Die Schweiz als Drittstaat zur EU:
Einfluss auf IVD-Medizinprodukte
19. Januar 2022
Daniel Delfosse, Dr.sc.techn., Leiter Regulation & Innovation
daniel.delfosse@swiss-medtech.ch
Die Schweiz und IVDR
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IVDR regelt Inverkehrbringung von Produkten im EU-Binnenmarkt EU-Marktzutritt für Firmen weltweit
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IvDV = Medizinprodukteverordnung (äquivalent zu MDR) CH-Marktzutritt für Firmen weltweit
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MRA = Mutual Recognition Agreement Kap. 4 (von 20) Medizinprodukte Abbau technischer Handelshemmnisse CH-EU
Privilegierter Marktzutritt für CH- und EU-Firmen
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CH als Drittstaat: Wie kam es dazu?
InstA
CH als Drittstaat
Interview mit Bundesrat Parmelin
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Drittstaat: Notwendigkeit eines Bevollmächtigten
(«Authorised Representative»)
EU:
Schweiz wird unter MDR/IVDR zu Drittstaat für EU-Binnenmarkt
EU will bei Vorkommnissen Zugriff auf EU-Firma (für Behörden und Patienten)
EC-REP für alle CH-Medizinprodukte in EU nötig (Art. 11 MDR/IVDR) 350 CH-Hersteller → 350 EC-REPs
Schweiz:
Güterabwägung durch Behörden und Bundesrat (Äquivalenz zur MDR, Produktsicherheit, Versorgungssicherheit, Vollzugsfähigkeit)
CH-REP für alle in der Schweiz verwendeten MP nötig (Art. 44 IvDV) 5’000 ausländische Hersteller → 5000 CH-REPs
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Die Rolle des CH-REP
Analoge Aufgaben (Art. 51 MepV, Art. 44 IvDV) wie EC-REP (Art. 11 MDR, IVDR)
• Überprüfen der Einhaltung von Registrierungsvorschriften (u.a. CHRN, UDI)
• Überprüfen, dass Konformitätserklärung und technische Dokumentation erstellt wurden
• Zugriff innert 7 Tagen auf Kopie der technischen Dokumentation garantieren
• Melden von Vorkommnissen und Beschwerden
• Kooperation mit den Behörden bei Korrekturmassnahmen und Produkttests
• Zugriff zu PRRC (ortsunabhängig)
Zusätzliche Aufgaben (Art. 51.2 & 66.2bis MepV)
• Verantwortung für die formalen und sicherheitsrelevanten Aspekte des Inverkehrbringens des Produkts Solidarische Haftung mit Hersteller für fehlerhafte Produkte auf CH-Markt
• Einreichung von Trendberichten, Abschlussberichten zu schwerwiegenden Vorkommnissen und Sicherheitskorrekturmassnahmen bei Swissmedic
https://www.swiss-medtech.ch/news/mdr-portal
Schweiz vs. EU
Marktattraktivität (Marktgröße, Preisniveau)
• EU: 446 Mio. Einwohner (ohne UK und CH)
• UK: 66 Mio. Einwohner (15% der EU)
• CH: 8 Mio. Einwohner (2% der EU)
Ausländischer Hersteller muss sich überlegen, ob es Sinn macht, die Märkte zu beliefern.
Ziel: Die Versorgung der Schweizer Patienten mit Medizinprodukten bleibt auf heutigem Niveau
Das regulatorische Umfeld bleibt für Schweizer und ausländische Medtech-Firmen attraktiv
Import hurdles
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Labelling MDD/IVDD- Produkte
Labelling MDR/IVDR- Produkte Benennung
CH-REP
Wie viele der 5000 ausländischen Firmen werden die Hürden überqueren?
Showcase: Versorgung mit medizinischen Gasen
(Fehlendes Zubehör und Verbrauchsmaterial)
• Anbieter für medizinische Gase (Firma C): x'000 Betroffene in der Schweiz
• Anwendungsgebiete: Beatmungstherapie, Anästhesie, Neonatologie, Rettungseinsatz
• Anzahl Hersteller: 80, davon >70 aus Ausland brauchen CH-REP
• Viele Zubehör-Lieferanten: wenig Umsatz in CH, kein Interesse an CH-REP
Wie stark ist die Versorgung der Schweiz dadurch gefährdet?
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Verhältnismässigkeit
Ist die Massnahme (Labelling des CH-REP) ausgewogen?
4000 Vorkommnisse pro Jahr (Vigilanz-Meldungen an Swissmedic)
aber
Kein Zugang zu EU-Datenbank
1 Million Zusatzetiketten pro Tag
200 bis 400 zusätzliche Mitarbeiter
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CH als Drittstaat: Wo stehen wir jetzt?
