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Über fünf Millionen Menschen sterben jährlich infolge von Nikotinkonsum, was Rauchen zu der vermeidbarsten Todesursache weltweit macht (Méndez, Alshanqeety, &

Warner, 2013). Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass aktives und passives Rauchen das Risiko für zahlreiche Krankheiten erhöhen, beispielsweise für kardiovaskuläre Erkrankungen oder Demenz, und somit auch das Mortalitätsrisiko1 (Barnoya & Glantz, 2005; Swan &

Lessov-Schlaggar, 2007). Damit ist Rauchen eine enorme Belastung des Gesundheitssystems – jährlich werden in Europa 98 bis 130 Billionen Euro in diesem Zusammenhang

aufgewendet (Pokhrel et al., 2014).

Wird das Rauchen aufgegeben, sinken Mortalitäts- und Morbiditätsraten, was ein dafür Grund ist, dass die meisten RaucherInnen den Wunsch haben aufzuhören2 (Agrawal, 2016;

Bolego, Poli, & Paoletti, 2002; Boyle et al., 2000). Dabei ist der populärste Ansatz, ohne pharmakologische oder therapeutische Hilfe das Rauchen aufzugeben2 (Morphett, Partridge, Gartner, Carter, & Hall, 2015). Diese Entwöhnungsstrategie geht mit einer hohen

Rückfallquote einher, sodass die meisten Personen, in deren Alltag Rauchen ein fester Bestandteil ist, mehrere Anläufe bis zur Abstinenz benötigen (Baillie, Mattick, & Hall, 1995;

Chaiton et al., 2016; Raupach, West, & Brown, 2013). Das Rauchverhalten wird von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst, wie dem momentanen Befinden, Umgebung,

sozioökonomischen Status, Genen, Alter oder dem Geschlecht (Benowitz, 2008; Bough et al., 2013; Hiroi & Agatsuma, 2005; Jha et al., 2006; Kandel & Chen, 2000; Sinha, 2001; Swan

& Lessov-Schlaggar, 2007).

Das Rauchen von Zigaretten kann stark suchterzeugend sein, insbesondere bei Personen, die sensibel für die verstärkende Wirkung Nikotins sind (z. B. Personen mit

psychiatrischen Erkrankungen) (Lopez-Quintero et al., 2011; Picciotto, 2003). Tabak enthält mehrere abhängigkeitserzeugende Stoffe, der Großteil der Forschung konzentriert sich jedoch auf den Stoff Nikotin, da ihm das größte Suchtpotential zugeschrieben wird (Bough et al., 2013; Pistillo, Clementi, Zoli, & Gotti, 2015). Das Suchtpotential des Nikotins rührt von den psychotropen Eigenschaften, Lernprozessen, gesellschaftlicher Akzeptanz und der hohen Selbstkontrolle über Zeitpunkt und Ausmaß an Wirkung her (Benowitz, 2008; Picciotto, 2003). Die psychotropen Eigenschaften von Nikotin umfassen Belohnungsgefühle, Stressreduktion, Anxiolyse, Entspannung, Stimmungsaufhellung, Appetitreduktion, gesteigerte kognitive Fähigkeiten und gesteigertes Arousal (Benowitz, 2008; Heishman, Kleykamp, & Singleton, 2010). Zudem wird Rauchen bisweilen zur Regulation von

Abbildung 1. DSM-5 Kriterien der Nikotinabhängigkeit. Nach DSM-5 wird eine Substanzgebrauchsstörung als dysfunktionales Verhaltensmuster definiert, welches zu klinisch relevanten Beeinträchtigungen oder Distress führt und mindestens zwei der aufgeführten Aspekte innerhalb von 12 Monaten aufweist. Aus Falkai, P., & Wittchen, H. U., (Eds.). (2015). Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM-5. Göttingen: Hogrefe.

1) Tabak wird häufig in größeren Mengen oder länger als beabsichtigt konsumiert.

2) Anhaltender Wunsch oder erfolglose Versuche, den Tabakkonsum zu verringern oder zu kontrollieren.

3) Hoher Zeitaufwand, um Tabak zu beschaffen oder zu konsumieren.

4) Craving oder starkes Verlangen, Tabak zu konsumieren.

5) Wiederholter Tabakkonsum, der zu einem Versagen bei der Erfüllung wichtiger Verpflichtungen bei der Arbeit, in der Schule oder zu Hause führt.

