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Archiv "Unikliniken: Flexibler und wirtschaftlicher" (22.12.1997)

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A-3457

P O L I T I K AKTUELL

Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 51–52, 22. Dezember 1997 (21)

J

enseits der Landesgrenzen wurde es kaum bemerkt: Als erstes Bun- desland hat Sachsen-Anhalt die Universitätsklinika in Halle und Magdeburg neu geordnet. Das „Ge- setz zur Entwicklung der medizini- schen Fachbereiche“ trat vor rund ei- nem Jahr in Kraft, zum 1. Januar 1997.

Die Klinika wurden damals in Lan- desbetriebe umgewandelt.

Rheinland-Pfalz folgte: Mitte Ju- ni 1997 beschloß der Landtag, das Kli- nikum der Mainzer Universität aus der Obhut der Uni zu entlassen. Bis zum 1. Januar 1998 wird es in eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts umgewandelt sein. Mitte No- vember passierte schließlich ein Ge- setzentwurf zur Reform der Hoch- schulmedizin den Landtag in Baden- Württemberg.

Die drei Bundesländer werden nicht die letzten sein, die die Medizi- nischen Fakultäten und besonders die Universitätsklinika umgestalten (sie- he nebenstehenden Kasten). Ziel ist überall eine größere organisatorische und finanzielle Eigenverantwortung des Klinikums. Doch was bedeutet das für die Medizinische Fakultät und die Universität im ganzen?

Antworten hierauf gaben Mitte November die Teilnehmer einer Dis- kussionsveranstaltung zum Thema

„Amputierte Universität – Hochschu- le ohne Medizin?“ in Bonn. Veranstal-

ter war die Deutsche Universitätszei- tung (DUZ). Eingeladen waren nam- hafte Repräsentanten von Universitä- ten, Ministerien und Organisationen wie dem Wissenschaftsrat. Diskutiert wurde in erster Linie darüber, ob die neuen Landesgesetze tatsächlich ge- eignet sind, die Probleme der Medizin an den Hochschulen zu lösen.

Daß etwas geschehen muß, ist im Grunde allen Beteiligten klar. Zuletzt hatte der Wissenschaftsrat 1995 eine tiefgreifende Umstrukturierung der Hochschulen empfohlen (siehe auch DÄ 6/1995). Das Gremium hatte sei- nerzeit unter anderem vorgeschlagen, die Wirtschaftsführung des Kranken- hausbetriebs so weit wie möglich zu schulen, mehr Geld für Lehrmittel

und Literatur sowie für mehr Lehr- personal, das stärker nach Qualifika- tionen ausgewählt wird und sich in Di- daktik und Unterrichtsmethoden wei- terbilden muß. Schließlich fordern die Studenten, den Sozialabbau zu stop- pen, denn: „Soziale Schichtung spielt für die Verteilung von Gesundheit ei- ne bedeutende Rolle.“ Als Mediziner

müßten sie sich somit auch für eine ausgeglichene Gesellschaft einsetzen.

Forderungen stellten jedoch nicht nur die Studenten, jedenfalls bei der Diskussion in Köln: hier kritisierte Studiendekan Koebke die Arbeits- einstellung vieler Studierenden. Se- minarteilnehmer seien oft unmoti- viert, die Hörsäle leer, die Prüfungser- gebnisse schlecht. Er wünsche sich da

etwas mehr „Entgegenkommen“.

Schließlich plädierte er dafür, ver- mehrt Firmen als Geldgeber für das Studium zu gewinnen: „Die Lehre würde dadurch verbessert.“ Vielleicht müßten dann die Studenten die Abkürzung HRG, die eigentlich für „Hochschulrahmengesetz“ steht, nicht mehr interpretieren als „Haupt- sache Reich Geboren“. AE

Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg haben sich bereits entschieden, andere Bundesländer wollen folgen: Im- mer mehr Hochschulklinika werden verselbständigt. Ziel ist eine klarere Trennung zwischen Klinikum und Medizinischer Fakultät

sowie mehr Entscheidungsfreiheit für das Klinikum. Während ei- ner von der Deutschen Hochschul-Zeitung initiierten Veranstal- tung wurde deutlich: Hinter den Reformen der Hochschulmedizin stecken vor allem Sparzwänge.

