• Keine Ergebnisse gefunden

Wie wirkt Rauchen auf den Gehirnmetabolismus? Eine Untersuchung zum Zusammenspiel von Nikotin, GABA und Geschlecht

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Wie wirkt Rauchen auf den Gehirnmetabolismus? Eine Untersuchung zum Zusammenspiel von Nikotin, GABA und Geschlecht"

Copied!
75
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Frauke Schwärzel

Wie wirkt Rauchen auf den Gehirnmetabolismus?

Eine Untersuchung zum Zusammenspiel von Nikotin, GABA und Geschlecht mit Protonen-Magnetresonanz-Spektroskopie.

Masterarbeit wissenschaftliche Arbeit

zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science

1. Gutachter: Univ.-Prof. DI Dr. Veronika Schöpf

2. Gutachter: Univ.-Prof. Dipl.-Psych. Dr. Anja Ischebeck Ko-Betreuerin Deepika Bagga, Ph.D.

vorgelegt von: Frauke Schwärzel vorgelegt am: 09.05.2018

(2)

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis ... 4

Zusammenfassung ... 6

Abstract ... 7

1. Einleitung ... 8

2. Wirkung Nikotins auf das Gehirn ... 11

3. Rauchen und Kognition ... 19

4. Rauchen und psychiatrische Erkrankungen ... 27

5. Rauchen und Geschlecht ... 28

6. Behandlung ... 32

7. Methode ... 35

7.1. Stichprobe ... 35

7.2. Ablauf ... 35

7.3. Statistische Analyse ... 45

8. Ergebnisse ... 45

9. Diskussion ... 49

9.1. Limitationen ... 55

10. Literaturverzeichnis ... 59

11. Anhang ... 74

(3)

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1. DSM-5 Kriterien der Nikotinabhängigkeit. ... 9

Abbildung 2. Schema der MEGA-PRESS-Sequenz ... 38

Abbildung 3. Voxelplatzierung im IFG für die 1H MRS ... 40

Abbildung 4. Modellierung des GABA+-Signals mit GannetFit ... 41

Abbildung 5. GABA+-Konzentration in Institutional Units für die Faktoren Raucherstatus und Geschlecht ... 46

Abbildung 6. NichtraucherInnen und RaucherInnen unterscheiden sich in Sensation Seeking ... 47

Abbildung 7. Kein Unterschied zwischen Männern und Frauen im BIS ... 48

Abbildung 8. Korrelation zwischen GABA+-Werten und Sensation-Seeking-Werten... 49

(4)

Abkürzungsverzeichnis

AC Anger control

AI Anger-in

AO Anger-out

AUDIT-C Alcohol Use Disorders Identification Test

BART Balloon Analogue Risk Task

BDI Becks Depressions-Inventar

BIS Barrett Impulsivity Scale

BS Boredom Susceptibility

DA Dopamin

DIS Disinhibition

DSM Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen

ES Experience Seeking

fMRT funktionelle Magnetresonanztomographie

FTNA Fagerström Test für Nikotinabhängigkeit

GABA γ-Aminobuttersäure

Glu Glutamat

Glx Glutamin plus Glutamat

1H MRS Protonen-Magnetresonanzspektroskopie

IFG inferiorer frontaler Gyrus

MRT Magnetresonanztomographie

NAc Nucleus Accumbens

nAChRs nikotinerge Acetylcholinrezeptoren

PFC präfrontaler Kortex

PET Positronen-Emissionstomographie

ppm parts per million

PRESS point-resolved Spektroskopie

(5)

SSS Sensation Seeking Scale

SSRT Stop-Signal Reaktionszeit

SST Stop-Signal Task

STAXI State-Trait-Ärgerausdrucks-Inventar

TA Trait Anger

TAS Thrill and Adventure Seeking

VTA ventrales Tegmentum

(6)

Zusammenfassung

Tierstudien zeigen, dass γ-Aminobuttersäure (GABA) eine entscheidende Rolle für die

belohnende Wirkung Nikotins und die Entstehung von Nikotinabhängigkeit spielt (D’Souza &

Markou, 2013). Demgegenüber sind die Auswirkungen chronischen Rauchens auf die GABA- Konzentration im Gehirn von Menschen unzureichend erforscht. Ein erweitertes Verständnis darüber, wie GABA im Belohnungssystem durch Nikotinkonsum beeinflusst wird, könnte Ansatzpunkte für effektivere Interventionen bieten. Diese Studie untersuchte, wie sich Nikotinabhängigkeit auf die GABA-Konzentration im präfrontalen Kortex auswirkt und inwieweit das Geschlecht eine Rolle spielt. Hierfür wurde eine studentische Stichprobe (N = 59, MAlter = 24.92 ± 3.35) mit 30 NichtraucherInnen (15 Frauen) und 29 RaucherInnen (15 Frauen) rekrutiert. GABA-Level des inferioren frontalen Gyrus wurden mit Protonen- Magnetresonanz-Spektroskopie untersucht. Die Daten wurden mit einer zweifaktoriellen Varianzanalyse auf Unterschiede geprüft. RaucherInnen wiesen signifikant höhere GABA+- Konzentrationen auf als NichtraucherInnen. Männer zeigten signifikant höhere GABA+- Konzentrationen als Frauen. Eine Interaktion der beiden Faktoren konnte nicht bestätigt werden. Diese Ergebnisse verdeutlichen den Einfluss von Nikotinabhängigkeit und des Geschlechts auf die GABA-Konzentration.

(7)

Abstract

γ-Aminobuttersäure (GABA) plays a crucial role in the rewarding effects of nicotine and the development of nicotine dependence as documented by animal studies.However, knowledge about the chronic effects of smoking on GABA concentrations in humans is limited. Gaining greater insight into the involvement of GABA in nicotine addiction could give rise to new treatment approaches. The present study investigated the effect of smoking on the prefrontal cortex whilst taking gender into account. A student sample (N = 59, MAge = 24.92 ± 3.35) consisting of 30 non-smokers (15 females) and 29 smokers (15 females) was recruited. GABA concentrations in the frontal inferior gyrus were acquired with proton magnetic resonance spectroscopy. A two-way ANOVA was subsequently performed with the factors smoking status and gender. GABA+ concentrations were significantly higher in smokers compared to non-smokers. Men showed significantly higher GABA+ values than women. No interaction of the two factors was found. These results underpin the influence of nicotine addiction and gender on GABA concentrations.

Keywords: smoking, GABA, gender, MRS, impulsivity

(8)

1United States Department of Health and Human Services, 2004, https://www.surgeongeneral.gov/library/reports/index.html.

2European Union, 2017,

http://filterlos.at/fileadmin/user_upload/Eurobarometer_458_en.compressed.pdf.

1. Einleitung

Über fünf Millionen Menschen sterben jährlich infolge von Nikotinkonsum, was Rauchen zu der vermeidbarsten Todesursache weltweit macht (Méndez, Alshanqeety, &

Warner, 2013). Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass aktives und passives Rauchen das Risiko für zahlreiche Krankheiten erhöhen, beispielsweise für kardiovaskuläre Erkrankungen oder Demenz, und somit auch das Mortalitätsrisiko1 (Barnoya & Glantz, 2005; Swan &

Lessov-Schlaggar, 2007). Damit ist Rauchen eine enorme Belastung des Gesundheitssystems – jährlich werden in Europa 98 bis 130 Billionen Euro in diesem Zusammenhang

aufgewendet (Pokhrel et al., 2014).

Wird das Rauchen aufgegeben, sinken Mortalitäts- und Morbiditätsraten, was ein dafür Grund ist, dass die meisten RaucherInnen den Wunsch haben aufzuhören2 (Agrawal, 2016;

Bolego, Poli, & Paoletti, 2002; Boyle et al., 2000). Dabei ist der populärste Ansatz, ohne pharmakologische oder therapeutische Hilfe das Rauchen aufzugeben2 (Morphett, Partridge, Gartner, Carter, & Hall, 2015). Diese Entwöhnungsstrategie geht mit einer hohen

Rückfallquote einher, sodass die meisten Personen, in deren Alltag Rauchen ein fester Bestandteil ist, mehrere Anläufe bis zur Abstinenz benötigen (Baillie, Mattick, & Hall, 1995;

Chaiton et al., 2016; Raupach, West, & Brown, 2013). Das Rauchverhalten wird von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst, wie dem momentanen Befinden, Umgebung,

sozioökonomischen Status, Genen, Alter oder dem Geschlecht (Benowitz, 2008; Bough et al., 2013; Hiroi & Agatsuma, 2005; Jha et al., 2006; Kandel & Chen, 2000; Sinha, 2001; Swan

& Lessov-Schlaggar, 2007).

Das Rauchen von Zigaretten kann stark suchterzeugend sein, insbesondere bei Personen, die sensibel für die verstärkende Wirkung Nikotins sind (z. B. Personen mit

(9)

psychiatrischen Erkrankungen) (Lopez-Quintero et al., 2011; Picciotto, 2003). Tabak enthält mehrere abhängigkeitserzeugende Stoffe, der Großteil der Forschung konzentriert sich jedoch auf den Stoff Nikotin, da ihm das größte Suchtpotential zugeschrieben wird (Bough et al., 2013; Pistillo, Clementi, Zoli, & Gotti, 2015). Das Suchtpotential des Nikotins rührt von den psychotropen Eigenschaften, Lernprozessen, gesellschaftlicher Akzeptanz und der hohen Selbstkontrolle über Zeitpunkt und Ausmaß an Wirkung her (Benowitz, 2008; Picciotto, 2003). Die psychotropen Eigenschaften von Nikotin umfassen Belohnungsgefühle, Stressreduktion, Anxiolyse, Entspannung, Stimmungsaufhellung, Appetitreduktion, gesteigerte kognitive Fähigkeiten und gesteigertes Arousal (Benowitz, 2008; Heishman, Kleykamp, & Singleton, 2010). Zudem wird Rauchen bisweilen zur Regulation von

Abbildung 1. DSM-5 Kriterien der Nikotinabhängigkeit. Nach DSM-5 wird eine Substanzgebrauchsstörung als dysfunktionales Verhaltensmuster definiert, welches zu klinisch relevanten Beeinträchtigungen oder Distress führt und mindestens zwei der aufgeführten Aspekte innerhalb von 12 Monaten aufweist. Aus Falkai, P., & Wittchen, H. U., (Eds.). (2015). Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM-5. Göttingen: Hogrefe.

1) Tabak wird häufig in größeren Mengen oder länger als beabsichtigt konsumiert.

