Karlsruher Institut f¨ur Technologie Institut f¨ur Theorie der Kondensierten Materie Moderne Theoretische Physik III (Theorie F – Statistische Mechanik) SS 17
Prof. Dr. Alexander Mirlin Blatt 2
PD Dr. Igor Gornyi, Janina Klier Besprechung: 05.05.2017
1. Carnot-Prozess f¨ur das ultrarelativistische Bosegas:
(10 + 15 + 5 + 5 = 35 Punkte) Wir betrachten ein ultrarelativistisches Gas von Bosonen (TemperaturT, Volumen des Systems V). Die innere Energie U und der Druck p dieses Systems erf¨ullen
U =σV T4, p=U/3V, (1)
wobei σ die Stefan-Boltzmann Konstante bezeichnet. Das chemische Potential des ul- trarelativistischen Bosegases verschwindet: µ= 0.
(a) Bestimmen Sie die Entropie des Systems S(T, V) als Funktion von Temperatur und Volumen, indem Sie von der inneren EnergieU(T, V) ausgehen. Geben Sie die Abh¨angigkeit des Drucks vom Volumen in einem adiabatischen Prozess an.
L¨osung:
Um die Entropie S(T, V) zu berechnen beginnen wir mit dem ersten Hauptsatz zusammen mit der thermodynamischen Definition der Entropie (bei fester Teil- chenzahl)
dU =T dS−pdV =T∂S
∂T V
dT +
T∂S
∂V T
−p
dV (2)
Die Ableitungen der Entropie sind daher gegeben durch
∂S
∂T
V = 4V σT2, (3)
∂S
∂V
T = 4
3σT3. (4)
Integration dieser Gleichungen ergibt S = 4
3V σT3+a, (5)
wobei die unbekannte Konstante a von der Teilchenzahl abh¨angt. F¨ur den Fall von konstanter Teilchenzahl ist diese Konstante irrelevant und kann Null gesetzt werden.
F¨ur den adiabatischen Prozess gilt S= const. Daher,
V T3 = const, (6)
V p3/4 = const. (7)
(b) Analysieren Sie einen geschlossenen Carnotzyklus f¨ur das ultrarelativistische Bose- gas. Berechnen Sie Arbeit, die vom System in jedem Schritt geleistet wird und die
Abbildung 1: Carnot-Prozess (aus der Vorlesung)
W¨arme, die vom System w¨ahrend der isothermen Expansion (Kompression) aufge- nommen (abgegeben) wird. Bestimmen Sie den Wirkungsgrad der Carnot-Maschine als Funktion vonT1 und T2.
L¨osung:
Wir beginnen die Analyse des Carnot-Prozesses (s. Abb. 1) mit den Isothermen (T =T2). Aus U =σV T4 und p=U/3V folgt, dass der Druck
p= σT4
3 (8)
unabh¨angig vom VolumenV ist. Daher ¨andert eine isotherme Expansion (V2 →V20) den Druck nicht, d.h. sind die Isotherme Linien mitp= konst. parallel zurV-Achse imp−V Diagramm (Abb. 1).
Die verrichtete Arbeit des Systems ist durch W2→20 =
Z V20
V2
pdV = σT24
3 (V20 −V2) (9)
gegeben. Die ¨Anderung der inneren Energie ist
∆U2→20 = Z V20
V2
∂U
∂V T
dV =σT24(V20 −V2). (10) Daraus resultiert die W¨arme, die das System w¨ahrend der isothermen Expansion aufnimmt, mit
Q2 = ∆U2→20 +W2→20 = 4
3σT24(V20 −V2). (11) Im n¨achsten Schritt betrachten wir die adiabatische Ausdehnung V20 → V1, T2 → T1. Aus
p=− ∂U
∂V S
= 1 3
U V
folgt f¨urS = const, dass
dU
U =−1 3
dV
V . (12)
Dies ergibt U ∼ V−1/3. Da U eine extensive Gr¨oße ist und die einzige andere extensive Gr¨oße die Entropie ist, muss die innere Energie sich wieU =αS4/3V−1/3 verhalten, wobeiα eine Konstante ist. Das ist wiederum gleichσV T4, das
σ α
3/4
V T3 =S (13)
ergibt. Daher gilt
V T3 = konst. (14)
entlang der Adiabate (S = const,δQ= 0). Das Volumen der Expansions ist gegeben durch
V1 =V20T23
T13. (15)
Mit dem ersten Hauptsatz finden wir die vom System verrichtete Arbeit:
W20→1 =−∆U20→1 =σT24V20 −σT14V1 =σV1T13(T2−T1). (16) Gleichung (14) f¨uhrt auch zu
V10 =V2T23
T13 (17)
sodass die letzte Adiabate den Anfangszustand erreicht. In Analogie mit der iso- thermen Expansion 2→20 folgt:
W1→10 = Z V10
V1
pdV = σT14
3 (V10 −V1) = σV2T1T23
3 (V2−V20)<0 (18) und
∆U1→10 = Z V10
V1
∂U
∂V T
dV =σT14(V10 −V1) = σV2T1T23(V2−V20). (19) Daher ist die ¨Anderung der letzten W¨arme f¨ur die isotherme Kompression (T = T1, V1 →V10)
Q1 = ∆U1→10 +W1→10 = 4
3σT14(V10 −V1)
= −4
3σT1T23(V20 −V2). (20) F¨ur die adiabatische Kompression (V10 → V2, T1 → T2) erhalten wir analog zu 20 →1:
W10→2 =−∆U10→2 =σT24V2−σT14V10 =σV2T23(T2−T1). (21) Daraus resultiert eine endliche ¨Anderung der W¨arme im Gesamtprozess
Q2+Q1 = 4
3σ(T2 −T1)T23(V20 −V2)>0. (22) und daher wurde Arbeit
∆W = I
δQ=Q2− |Q1|>0
verrichtet.
