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MainSeite 18.623 Jahres-Supplement 1890-1891

Medizinischer Kongreß, internationaler 3'794 Wörter, 27'871 Zeichen

Medizinischer Kongreß, internationaler. Die zweite Pariser Weltausstellung von 1867 bot die Gelegenheit, daß eine größere Anzahl fremder Ärzte sich zusammenfand, die in einer Vereinigung, welche an die Stelle der regelmäßigen Jahresversammlungen der französischen Ärzte trat, unter dem Vorsitz von Bouillaud tagte. Ein italienischer Arzt, Pantaleoni, regte dabei den Gedanken an, dieser Vereinigung von Gelehrten aller Nationen einen periodischen Charakter zu geben, und man beschloß, die nächste

Versammlung 1869 in Rom abzuhalten, ging aber, weil die vatikanische Regierung einen Kongreß von Ärzten nicht dulden wollte, nach Florenz.

Hier wurden im Gegensatz zu Paris mit dem Kongreß allerlei Festlichkeiten verbunden, die dann vorbildlich für alle weitern derartigen Versammlungen geworden sind. 1871 fand kein Kongreß statt, 1873 tagte derselbe gelegentlich der Weltausstellung in Wien unter dem Vorsitz von Rokitansky und wurde grundlegend für gewisse hygienische Fragen, namentlich für Choleraprophylaxe und Impfzwang. Auf dem fünften Kongreß in Brüssel wurden Sektionen für die verschiedenen Zweige der Wissenschaft eingerichtet.

1877 tagte der Kongreß in Genf, 1879 in Amsterdam, wo Lister über sein Verfahren der antiseptischen Wundbehandlung sprach.

Der glänzendste aller Kongresse war der zu London 1881. Während Florenz nur 377 Ärzte gesehen hatte, tagten hier weit über 3000 in 16 Sektionen. Virchow verteidigte die Vivisektion, und Pasteur sprach über Schutzimpfungen gegen Milzbrand. Der nächste Kongreß tagte 1884 in Kopenhagen. Ein Antrag Virchows, das nächste Mal nach Berlin zu gehen, wurde unter dem Einfluß der Franzosen abgelehnt, man folgte 1887 dem Rufe der amerikanischen Arzte nach Washington, wo aber Kompetenzstreitigkeiten der Amerikaner die Veranlassung gaben, daß viele der bekanntesten Gelehrten der Vereinigten Staaten dem Kongreß fern blieben.

Der zehnte Kongreß tagte vom 4. bis 8. Aug. 1890 in Berlin und wurde von Virchow eröffnet. Nach dem Bericht des

Generalsekretärs und nach Begrüßungen seitens des deutschen Kaisers, der Reichsregierung, der preußischen Regierung und der Stadt Berlin sprach Lister - London über antiseptische Chirurgie. Er trat lebhaft für die Phagocytentheorie Metschnikows ein und suchte aus dieser die Thatsache zu erklären, daß seidene Fäden, die keinerlei antiseptische Behandlung erfahren haben, ohne Schaden in Wunden liegen bleiben können.

Die Leukocyten dringen mit großer Schnelligkeit in die Zwischenräume aller Fremdkörper ein und zerstören die Mikroben, die sich dort eingenistet haben. Indes hält Lister es für weiser, die Seidenfäden vor dem Gebrauch zu sterilisieren. Er sprach dann über die der Sublimatlösung, welche er andern antiseptischen Mitteln vorzieht, zu gebende Konzentration und betonte, daß man bei empfindlichern Geweben, wie Synovialhäuten, verdünntere Lösungen anwenden müsse.

Bekanntlich suchte Lister die in der Luft schwebenden Mikroben durch Zerstäuben einer antiseptischen Flüssigkeit über der Wunde unschädlich zu machen. Es stellte sich aber heraus, daß die Anwendung des Sprays auf falschen Voraussetzungen beruht, und seit 3 Jahren hat Lister dieselbe aufgegeben. Er ersetzte den Spray durch antiseptisches Waschen und Spülen und dadurch, daß er die Operationsstelle mit ausgebreiteten, in antiseptische Lösungen getauchten Handtüchern umgab, und er glaubt, daß es an der Zeit sei, zu versuchen, ob nicht das antiseptische Spülen der Wunde zu entbehren sei, unter der Voraussetzung natürlich, daß mit peinlichster Sorgfalt darauf geachtet wird, alle septischen Bestandteile aus andern Quellen als der Luft von der Wunde fern zu halten.