2) Anhaltender Wunsch oder erfolglose Versuche, den Tabakkonsum zu verringern oder zu kontrollieren.

3) Hoher Zeitaufwand, um Tabak zu beschaffen oder zu konsumieren.

4) Craving oder starkes Verlangen, Tabak zu konsumieren.

5) Wiederholter Tabakkonsum, der zu einem Versagen bei der Erfüllung wichtiger Verpflichtungen bei der Arbeit, in der Schule oder zu Hause führt.

6) Fortgesetzter Tabakkonsum trotz ständiger oder wiederholter sozialer oder zwischenmenschlicher Probleme, die durch die Auswirkungen des Tabaks verursacht oder verstärkt werden.

7) Wichtige soziale, berufliche oder Freizeitaktivitäten werden aufgrund des Tabakkonsums aufgegeben oder eingeschränkt.

8) Wiederholter Tabakkonsum in Situationen, in denen der Konsum zu einer körperlichen Gefährdung führt.

9) Fortgesetzter Tabakkonsum trotz Kenntnis eines anhaltenden oder wiederkehrenden körperlichen oder psychischen Problems, das wahrscheinlich durch Tabak verursacht wurde oder verstärkt wird.

10) Toleranzentwicklung.

11) Entzugssymptome.

(10)

1United States Department of Health and Human Services, 2004, https://www.surgeongeneral.gov/library/reports/index.html.

Stimmung oder Gewicht genutzt (Audrain-McGovern & Benowitz, 2011; Benowitz, 2010).

Rauchen ist wie andere substanzgebundene Abhängigkeiten eine Störung mit chronischen Rückfällen, Kontrollverlust und zwanghafter Substanzeinnahme (siehe Abb. 1) (Leshner, 1997; Lubman, Yücel, & Pantelis, 2004).

Rauchen beeinflusst den Körper auf nahezu allen Ebenen, etwa werden Veränderungen des muskuloskelettalen, des pulmonalen, kardiovaskulären und endokrinen Systems berichtet1 (Lee, Patel, Biermann, & Dougherty, 2013; Tweed, Hsia, Lutfy, & Friedman, 2012). Zudem ist unbestritten, dass Zigarettenkonsum neurobiologische Änderungen im Gehirn und

kognitive Alterationen hervorruft. Rauchen steht beispielsweise im Zusammenhang mit einer Verringerung der kortikalen Dicke; dieser Effekt scheint sich mit längerfristiger Abstinenz wieder zurückzubilden (Karama et al., 2015; Li et al., 2015). Als akute Reaktion auf Nikotin kann beobachtet werden, dass es global zu einer Verringerung zerebraler Gehirnaktivität mit lokalen Steigerungen kommt, etwa im präfrontalen Kortex (PFC) und Thalamus (Swan

& Lessov-Schlaggar, 2007). Weiters gibt es Hinweise, dass Rauchen zu Änderungen der Metabolitenkonzentrationen führt, wie die Verstärkung der altersbedingten Absenkung von N- Acetylaspartat und Glutamat (Glu) im dorsolateralen präfrontalen Kortex (Durazzo et al., 2016; Durazzo, Meyerhoff, & Nixon, 2010). Sowohl die Studien von Durazzo et al. (2016) als auch von Karama et al. (2015) deuten darauf hin, dass chronischer Zigarettenkonsum

Alterungsprozesse des Gehirns beschleunigt, insbesondere in frontalen Arealen.

Jedoch bestehen weiterhin Unklarheiten darüber, wie genau Nikotin in den

Organismus eingreift (ein Überblick in Durazzo et al. (2010) und Pistillo et al. (2015)). Dies trifft besonders auf den menschlichen Organismus zu, da die meisten Erkenntnisse über die Wirkungsweise von Nikotin durch Tierstudien oder in vitro Experimente gewonnen wurden und deren Übertragbarkeit auf den Menschen häufig noch nachzuweisen bleibt (Durazzo et al., 2010; Pistillo et al., 2015).

(11)

Da bereits gezeigt werden konnte, dass Rauchen mit Veränderungen von bestimmten Metabolitenkonzentrationen assoziiert ist und der PFC eine entscheidende Rolle in

Suchtentstehung bzw. -aufrechterhaltung spielt, hat die vorliegende Studie zum Ziel zu untersuchen, inwieweit die GABA-Konzentration im inferioren präfrontalen Gyrus (IFG) durch Rauchen beeinflusst wird. Darüber hinaus wird der Einfluss des Geschlechts berücksichtigt.

Da die pharmakologische Wirkung Nikotins eine zentrale Komponente in der

Abhängigkeitsentstehung ist, wird zunächst ein Überblick über dieses Themengebiet gegeben (Benowitz, 2008). Weiters werden Erkenntnisse über die Interaktion zwischen Nikotin und Kognition sowie Nikotin und Geschlecht zusammengefasst. Derzeitige und mögliche zukünftige Behandlungsmöglichkeiten werden kurz besprochen.

2. Wirkung Nikotins auf das Gehirn

In Zigarettenrauch lassen sich mehr als 4000 unterschiedliche Stoffe nachweisen (Bough et al., 2013). Nikotin, eines der Hauptbestandteile des Zigarettenrauches, gelangt über die Lunge sowie Mundhöhle in den Blutkreislauf und ist in der Lage, binnen Sekunden die Blut-Hirn-Schranke zu passieren (Brown, 1992). Es ist wie viele andere Bestandteile des Zigarettenrauches neurotoxisch (Swan & Lessov-Schlaggar, 2007). Nikotin bindet an die im Gehirn häufig vorkommenden und weit verteilten nicotinergen Acetylcholin-Rezeptoren (nAChRs), wo es als Agonist wirkt (Benowitz, 2008; Mansvelder & McGehee, 2002).

nAChRs gehören zu der Familie der ligandengesteuerten Ionenkanäle (Li, Semenova, D'Souza, Stoker, & Markou, 2014). Ihre modulierenden Effekte auf das zentrale Nervensystem beinhalten die Veränderung von Membranpotentialen, Öffnung von

Ionenkanälen und Initiierung intrazellulärer mittel- bis langfristiger Prozesse (Dajas-Bailador

& Wonnacott, 2004). Normalerweise werden nAChRs vom Neurotransmitter Acetylcholin

(12)

besetzt und aktiviert (Markou, 2008). Dieser phylogenetisch alte Neurotransmitter ist in verschiedenste Prozesse involviert, wie zum Beispiel Schlaf, Arousal oder Belohnung (Gawel, Jenda, & Kotlińska, 2012; Wächtler, 1980). Viele nAChRs befinden sich an Präsynapsen und regulieren entscheidend die Ausschüttung von Neurotransmittern wie γ-Aminobuttersäure (GABA) (dos Santos Coura & Granon, 2012; Yang et al., 2011).

Wie von Gawel et al. (2012) beschrieben, ist das ventrale Tegmentum (VTA) der Ursprungsort des mesolimibischen Systems, welches in das ventrale Striatum, und damit in den Nucleus Accumbens (NAc), sowie in Teile des limbischen Systems zieht. Diese Bahnen sind entscheidend an der Umsetzung von Belohnungsreizen in Handlungsimpulse beteiligt.

Gemeinsam mit weiteren Arealen wie Nucleus Accumbens und präfrontalem Kortex (PFC) ist das VTA Teil des mesokortikolimbischen Belohnungssystems. Dieses untereinander

verschaltete System generiert motorische Impulse für motivationales Verhalten durch die Integration von Umgebungs- und Emotionsinformationen (Pistillo et al., 2015).

Nikotin regt via nAChRs unter anderem dopaminerge Neurone an, die vom VTA in den NAc und PFC ziehen (De Biasi & Dani, 2011; Kalivas & O'Brien, 2008). Insbesondere diese schnelle und starke Dopaminausschüttung im NAc ist mit der belohnenden Wirkung Nikotins und der Entstehung von Abhängigkeit assoziiert (De Biasi & Dani, 2011;

Mansvelder & McGehee, 2002; Volkow, Fowler, & Wang, 2004). Neben dieser direkten Stimulation von Dopamin(DA)-Neuronen, gibt es DA-Neurone im VTA, deren

Neurotransmitterausschüttung durch das Zusammenspiel von Glutamat und GABA bestimmt wird (Markou, 2008). Der Neurotransmitter Dopamin spielt eine hervorgehobene Rolle in der Entdeckung relevanter Reize, Antriebsregulation und der Vorhersage von

Belohnungsmomenten (Volkow et al., 2004). Ein Anstieg von Dopamin ist mit Annäherungsverhalten und Lernprozessen assoziiert, wohingegen dessen Inhibition Vermeidungsverhalten hervorruft (Kalivas & O'Brien, 2008). Nikotin erhöht die phasische

(13)

DA-Ausschüttung, welche wichtig für die Initiierung von Lernprozessen ist, bei gleichzeitiger Verringerung der tonischen (Volkow et al., 2004; Zhang & Sulzer, 2004). Mit langfristigem Konsum der Droge ist eine Absenkung des tonischen DA-Niveaus verbunden (Tan, Bishop, Lauzon, Sun, & Laviolette, 2009). Experimente über das Zusammenspiel von DA, GABA und Glu haben gezeigt, dass GABA-Agonisten die DA-Aktivität im VTA unterbinden und damit Vermeidungsverhalten induzieren können, wohingegen Glutamat die DA-Aktivität und in weiterer Folge Lernprozesse anregen kann (Markou, 2008; Tzschentke & Schmidt, 2003). Die Anstieg des phasischen DAs und Glutamats im VTA durch Nikotin werden als wichtige Mechanismen in der Entstehung von Nikotinabhängigkeit gesehen (Markou, 2008).

Gamma-Amino-Buttersäure ist der im Gehirn häufigste inhibitorische

Neurotransmitter – circa 30 bis 40 % der Synapsen nutzen diesen (dos Santos Coura

& Granon, 2012). Das GABAerge System umfasst Neurone, die GABA ausschütten und Rezeptoren, die GABA binden (Brickley & Mody, 2012). Vor allem Interneurone schütten GABA aus und regulieren die Aktivität lokaler neuronaler Netzwerke (Brambilla, Perez, Barale, Schettini, & Soares, 2003). GABA kann über synaptische Transmission phasisch inhibitorisch wirken oder tonische Inhibition über das Vorkommen von GABA-Rezeptoren im extrazellulären Raum ausüben (Brickley & Mody, 2012). GABA spielt für unterschiedlichste Funktionen eine Rolle, etwa Wachheit, Gedächtnis, Muskelspannung und vermutlich die Feinabstimmung von Verhalten (dos Santos Coura & Granon, 2012; Rudolph & Möhler, 2004). Dementsprechend wird eine Bandbreite an Störungen mit GABA in Verbindung gebracht, wie Epilepsie oder Abhängigkeiten (Brickley & Mody, 2012). Mit Hilfe von

Glutamat Decarboxylase wird GABA aus Glutamat (Glu) synthetisiert (Druga, 2009). Glu ist der häufigste exzitatorische Neurotransmitter im Gehirn und steht in enger Interaktion mit GABA (Pistillo et al., 2015).