Der Wirkungsgrad des Carnot-Prozess ist η= geleistete Arbeit
absorbierte W¨arme = ∆W
Q2 = 1−|Q1|
Q2 = 1− T1
T2. (23) Der Wirkungsgrad ist universell, er h¨angt nicht von den Eigenschaften des Gases ab.
(c) Berechnen Sie das Integral
∆S = I δQ
T , (24)
¨uber den Carnot-Prozess f¨ur das ultrarelativistische Bosegas. Dabei bezeichnet δQ die infinitesimale Menge an W¨arme die vom System aufgenommen wird und das Integral l¨auft ¨uber den kompletten Carnot-Prozess.
L¨osung:
∆S = Q2 T2 + Q1
T1 = 0, (25)
das zeigt, dass die Entropie tats¨achlich eine Zustandsvariable ist.
(d) Untersuchen Sie denselben Carnot-Prozess in der umgekehrten Richtung (die iso- therme Kompression des Gases findet bei der h¨oheren Temperatur T1 statt). Was ist der Zweck dieses Prozesses? Berechnen Sie die W¨arme, die im Prozess aus dem kalten W¨armebad entnommen wird und vergleichen Sie sie mit der Arbeit, die von einer externen Maschine geleistet wird um den Prozess zu durchlaufen.
L¨osung:
Wenn der Carnot-Prozess in umgekehrter Reihenfole durschlangen wird, arbeitet die Maschine als W¨armepumpe (K¨uhlmaschine).
Der erste Prozess ist dann die adiabatische Expansion 2→ 10. Im zweiten Prozess 10 →1, isotherme Expansion bei TemperaturT1 vonV10 nachV1, nimmt das System W¨arme auf, die dem zu k¨uhlenden Reservoir entzogen wird. Um die Menge der extrahierten W¨arme aus dem K¨altereservoir. im umgekehrten Prozess zu erhalten, m¨ussen die Volumen V2 und V20 ausgetauscht werden:
Q˜1 = 4
3σT1T23(V20 −V2) = −Q1. (26) Die Arbeit muss von einer externen Maschine aufgewendet werden:
∆ ˜W = −∆W =−4
3σ(T2−T1)T23(V20 −V2), (27) Q˜1
|∆ ˜W| = T1
T2−T1 (28)
2. Elastisches Band (5 Punkte +15 Bonuspunkte) F¨ur ein elastisches Band der L¨ange L bei der Temperatur T und unter der Spannung σ (nicht mit der Stefan-Boltzmann-Konstante aus Aufgabe 1 zu verwechseln) wurden experimentell folgende Beziehungen gemessen
∂σ
∂T
L
= aL L0
"
1− L0
L 2#
, (29)
∂σ
∂L
T
= aT L0
"
1 + L0
L 2#
. (30)
Hier bezeichnet L0 die L¨ange des ungedehnten Bands, die als temperaturunabh¨angig angenommen wird, und a eine Konstante ist.
(a) Bestimmen Sie die Zustandsgleichung des Systems, d.h. finden Sie die Spannung als Funktion von T und L.
L¨osung:
Integration der ersten Gleichung ¨uberT bei konstanter L¨ange L f¨uhrt zu σ(T, L) = TaL
L0
"
1− L0
L 2#
+h1(L), (31)
wobeih1(L) eine unbekannte Funktion ist.
Ahnlich, integrieren wir die zweite Gleichung ¨¨ uberL bei konstanter Temperatur T und erhalten
σ(T, L) = TaL L0
"
1− L0
L 2#
+h2(T) (32)
wobeih2(T) eine unbekannte Funktion ist.