Gelingt der Versuch, so würde ein alter Traum in Erfüllung gehen, den er einst geträumt. Ausgehend von der Analogie subkutaner Verletzungen, hatte er einst gehofft, daß die Wunde unter dem antiseptischen Verband sofort vollständig geschlossen werden konnte und die Wundränder sich ohne weiteres vereinigen würden.

Koch - Berlin sprach über bakteriologische Forschung. Es gilt als vollständig erwiesen, daß die Bakterien ebenso wie die höhern pflanzlichen Organismen feste, mitunter allerdings schwierig abzugrenzende Arten bilden. Die ältesten medizinischen Schriftsteller beschreiben Aussatz und Lungenschwindsucht in ihren unverkennbaren Eigenschaften, und man kann daher annehmen, daß die pathogenen Bakterien eher die Neigung haben, ihre Eigenschaften innerhalb langer Zeiträume festzuhalten, als sie, wie mit Rücksicht auf den wandelbaren Charakter mancher epidemischer Krankheiten meist angenommen wird, schnell zu ändern.

Bei der Eigenart der Bakterien hat man aber zur Unterscheidung der Spezies möglichst viele Eigenschaften, auch wenn sie augenblicklich noch so unwesentlich erscheinen, und zwar morphologische wie biologische, sorgfältig zu sammeln und sich nicht auf ein einzelnes Kennzeichen zu verlassen, welches sich vielleicht als wandelbar erweist. Typhusbacillen in Mesenterialdrüsen, in Milz und Leber einer Typhusleiche lassen keine Zweifel aufkommen, sollen aber Bacillen im Boden, Wasser, Luftstaub mit Sicherheit als Typhusbacillen angesprochen werden, so vermag selbst der geübte Bakteriolog keine absolute Sicherheit

mehr zu geben, weil es an unverkennbaren konstanten Merkmalen fehlt. Ähnlich verhält es sich mit Diphtheritisbakterien,

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während Tuberkelbacillen und Cholerabakterien unverkennbare Merkmale darbieten. Und doch gelangte Koch zu dem Ergebnis, daß die Bacillen der Hühnertuberkulose eine besondere, wenn auch den echten Tuberkelbacillen sehr nahe stehende Art repräsentieren.

Die Frage, ob diese Bacillen auch für den Menschen pathogen sind, wird sich nur durch lange Beobachtungen unter Anwendung des Kulturverfahrens entscheiden lassen.

Der Gedanke, daß Mikroorganismen die Ursache der Infektionskrankheiten sein müßten, ist schon sehr frühzeitig

ausgesprochen, aber doch erst in neuester Zeit bewiesen worden und zwar 1) durch den Nachweis, daß der Parasit stets bei der betreffenden Krankheit anzutreffen ist und zwar unter Verhältnissen, welche den pathologischen Veränderungen und dem klinischen Verlauf der Krankheit entsprechen, 2) durch den Nachweis, daß der Mikroorganismus bei keiner andern Krankheit als zufälliger Parasit vorkommt, und 3) durch die Möglichkeit, die betreffende Krankheit mittels Reinkulturen des Pilzes zu erzeugen.

Die Erfahrungen, die man in dieser Weise sammelte, gaben nun auch die Sicherheit, daß gewisse Bakterien, bei welchen der dritte Nachweis versagt, doch als pathogen betrachtet werden können, wenn sie bei einer bestimmten Krankheit stets und ausschließlich vorkommen und sich durchaus wie die bereits sicher als pathogen erkannten Bakterien verhalten. Man hat ferner richtige Vorstellungen darüber gewonnen, ob die pathogenen Bakterien als ausschließliche oder nur gelegentliche Parasiten leben und wie sie sich in Wasser, Boden, Luft verhalten.