(14)

Sowohl Glu als auch GABA werden via nAChRs durch Nikotinkonsum erhöht (Mansvelder, Keath, & McGehee, 2002). Glu regt die VTA DA-Neurone und damit DA- Ausschüttung an, wohingegen GABA hemmend wirkt (Mansvelder & McGehee, 2002).

Allerdings weisen die nAChRs, die die GABA-Ausschüttung mediieren, eine schnellere Desensibilisierung und längere Erholungszeit auf als diejenigen, die für Glutamat-

Ausschüttung zuständig sind (Mansvelder & McGehee, 2002). Daher hält die exzitatorische Wirkung des Nikotins länger an und es kommt zu einer Verschiebung der Neurone in

Richtung Aktivierung, beispielsweise der DA-Neurone im VTA oder Pyramidenzellen im Kortex (Mansvelder & McGehee, 2002; Pistillo et al., 2015). Desensibilisierung ist ein Mechanismus, der Zellen vor Überstimulation schützt und Rezeptoren unempfänglich für weitere Aktivierungen macht (Wang & Sun, 2005). Durch die schnelle Desensibilisierung der GABA-Rezeptoren kommt es nach der Nikotinaufnahme zu einer Reduktion des GABA- Niveaus und damit zu einer Reduktion der tonischen Inhibition an DA-Neuronen (Mansvelder et al., 2002; Yang et al., 2011). Das bedeutet, dass die Erhöhung des Dopaminspiegels und damit die belohnende Wirkung Nikotins teilweise durch eine Reduktion der GABA- Transmission zustande kommt (Picciotto, 2003). Da glutamaterge nAChRs eine kürzere Desensibilisierungs- und Erholungszeit aufweisen, kann es zu Langzeitpotenzierungen des exzitatorischen Einflusses Glutamats kommen (Mansvelder & McGehee, 2002; Pistillo et al., 2015). Durch die Langzeitpotenzierung wird das Belohnungssystem für längere Zeit angeregt (Mansvelder & McGehee, 2002). GABAerge Aktivität im VTA wird für circa eine Stunde nach dem Rauchen gedämpft (Mansvelder et al., 2002). Eine Positronen-Emissions- Tomographie(PET)-Studie von Brody et al. (2006) lässt darauf schließen, dass durch

gewöhnliche Nikotindosen nAChRs an GABA-Neuronen bei RaucherInnen fast vollständig desensibilisiert werden. Zudem sammelt sich durch mehrmaliges Rauchen über den Tag verteilt Nikotin im Gewebe an, wodurch die Desensibilisierung der nAChRs aufrechterhalten wird und möglicherweise Entzugssymptome vermieden werden (Benowitz, 2010; Brody et

(15)

al., 2006). Allerdings wurde in Studien, in denen Mäusen längerfristig Nikotin verabreicht wurde, berichtet, dass die GABAerge Feuerrate in den Arealen VTA, Striatum, Hippocampus und der Substantia Nigra anstieg (Miura, Ishii, Aosaki, & Sumikawa, 2006; Nashmi et al., 2007; Xiao et al., 2009). Für die Effekte chronischen Nikotinkonsums auf GABA-Level für verschiedene Gehirnbereiche besteht weiterhin Forschungsbedarf. Sicher ist jedoch, dass Nikotin lang anhaltende Veränderungen des Belohnungssystems verursacht (Mansvelder

& McGehee, 2002). Durch chronischen Nikotinkonsum steigt die Anzahl nAChRs, sinkt jedoch wieder, wenn der Konsum dauerhaft eingestellt wird (Jasinska, Zorick, Brody, & Stein, 2014; Staley et al., 2006). Ein Mechanismus hierfür ist, dass Nikotin nicht von

Acetylcholinesterase abgebaut werden kann, sodass es lange im synaptischen Spalt verweilt, nAChRs besetzt und desensibilisiert – es bilden sich neue nAChRs aus (De Biasi & Dani, 2011). Da die Hochregulierung der nAChRs reversibel ist, kann dies nicht Ursache für Rückfälle sein – möglicherweise tragen Änderungen im glutamtergen und GABAergen System zu einer erhöhten Vulnerabilität bei (Pistillo et al., 2015).

Die durch Nikotin hervorgerufene kurzfristige Erhöhung des GABA-Spiegels könnte mitverantwortlich sein für die von RaucherInnen berichteten anxiolytische und entspannende Wirkung Nikotins (Benowitz, 2008). Die darauffolgende Verringerung der GABA-

Transmission trägt sehr wahrscheinlich zu der belohnenden Wirkung Nikotins sowie der Motivation, die Droge wiederholt zu nehmen, bei (Markou, 2008; Tan et al., 2009).

Nikotin wirkt, neben dem VTA und NAc auf den PFC, allerdings ist bisher noch wenig bekannt über die genauen Wirkmechanismen (Poorthuis, Bloem, Verhoog, & Mansvelder, 2013). Neurone im PFC sind größtenteils glutamaterge Pyramidenzellen und zu einem geringen Teil inhibitorische GABA-Interneurone (ca. 20%) (Pistillo et al., 2015). GABA- Interneurone hemmen die Neurone, die für die derzeitige Aufgabe nicht benötigt werden, sodass ein Tuning von Neuronen stattfindet und Übererregung verhindert wird (dos Santos

(16)

Coura & Granon, 2012; Fujiwara, Zheng, Miyamoto, & Hoshino, 2011; Scimemi et al., 2006).

GABA-Interneurone wirken inhibitorisch auf die glutamatergen Pyramidenzellen des Kortex, indem durch GABA die Zellmembran der Pyramidenzelle hyperpolarisiert und

Aktionspotentiale unwahrscheinlicher werden (Druga, 2009). Auf diese Weise steuern Interneurone die Aktivität ganzer Neuronenverbände (dos Santos Coura & Granon, 2012).

Interneurone im PFC üben über gleichmäßig fast-spiking Aktionspotentiale eine tonische Inhibition auf Pyramidenzellen aus und werden häufig von DA-Neuronen des VTA innerviert (Pistillo et al., 2015). Fast-spiking-Interneurone werden wiederum von inhibitorischen

Interneuronen durch lange, irreguläre non-fast-spiking Aktionspotentiale kontrolliert (Druga, 2009). Die Ausschüttung von GABA hat also je nach Ort und Zelltyp unterschiedliche Wirkungen auf die neuronale Aktivität im PFC (Druga, 2009). nAChRs sind entscheidend in die Regulation der GABA-Ausschüttung und somit in die Funktionen des PFC involviert (dos Santos Coura & Granon, 2012). Mit steigendem Alter nimmt die intrakortikale Inhibition ab, was die Abnahme kognitiver Fähigkeiten miterklären könnte (Fujiwara et al., 2011; Gao et al., 2013). Gamma-Oszillationen sind elektrische Impulse mit einer Frequenz von 30-80 Hertz, die von Interneuronen produziert werden und auf bestimmte Verbände von Pyramidenzellen wirken (Whittington & Traub, 2003). Sie werden mit Informationsverarbeitungsprozessen und kognitiven Fähigkeiten in Verbindung gebracht (Yoon, Grandelis, & Maddock, 2016). Da angenommen wird, dass GABA und Glu wesentlich die Aktivität der Pyramidenzellen und die kortikale Erregbarkeit modulieren, sind sie vermutlich entscheidend an der Entstehung von Gamma-Oszillationen beteiligt (Bartos, Vida, & Jonas, 2007; Yoon et al., 2016). So hing in einer Pilot-Studie von Chen et al. (2014) die GABA-Konzentration im linken dorsolateralen präfrontalen Kortex positiv mit Gamma-Oszillationen und der Leistung in

Arbeitsgedächtnisaufgaben zusammen. Yoon et al. (2016) konnten nachweisen, dass die GABA-Konzentration im PFC ein Prädiktor für die Arbeitsgedächtnisleistung ist. Diese

(17)

Ergebnisse machen deutlich, dass inhibitorische GABA-Interneurone und deren

Funktionstüchtigkeit für normale kognitive Leistungen unerlässlich sind (Druga, 2009).

Wie Couey et al. (2007) in ihren Experimenten an Mäusen zeigen konnten, erhöht Nikotin kurzfristig sowohl Glu als auch GABA im PFC, ähnlich wie in subkortikalen Arealen.

Ebenso tritt eine Desensibilisierung der nAChRs durch Nikotin auf (Poorthuis et al., 2013).

Nikotin beeinflusst die Langzeitpotenzierung und damit die Verbindungsstärke zwischen Synapsen im PFC, indem es über präsynaptische nAChRs die Neurotransmitterausschüttung oder über postsynaptische nAChRs Kalziumkonzentrationen moduliert (Couey et al., 2007).

Ob Nikotin eine Langzeitpotenzierung oder -depression hervorruft, hängt von dem betroffenen Netzwerk ab (Couey et al., 2007; Poorthuis et al., 2013). Der Einfluss von GABA-Interneuronen ist dabei ein wichtiger Mechanismus, da selbige die Weiterleitung von Aktionspotentialen verhindern können. Bisher mangelt es an Studien, die die langfristigen Folgen Nikotinkonsums auf die GABA-Transmission im PFC untersuchen (Mansvelder, van Aerde, Couey, & Brussaard, 2006).

VTA, PFC und Nucleus Accumbens sind auf verschiedenen Wegen miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig (Carr & Sesack, 2000b; Russo & Nestler, 2013).

Beispielsweise ziehen Fasern vom PFC über GABA-Interneurone in den NAc und Fasern vom VTA aus via GABA-Neurone zum PFC (Carr & Sesack, 2000a, 2000b). VTA Glu- Neurone projizieren in den medialen PFC und Nucleus Accumbens und der PFC wiederum hat glutamaterge Verbindungen ins limbische System (Gorelova, Mulholland, Chandler, &

Seamans, 2011; Russo & Nestler, 2013; Yetnikoff, Lavezzi, Reichard, & Zahm, 2014). Das Belohnungssystem ist also ein komplexes, reziprok verschaltetes Netzwerk, in welchem unterschiedliche Neurotransmittersysteme interagieren.