Der Vergleich von Gl. (31) und (32) f¨uhrt zu h1(L) = h2(T) = h, wobei h eine Konstante ist. Wir sehen, dass f¨ur h= 0 die Spannungσ f¨ur L=L0 verschwindet.
Daher lautet die Zustandgleichung σ(T, L) =TaL
L0
"
1− L0
L 2#
. (33)
(b) Das Band werde nun von einer anf¨anglichen L¨ange L0 und Temperatur T0 auf adiabatische und reversible Weise auf eine finale L¨ange L1 gedehnt. Berechnen Sie die finale TemperaturT1.
Hinweis:die ¨Anderung der inneren EnergieU des Bandes ist durchdU =T dS+σdL gegeben, wobeiσdLdie Arbeit bezeichnet, die verrichtet wird um das Band um die Strecke dL zu dehnen. Es gilt:
∂S
∂L
T
=− ∂σ
∂T
L
. (34)
Nehmen Sie an, dass die spezifische W¨arme bei konstanter L¨ange eine lineare Funk- tion von T ist.
L¨osung:
Aus
dU =T dS+σdL (35)
und Gl. (34) erhalten wir ∂U
∂L
T
= T ∂S
∂L
T
+σ =−T ∂σ
∂T
L
+σ = 0, (36)
wobei wir in der letzten Zeile die Zustandsgleichung (33) verwendet haben um abzuleiten, dass
∂σ
∂T
L
= σ T. Die Identit¨at
∂U
∂L
T
= 0
sagt uns, dass die innere Energie nur eine Funktion der Temperatur ist (wie im Fall des idealen Gases). Dann ist dU =c(T)dT, wobei c(T) nur von T abh¨angt (in der Tat ist c(T) die spezifische W¨arme cL(T) bei konstanter L¨ange).
In Kombination mit Gleichung (35) f¨uhrt dies zu dS =c(T)dT
T − σ(T, L)
T dL. (37)
Im n¨achsten Schritt k¨onnen wir Gleichnung (37) integrieren um den Entropieunter- schied ∆S zwischen den Zust¨anden (T0, L0) und (T1, L1) zu finden:
∆S = Z T1
T0
dTc(T) T − a
L0
Z L1
L0
dLL
"
1− L0
L 2#
= g(T1)−g(T0)− aL0 2
"
L1 L0
2
−2 lnL1 L0 −1
#
. (38)
F¨ur eine beliebige Funktion c(t) ist die Funktion g(t) als unbestimmtes Integral g(t) = R
dtc(t)/t definiert. F¨ur die adiabatische Dehnung ∆S = 0, erhalten wir daher
g(T1) =g(T0) + aL0 2
"
L1 L0
2
−2 ln L1 L0
−1
#
. (39)
Aufl¨osen dieser Beziehung nach T1 mit einer gegebenen Funktion c(t) ergibt die Endtemperatur als Funktion von L1.
Wenn die spezifische W¨arme bei konstanter L¨ange eine lineare Funktion von T ist, haben wirc(t) =γt mit γ = const. Damit folgt:
g(t) = γt und
T1 =T0+aL0
2γ
"
L1
L0 2
−2 lnL1
L0 −1
#
. (40)
3. W¨armeaustausch mit einem Reservior (15 Punkte) Wir betrachen ein SystemO2, das mit einem W¨armereserviorO1 mit TemperaturT1 in Kontakt gebracht wird. Die Volumina beider Systeme seien konstant. Teilchenaustausch zwischenO1 undO2 sei nicht m¨oglich. Die ¨Anderung der inneren Energie vonO1 erfolgt nur durch W¨armeaustausch, dU1 = δQ1 = T1 dS1. Das Reservoir O1 sei so groß, dass T1 sich beim W¨armeaustausch praktisch nicht ¨andert, und somit Zustands¨anderungen von O1 reversibel sind. Das Gesamtsystem aus O2 und O1 sei abgeschlossen. Welche Bedeutung hat das f¨ur eine infinitesimale Energie¨anderung der Teilsysteme? Geben Sie die einzelnen Beitr¨age allein durch die ¨Anderung der extensiven Variablen U2 und S2 an, und zeigen Sie, dass
dU2−T1 dS2 ≤0 (41)
gilt.
L¨osung:
Gesamtsystem abgeschlossen:
dUtot = 0.
Gesamt¨anderung setzt sich aus ¨Anderungen der Teilsysteme zusammen:
0 = dUtot =dU1+dU2 =δQ1 +dU2 ⇒dU2 =−δQ1. W¨armeaustausch zwischenO2 und O1:
δQ2 =−δQ1 =−T1dS1. Zweiter Hauptsatz:
0≤dStot =dS2+dS1 ⇒
dU2−T1 dS2 ≤0 (42)
Abbildung 2: CATS Musical Werbung