Statistik II f¨ ur Betriebswirte Vorlesung 13
Dr. Andreas W¨ unsche
TU Bergakademie Freiberg Institut f¨ur Stochastik
20. Januar 2020
8. Stichprobenpl¨ ane zur Qualit¨ atskontrolle
I
Eingangs- und Endkontrolle
I Ziel: F¨ur Empf¨anger und Lieferanten ist sicherzustellen, dass die Ware den vereinbarten Bedingungen entspricht.
⇒ Ein Test, ob eine gewisse Ausschusswahrscheinlichkeitp¨uberschritten wird oder nicht, ist erforderlich.
I Als Testgr¨oße daf¨ur bietet sich die zuf¨allige Anzahl der Ausschussst¨uckeX in einer Stichprobe an.
I Problem: Bestimmung des erforderlichenStichprobenumfanges n und derAnnahmezahlc, d.h. einesStichprobenplanes (n,c), so dass dasProduzentenrisiko(d.h. die Ablehnung eines guten Postens) und dasKonsumentenrisiko (d.h. die Annahme eines schlechten Postens) vorgegeben klein sind. Der Stichprobenumfang sollte aus
Kostengr¨unden so klein wie m¨oglich sein.
I
Laufende Kontrolle einer Produktion, um zu pr¨ ufen, ob
Parameter der Produkte innerhalb vorgeschriebener Grenzen liegen
(z.B. unter Nutzung sogenannter Kontrollkarten).
Ideales Pr¨ ufverfahren
I
Ein ideales Pr¨ ufverfahren (bei dem keine Fehlentscheidungen getroffen werden) w¨ are eine fehlerfreie Totalkontrolle (d.h. eine fehlerfreie Kontrolle aller Teile des Postens).
I
Dies ist aber sehr oft nicht m¨ oglich oder nicht sinnvoll, wenn z.B.
I zerst¨orende Kontrollenangewendet werden;
I keine sorgf¨altige, durch geschultes Personal durchgef¨uhrte
Untersuchung m¨oglich w¨are, bedingt durch die zu große Anzahl der zu kontrollierenden Teile;
I die Kosten f¨ur eine solche Kontrolle zu hoch w¨aren.
8.1 Einstufige (n, c )-Stichprobenpl¨ ane
I
Geg.: Grundgesamtheit (=
” Los“,
” Posten“) vom Umfang N , darunter M Ausschussst¨ ucke (M ist unbekannt) .
I
Damit ist
p=
MN
ein unbekannter Ausschussanteil bzw. eine unbekannte Ausschusswahrscheinlichkeit .
I
Ein Posten mit einer Ausschusswahrscheinlichkeit von h¨ ochstens
pαist
gutund sollte mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden.
I
Ein Posten mit einer Ausschusswahrscheinlichkeit von mindestens
pβist
schlechtund sollte mit geringer Wahrscheinlichkeit angenommen werden.
I
Dabei muss gelten: p
α <p
β.
I
Es werden die folgenden zusammengesetzten Hypothesen getestet:
H
0: p
≤p
αgegen H
A: p
≥p
β.Verteilung der Testgr¨ oße und Approximationen
I
Testvorschrift: Ziehe Stichprobe vom Umfang
n. Die zuf¨ allige Anzahl der schlechten St¨ ucke
Xin der Stichprobe ist dann die Testgr¨ oße.
I
Verteilung der Testgr¨ oße: X
∼Hyp(N,M
,n) Hypergeometrische Verteilung.
I
Es werden auch Approximationen genutzt:
I Approximation durch die Binomialverteilung:
Hyp(N,M,n)≈Bin
n,M N
, falls n≤ N 20;
I Poissonapproximation:
Bin(n,p)≈Poi(np) , falls p≤0.05,n≥30 ;
I Normalverteilungsapproximation:
Bin(n,p)≈N(np,np(1−p)) , falls np(1−p)>9 ; (Satz von Moivre-Laplace als Form des zentralen Grenzwertsatzes) .
Testentscheidung, G¨ utefunktion und OC-Funktion
I
Entscheidung: entsprechend der
” Annahmezahl
c“ :x
≤c
⇒Annahme des Postens (des Loses, der Lieferung) ; x
>c
⇒Ablehnung des Postens (des Loses, der Lieferung) .
I
Problem: Bestimmung des einstufigen Stichprobenplanes (n,
c).