6) Fortgesetzter Tabakkonsum trotz ständiger oder wiederholter sozialer oder zwischenmenschlicher Probleme, die durch die Auswirkungen des Tabaks verursacht oder verstärkt werden.

7) Wichtige soziale, berufliche oder Freizeitaktivitäten werden aufgrund des Tabakkonsums aufgegeben oder eingeschränkt.

8) Wiederholter Tabakkonsum in Situationen, in denen der Konsum zu einer körperlichen Gefährdung führt.

9) Fortgesetzter Tabakkonsum trotz Kenntnis eines anhaltenden oder wiederkehrenden körperlichen oder psychischen Problems, das wahrscheinlich durch Tabak verursacht wurde oder verstärkt wird.

10) Toleranzentwicklung.

11) Entzugssymptome.

1United States Department of Health and Human Services, 2004, https://www.surgeongeneral.gov/library/reports/index.html.

Stimmung oder Gewicht genutzt (Audrain-McGovern & Benowitz, 2011; Benowitz, 2010).

Rauchen ist wie andere substanzgebundene Abhängigkeiten eine Störung mit chronischen Rückfällen, Kontrollverlust und zwanghafter Substanzeinnahme (siehe Abb. 1) (Leshner, 1997; Lubman, Yücel, & Pantelis, 2004).

Rauchen beeinflusst den Körper auf nahezu allen Ebenen, etwa werden Veränderungen des muskuloskelettalen, des pulmonalen, kardiovaskulären und endokrinen Systems berichtet1 (Lee, Patel, Biermann, & Dougherty, 2013; Tweed, Hsia, Lutfy, & Friedman, 2012). Zudem ist unbestritten, dass Zigarettenkonsum neurobiologische Änderungen im Gehirn und

kognitive Alterationen hervorruft. Rauchen steht beispielsweise im Zusammenhang mit einer Verringerung der kortikalen Dicke; dieser Effekt scheint sich mit längerfristiger Abstinenz wieder zurückzubilden (Karama et al., 2015; Li et al., 2015). Als akute Reaktion auf Nikotin kann beobachtet werden, dass es global zu einer Verringerung zerebraler Gehirnaktivität mit lokalen Steigerungen kommt, etwa im präfrontalen Kortex (PFC) und Thalamus (Swan

& Lessov-Schlaggar, 2007). Weiters gibt es Hinweise, dass Rauchen zu Änderungen der Metabolitenkonzentrationen führt, wie die Verstärkung der altersbedingten Absenkung von N-Acetylaspartat und Glutamat (Glu) im dorsolateralen präfrontalen Kortex (Durazzo et al., 2016; Durazzo, Meyerhoff, & Nixon, 2010). Sowohl die Studien von Durazzo et al. (2016) als auch von Karama et al. (2015) deuten darauf hin, dass chronischer Zigarettenkonsum

Alterungsprozesse des Gehirns beschleunigt, insbesondere in frontalen Arealen.

Jedoch bestehen weiterhin Unklarheiten darüber, wie genau Nikotin in den

Organismus eingreift (ein Überblick in Durazzo et al. (2010) und Pistillo et al. (2015)). Dies trifft besonders auf den menschlichen Organismus zu, da die meisten Erkenntnisse über die Wirkungsweise von Nikotin durch Tierstudien oder in vitro Experimente gewonnen wurden und deren Übertragbarkeit auf den Menschen häufig noch nachzuweisen bleibt (Durazzo et al., 2010; Pistillo et al., 2015).

Da bereits gezeigt werden konnte, dass Rauchen mit Veränderungen von bestimmten Metabolitenkonzentrationen assoziiert ist und der PFC eine entscheidende Rolle in

Suchtentstehung bzw. -aufrechterhaltung spielt, hat die vorliegende Studie zum Ziel zu untersuchen, inwieweit die GABA-Konzentration im inferioren präfrontalen Gyrus (IFG) durch Rauchen beeinflusst wird. Darüber hinaus wird der Einfluss des Geschlechts berücksichtigt.

Da die pharmakologische Wirkung Nikotins eine zentrale Komponente in der

Abhängigkeitsentstehung ist, wird zunächst ein Überblick über dieses Themengebiet gegeben (Benowitz, 2008). Weiters werden Erkenntnisse über die Interaktion zwischen Nikotin und Kognition sowie Nikotin und Geschlecht zusammengefasst. Derzeitige und mögliche zukünftige Behandlungsmöglichkeiten werden kurz besprochen.