In folgenden Bundesländern sind Gesetze zur Neuordnung der Hoch- schulmedizin verabschiedet worden oder in Arbeit:

lSachsen-Anhalt: Das Gesetz zur Entwicklung der medizinischen Fach- bereiche trat zum 1. Januar 1997 in Kraft.

lRheinland-Pfalz: Das Gesetz zur Umwandlung des Klinikums der Jo- hannes Gutenberg-Universität in Mainz tritt zum 1. Januar 1998 in Kraft.

l Baden-Württemberg: Das Ge- setz zur Reform der Hochschulmedizin tritt zum 1. Januar 1998 in Kraft. Die Universitätsklinika in Freiburg, Hei- delberg, Tübingen und Ulm werden – anders als in Rheinland-Pfalz – aus der Trägerschaft des Landes entlassen und als Anstalten des öffentlichen Rechts unter der Trägerschaft der jeweiligen Universität geführt.

lSchleswig-Holstein: Ein Gesetz- entwurf zur Neuordnung der Univer- sitätsklinika in Kiel und Lübeck liegt

vor. Sie sollen als rechtlich selbständige Einheiten rechtsfähige Anstalten der jeweiligen Hochschule werden. Die Aufsichtsräte der Klinika in Kiel und Lübeck sollen mit denselben Personen besetzt werden, um die Zusammenar- beit zu intensivieren.

lBayern: Der Ministerrat hat En- de Oktober einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Hoch- schulgesetzes gebilligt. Die Univer- sitätsklinika sollen demnach als ver- selbständigter Teil der Universitäten in Form eines Staatsbetriebes geführt werden, vergleichbar einem kommu- nalen Eigenbetrieb. Eine Experimen- tierklausel soll die Erprobung neuer Modelle der Organisation und der be- trieblichen Steuerung ermöglichen.

l Sachsen: Das Land strebt eine Änderung der Rechtsform der Hoch- schulklinika an. Ein kürzlich vorgeleg- tes erstes Gutachten empfiehlt hierfür die Form einer gemeinnützigen Stif- tung privaten Rechts. Rie

Reform der Hochschulen

Uniklinika müssen Neuland betreten

Unikliniken: Flexibler und wirtschaftlicher

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verselbständigen und die Kompeten- zen der Klinikumsleitung insbeson- dere gegenüber dem zuständigen Landesministerium zu vergrößern.

Schließlich forderte der Wissen- schaftsrat, endlich die Budgets für Krankenversorgung einerseits und Forschung und Lehre andererseits auseinanderzuhalten.

Prof. Dr. Jürgen Zöllner, Staats- minister für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung in Rheinland- Pfalz, nutzte seinen Eröffnungsvor- trag beim DUZ-Forum zu einer Dar- stellung des in seinem Bundesland Er- reichten. Das Gesetz zur Reform der Hochschulmedizin sei ihm nicht nur Pflichterfüllung gewesen, sondern in- neres Anliegen. Es liege ihm daran, daß sich die Strukturen in der Medizin weiterentwickelten, damit es auch in Zukunft tatsächlich noch Forschung und Lehre gebe. Weshalb Reformen notwendig sind, verdeutlichte Zöllner mit folgenden Thesen:

❶Ohne eine klare Trennung der Budgets werden Lehre und For- schung in der klinischen Medizin ihre Basis verlieren. Die finanzielle Aus- stattung des Gesundheitswesens wird sich nach seiner Auffassung eher ver- schlechtern – mit Folgen für die Be- zahlung von Lehre und Forschung.

❷ Zu einer Strukturreform des Klinikums mit dem Ziel einer größe- ren Selbständigkeit gibt es keine Al- ternative. Entscheidungskompetenz, Handlungsfähigkeit und das Tragen von Folgen müssen zusammenge- bracht werden. Dem stehe, so Zöllner, das Führen eines Klinikums wie eine nachgeordnete Behörde entgegen.

Der Minister nannte als Freiräume des Klinikums in Zukunft die Stellen- hoheit, die Bauherrenfunktion und eine gewisse Planungsfreiheit. So soll es dem Mainzer Klinikum zum Bei- spiel möglich werden, Rücklagen für Investitionen zu bilden.

❸Die Universität wird durch die Verselbständigung des Klinikums nicht amputiert. Das Gesetz wirke im Gegenteil der Entfremdung von Fachbereich und Klinikum entgegen.

Schon heute sei das Klinikum faktisch abgekoppelt von der Universität, meinte Zöllner. Sie sei mit dessen Steuerung längst überfordert.

In der kontroversen Diskussion der Thesen Zöllners sowie des an-

schließenden Vortrags von Prof. Dr.