Dies gibt Anhaltepunkte für die Prophylaxe, zumal auch für einige pathogene Bakterien ermittelt werden konnte, wie sie in den Körper eindringen. Durch genauere Erforschung des Verhaltens der pathogenen Bakterien im Körper werden manche pathologische Vorgänge verständlicher, so namentlich das häufige Vorkommen von Kombination mehrerer Infektionskrankheiten, von denen dann die eine als die primäre, die andre als die sekundäre zu betrachten ist. Letztere gibt der eigentlichen Krankheit einen abweichenden, besonders schweren Charakter oder schließt sich als Nachkrankheit an dieselbe an. Der Redner gedachte ferner der

Stoffwechselprodukte der pathogenen Bakterien, welche auf die Symptome der Infektionskrankheit von Einfluß sind, vielleicht sogar die wichtigsten derselben bedingen.

Die Erforschung der biologischen Verhältnisse der Bakterien hat viele Thatsachen geliefert, welche sich prophylaktisch verwerten lassen. Es war bekannt, daß direktes Sonnenlicht Bakterien ziemlich schnell tötet, es hat sich aber gezeigt, daß auch zerstreutes Tageslicht, wenngleich langsamer, Tuberkelbacillen tötete. Dicht am Fenster aufgestellte Kulturen starben in 5-7 Tagen ab. Alle Bakterien können nur im feuchten Zustand, niemals in der Luft sich vermehren, sie können nie von feuchten Flächen aus eignem Antrieb in die Luft übergehen, und nur diejenigen Bakterien können durch Luftströmungen verschleppt werden, welche im getrockneten Zustand längere Zeit lebensfähig bleiben.

Neueste Färbungsmethoden geben weitern Aufschluß über den Bau der Bakterien, indem sie gestatten, einen Kern, die äußere Plasmahülle und die Geißeln besser zu unterscheiden. Ist es bisher nicht gelungen, die Erreger einer großen Anzahl der

ausgesprochensten Infektionskrankheiten zu ermitteln, so beruht dies vielleicht darauf, daß es sich hier gar nicht um Bakterien, sondern vielleicht um Protozoen handelt, wie ja derartige Gebilde bei Malaria nachgewiesen worden sind. An praktischen Erfolgen der Bakteriologie ist die gewonnene Sicherheit der Desinfektion und die Kontrolle der Wasserfiltration zu nennen, ferner die Erkenntnis der Beschaffenheit des Grundwassers, der Kanalgase, der Nachweis pathogener Bakterien im Boden, im Staube, in Nahrungsmitteln, die Sicherheit der Diagnose in vereinzelten Fällen von Cholera und bei beginnender Tuberkulose.

Direkt wirkende therapeutische Mittel hat die Bakteriologie bisher nur für Schutzimpfungen gegen einzelne Krankheiten geliefert.

Für Infektionskrankheiten mit kurzer Inkubation und schnellem Verlauf dürfte auch wenig zu erwarten sein, wohl aber darf man für chronische Krankheiten noch viel von der Bakteriologie erwarten. Seit der Entdeckung der Tuberkelbacillen hat Koch nach Mitteln gegen die Tuberkulose gesucht, und zwar in der Art, daß er zunächst auf die Bacillen in Kulturen einzuwirken versuchte und dann zu Tierexperimenten überging.

Sehr viele Substanzen halten das Wachstum, die Vermehrung der Bakterien in Kulturen auf, Cyangoldverbindungen schon in einer Verdünnung von 1:2,000,000, aber bei tuberkulösen Tieren blieben alle diese Substanzen wirkungslos. Erst bei weitern Experimenten gelang es, Substanzen zu finden, welche auch im Tierkörper das Wachstum der Bakterien aufhalten. Bei tuberkulösen Meerschweinchen konnte der Prozeß zum Stillstand gebracht werden, und mit der Substanz geimpfte Meerschweinchen reagierten nicht mehr auf eine Impfung mit Tuberkelbacillen. Der Redner bezeichnete seine Untersuchungen als noch nicht abgeschlossen, wollte aber schon jetzt eine Anregung zu weitern Forschungen in dieser Richtung geben (vgl. Tuberkulose).