Nikotin wirkt durch das große Vorkommen an nAChRs auf viele, teilweise antagonistische Systeme, wie durch die Erhöhung sowohl Glutamats als auch GABAs

(18)

deutlich wird (Picciotto, 2003). Vielschichtige Interaktionen mit anderen

Neurotransmittersystemen (z. B. endogenen Opioiden), Strukturen (z. B. Amygdala) und Second-Messenger-Prozessen erschweren es, alle Variablen in Untersuchungen zu kontrollieren und eindeutige Schlüsse zu ziehen (Brambilla et al., 2003; Tzschentke

& Schmidt, 2003). Dieser Komplexität sind vermutlich viele unterschiedliche Ergebnisse in psychologischen und behavioralen Reaktionen zwischen Studien geschuldet (Picciotto, 2003).

Zusammenfassend regt Nikotin über nAChRs Hirnstrukturen an, unter anderem Teile des Belohnungssystems, worüber die akute Wirkung Nikotins, überdauernde neuronale Adaptionen, Verhaltensänderung und schließlich Abhängigkeit mediiert werden (Mansvelder

& McGehee, 2002). Akut löst Nikotin einen Anstieg der GABA-Transmission aus, gefolgt von einer Reduktion durch die Desensibilisierung der nAChRs an GABA-Neuronen (Mansvelder & McGehee, 2002). Nach langfristigem Nikotinkonsum könnte durch die Hochregulierung von nAChRs eine gesteigerte GABA-Transmission auftreten (Tan et al., 2009) oder sich die GABAerge Transmission verringern, da durch die Ansammlung von Nikotin eine anhaltende Desensibilisierung hervorgerufen werden könnte (Pistillo et al., 2015). Veränderungen durch Nikotin können auf allen Ebenen des Gehirns nachgewiesen werden: funktionell, strukturell, neurochemisch, genetisch (Leshner, 1997). Durch

längerfristiges Rauchen wird eine neue Homöostase im Gehirn hergestellt, die an die

kontinuierliche Nikotinpräsenz angepasst ist und nach Möglichkeit aufrechterhalten wird (De Biasi & Dani, 2011). Mithilfe von Magnetresonanzspektroskopie können Veränderungen in Metabolitenkonzentrationen erfasst werden, welche ursächlich für manche der beobachteten Adaptionen sein könnten (Durazzo et al., 2016; Mullins et al., 2014). Dieses Verständnis könnte weiterführend für die Entwicklung neuer Therapieansätze genutzt werden (Puts &

Edden, 2012).

(19)

Wird mit dem Rauchen aufgehört oder die Nikotindosis gesenkt, kann es zu Entzugserscheinungen kommen, wie Shiffman, West, und Gilbert (2004) skizzieren.

Symptome treten zumeist nach ein bis zwei Tagen auf und halten etwa zwei bis vier Wochen an (Hughes, 2007). Entzugssymptome können auf affektiver, kognitiver, behavioraler oder physiologischer Ebene beobachtet werden und weisen eine hohe interindividuelle Variabilität in Dauer und Ausprägung auf (Hughes, 2007). Die Entzugssymptome beinhalten Reizbarkeit, depressive Verstimmung, Angstgefühle, Unruhe, Konzentrationsprobleme, starkes Verlangen (Craving) oder Gewichtszunahme und lösen bei den Betroffenen Distress und funktionale Einschränkungen aus (Benowitz, 2008; Hughes, 2007). Sie sind ein wichtiger Faktor, warum es RaucherInnen nicht gelingt, aufzuhören (Shiffman et al., 2004). Wie genau

Entzugssymptome entstehen, ist bisher noch nicht vollständig verstanden (Li et al., 2014).

Vermutlich liegt in diesem Zustand sowohl eine verringerte Dopamin- als auch GABA- Transmission, welche durch den GABA-Agonisten Baclofen abgedämpft werden kann, als auch eine verringerte Glu-Transmission vor (Li et al., 2014; Varani, Moutinho, Calvo, &

Balerio, 2011). Diese für den Organismus ungewohnte Unteraktivierung könnte zu den berichteten Missempfindungen beitragen (Pistillo et al., 2015). Die Dysregulation des Belohnungssystems wird als ein wichtiger Faktor für Rückfälligkeit gesehen (Benowitz, 2008). Neben physiologischen Mechanismen tragen die gut gelernten Verknüpfungen zwischen Rauchen und bestimmten Situationen bzw. Stimuli zu Rückfällen bei (Benowitz, 2008).

3. Rauchen und Kognition Der PFC ein Integrationsareal, in welchem viele verschiedene

Neurotransmittersysteme miteinander interagieren und dadurch kognitive Leistungen sowie flexibles Verhalten ermöglichen (dos Santos Coura & Granon, 2012; Wang et al., 2010).

(20)

Durch die Eigenschaft Nikotins die im Gehirn weit verteilten nAChRs zu besetzen, nimmt es neben anderen Einfluss auf neuronale Netzwerke des PFC (De Biasi & Dani, 2011).

Nikotinkonsum kann kurzfristig kognitive Fähigkeiten, wie Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis, bei NichtraucherInnen und nicht nikotin-deprivierten RaucherInnen verbessern (Heishman, Kleykamp, & Singleton, 2010). Nikotin weist eine umgekehrt-U- förmige Wirkungsweise auf die Performance auf, sodass Personen mit einer geringen nAChR- Aktivierung von der Droge profitieren, wohingegen sie bei Personen mit einer hohen nAChR- Aktivierung leistungsmindernd wirkt (Bentley, Driver, & Dolan, 2011). Langjähriges Rauchen allerdings ist mit einem größeren Abbau kognitiver Fähigkeiten und Demenz assoziiert im Vergleich zu Nikotinabstinenz (Anstey, Sanden, Salim, & O’Kearney, 2007; Durazzo et al., 2010). Die kognitiven Einbußen korrelieren positiv mit dem Ausmaß und der Dauer des Zigarettenkonsums (Durazzo et al., 2010). Rauchen hängt mit Veränderungen in

Hirndurchblutung, -morphologie und Neurochemie zusammen, die ursächlich für die

beobachteten Beeinträchtigungen kognitiver Fähigkeiten sein könnten (Durazzo et al., 2010).

Aufgrund der integrativen Funktion des PFC weist er vielfältige Verbindungen zu kortikalen sowie subkortikalen Arealen auf und kann Areale wie das VTA und den NAc sowohl stimulieren als auch hemmen (Carr & Sesack, 2000b; Diekhof & Gruber, 2010; dos Santos Coura & Granon, 2012). Somit kommt dem PFC eine entscheidende Rolle in der Kontrolle von Verhalten zu (Goldstein & Volkow, 2011). Beispielsweise konnten Diekhof and Gruber (2010) zeigen, dass präfrontale Inhibition des VTA und NAc mit Belohnungsaufschub in Verbindung steht. Auf der anderen Seite ist der PFC sensibel für Belohnungserwartungen und kann mit seinen Verbindungen belohnungssuchendes Verhalten initiieren (Kalivas &

Volkow, 2005). Verbindungen, die vom VTA zum präfrontalen Kortex ziehen, sind mit Lern- und Merkprozessen assoziiert (Gawel et al., 2012). Möglicherweise tragen Unterbrechungen in der Kommunikation zwischen dem limbischen System und dem PFC zu dem mit

Drogenabhängigkeit verbundenen Kontrollverlust bei (Goldstein & Volkow, 2011). Wie von

(21)

Goldstein and Volkow (2011) dargestellt, ist der PFC insbesondere in exekutive Funktionen involviert, wie die Ausrichtung von Aufmerksamkeit auf relevante Aufgaben und Merkmale.

Abhängige gegenüber gesunden Personen zeigen eine geringere Sensitivität gegenüber nicht- drogenassoziierten Reizen bei gleichzeitiger erhöhter Sensitivität gegenüber

drogenassoziierten Reizen, was sich in der funktionellen Magnetresonanztomographie in erhöhter Aktivierung niederschlägt. Diese Verzerrung der Wahrnehmung kann zudem die Arbeitsgedächtnisleistung beeinträchtigen (Goldstein & Volkow, 2011). Neben der nach außen gerichteten Aufmerksamkeit wird auch die nach innen gerichtete Aufmerksamkeit durch den PFC gesteuert, daher kommt dem PFC eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Craving nach einer Droge zu (Kalivas & Volkow, 2005). Goldstein and Volkow (2011) beschreiben zudem die Wichtigkeit des PFC für Motivation. Die Beschaffung und Konsumierung von Drogen ist für Personen mit Abhängigkeiten ein wichtiges Ziel und kann andere Ziele in den Hintergrund drängen. Diese Motivation kann das Treffen von Entscheidungen beeinflussen.

Wie erwähnt, ist eine wichtige Funktion des PFC die Überwachung von Verhalten und die Unterdrückung unerwünschter oder inadäquater Reaktionen (Goldstein & Volkow, 2011). Bei abhängigen Personen ist eine erhöhte Risikobereitschaft und eine verringerte

Inhibitionsfähigkeit festzustellen (Lejuez et al., 2003; Yin et al., 2016; Zhao, Liu, Zan, Jin, &

Maes, 2016). Im Allgemeinen sind sowohl die Reaktionsauswahl als auch die Unterdrückung von Reaktionen bei abhängigen Personen defizitär (Lubman, Yücel, & Pantelis, 2004).