I
Hilfsmittel: G¨ utefunktion oder Operationscharakteristik.
I
G¨ utefunktion dieses Testes, d.h.
g (p) = P (X
>c
|p) = Ablehnwkt. des Postens in Abh. vonp
,I
bzw. Operationscharakteristik (OC-Funktion, Annahmekennlinie) L(p) = P (X
≤c
|p) = Annahmewkt. in Abh. vonp
.I
Wegen: L(p ) = 1
−g (p)
reicht es f¨ ur die weiteren Betrachtungen, die OC-Funktion zu nutzen.
OC-Funktion und ihre Approximationen
I
Zufallsgr¨ oße X : Anzahl der Ausschussst¨ ucke in der Stichprobe.
I
Wegen X
∼Hyp(N,M, n)
,L(p) = P(X
≤c|p)
,p = M N gilt
L(p) =
c
X
m=0 M m
N−M
n−m
N n
=:
LN,(n,c)(p) und n¨ aherungsweise
≈
c
X
m=0
n m
p
m(1
−p)
n−m=:
L(n,c)(p) falls n
≤N 20 ;
≈
c
X
m=0
(np)
mm!
e−np=:
L∗(n,c)(p) falls p
<0.05
,n
≥30 ;
≈
Φ c + 0.5
−np
pnp(1
−p )
!
=:
L∗∗(n,c)(p) falls np(1
−p)
>9
.Allgemeines qualitatives Aussehen von OC-Funktionen
n = 500
,c = 10
n = 500, c = 5 (rot) n= 1000
, c= 10 (blau) (Normalverteilungsapproximation)
Je gr¨ oßer n , desto
I
steiler ist die OC-Funktion;
I
kleiner werden die Wahrscheinlichkeiten f¨ ur Fehlentscheidungen;
I
teurer ist aber auch das Verfahren .
Bestimmung des Stichprobenplanes
I
Ein Stichprobenplan (n, c) ist bestimmbar, wenn man zwei Forderungen an die OC-Funktion stellt. ¨ Ublich sind z.B.
I die Vorgabe zweier Punkte der OC-Funktion (ab n¨achster Folie);
I die Vorgabe des Indifferenzpunktes und der Steilheit:
Indifferenzpunkt p0.5: Argument, bei dem der Funktionswert der OC-Funktion gleich 0.5 ist;
Steilheit h: Wert der 1. Ableitung der OC-Funktion beim Indifferenzpunkt.
(zur Bestimmung von (n,c) in diesem Fall siehe Literatur).
Vorgabe zweier Punkte der OC-Funktion
I
Forderung des Produzenten: Die Ablehnung eines
guten Postens(die Ausschussquote betr¨ agt h¨ ochstens
pα) darf h¨ ochstens mit Wahrscheinlichkeit
α, dies ist das
Produzentenrisiko, passieren, d.h.g (p
α)
≤αund damit
L(p
α)
≥1
−α .(1)
I
Forderung des Konsumenten: Die Annahme eines
schlechten Postens(die Ausschussquote betr¨ agt mindestens
pβ) darf h¨ ochstens mit Wahrscheinlichkeit
β, dies ist das
Konsumentenrisiko,passieren, d.h.
L(p
β)
≤β .(2)
I
Durch diese zwei Bedingungen (1) und (2) wird die gew¨ unschte
Steilheit der OC-Funktion erreicht.
8.1.1 Poissonverteilungsapproximation
I
Man nutzt folgenden Zusammenhang zwischen Poisson- und
χ2−Verteilung:Seien X
∼Poi(λ) undY
∼χ22m, dann gilt:
P(X
≥m) = P (Y
≤2λ)
.I
Es ist also (wobei X
∼Poi(np),Y
∼χ22(c+1))
L
∗(n,c)(p) = P (X
≤c ) = 1
−P (X
≥c + 1) = 1
−P (Y
≤2np)
.I
Folglich gilt (1):
L
∗(n,c)(p
α)
≥1
−α ⇔P (Y
≤2np
α)
≤α⇔
2np
α≤χ22(c+1);α.I
Analog gilt (2): L
∗(n,c)(p
β)
≤β ⇔2np
β ≥χ22(c+1);1−β.
