuinente vnn grossem Belange, indein wir in denselben
theilweise zugleicb K u n s td e n k m ä I e r haben. Während nämlich
die meisten der in 'Amrän gefundenen Votivtafeln nur das Eine
Bemerkenswerthe bieten, dass die obere Linie des Randes, mit
welchem sie eingefasst sind, durch den sogenannten „Zahnschnitt"
(um der Kürze halber einen bekannten technologischen Aus¬
druck zu gebrauchen) unterbrochen ist, so tin K'u sich Jagegen auf
siehen jener Tufeln nicht uninteressunte , sehr nett ausgetülirte
Ornamente, einmal eine Löwe, ein andermal zwei jener assyri¬
schen zusammengesetzten Figuren, geflügelte Löwen mit Menscben¬
kopf; in beiden Fällen daneben der heilige Uaum.
Docb ich breche hier diese Bemerkungen ab, um denselben
sobald als möglich genauere Ausführungen über diese merk¬
würdigen Denkmäler folgen zu lassen.
799
Lieber die vedischen Accenfe.
Von Dr. fl. Haug.
Da die Accente der Vedas seit der Veröffentlichung der Texte
vielfach Gegenstand gelehrter Forschung geworden sind, obschon
keiner von allen, die bis jetzt darüber schrieben, Gelegenheit hatte,
den Vedavortrag von einem vedaknndigen Brahmanen zu hören, so
denke ich , als der einzige , dem es bisher gelungen ist, den Vortrag vediscber Stücke , wie er seit den ältesten Zeiten sich fortgeerbt hat,
mit anzuhören, im Interesse der Wissenschaft zu handeln, wenn ich
meine Beobachtungen darüber der gelehrten Welt nicht länger vor¬
enthalte. Dass man die vedischen Accente an Ort und Stelle unter¬
suchen müsse , um zu klaren Resultaten zu kommen , war stets meine
Meinung, da sich solche Dinge aus Büchern nicbt erkennen lassen.
Da die Resultate meiner Beobachtungen über den vedischen
Accent mit der in Deutschland theoretisch darüber gebildeten
Ansicht nicht verträglich sind, so muss ich zuerst darlegen, wie ich
zu denselben gekommen bin, da ich die Zähigkeit gelehrter Vorur¬
theile für einmal wrgefasste lilVfeinungen kenne Ich tescbränke
mich diessmal auf den Rigveda' und Atharvaveda. Von diesen bei¬
den Vedas hörte ich vor bald zwei Jahren ungefilhr vierzehn Tage
lang jeden Tag eine Reihe Hymnen, vorgetragen von zwei Priestern
des Atharvaveda, die ich durch Geldgeschenke Ijewogeij hatte, mir
den Veda zu lesen. Es hält nämlich ungemein schwer, einen
Brahmanen, namentlich einen," der es schulgerecht gelernt hat, und
ein berufsmässiger Hersager des Veda ist, zu bewegen, den Veda
vor einem Fremden zu lesen , und ich zweifle ob , es vor mir je
einem Europäer gelungen ist, einen Bhatt (so heissen die gewerbs¬
mässigen Hersager des Veda) zu veranlassen, vor ihm den Veda
zu lesen. Die Brahmanen halten das für eine ganz entsetzliche
Profanation, und weitaus die meisten würden durch nichts in der
Welt zu bewegen sein, es zu thun.
Der Vortrag klang sehr schön und musikalisch, und wnrde von
den Priestern mit der grössten Präcision ausgeführt. Ich gab mir
viele Mühe es ebenfalls kunstgerecht zu lernen, und ich glanbe,
dass es mir im Ganzen gelungen ist, einzelne Stücke gerade so
vorzutragen wie ich sie hörte.