Konditionierung – die Verknüpfung von bislang neutralen Stimuli mit der Droge – trägt zur Aufrechterhaltung von Abhängigkeiten bei (Benowitz, 2008). Wichtig hierfür ist das zeitliche Zusammenfallen von Dopaminausschüttung und neutralem Stimuli (Kalivas

& O'Brien, 2008). Durch die leichte Zugänglichkeit und soziale Akzeptanz von Zigaretten können verschiedenste Reize immer wieder mit dem Rauchen verbunden werden (Benowitz, 2010). Perkins et al. (2001) konnten beispielsweise zeigen, dass Rauchen als weniger

befriedigend und verstärkend wahrgenommen wird, wenn RaucherInnen die Zigarette nicht

(22)

riechen und schmecken können. Umgebungs- und Situationsfaktoren (z. B. Aschenbecher, schlechte Stimmung) können starke Cues für Zigarettenkonsum werden und Craving auslösen (Benowitz, 2008). Allein die Antizipation von Belohnung löst neurochemische Prozesse wie DA-Anstieg aus (Volkow, Wang, Fowler, & Tomasi, 2012). Darüber hinaus entwickeln sich Gewohnheiten, sodass bestimmte Reize gut gelernte Handlungsabläufe abrufen (Volkow et al., 2004). Die dokumentierten neurochemischen Veränderungen durch chronischen

Nikotinkonsum sind daher vermutlich auch durch sekundäre Prozesse wie Konditionierung verursacht (Benowitz, 2008; Tzschentke & Schmidt, 2003). In einer Metaanalyse ziehen Bentley et al. (2011) den Schluss, dass cholinerge Agonisten wie Nikotin Bottom-up-

gegenüber Top-down-Prozessen verstärken. Konditionierten Umweltreizen wird eine höhere Salienz zugeschrieben, sodass diese vermutlich bevorzugt verarbeitet würden (Goldstein

& Volkow, 2011).

nAChRs sind entscheidend in kognitive Prozesse involviert, beispielsweise ist

bekannt, dass Aufmerksamkeitsprozesse mit schnellen Anstiegen an Acetylcholin einhergehen (dos Santos Coura & Granon, 2012; Poorthuis et al., 2013). Acetylcholin erhöht vermutlich das neuronale Signal-Rausch-Verhältnis, sodass durch Nikotin, welches nAChRs besetzt, die Informationsverarbeitung beeinträchtigt werden könnte (Poorthuis et al., 2013).

Veränderungen der Sensitivität der nAChRs können demzufolge kognitive Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit beeinflussen (Bentley et al., 2011). Wie bereits beschrieben, verändert Nikotin die Wahrnehmung und Verarbeitung von Reizen, sodass nikotin-assoziierte Stimuli bevorzugt verarbeitet werden (Goldstein & Volkow, 2011; Picciotto, 2003). Darüber hinaus spielen nAChRs eine Rolle in Kurzzeit- und Langzeitpotenzierung und damit in der

synaptischen Plastizität (dos Santos Coura & Granon, 2012). Im VTA von Mäusen konnte bereits nachgewiesen werden, dass Nikotin synaptische Langzeitpotenzierung induzieren kann, wohingegen über die Verteilung von nAChRs im PFC und über die synaptischen Auswirkungen Nikotins noch viele Unklarheiten bestehen (dos Santos Coura & Granon,

(23)

2012; Mansvelder & McGehee, 2002). In Experimenten mit Gehirnpräparaten des PFC von Mäusen löste akute Nikotingabe in bestimmten Kortexschichten Langzeitdepression aus (Couey et al., 2007). Erkenntnisse über synaptische Veränderungen durch chronischen Nikotinkonsum stehen noch aus. Erwiesen ist jedoch, dass Nikotin die cholinerge Kontrolle über neuronale Aktivität unterminiert und in kognitive Prozesse eingreift (Poorthuis et al., 2013). Der Abbau kognitiver Fähigkeiten mit steigendem Alter und neuronales Rauschen wird unter anderem mit einer Reduktion des präfrontalen GABA-Niveaus in Verbindung gebracht (Fujiwara et al., 2011; Gao et al., 2013). Durch die Hemmung aufgaben-irrelevanter Aktivität trägt GABA entscheidend zu der Optimierung kognitiver Prozesse bei.

Nikotin beeinflusst unter anderem neuronale Netzwerke, die in Impuls- und Verhaltenskontrolle, Risikoverhalten, Entscheidungsprozesse, Motivation und

Abhängigkeitsaufrechterhaltung involviert sind (dos Santos Coura & Granon, 2012; Kalivas

& O'Brien, 2008; Lejuez et al., 2003; Volkow et al., 2004; Volkow et al., 2012). Impulsivität trägt zu risikoreichen Verhaltensweisen bei, wie ungeschützten Sexualverkehr, rücksichtsloses Fahrverhalten oder Drogenkonsum (Cyders & Smith, 2008; Hatfield, Williamson, Kehoe, &

Prabhakharan, 2017). Impulsivität wurde von Moeller, Barratt, Dougherty, Schmitz, und Swann (2001) definiert als die Prädisposition zu raschen, unüberlegten Reaktionen auf internale oder externale Stimuli ohne Beachtung möglicher negativer Konsequenzen für sich oder andere. Impulsivität ist mit psychischen Erkrankungen wie Substanzabusus assoziiert, sodass substanzabhängige Personen höhere Impulsivitätswerte in Selbstbericht- und

behavioralen Verfahren aufweisen (Moeller et al., 2001; Schulte et al., 2017b). Erhöhte Impulsivitätswerte und eine Verringerung in der Entscheidungsqualität werden auch bei RaucherInnen berichtet (Durazzo et al., 2016; Ohmura, Takahashi, & Kitamura, 2005;

Weinstein, Marcus, & Moser, 2005). Impulsivität ist negativ mit der GABA-Konzentration im dorsolateralen präfrontalen Kortex bei Männern und im anterioren cingulären Kortex bei Jugendlichen korreliert (Boy et al., 2011; Silveri et al., 2013). Der gleiche negative

(24)

Zusammenhang zwischen der GABA-Konzentration und Impulsivität konnte bei Ratten im anterioren cingulären Kortex gefunden werden (Jupp et al., 2013).

Kontrollverlust ist eines der Kernkriterien von Abhängigkeiten (Pistillo et al., 2015).

Für Nikotinkonsum ist zudem die Ausbildung von Rauchgewohnheiten charakteristisch (Benowitz, 2010). Subkortikale Strukturen wie die Basalganglien spielen eine wichtige Rolle in der Ausführung von Verhalten und Konditionierung (Chambers, Garavan, & Bellgrove, 2009; Volkow et al., 2012). Über Top-down-Kontrolle kann der PFC diese Strukturen

regulieren (Tzschentke & Schmidt, 2003; Volkow et al., 2012). Mittlerweile ist ein neuronales Netzwerk aus präfrontalen und subkortikalen Arealen ausfindig gemacht worden, welches Handlungen plant und ausführt sowie unterdrückt bzw. unterbricht (Aron, Robbins, &

Poldrack, 2004). Eine wichtige Rolle in diesem Netzwerk spielt der IFG, welcher während der Inhibition von Handlungsimpulsen aktiv ist, möglicherweise moderiert durch GABAerge Aktivität (Boy et al., 2011; Chambers et al., 2009). Verbruggen, Aron, Stevens, und Chambers (2010) konnten zeigen, dass der IFG wichtig für die Aktualisierung von Handlungszielen ist, etwa bei der Unterdrückung von Handlungsimpulsen in einer Stopp-Signal-Aufgabe. Der IFG ist mit seiner Fähigkeit momentane Handlungen zu stoppen an dem Wechseln zwischen Aufgaben beteiligt (Aron et al., 2004). In Bezug auf Rauchen bedeutet dies, dass der IFG ein wichtiges Areal ist, um die habituellen Bewegungen des Rauchens zu unterdrücken oder sich von Craving abzulenken (Berkman, Falk, & Lieberman, 2011; Hartwell et al., 2011). Diesen Schluss stützt beispielsweise eine Studie von Berkman et al. (2011), in welcher die Stärke der Aktivierung während einer Stopp-Signal-Aufgabe in Arealen wie dem IFG ein Prädiktor für den Erfolg bei der Reduktion des Rauchens war. Dieses Ergebnis bekräftigt zudem die Theorie, dass dem Kontrollverlust bei Abhängigkeiten die ineffektive Kontrolle des PFCs über subkortikaler Areale zugrunde liegt (Volkow et al., 2012). Inhibitorische Kontrolle wird häufig mit Hilfe von Go/No-Go-Aufgaben wie dem Stop-Signal Task gemessen (Cross, Copping, & Campbell, 2011; Mitchell, 2004). Aufgaben dieser Art bestehen einerseits aus Go-

(25)

Trials, die als simple dichotome Reaktionszeitaufgaben konzipiert sind, andererseits aus No- Go-Trials, in denen durch ein Signal angzeigt wird, dass die Reaktion auf den Stimulus unterdrückt werden soll (Verbruggen, Logan, & Stevens, 2008). Die Stopp-Signal

Reaktionszeit (SSRT) ist ein Index von Stopp-Signal-Aufgaben, der angibt, wie lange eine Person braucht, um eine motorische Handlung zu unterdrücken (Verbruggen et al., 2008). Die SSRT ist negativ mit der Aktivierung in Regionen wie dem IFG bei erfolgreicher Inhibition korreliert (Galván, Poldrack, Baker, McGlennen, & London, 2011). Läsionsstudien zeigen, je stärker der rechte IFG geschädigt ist, desto länger wird die SSRT und die Zeit zwischen Aufgaben zu wechseln (Aron et al., 2004). RaucherInnen weisen Defizite in der motorischen Inhibition auf, was mit der Aufrechterhaltung des Rauchens in Verbindung stehen könnte (Bentley et al., 2011; Luijten, Littel, & Franken, 2011; Yin et al., 2016; Zhao et al., 2016). So korrelierte in einer Studie von Billieux et al. (2010) die SSRT positiv mit den Werten des Fagerström Test für Nikotinabhängigkeit, welcher ein Indikator für das Ausmaß an Nikotinabhängigkeit ist. Abnormitäten in den Inhibitionsschleifen sind vermutlich ein aufrechterhaltender Faktor der Nikotinabhängigkeit, da schädliche Verhaltensweisen und Craving nicht unterdrückt werden können (Lubman et al., 2004; Yin et al., 2016).

Bisher ist nicht klar, ob die Unterschiede, die zwischen RaucherInnen und NichtraucherInnen in Merkmalen wie Impulsivität oder auf neurochemischer Ebene

festzustellen sind, Vulnerabilitätsfaktoren für eine Nikotinabhängigkeit darstellen oder durch den Nikotinkonsum verursacht werden (Mitchell, 2004; Volkow et al., 2004).

Wie von Pistillo et al. (2015) dargestellt, verursacht chronischer Nikotinkonsum langanhaltende neuronale und zelluläre Veränderungen. Diese Tatsache wird besonders deutlich an Studien mit Jungtieren, in welchen die Auswirkungen von Nikotin auf die Gehirnentwicklung untersucht werden kann. Namentlich der PFC ist durch seine lange Reifungsdauer davon betroffen und es kann durch Nikotinkonsum zu kognitiven Einbußen

(26)

kommen, beispielsweise können Aufmerksamkeitsprozesse oder Impulskontrolle

beeinträchtigt werden (Pistillo et al., 2015; Poorthuis et al., 2013). Auch bei Menschen weisen RaucherInnen im Vergleich zu NichtraucherInnen im Allgemeinen Defizite in kognitiven Fähigkeiten auf bei gleichzeitigen Abnormitäten in limbischen Bereichen, was als ein Ungleichgewicht zwischen kognitiver Kontrolle und triebhaften Verhaltensweisen gedeutet werden kann (Li et al., 2015).