Stichprobenplan bei Poissonverteilungsapproximation
I
Ergebnis: L
∗(n,c)erf¨ ullt sowohl die Produzenten- (1) als auch die Konsumentenbedingung (2) genau dann, wenn
χ22(c+1);1−β
2p
β ≤n
≤ χ22(c+1);α2p
α .I
Vorgehen bei L¨ osung: Man w¨ ahlt das kleinste c
∈N0mit
χ22(c+1);1−β2p
β < χ22(c+1);α2p
αund in diesem Intervall dann das kleinste n
∈N.
Beispiel 8.1 bei Approximation mit der Poissonverteilung
I
Beispiel 8.1:
α= 0.1 ;
β= 0.1 ; p
α= 0.01 ; p
β= 0.03 .
I
Suchen das kleinste c, so dass
χ22(c+1);1−β2p
β=
χ22(c+1);0.90.06
< χ22(c+1);0.10.02 =
χ22(c+1);α2p
α:
c 0 1 2 3 4 5
χ22(c+1);0.9
0.06 76.8 129.7 177.3 222.7 266.5
309.2
χ22(c+1);0.1
0.02 10.6 53.2 110.0 174.5 243.5
315.0
⇒
Der kleinste g¨ ultige Wert f¨ ur c ist
c= 5 und die kleinste nat¨ urliche
Zahl zwischen 309.2 und 315.0 ist dann
n= 310 .
8.1.2 Normalverteilungsapproximation
I
Benutzt man die Normalverteilungsapproximation L
∗∗(n,c)f¨ ur die Bedingungen an die Risiken, m¨ ussen gelten:
(1):
Φ c + 0.5
−np
αp
np
α(1
−p
α)
!
≥
1
−α ⇔c + 0.5
−np
αp
np
α(1
−p
α)
≥z
1−α⇔
c + 0.5
−np
α≥z
1−αp
np
α(1
−p
α) (2):
Φ c + 0.5
−np
β pnp
β(1
−p
β)
!
≤β ⇔
c + 0.5
−np
βp
np
β(1
−p
β)
≤z
β=
−z1−β⇔ −c −
0.5 + np
β ≥z
1−βq
np
β(1
−p
β)
.Stichprobenplan bei Normalverteilungsapproximation
I
Addiert man beide Ungleichungen erh¨ alt man n(p
β−p
α)
≥z
1−αp
np
α(1
−p
α) + z
1−βq
np
β(1
−p
β)
I
Hieraus ergibt sich f¨ ur n
n
≥"
z
1−αp
p
α(1
−p
α) + z
1−βp
p
β(1
−p
β) p
β−p
α#2
.
I
Stellt man beide Ungleichungen nach c um, so erh¨ alt man:
np
α+ z
1−αp
np
α(1
−p
α)
−0.5
≤c
≤
np
β−z
1−βq
np
β(1
−p
β)
−0.5
.Beispiel 8.1 bei Approximation mit der Normalverteilung
I
Beispiel 8.1:
α= 0.1 ;
β= 0.1 ; p
α= 0.01 ; p
β= 0.03 .
⇒
n
≥"
1.282
·√0.01
·0.99 + 1.282
·√0.03
·0.97 0.02
#2
= 299.7 .
I
n 300 . . . 312 313
np
α+ z
1−αp
np
α(1
−p
α)
−0.5 4.709 . . . 4.873 4.887 np
β−z
1−βp
np
β(1
−p
β)
−0.5 4.712 . . . 4.997 5.021 (Man erh¨ oht n
≥300 solange, bis das Intervall ein ganzzahliges c enth¨ alt.)
⇒
(n, c)-Stichprobenplan:
n= 313
, c= 5 .
I
Bemerkung: In diesem Beispiel liefert die Normalverteilung noch keine sehr gute Approximation, da z.B. f¨ ur p
α= 0.01 die
Forderung np
α(1
−p
α)
>9 erst f¨ ur n
≥910 erf¨ ullt ist !
8.1.3 Stichprobenpl¨ ane mit Statgraphics
I
Statgraphics arbeitet mit der hypergeometrischen Verteilung und nicht mit einer Poisson- oder Normalverteilungsapproximation.