In der zweiten Sitzung, am 6. Aug., sprach Bouchard - Paris über den Mechanismus der Infektion und der Immunität. Die Verteidigungsmittel des Körpers gegen die Angriffe der Bakterien sind die Phagocyten. Solange das vasomotorische Zentrum intakt ist, erweitern sich die Gefäße, die Phagocyten wandern aus und vernichten die auf der Oberfläche der Schleimhäute und der serösen

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Häute befindlichen Mikroben. Überwiegen die Bakterien, so wird das vasomotorische Zentrum durch das Eindringen der Bakterien in die Blutbahn gelähmt, und hierauf beruht der Zusammenhang zwischen Erkältung und Ansteckung, indem die Kälte die Gefäße zusammenzieht und das Austreten der Phagocyten hindert.

Ein zweites Verteidigungsmittel ist der antibakterielle Zustand der Säfte, welcher erst eintritt, wenn die Bakterien ins Blut

eingedrungen sind. Sie selbst erzeugen dann eigentümliche Substanzen, und das Blut und die Gewebssäfte wirken nun antibakteriell, halten die Vermehrung der Bakterien auf oder töten sie. Ist ein pathogenes Bakterium dank einer nervösen Störung ins Blut gelangt, dann trifft es entweder auf baktericide Säfte und geht zu Grunde, oder es findet günstige Bedingungen und vermehrt sich.

Solange sich die Thätigkeit der Bakterien auf eine bestimmte Stelle beschränkt, ist von den Phagocyten Hilfe zu erwarten. Sind aber erst die giftigen Stoffwechselprodukte der Bakterien in hinreichender Menge ins Blut gelangt, dann sind die Phagocyten machtlos, und der Organismus ist auf das Eintreten des baktericiden Zustandes angewiesen. Tritt dieser ein, so hebt er auch die Lähmung des vasomotorischen Zentrums auf, der Phagocytismus greift wieder ein, und es erfolgt Heilung. Dabei bleibt aber der baktericide Zustand der Säfte bestehen, der Organismus

mehr ist immun. Experimente beweisen, daß diese Immunität keineswegs auf besonderer Lebenstüchtigkeit (Energie) der Leukocyten beruht, welche sie im ersten Kampfe gegen den Krankheitsträger erworben haben, ebenso wenig auf einer Gewöhnung an das bakterielle Gift, vielmehr wird die Immunität herbeigeführt durch bestimmte Materien, welche die Bakterien selbst produzieren und welche die Säfte des Körpers auf eine mehr oder weniger dauerhafte Weise modifizieren.

Diese Theorie der erworbenen Immunität ist nicht anwendbar auf die Theorie der natürlichen Immunität, denn sonderbarerweise fehlt der baktericide Zustand bei den Tierarten, welche eine natürliche Immunität besitzen, und umgekehrt besitzen Tiere, deren Säfte sich als baktericid erweisen, doch Empfänglichkeit für das Gift. Bei einem Tiere von natürlicher Immunität ruft dasselbe ganz ebenso wie bei dem vaccinierten den Phagocytismus hervor; aber dies ist nicht der Fall, weil es sich abschwächt wie im Körper des

vaccinierten Tieres, sondern weil das Nervensystem eines solchen von Natur aus immunen Tieres weniger reizbar ist als das eines nicht immunen Tieres gegenüber demjenigen bakteriellen Sekret, welches das Austreten der Phagocyten verhindert. Aber auch bei einem solchen Tiere kann man die Infektion hervorrufen, wenn man nur eine genügend große Dosis der bakteriellen Produkte einspritzt, ein Beweis, daß die natürliche Immunität nicht etwas Spezifisches darstellt, sondern von dem gewöhnlichen Verhalten nur graduell verschieden ist.