Der hohe Automatisierungsgrad von Drogenkonsumierung bei gleichzeitiger Minderung kognitiver Monitoring- und Kontrollmöglichkeiten macht es für Betroffene äußerst schwierig, der Abhängigkeit effektiv selbst zu begegnen (Goldstein & Volkow, 2011).

Eine in der Literatur diskutierte Erklärung hierfür ist, dass aufgrund von Dysfunktionen inhibitorischer Schleifen eine adäquate Regulation des Belohnungs- und Motivationssystems und letztendlich des Verhaltens in schwer abhängigen Personen nicht mehr möglich ist, obwohl sich die Betroffenen über die Schädlichkeit ihres Verhaltens bewusst sind (Goldstein

& Volkow, 2011; Lubman et al., 2004). Zusammenfassend wird eine Abhängigkeit immer zugleich durch die pharmakologische Wirkung der Droge, der Vermeidung von

Entzugssymptomen und anderweitigen indirekten Faktoren wie Genetik und Umwelteinflüsse aufrechterhalten (Benowitz, 2010).

Raucherentwöhnung geht mit schlechteren kognitiven Leistungen und dysfunktionalen Belohnungs- und Motivationsprozessen einher (Jasinska et al., 2014). Die Sensitivierung gegenüber drogen-assoziierten Reizen ist langanhaltend und ihre Stärke beeinflusst die Rückfallwahrscheinlichkeit (Tzschentke & Schmidt, 2003). Diese unbewusste

Aufmerksamkeitsausrichtung auf die Droge erschwert es abhängigen Personen, abstinent zu bleiben (Janes et al., 2013). Ferner können Persönlichkeitsmerkmale den Erfolg bei der Entwöhnung beeinflussen. VanderVeen, Cohen, Cukrowicz, und Trotter (2008) zeigten in einer Studie, dass stärker ausgeprägte Impulsivität bei RaucherInnen das Risiko von

(27)

Rückfällen während der Entwöhnung erhöht. Die Gründe für dieses Ergebnis lagen insbesondere in der stärkeren Neigung zu negativem Affekt sowie stärkerem Craving bei impulsiveren Personen. Die höheren Cravingwerte gegenüber wenig impulsiven Personen werden von den Autoren als mangelnde Fähigkeit sich abzulenken gedeutet (VanderVeen et al., 2008). In Anbetracht dieser Ergebnisse sollte bei der Entwicklung von Medikamenten zur Unterstützung der Entwöhnung angestrebt werden, die beeinträchtigenden kognitiven

Auswirkungen des Nikotinentzugs abzumildern und die kognitive Kontrolle über Verhalten zu stärken (Benowitz, 2010; Volkow et al., 2004).

4. Rauchen und psychiatrische Erkrankungen

Psychiatrische Erkrankungen, insbesondere affektive Störungen, weisen eine hohe Komorbidität mit Nikotinabhängigkeit auf und erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Rückfällen in zigarettenfreien Phasen (Lasser et al., 2000; Lopez-Quintero et al., 2011;

Morissette, Tull, Gulliver, Kamholz, & Zimering, 2007; Smith et al., 2003). Zudem gehen Substanzgebrauchsstörungen bei Personen oder in der Familie mit einer höheren Rate an anderen Substanzabhängigkeiten wie Nikotinabhängigkeit einher (Lopez-Quintero et al., 2011). Mögliche Erklärungen für diese Zusammenhänge sind 1) eine gemeinsame genetische Basis für Substanzgebrauchsstörungen und psychiatrischen Erkrankungen. 2) gemeinsame Umweltfaktoren, die beide Störungen beeinflussen. 3) Selbstmedikation als Copingstrategie (Kalman, Morissette, & George, 2005). Rauchen wird beispielsweise genutzt, um Angst oder Stress zu reduzieren (Kassel, Stroud, & Paronis, 2003; Morissette et al., 2007). Personen mit affektiven Störungen berichten von schwereren Entzugssymptomen als solche ohne (Breslau, Kilbey, & Andreski, 1992; Morissette et al., 2007). Tierversuche zeigen, dass

Angstempfindungen teilweise über nAChRs und bei Weibchen zusätzlich über Progesteron mediiert werden (Gangitano, Salas, Teng, Perez, & De Biasi, 2009). Demnach beeinflussen

(28)

sowohl Rauchen als auch Geschlecht Ängstlichkeitsgefühle. Wie

Substanzgebrauchsstörungen sind auch affektive Störungen durch einen Kontrollverlust des PFC über limbische Strukturen und Abnormitäten im Belohnungssystem gekennzeichnet (Russo & Nestler, 2013). Lange ist bekannt, dass GABA eine Rolle für affektive Störungen spielt (Brambilla et al., 2003). So fanden Hasler et al. (2007) beispielsweise geringere GABA- Konzentrationen in depressiven PatientInnen gegenüber gesunden Personen in präfrontalen Arealen. Die Hypothese eines reduzierten GABA-Niveaus in affektiven Störungen wird auch durch die gängigen Interventionen, die häufig die GABAerge Transmission erhöhen, gestärkt (für eine Übersicht s. Brambilla et al. (2003)). Bei der Behandlung von medizierten psychisch erkrankten Personen ist zu beachten, dass Tabak die Wirksamkeit mancher Medikamente reduzieren kann (Williams & Ziedonis, 2004). In Zukunft wird noch weitere Forschung von Nöten sein, um zu klären, wie die biologischen Prozesse von Nikotinabhängigkeit und von psychiatrischen Störungen zusammenhängen und darüber hinaus wie Interventionen für Komorbiditäten möglichst effektiv gestaltet werden können (Kalman et al., 2005; Kutlu, Parikh, & Gould, 2015).

5. Rauchen und Geschlecht

Circa 23,7 % der Weltbevölkerung raucht (Méndez et al., 2013). In Europa sind es laut Eurobarometer (2017) durchschnittlich 24 % der Menschen - Österreich liegt mit 28 % leicht über dem Durchschnitt. Rauchen stellt damit weiterhin eine Gefahr für die Gesundheit dar und verursacht hohe Kosten für die Gesellschaft (Pokhrel et al., 2014).

Männer zeigen häufiger als Frauen impulsive oder risikoreiche Verhaltensweisen, auch in Bezug auf das Gesundheitsverhalten (Cross et al., 2011; Harris, Jenkins, & Glaser, 2006).

Männer konsumieren durchschnittlich häufiger Drogen als Frauen, sodass ähnlich zu anderen Drogen das Geschlechterverhältnis beim Rauchen in vielen Länder bei 1:10 liegt (Frauen zu

(29)

Männern) (Becker & Hu, 2008; Mackay & Amos, 2003; Ng et al., 2014). Allerdings steigt die Anzahl rauchender Frauen, wohingegen die der Männer langsam abnimmt (Mackay & Amos, 2003). In Europa sind Unterschiede zwischen den Anteilen rauchender Männer bzw. Frauen deutlich geringer ausgeprägt.

Unterschiede zwischen Männern und Frauen lassen sich in Entstehung, Verlauf und Behandlung von Nikotinabhängigkeit feststellen (Polak, Haug, Drachenberg, & Svikis, 2015).

Tiermodelle schlagen vor, dass weibliche Tiere vulnerabler für die verstärkende Wirkung Nikotins sind, da sie eine größere Motivation aufweisen, Nikotin zu konsumieren, als männliche Tiere (Donny et al., 2000; Lynch & Sofuoglu, 2010). Diesen Schluss ziehen gleichermaßen O'Dell und Torres (2014) in einem Review, in welchem sie herausarbeiten, dass weibliche Tiere und Personen stärker als männliche auf die positiven Effekte Nikotins reagieren, sodass die Entwicklung einer Abhängigkeit begünstig wird. Für Männer spielen die direkten pharmakologischen Wirkungen Nikotins bei der Aufrechterhaltung des Rauchens eine größere Rolle als für Frauen, wohingegen auf Frauen stärker indirekte Faktoren des Rauchens (z. B. Geschmack) wirken als auf Männer (Perkins et al., 2001; Perkins et al., 2006). Darüber hinaus weisen Frauen eine heftigere Entzugssymptomatik auf als Männer, wodurch das Rückfallrisiko erhöht wird (O'Dell & Torres, 2014). Tatsächlich weisen Frauen insgesamt ein höheres Risiko auf, nikotinabhängig zu werden, als Männer (Lopez-Quintero et al., 2011). Zudem sind Raucherinnen, insbesondere junge Frauen, eher abhängig von Nikotin als männliche Raucher bei gleich großem Zigarettenkonsum (Kandel & Chen, 2000). Dabei konsumieren Frauen durchschnittlich weniger Zigaretten als Männer (Kandel & Chen, 2000).

Eine Abhängigkeit erhöht die Wahrscheinlichkeit das Rauchen fortzusetzen und die Dosis sukzessiv zu erhöhen, um die Effekte aufrechtzuerhalten (Kandel & Chen, 2000).

Möglichweise hängt diese höhere Vulnerabilität mit der schnelleren Verstoffwechselung Nikotins bei Frauen im Gegensatz zu Männern zusammen (Benowitz, Lessov-Schlaggar, Swan, & Jacob, 2006). Denn wie schnell Nikotin metabolisiert wird, bestimmt mit, wie viel

(30)

Nikotin konsumiert wird: Eine schnellere Verstoffwechselung Nikotins erhöht die Menge gerauchter Zigaretten (Benowitz & Jacob, 1985). Rauchen wird von Frauen stärker als von Männern zur Regulation von Emotionen genutzt (Nakajima & al'Absi, 2012; Perkins, Giedgowd, Karelitz, Conklin, & Lerman, 2012). Frauen weisen zudem ein höheres

Rückfallrisiko in Entwöhnungstherapien mit Nikotinersatztherapie oder Bupropion auf als Männer (Cepeda-Benito, Reynoso, & Erath, 2004; Perkins, Donny, & Caggiula, 1999; Scharf

& Shiffman, 2004). Während für Frauen negativer Affekt und wahrgenommener Stress Prädiktoren für Rückfälle in der Entwöhnung sind, ist für Männer die Reduktion von Craving ausschlaggebend (Nakajima & al'Absi, 2012). Affektive Erkrankungen insgesamt betreffen häufiger Frauen als Männer (van Wingen, Ossewaarde, Bäckström, Hermans, & Fernández, 2011). Zusammenfassend besteht für Frauen ein höheres Risiko nikotinabhängig zu werden und es fällt ihnen insgesamt schwerer als Männern, mit dem Rauchen aufzuhören oder den Konsum zu reduzieren (Greenfield, Back, Lawson, & Brady, 2010; Lopez-Quintero et al., 2011).