I
In englischer/deutscher Version:
SPC
→Acceptance Sampling
→Attributes /
SPC
→Stichprobenpl¨ ane f¨ ur Abnahmepr¨ ufung
→Attributive Merkmale dort:
I ”OC/AOQL/LTPD plans”/
”OC/AOQL/LTPD Pl¨ane“ ausw¨ahlen;
I Lieferumfang (N) bei ”Lot size” /
”Losgr¨oße“ eintragen;
I α bei ”Producer’s risk (alpha)” /
”Produzentenrisiko (alpha)“
eintragen;
I β bei ”Consumer’s risk (beta)” /
”Konsumentenrisiko (beta)“
eintragen;
I pα bei ”Acceptance quality level (AQL)” /
”annehmbare Qualit¨atsgrenzlage“ eintragen;
I pβ bei ”Lot tolerance percent defective (LTPD)” /
”prozentuale Ausschußtoleranz f¨ur Lose“ eintragen;
I auf ”OK” dr¨ucken.
Beispiel 8.1 Statgraphics-Eingabe
Beispiel 8.1:
α= 0.1 ;
β= 0.1 ; p
α= 0.01 ; p
β= 0.03 .
F¨ ur die exakte Rechnung mit der hypergeometrischen Verteilung wird noch die Gr¨ oße des Postens ben¨ otig. Diese sei im Beispiel N = 100000.
Eingabe:
Acceptance Sampling for Attributes Lot size: 100000
Desired features Producer's risk (alpha): 10,0%
Consumer's risk (beta): 10,0%
Generated plan Sample size (n) = 307 Acceptance number (c) = 5 Plan attributes
Acceptable quality level (AQL): 1,0%
Producer's risk (alpha) = 8,9801%
Lot tolerance percent defective (LTPD): 3,0%
Consumer's risk (beta) = 9,96578%
Dr. Andreas W¨unsche Statistik II f¨ur Betriebswirte Vorlesung 13 Version: 14. Januar 2020 18
Beispiel 8.1 Statgraphics-Ergebnis
Acceptance Sampling for Attributes
Lot size: 100000 Desired features
Producer's risk (alpha): 10,0%
Consumer's risk (beta): 10,0%
Generated plan Sample size (n) = 307 Acceptance number (c) = 5 Plan attributes
Acceptable quality level (AQL): 1,0%
Producer's risk (alpha) = 8,9801%
Lot tolerance percent defective (LTPD): 3,0%
Consumer's risk (beta) = 9,96578%
Dr. Andreas W¨unsche Statistik II f¨ur Betriebswirte Vorlesung 13 Version: 14. Januar 2020 19
Beispiel 8.1 OC-Funktion des Statgraphics-Ergebnisses
Analyse der Poissonverteilungsapproximation
Bei der Poissonverteilungsapproximation erh¨ alt man den (n, c)-Stichprobenplan mit
n= 310 und
c= 5 .
Eingabe:
Acceptance Sampling for Attributes Lot size: 100000
Existing plan Sample size (n) = 310 Acceptance number (c) = 5 Plan attributes
Acceptable quality level (AQL): 1,0%
Producer's risk (alpha) = 9,29883%
Lot tolerance percent defective (LTPD): 3,0%
Consumer's risk (beta) = 9,48633%
Dr. Andreas W¨unsche Statistik II f¨ur Betriebswirte Vorlesung 13 Version: 14. Januar 2020 21
Statgraphics-Ergebnis beim (n, c )-Plan der Poissonverteilungsapproximation
Acceptance Sampling for Attributes
Lot size: 100000
Existing planSample size (n) = 310 Acceptance number (c) = 5
Plan attributesAcceptable quality level (AQL): 1,0%
Producer's risk (alpha) = 9,29883%
Lot tolerance percent defective (LTPD): 3,0%
Consumer's risk (beta) = 9,48633%
Dr. Andreas W¨unsche Statistik II f¨ur Betriebswirte Vorlesung 13 Version: 14. Januar 2020 22
Analyse der Normalverteilungsapproximation
Bei der Normalverteilungsapproximation erh¨ alt man den (n, c)-Stichprobenplan mit
n= 313 und
c= 5 .
Eingabe:
Acceptance Sampling for Attributes Lot size: 100000
Existing plan Sample size (n) = 313 Acceptance number (c) = 5 Plan attributes
Acceptable quality level (AQL): 1,0%
Producer's risk (alpha) = 9,62358%
Lot tolerance percent defective (LTPD): 3,0%
Consumer's risk (beta) = 9,02691%
Dr. Andreas W¨unsche Statistik II f¨ur Betriebswirte Vorlesung 13 Version: 14. Januar 2020 23