Den zweiten Vortrag hielt Key (Stockholm) über die Pubertätsentwickelung und das Verhältnis derselben zu den

Krankheitserscheinungen der Schuljugend. Nach den Untersuchungen in Dänemark und Schweden beobachtet man bei Knaben ziemlich starke Zunahme nach Länge und Gewicht im 7. und 8. Lebensjahr, eine schwächere vom 9.-14. und eine bedeutend schnellere bis zum vollendeten 17. Jahre. Sie ist am stärksten im 15., am schwächsten im 10. Jahre. Die Zunahme bezieht sich zunächst auf die Länge, das Gewicht nimmt später zu, am stärksten im 16. Jahre.

Die Gewichtszunahme dauert fort bis zum 19. Jahre, wo dann die körperliche Entwickelung des Jünglings abgeschlossen erscheint. Bei den Mädchen sinkt das Wachstum nach dem 8. Jahre nicht so stark wie bei den Knaben, und schon im 12. Jahre ist wieder eine starke Steigerung des Längenwachstums vorhanden. Die Gewichtszunahme folgt der Längenzunahme, überholt sie aber schon im 14. Jahre. Im 17. und 18. Jahre ist die Längenzunahme nur noch schwach, die Gewichtssteigerung aber sinkt erst im 20.

Jahre auf Null.

Bis zum 11. Jahre ist der Knabe im Gesamtwachstum dem Mädchen überlegen, von da ab bis zum 16. wird er von diesem überholt, dann wiederum übertrifft sein Wachstum das des Mädchens. Bei ärmern Kindern sind Länge und Gewicht geringer als bei Kindern der Wohlhabenden. Das starke Wachstum tritt auch bei erstern später ein als bei letztern, vollzieht sich aber um so schneller, so daß das Ende der Entwickelung gleichzeitig erreicht wird. Nur wenn die hindernden Verhältnisse zu stark sind und zu lange andauern, bleibt das arme Kind überhaupt zurück.

Malling-Hansen fand, daß von November, bez. Dezember bis März-April nur schwaches Längen- und noch schwächeres Gewichtswachstum stattfindet. Von März-April bis Juli-August folgt starkes Längenwachstum, während das Gewicht zurückgeht, oft um ebensoviel, wie es in der vorhergehenden Periode zugenommen hatte. Endlich folgt von August bis November bei nur noch geringer Längenzunahme starke Zunahme des Gewichts. Die tägliche Gewichtszunahme ist oft dreimal so groß als während der Wintermonate. Es wiederholt sich also jährlich die für die Pubertätsentwickelung gefundene Regel. Es wird eingehender

Untersuchungen bedürfen, um zu entscheiden, ob diese thatsächlichen Verhältnisse unmittelbar physiologisch begründet oder ob sie nur die Frucht äußerer Verhältnisse sind.

Einen Beitrag zur Beantwortung der Frage liefert die Untersuchung der Schulkinder. Von 15,000 Knaben der Mittelschulen

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Schwedens war mehr als ein Drittel krank oder mit chronischen Leiden behaftet. An habituellem Kopfweh litten 13,5, an Bleichsucht 13 Proz. In den ersten und in den letzten Schuljahren liegt die Sache am schlimmsten. In den Vorbereitungsschulen sind von den Knaben der untersten Klasse 17, der zweiten Klasse 37, der obersten (4.) Klasse 40 Proz. krank. Da die Anforderungen der Schule regelmäßig steigen, die mittlern Klassen der Mittelschulen aber weniger ungünstig gestellt sind, so kann der Fehler nicht wohl in der Organisation der Schule liegen. Es ist eben das Wachstumsverhältnis, welches sich hier geltend macht.

In der Zeit des verzögerten Wachstums ist die Krankheitsziffer am größten, in der Zeit stärkster Zunahme des Wachstums ist sie am kleinsten, und unmittelbar nach Schluß der Pubertätsentwickelung, wenn die jährliche Längen- und Gewichtszunahme sich schnell vermindert, steigt die Krankheitsziffer wieder. Für die Jünglinge ist das 17. Jahr das gesündeste, widerstandsfähigste, vom 18.