Neben diesen psychologischen Unterschieden mehren sich Belege, die zeigen, dass Rauchen geschlechtsspezifische Gesundheitsrisiken mit sich bringt (Mackay & Amos, 2003).

So weisen rauchende Frauen im Vergleich zu Männern ein erhöhtes Risiko auf, an

verschiedenen Herzkreislauf- und Krebserkrankungen zu leiden, wie etwa Myokardinfarkte und Gebärmutterhalskrebs (Mackay & Amos, 2003; Zhang et al., 2011). Rauchen kann zudem zu Abnormitäten bezüglich Menstruation und Schwangerschaft führen, beispielsweise zu einer verstärkten Blutung oder einem erhöhten Risiko für Fehlgeburten (Greenfield et al., 2010).

Es ist bekannt, dass es sowohl strukturelle, funktionelle als auch neurochemische Unterschiede zwischen den Gehirnen von Männern und Frauen gibt (Cosgrove, Mazure, &

Staley, 2007; Ruigrok et al., 2014). Sogar in tiefliegenden Strukturen wie dem ventralen

(31)

Tegmentum können Geschlechtsunterschiede gefunden werden, welche beobachtete Unterschiede in Denken und Verhalten miterklären könnten (Gillies, Virdee, McArthur, &

Dalley, 2014). Des Weiteren wird gerade daran geforscht, welche Metabolitenkonzentrationen sich wo im Gehirn unterscheiden (Endres et al., 2016). Männer weisen sowohl höhere

Glutamat-, Glx-Werte (Glutamat plus Glutamin) als auch höhere GABA-Werte im

dorsolateralen präfrontalen Kortex auf als Frauen (O'Gorman, Michels, Edden, Murdoch, &

Martin, 2011). Es gibt Hinweise darauf, dass Frauen Fluktuationen der

Metabolitenkonzentrationen in Abhängigkeit ihres Menstruationszyklus aufweisen und

darüber hinaus weibliche Geschlechtshormone die Wirkung von Drogen beeinflussen (Carroll et al., 2004; Chrzan, Tomaszuk, & Urbanik, 2013). Studienergebnisse deuten darauf hin, dass bei Frauen mit einem natürlichen Zyklus GABA um die Zeit der Ovulation ansteigt,

wohingegen keine Zyklusschwankungen berichtet werden, wenn Frauen die Pille nehmen (De Bondt, De Belder, Vanhevel, Jacquemyn, & Parizel, 2015). Neurosteroide wie Progesteron und Östrogen beeinflussen unter anderem die Ausbildung und Effektivität von GABA- Rezeptoren und damit letztendlich neuronale Erregbarkeit (Brickley & Mody, 2012; Maguire

& Mody, 2007). Es konnte gezeigt werden, dass Nichtraucherinnen einen Abfall des GABA- Niveaus in manchen Hirnregionen in der Lutealphase erleben (Harada, Kubo, Nose, Nishitani,

& Matsuda, 2011). Progesteron hat eine modulierende Wirkung auf GABA-Rezeptoren (Lovick, 2008). Daher wird das Absinken des Progesteronlevels während der Luetalphase mitverantwortlich für die negative Verstimmung von Frauen in dieser Menstruationsphase gemacht (Andréen et al., 2009). Benowitz et al. (2006) konnten nachweisen, dass weibliche Geschlechtshormone auf die Enzyme wirken, die Nikotin verstoffwechseln. Frauen

verstoffwechseln Nikotin schneller als Männer und Frauen, die orale Verhütungsmittel

nehmen, verstoffwechseln Nikotin schneller als solche, die keine nehmen. Die Autoren ziehen den Schluss, dass Östrogen möglicherweise dem beschleunigten Metabolismus zugrunde liegt (Benowitz et al., 2006). Östrogen könnte demnach für die erhöhte Vulnerabilität von Frauen

(32)

1European Union, 2017,

http://filterlos.at/fileadmin/user_upload/Eurobarometer_458_en.compressed.pdf.

gegenüber Nikotin verantwortlich sein, wohingegen Progesteron eine protektive Wirkung zu haben scheint (Lynch & Sofuoglu, 2010). Diese Annahme ergibt sich aus der stimulierenden Wirkung Progesterons auf die GABA-Transmission, dessen Erhöhung mit einer Dämpfung von Belohnung und Verstärkung durch Nikotin in Verbindung gebracht wird (Lynch

& Sofuoglu, 2010).

Da sich in Bezug auf Nikotinabhängigkeit Unterschiede zwischen Männern und Frauen auf vielen Ebenen nachweisen lassen, könnte auch die GABA-Konzentration im PFC durch Rauchen unterschiedlich beeinflusst werden.

6. Behandlung

Die meisten RaucherInnen haben den Wunsch mit dem Rauchen aufzuhören und haben in ihrer Vergangenheit mindestens einmal versucht, aufzuhören1 (Agrawal, 2016; Boyle et al., 2000). Die Mehrheit der RaucherInnen bevorzugt eine Entwöhnung ohne therapeutische Unterstützung1 (Morphett et al., 2015). Ohne Unterstützung dauerhaft abstinent zu bleiben, schaffen die wenigsten RaucherInnen (Baillie et al., 1995; Raupach et al., 2013). Allerdings sind auch gängige Entwöhnungs- und Pharmakotherapien noch unzureichend effektiv (Baillie et al., 1995; Li et al., 2014; Smith et al., 2003). Von der „U. S. Food and Drug

Administration“ bisher akzeptierte pharmakologische Interventionen sind

Nikotinersatztherapien, Bupropion und Varenicline (Benowitz, 2008). Um dieses Spektrum zu erweitern, werden intensiv die biologischen Vorgänge des Nikotinkonsums sowie alternative Behandlungsmöglichkeiten beforscht. Die Reduktion von Glu und Erhöhung von GABA sind hierbei vielversprechende Ansätze, wie in Studien an Tieren (Li et al., 2014; Varani et al., 2011) und Menschen gezeigt werden konnte (Cousins, Stamat, & de Wit, 2001; Franklin et al., 2009; Herman, Waters, McKee, & Sofuoglu, 2012). Cousins et al. (2001) untersuchten die

(33)

Wirkung einer einzigen Dosis Baclofens, ein GABA-Agonist, bei RaucherInnen. Zwar blieben die Anzahl gerauchter Zigaretten sowie Craving unbeeinflusst, aber Baclofen veränderte Stimmung und Wahrnehmung, sodass die ProbandInnen sich entspannter fühlten und das Rauchen als weniger angenehm empfanden (Cousins et al., 2001). In einer Studie von Franklin et al. (2009) über neun Wochen reduzierte Baclofen die Anzahl gerauchter Zigaretten und Craving bei RaucherInnen, die überlegten, aufzuhören. In der Gesamtheit weisen die bisherigen Studien zu GABA-Agonisten darauf hin, dass belohnende Effekte Nikotins, kognitive Einbußen und Craving während des Entzugs gemildert werden (D’Souza

& Markou, 2013; Janes et al., 2013).

Für die willentliche Gestaltung des Rauchverhaltens ist neben der behavioralen die emotionale Selbstkontrolle maßgeblich, welche durch Top-down-Kontrolle des PFC über limbische Strukturen ausgeübt wird (Volkow et al., 2012). GABA spielt eine entscheidende Rolle in der Kommunikation zwischen PFC und limbischen Strukturen (Kalivas & O'Brien, 2008). Da Abhängigkeiten wie Rauchen unter anderem durch Defizite inhibitorischer

Schleifen im Gehirn aufrechterhalten werden, könnten medikamentöse Behandlungsansätze, die diese hemmenden Systeme unterstützen, in Zukunft Betroffenen das Aufhören erleichtern (Lubman et al., 2004).

Ein Review von Carpenter et al. (2006) untersuchte den Zusammenhang von Nikotinabstinenz und Menstruationszyklus und fand heraus, dass Raucherinnen in der Follikelphase weniger starke Entzugssymptome und depressive Verstimmungen erleben als solche in der Lutealphase. Im Allgemeinen berichten Frauen in der Lutealphase häufig von negativerem Affekt als in der Follikelphase (Lovick, 2008). Östrogen, welches in der

Follikelphase ansteigt, dämpft negativen Affekt und Angstgefühlen (Becker & Hu, 2008). Da für Frauen negativer Affekt ein wichtiger Prädiktor für eine erfolgreiche Entwöhnung ist, könnte die negative Stimmung die geringere Erfolgsrate in der Lutealphase miterklären

(34)

(Allen, Allen, & Pomerleau, 2009; Nakajima & al'Absi, 2012; Perkins et al., 2000b).

Andererseits gibt es Studien, die das gegenteilige Ergebnis berichten, nämlich dass die Erfolgsrate von Frauen in einer Raucherentwöhnung während der Lutealphase größer sei (Lynch & Sofuoglu, 2010). Es lässt sich festhalten, dass auch in Bezug auf

Raucherentwöhnung sich Studien mehren, die darauf hindeuten, dass Männer und Frauen nicht identische psychologische und biologische Prozesse durchlaufen (Nakajima & al'Absi, 2012).

Mögliche Medikamente sollten 1) belohnende und verstärkende Wirkungen Nikotins blockieren. 2) konditionierten Verhaltensweisen entgegenwirken. 3) frontale inhibitorische und exekutive Kontrolle stärken. 4) auftretende Entzugssymptome abmildern. 5) gezielt wirken, sodass geringe Nebenwirkungen auftreten (Benowitz, 2008; Volkow et al., 2004).