Revidierte MepV (26.05.2021), Merkblätter Swissmedic
(26.05.2021 bis heute):
Labelling von CH-REP und Importeur auf Verpackung (1 Mio. pro Tag)
Kurze Übergangsfristen für MDD-Produkte (7/10/14 Monate)
Position Swiss Medtech (Forderung an BAG und
Swissmedic, Aug.-Dez. 2021):
Keine Kennzeichnung von CH-REP & Importeur für MDD-Produkte
Keine Kennzeichnung des CH-Importeurs für MDD- &
MDR-Produkte
Klärung bezüglich Direkt- &
Parallelimport
Rechtliche Unsicher-
heit
Hoher, ev. unnötiger Aufwand Risiko von Nonkonformität
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Import (MepV & IvDV):
Neue MepV hat Unklarheiten generiert
über 900 Anfragen bei SMT, >500 bei BAG, >1’000 bei Swissmedic
laufende Klärung der offenen Fragen (Labelling, CH-REP, PRRC, Import)
5’000 ausländische Hersteller benötigen CH-REP mit kurzer Übergangsfrist
Gefahr für Versorgungssicherheit für CH-Patienten in 2022
Pragmatische Lösung in letzter Minute für Labelling (30.12.2021)
Pragmatische Lösung zum Direktimport (07.01.2022)
Probleme mit dem Parallelimport sollen bis Februar 2022 gelöst werden Alles, was für MepV gilt, wird auch für IvDV gelten
Import: Probleme als Drittstaat
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Vernehmlassung:
14.04.2021: Start ordentliche Vernehmlassung zu IvDV und KlinV-Mep
01.07.2021: Vernehmlassungsantwort von Swiss
Medtech und SVDI nicht anwendbar, muss grund- sätzlich überarbeitet werden (Nichtaktualisierung MRA)!
24.11.2021: Runder Tisch BAG mit Verbänden
Einführung der revidierten IvDV und KlinV-Mep:
Publikation geplant im April 2022
26.05.2022: Inkrafttreten IvDV & KlinV-Mep
Einführung der IvDV
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Aussage der EU-Kommission (Notice to stakeholders,
26.05.2021):
Keine Übergangsfrist für den Export nach EU
→ EAR und Labelling ab 27.05.2021
CH-Zertifikate ungültig
Position Medtech-Europe
(09.08.2021, basierend auf Sidley- Memorandum vom 02.07.2021):
Übergangsfrist für MDD- Produkte gemäss Art. 120 MDR («grace period»)
→ Kein Labelling des EAR
CH-Zertifikate bleiben gültig
Rechtliche Unsicher-
heit
Hoher, ev. unnötiger Aufwand Risiko von Nonkonformität
CH als Drittstaat: Wo stehen wir jetzt?
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Export (MDR & IVDR):
300 CH-Hersteller mit gültigen Zertifikaten (EU-NB)
brauchen EC-REP ohne Übergangsfrist
erhöhte Kosten für Aufwand des EC-REP
54 CH-Hersteller (und 8 EU-Hersteller) «ohne gültige SQS-Zertifikate»
(EU Commission: Notice to Stakeholders, 26.05.2021)
Umsatzverlust in EU
brauchen EU-NB, Systemzertifikat, Produkt-Zertifikate unter MDR (min. 1,5 Jahre)
Klage von 8 betroffenen CH-Unternehmen am 8.12.2021 vor dem EU-Gericht eingereicht
Alles, was für MDR gilt, wird auch für IVDR gelten
Schweizer IVD-Hersteller brauchen EC-REP ab 26.05.2022
Keine Probleme wegen CH-Zertifikaten, da kein CH-NB
Export: Probleme als Drittstaat
Versorgungsproblematik
− 2022: Import von Medizinprodukten (nur CH, fehlendes MRA)
− 2023: Import von IVD-Produkten (nur CH, fehlendes MRA)
− 2024: CE-markierte Medizinprodukte (EU, fehlende MB-Kapazität)
− Ab 2025: CE-markierte IVD-Produkte (EU, fehlende MB-Kapazität)
EU-Politik
− MRA Update unwahrscheinlich (abhängig von institutionellen Fragen)
− Ende 2023: Urteil des EU-Gerichts zu Export von SQS-zertif. Produkten
Schweizer Medizintechnik-Branche
− Kampf mit ungleich langen Spiessen vs. EU-Wettbewerber
− Öffnung für ausser-EU Regulierungen (US-FDA, UKCA, Japan-PMDA)?
Motion Damian Müller 20.3211
Zukunftsprognose
Vision Swiss Medtech
Die Schweiz ist der weltweit attraktivste Standort für die Entwicklung und Fertigung von komplexen, innovativen Medizinprodukten
Realität für Schweizer Medtech-Industrie
Probleme für Export von Schweizer Medizinprodukten in die EU
Probleme für Import von Medizinprodukten in die Schweiz
Attraktivitätsverlust schleichend aber nachhaltig
Take Home Message I
Ratschlag von Swiss Medtech an alle CH-Hersteller:
1. Ernennen Sie bis 26.05.2022 einen EC-REP.
Ratschlag von Swiss Medtech an alle CH-Importeure:
1. Stellen Sie sicher, dass der ausländische Hersteller für seine in die Schweiz exportierten Medizinprodukte vor Ende der Übergangsfristen (IvDV) einen CH-REP ernannt hat.
2. Stellen Sie sicher, dass der CH-REP und der Importeur bei altrechtlichen Produkten min.
auf dem Lieferschein angegeben ist.
3. Stellen Sie sicher, dass der CH-REP bei neurechtlichen Produkten auf dem Produkt oder der Verpackung (z.B. Etikette) angegeben ist.
Idealerweise sollen möglichst viele ausländische Hersteller im Rahmen der Umstellung von IVDD zu IVDR den CH-REP direkt auf der Produktkennzeichnung angeben.