an verschlechtert sich der Gesundheitszustand wieder. Unter 3000 Schulmädchen zeigte sich die Kränklichkeit erschreckend groß, 61 Proz. derselben sind krank oder mit ernstern chronischen Leiden behaftet. 36 Proz. leiden an Bleichsucht, ebenso viele an habituellem Kopfweh, mindestens 10 Proz. an Rückgratsverkrümmungen. Im 13. Lebensjahr steigt die Krankheitsziffer auf 65 Proz., dann sinkt sie etwas, um später auf 68 Proz. zu steigen. In Dänemark sieht es besser aus, doch beträgt auch hier die Krankheitsziffer 49 Proz. Die weitere Klärung dieser Verhältnisse erwartet Redner durch gleichartige internationale Untersuchungen. Er bespricht dann noch die Anforderungen der Schule und kommt zu dem Resultat, daß namentlich die Periode der schwächsten Entwickelung der größten Schonung bedarf.

In der dritten Sitzung, am 9. Aug., sprach Wood (Philadelphia) über Anästhesie. Von allen anästhetischen Mitteln erscheint das Lachgas am ungefährlichsten. 750,000 Narkosen gaben in den Vereinigten Staaten nur 3 oder 4 Todesfälle. Gefährlicher ist die Äther- und namentlich die Chloroformnarkose. Es ist unrichtig, daß die Gefahren der Chloroformbetäubung nur bei Behinderung der Atmung auftreten und mithin zu vermeiden seien. Bei großen Dosen (z. B. bei Einspritzung ins Blut) tritt der Tod stets durch direkte Einwirkung auf das Herz ein, ebenso wenn schnell und mit konzentrierten Dämpfen chloroformiert wird.

Oft sistieren Atmung und Herzthätigkeit zu gleicher Zeit, zuweilen wurde beobachtet, daß die Atmung noch eine Zeitlang fortdauerte, während der Puls nicht mehr zu fühlen war; in der Regel stockt aber die Atmung zuerst. Für die Thatsache, daß in verschiedenen Ländern die klinischen Erfahrungen und die Resultate der Tierversuche mit Chloroform so sehr verschieden sind, daß namentlich in den Tropen die lähmende Wirkung auf das Herz nicht beobachtet wird, sind zwei Erklärungen möglich: entweder besitzen Menschen und Versuchstiere in

mehr den Tropen Eigenschaften, welche eine größere Widerstandskraft des Herzens bedingen, oder die Gefahr ist in den Tropen deshalb geringer, weil bei der höhern Temperatur das Chloroform schneller wieder ausgeschieden wird. Von den gebräuchlichen Wiederbelebungsmitteln sind Ätherinjektionen, Elektrizität, Kaffein, Atropin ohne Wirkung, Alkohol ist direkt schädlich. Von Nutzen dagegen ist Digitalis und besonders Strychnin, letzters weil es geradezu als Herztonikum wirkt.

Von großer Wichtigkeit ist ferner die Lage des Kranken. Wird der Kopf desselben gehoben, so sinkt der Druck im arteriellen Gefäßsystem, steigt also die Gefahr. Günstig wirkt Druck auf die rechte Herzgegend. Die forcierte künstliche Atmung (Einführung eines Kautschukrohrs in die Luftröhre und Benutzung eines Blasebalgs mit Hahnregulierung) mit rhythmischen Kompressionen der Brust ist das mächtigste Wiederbelebungsmittel. Für die Äthernarkose zeigte Redner einen in Amerika viel benutzten Apparat, welcher genaue Dosierung und Sicherung der Konzentration gestattet.

Cantani (Neapel) sprach über Antipyrese. Er definiert das Fieber als Beschleunigung des Stoffwechsels mit Steigerung der Gewebsverbrennung und hiermit auch der Wärmeerzeugung. Nicht alle Fieber nehmen auf gleiche Art und in gleichem Maße das Brennmaterial des Körpers in Anspruch, und darin liegt die Erklärung, daß die Folgen des Fieberprozesses bei den verschiedenen Krankheiten so verschieden sind. Jedenfalls ist es Aufgabe der Therapie, den Stoffverbrauch zu vermindern, und deshalb trachtet man danach, das Fieber herabzusetzen oder zu unterdrücken.