Bisher gibt es nur selten geschlechtsspezifische Entwöhnungsprogramme, die die besonderen Risiken für Frauen beachten (Mackay & Amos, 2003; Polak et al., 2015). Studien zu

geschlechtsspezifischen Entwöhnungsprogrammen bei Abhängigkeitserkrankungen deuten auf bessere Erfolgsraten hin als konventionelle Programme (Polak et al., 2015). Sowohl Nikotinabhängigkeit als auch affektive Störungen sind mit GABA-Dysregulation assoziiert (Andréen et al., 2009; Moeller, London, & Northoff, 2016). Da Frauen ein höheres Risiko für affektive Störungen aufweisen als Männer, könnten insbesondere Raucherinnen von

Medikamenten profitieren, die das GABAerge System beeinflussen (D’Souza & Markou, 2013). Aufgrund der Geschlechtsunterschiede und nicht zufrieden stellenden

Interventionsmöglichkeiten, ist weitere Forschung nötig, um die Interaktion von Nikotin mit dem Gehirnmetabolismus besser zu verstehen (Moeller et al., 2016; Polak et al., 2015). Die Erkenntnisse aus dieser Forschung könnten neue Ansätze in der Behandlung von

Nikotinabhängigkeit bieten (Markou, 2008; Puts & Edden, 2012). Darüber hinaus sollten zukünftige Studien über den Gehirnmetabolismus stärker psychologische Variablen

(35)

einbeziehen, da die Interaktion dieser beiden Aspekte bisher vernachlässigt wurde (Bough et al., 2013; Durazzo et al., 2016).

Da GABA-Agonisten oder -Modulatoren ein vielversprechender Ansatz für zukünftige Interventionen gegen Nikotinabhängigkeit darstellen, untersucht diese Studie, GABA-

Konzentrationen im PFC bei RaucherInnen. Ziel dieser Studie ist es, einen Beitrag in der Suche nach geschlechtsspezifischen Biomarkern für das Ausmaß der Nikotinabhängigkeit zu leisten.

7. Methode

7.1. Stichprobe

Insgesamt wurden 62 ProbandenInnen durch Aushänge, Internetinserate, E-

Mailverteiler der Karl-Franzens Universität Graz und Mundpropaganda rekrutiert. Die Studie wurde gemäß den Richtlinien der Deklaration von Helsinki durchgeführt und von der lokalen Ethikkommission der Universität Graz, Österreich genehmigt (GZ.39/87/63 ex 2015/16).

Zudem wurde die Studie durch das Kulturamt der Stadt Graz gefördert (A16-58576/2016).

Als Aufwandsentschädigung wurde jedem Teilnehmer bzw. jeder Teilnehmerin 30 €

ausgezahlt. 29 RaucherInnen (15 Frauen) und 30 NichtraucherInnen (15 Frauen) wurden in die Auswertung einbezogen (N = 59). Das Alter lag zwischen 19 und 33 Jahren (M = 24.92, SD = 3.35). Das Bildungsniveau war hoch mit 45.8% der Personen, die Matura und 47.5% der Personen, die einen Universitätsabschluss als höchste abgeschlossene Ausbildung angaben.

7.2. Ablauf

Für die Studie passende ProbandInnen wurden mithilfe eines Online-Screenings ausgewählt, welches von 329 Personen vollständig ausgefüllt wurde. Jede/r ProbandIn wurde darüber informiert, dass die Teilnahme an der Studie freiwillig ist und jederzeit ohne

(36)

Nachteile abgebrochen werden kann. Ungefähr eine Stunde bearbeiteten die TeilnehmerInnen eine psychologische Testbatterie. Eine weitere Stunde benötigte die MRT-Messung. Alle Messungen fanden von Mai bis Oktober 2017 im MRI-Lab der Technischen Universität Graz statt.

7.2.1. Online-Screening

Die ProbandInnen gaben Alter, Geschlecht, höchste abgeschlossene Bildung

undHändigkeit an. ProbandInnen der Nichtrauchergruppe waren seit mindestens zehn Jahren NichtraucherInnen und hatten nicht mehr als 50 Zigaretten in ihrem Leben konsumiert.

Personen, die durchschnittlich mindestens 15 Zigaretten pro Tag seit mindestens eineinhalb Jahren rauchten, wurden in die Gruppe der RaucherInnen eingeschlossen. Zudem durften RaucherInnen keine anderweitigen Tabakprodukte oder E-Zigaretten nutzen und sich nicht in einem Entwöhnungsprogramm befinden. Zur Erhebung der Nikotinabhängigkeit wurde der Fagerström Test für Nikotinabhängigkeit (FTNA) verwendet (Bleich, Havemann-Reinecke, &

Kornhuber, 2002). Der Gesamtscore kann zwischen 0 und 10 Punkten liegen, wobei ein höherer Gesamtscore stärker ausgeprägte Nikotinabhängigkeit ausdrückt. Der FTNA ist weltweit das am häufigsten verwendete Instrument zur Erhebung von Nikotinabhängigkeit (Benowitz, 2008).

RaucherInnen weisen durchschnittlich einen höheren Alkoholkonsum auf als

NichtraucherInnen (Galanti, Manigart, & Dubois, 1998). Da Alkohol seinerseits Einfluss auf das Gehirn ausübt (Gomez et al., 2012; Meyerhoff, Durazzo, & Ende, 2011), wurden

Personen ausgeschlossen, die ihren Alkoholkonsum in der Vergangenheit als missbräuchlich einschätzten. Für die Einschätzung des derzeitigen Alkoholkonsums wurde eine

deutschsprachige Kurzversion des Alcohol Use Disorders Identification Test (AUDIT-C) angewandt mit Cut-Off-Werten von 5 für Frauen und 7 für Männer (Bush, Kivlahan,

McDonell, Fihn, & Bradley, 1998; DeMartini & Carey, 2012). Personen, die angaben, andere

(37)

Drogen zu konsumieren oder an schweren psychischen bzw. körperlichen Erkrankungen zu leiden, wurden ausgeschlossen. Die MR-Tauglichkeit wurde für jede/n TeilnehmerIn sichergestellt.

Frauen gaben am Tag des MRT-Scans an, an welchem Tag des Zyklus sie sich befinden und ob bzw. welche Verhütungsmethode verwendet wird.

7.2.2. 1H MR-Spektroskopie

Protonen-Magnetresonanz-Spektroskopie (1H MRS) wurde zur biochemischen

Quantifizierung von GABA im IFG genutzt. Mithilfe dieses nichtinvasiven Verfahrens lassen sich Metabolitenkonzentrationen in Geweben messen, indem Radiofrequenzsignale von Wasserstoffspins detektiert werden (Puts & Edden, 2012). Die Aufspaltung in

unterschiedliche Frequenzen in Relation zu einer Standardreferenz wird als chemische Verschiebung bezeichnet, wie von Qayyum (2009) erläutert. Ein MR-Spektrum ist definiert durch Frequenz und Intensität der Metaboliten innerhalb eines definierten Voxels. Die Frequenzen der Metaboliten werden in parts per million (ppm) der Protonenfrequenz

angegeben, eine Messgröße unabhängig von der verwendeten Magnetstärke (Qayyum, 2009).

Bei der Messung von GABA wird zwischen Spins auftretendes J-Coupling ausgenutzt, welches bedeutet, dass durch die chemische Struktur eines Moleküls der Spin einer Protonengruppe den Spin angrenzender Protonengruppen beeinflusst somit auch deren Signale (Puts & Edden, 2012). GABA hat seine Peaks bei 3.01, 2.3 und 1.9 ppm

(Govindaraju, Young, & Maudsley, 2000). GABA kann mithilfe der MEGA-PRESS-Sequenz von Mescher und Garwood, die in point-resolved Spektroskopie (PRESS) eingebaut wird, detektiert werden. MEGA-PRESS enthält neben der gängigen PRESS-Sequenz zur

Lokalisierung des Voxel of Interest zwei frequenzspezifische Editing-Pulse vor und nach dem zweiten 180° Puls (Abb. 2) (Mescher, Merkle, Kirsch, Garwood, & Gruetter, 1998).

(38)

Die Quantifizierung wird dadurch erschwert, dass GABA nur in sehr geringen Konzentrationen im Gehirn vorkommt (~ 1mM) und Signale anderer Stoffe wie Kreatin das GABA-Signal überlagern (Mescher et al., 1998; O'Gorman et al., 2011; Puts & Edden, 2012).

Das GABA-Signal wird herausgearbeitet durch das Subtrahieren zweier Spektren, sogenanntes J-Difference Editing, in denen die GABA-Spins unterschiedlich behandelt werden (Edden, Puts, Harris, Barker, & Evans, 2014). Hierbei wird ein ON-Spektrum, das GABA-spezifische Pulse auf 1.9 ppm nutzt, von einem OFF-Spektrum subtrahiert, in dem die Pulse auf 7.5 ppm eingestellt sind (Mullins et al., 2014). In dem resultierenden Spektrum sind all jene Bestandteile enthalten, die auf die frequenzspezifischen Pulse reagieren (Mullins et al., 2014). Signale von Stoffen, die von den Editing-Pulsen nicht betroffen sind, sind gleich in ON- und OFF-Spektrum und kürzen sich daher heraus. J-Difference Editing, welches eine MEGA-PRESS-Sequenz nutzt, ist die am häufigsten verwendete Methode, um GABA zu messen (Mullins et al., 2014).

Abbildung 2. Schema der MEGA-PRESS-Sequenz. Die Editing-Pulse von MEGA werden um den zweiten 180° Puls einer gängigen PRESS-Sequenz gesetzt, die aus einem 90° und zwei 180° Pulsen besteht. Aus Mescher, M., Merkle, H., Kirsch, J., Garwood, M., & Gruetter, R. (1998). Simultaneous in vivo spectral editing and water suppression. NMR in Biomedicine, 11(6), 266–272.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die Auseinander- setzung um die Abschätzung, welche Gesundheitsgefahr die Radonbelastung bedeu- tet, dreht sich vor allem um eine Frage: Können die Erhö- hungen der

Dieser Frage widmet sich die Chefärztin der Klinik für Geriatrie und Innere Medizin im Krankenhaus Zum Guten Hirten..

Ziel der Doppelstunde ist, dass die Schüler mit- hilfe von arbeitsteilig erarbeiteten Informationen über das Rauchen einen Artikel für ihre Schülerzei- tung verfassen.. Zum Ablauf

 Ich kann mit einer Tabellenkalkulation einfache Berechnungen durchführen und altersgemäße Aufgaben lösen.  Ich kann

 Ich kann mit einer Tabellenkalkulation einfache Berechnungen durchführen und altersgemäße Aufgaben lösen..  Ich kann

Die jährlich für das Rauchen anfallenden Kosten werden auf ein Sparbuch gelegt. Welches Guthaben ist bei einer bestimmten Verzinsung nach 1, 2,

Bevor ich meine letzte Zigarette rauchte und dann meine wundervolle Zeit als Nichtraucherin begann, erlebte ich viele Situationen, die ich mir ohne Zigarette nicht hätte

Eine zusätzliche zeitliche Belastung durch die Arbeit ergibt sich sowohl für die Frauen als auch für die Männer durch Überstunden.. Die Betrachtung dieses Kriteriums