Georg Sandberger, Kanzler der Uni- versität Tübingen, war zunächst die empfohlenere stärkere Trennung der Budgets für Lehre, Forschung und Krankenversorgung Thema. Auch Zöllner gestand zu, daß selbst inner- halb eines Klinikums häufig nicht zu klären ist, ob Forschung und Lehre die Krankenversorgung subventio- nieren oder ob es nicht mancherorts umgekehrt ist.

Thomas A. H. Schöck, Kanzler der Universität Erlangen-Nürnberg, wies darauf hin, daß man gern die Trennung der „Töpfe“ verlange, aber nicht bereit sei, den Fakultäten die Mittel dazu an die Hand zu geben. In Erlangen beispielsweise habe er vor Jahren erst einmal um eine geeignete EDV kämpfen müssen. Dr. Klaus Volle, früher Kanzler der Universität Göttingen, vertrat die Auffassung, die Kostentrennung sei eher ein buchungs- technisches Problem. Mit seiner Lö- sung beantworte sich aber noch nicht

die Frage, wieviel Prozent des zur Ver- fügung stehenden Geldes jeweils für Forschung, Lehre und Krankenversor- gung aufgewendet werden sollten.

Differenziert waren die Auffas- sungen auch zum Punkt „größe- re Selbständigkeit des Klinikums“.

Zwar werden die Klinika formal in ei- ne größere Selbständigkeit entlassen.

In den neu geschaffenen Gremien, vor allem dem Aufsichtsrat, sind die Ländervertreter jedoch in der Mehr- heit oder zumindest nicht zu über- stimmen (siehe unteren Kasten). Das Problem sei nicht die Universitäts- bürokratie, sondern die Ministerial- bürokratie, kritisierte denn auch Wolfgang Matschke, Kanzler der Uni- versität Halle-Wittenberg. Das habe sich in der Vergangenheit zum Bei- spiel bei Diskussionen um Bauvorha- ben gezeigt. Insgesamt überwog die Skepsis: Die meisten Experten glau- ben offenbar nicht, daß die Länder ih- re Leinen wirklich lockern werden – außer in finanzieller Hinsicht.

Auf gewissen Widerspruch stieß auch die Auffassung, durch die Neu- ordnung der Klinika würden Medizi- nische Fakultät beziehungsweise Universität nicht amputiert. Einige Forumsteilnehmer meinten, daß die neuen Gesetze kontraproduktiv sei- en. Der Trend gehe heute doch eher in Richtung einer Vernetzung von Disziplinen, beispielsweise von Na- turwissenschaften und Medizin. Dr.

Klaus Anderbrügge, Kanzler der Universität Münster, urteilte, die Medizin verschätze sich, wenn sie sich viel von einer weiteren Ver- selbständigung verspreche. Sie solle statt dessen mehr „normale“ Fakul- tät werden.

Manche der Anwesenden konn- ten die Bedenken vieler Universitäts- vertreter nicht verstehen. Die Struk- turen müßten unbedingt verändert werden, meinte Prof. Dr. Gerhard Na- gel, Geschäftsführender Direktor der Klinik für Tumorbiologie. Die Klinik an der Universität Freiburg muß ihre Forschungsgelder zum Großteil selbst einwerben. Um ein Institut oder eine Klinik wirtschaftlich zu führen, brau- che man völlige Kostentransparenz.

Daß eine Hochschule für Forschung und Lehre Geld bekomme, ohne re- gelmäßig begutachtet zu werden, fin- det Nagel unsinnig. Sabine Rieser A-3458

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Führung wie im Großunternehmen

Die Gesetze und -entwürfe zur Neuordnung der Hochschulmedizin verbindet, daß die Leitungsstruktur der Klinika der von Großunterneh- men angeglichen werden soll. Bei- spiel Rheinland-Pfalz: Das Gesetz sieht als Organe des Mainzer Johan- nes Gutenberg-Klinikums vor

1 den Klinikvorstand, der das Klinikum leitet und selbständig die Geschäfte führt,

1den Klinikausschuß, der den Vorstand in grundsätzlichen Ange- legenheiten berät, sowie

1den Aufsichtsrat, der die be- trieblichen Ziele festlegt und der in allen grundsätzlichen Angelegen- heiten entscheidet.

Dem Aufsichtsrat gehören mehr- heitlich Vertreter der zuständigen Landesministerien und der Univer- sität an sowie beratend weitere Fachleute.

Diskussionen gab und gibt es in einzelnen Bundesländern besonders um die Vertretung des Personals in diesem Gremium. Sachsen-Anhalt ist übrigens das einzige Bundesland, in dem die Vertreter des Landes im Aufsichtsrat (dort: Verwaltungsrat) überstimmt werden können. Rie

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