Die Entziehung von Wärme ist nur ein symptomatisches Verfahren, welches gegen die gesteigerte Verbrennung von Körperbestandteilen nichts vermag. Die Antipyretika dagegen wirken der vermehrten Wärmebildung entgegen, vermindern den fieberhaften Stoffverbrauch. Es fragt sich aber, ob die Antipyretika, auf diese Weise wirkend, nützlich für den fiebernden Kranken sind. Die Krankheit ist der Ausdruck des notwendigen Kampfes des Organismus gegen den Krankheitserreger.

Wie nun die Entzündung die lokale Reaktion des angegriffenen Gewebes gegen den auf die Lokalität einwirkenden

Krankheitserreger darstellt, so ist das Fieber die allgemeine Reaktion des Gesamtkörpers gegen die von dem Krankheitserreger im ganzen Stoffwechsel bewirkten Veränderungen. Diese Reaktion ist Bedingung der Genesung. Ein günstiger Einfluß des

Fieberprozesses auf die Infektionswirkung kann auf dreifache Weise zum Ausdruck kommen:

1) indem es die Lebensthätigkeit, die Vermehrung und auch die Virulenz der lebenden Krankheitserreger im Körper durch die

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erhöhte Temperatur beeinträchtigt, 2) indem es die Widerstandsfähigkeit der Gewebselemente und ihre phagocytäre Bedeutung erhöht, 3) indem es den Nährboden in den Geweben durch die Modifikationen des fieberhaften Stoffumsatzes für die lebenden Krankheitserreger ungünstig gestaltet. Das Fieber kann also nützlich sein, wenn der Stoffumsatz nicht bis zur Erschöpfung gesteigert wird, und daß das Fieber wirklich nicht die Hauptgefahr der Krankheit bedingt, erhellt auch aus der täglichen praktischen Erfahrung.

Es sind eben die akuten fieberhaften Krankheiten, welche im allgemeinen einer spontanen Heilung fähig sind, während die fieberlosen chronischen Krankheiten sehr schwer oder gar nicht heilen und die fieberlosen, mehr oder weniger akuten eine sehr große Mortalität geben.

Deshalb sollte man abstehen von der Ausbildung einer Fiebertherapie und nach Mitteln suchen, welche das Fieber dem Kranken entbehrlich machen, indem sie den Fiebererreger vernichten oder doch abschwächen. In dieser Art wirkt das Chinin bei Malaria, welches direkt die Ursache der Malaria angreift. Alle andern Fiebermittel setzen neben gesteigerter Wärmeabgabe die

Wärmeerzeugung herab. Da nun aber die verschiedenen pathogenen Bakterien den verschiedenen bakterientötenden Mitteln gegenüber sich sehr verschieden verhalten, so kann es kein allgemeines Fiebermittel geben. Es wird vielmehr Aufgabe der Wissenschaft sein, für jede Bakterienart ein Spezifikum zu suchen.

Neben seiner Heilwirkung kann hohes Fieber auch schädlich wirken, die hohe Temperatur beeinträchtigt die Herzkraft, bedroht die Nervenzentren, und man ist deshalb gezwungen, dieselbe herabzusetzen. Dies geschieht aber am besten durch

Wärmeentziehung, also ohne die Mehrbildung von Reaktionswärme zu vermindern. Hierzu eignen sich kalte Vollbäder, kalte Einwickelungen, Übergießungen etc., dann reichliches Trinken von kaltem Wasser und die Enteroklyse. Die Wärmeerzeugung wird durch diese Methode der Wärmeentziehung noch gesteigert, und somit tritt der fundamentale Unterschied gegenüber den

chemischen Antipyreticis mit ihrer Herabsetzung der Wärmebildung klar hervor.

Meynert (Wien) sprach über das Zusammenwirken der Gehirnteile. Das Gehirn ist nicht wie das Gerippe aus gleichartigen Einzelteilen für eine Mechanik zusammengesetzt, sondern aus sehr ungleichartigen Formen, nur im Feinsten bestehen sie alle aus gleichartigen Teilen; es ist keineswegs, wie das allgemein geschieht, im Verein mit dem Nervensystem einem elektrischen Apparat zu vergleichen. Seine graue und weiße Substanz kann nur mit einer sozialen Gruppierung lebender beseelter Wesen

zusammengehalten werden.

Das Gehirn ist in den Halbkugeln einer Kolonie durch Fühlfäden und Fangarme sich des Weltbildes bemächtigender, lebender, bewußtseinsfähiger Wesen vergleichbar, und dies ist mehr als ein bloßer Vergleich. Nur das Bewußtsein der Hirnrinde fällt beim Menschen in die Aufmerksamkeit, und durch die allseitig protoplasmatischen und markhaltigen Verbindungen der Elementarwesen der Rinde, durch ihre Associationsvorgänge erscheint sie sich als ein einziges Wesen.

Seinen geistvollen Vortrag schließt Meynert mit folgenden Worten: »Da wir von der Annahme spezifischer Energien der Gehirne ablassen mußten, da wir nur eine angeborne Anatomie und einen angebornen Chemismus übrigbehalten, aber kein angebornes Wissen von der Erscheinungswelt, so fällt ein Anhaltspunkt für die Deszendenzlehre, ein solches angebornes Wissen zuzulassen, der Annahme irgend welcher angeborner Hirnfunktionen oder angeborner Gedanken Spielraum zu geben. Licht und Schall sowie das Raumbild sind Gegenstände des Erlernens. Es gibt keine Instinkte, keine Triebe, kein Bewegen, welchen ein noch unerlebtes Ziel im Bewußtsein zu Grunde läge. Schon Ehrenberg hat für die einfachsten Wesen der Tierwelt den Instinkt abgelehnt und in ihnen Äußerungen eines Bewußtseins gesehen, das solidarisch ist bis aufwärts zum Menschen. Die Orientierung des Insekts über den Ort, wo es sein Ei absetzt, ist nicht angeboren sondern den Erfahrungen entnommen, welche die Larve gemacht hat, deren Nervensystem dazu schon genug entwickelt, nicht die Umbildungen mehr durchmacht wie der übrige Leib, und deren Bewußtsein in das Bewußtsein des fertigen Insekts sich fortsetzt. Auch für das Erlernen der Arbeit bei

mehr Bienen und Ameisen lassen sich Belege geben. Die genetische, zu höhern Formen gelangende Umbildung der Organismen ist außer durch Zuchtwahl nur durch die Entwickelungsfähigkeit der organischen Keimanlage zu erklären. Wenn diese den einzelligen Organismus in einen mehrzelligen verwandeln konnte, so war jede weitere Stufe der Organisation gleichfalls durch sie erreichbar. Wir müssen dem Keime eine über alle unsre Einsicht und Ausdrucksfähigkeit hinausreichende Verwickeltheit zuschreiben, was seinen latenten anatomischen und chemischen Inhalt betrifft. Ein Wissen von der Außenwelt aber und Motive der Bewegungen, welche nur durch die äußern Reize reflektorisch angesponnen werden, kann er so wenig einschließen wie der Magnet auf andre Körper als auf Eisen einzuwirken vermag. So wenig in dem Rohmaterial zu einer Maschine etwas von deren Leistung gelegen ist, welche erst mit ihrer kunstvollen Vollendung und ihrer Beheizung hervortritt, so wenig sind im Keime der vielzelligen Tierkörper und auch in dem bezüglich des Zusammenwirkens seiner Teile einen verständlichen Mechanismus darstellenden Gehirn schon Funktionen wirksam, welche der Vollendung der Mechanismen und ihrer Auslösung durch Kraftübertragung von außen bedürfen.« Den letzten Vortrag hielt

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Stokvis (Amsterdam) über Kolonialpathologie. Das Wesentliche seines Vortrags s. Akklimatisation.

Ende Medizinischer Kongreß, internationaler

Quelle: Meyers Konversations-Lexikon, 1888; Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892;18. Band: Jahres-Supplement 1890-1891, Seite 607 [Suche = 18.623] im Internet seit 2005; Text geprüft am 6.4.2009; publiziert von Peter Hug; Abruf am 21.12.2021 mit URL:

Weiter: https://peter-hug.ch/18_0624?Typ=PDF

Ende eLexikon.

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