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Archiv "Tschechischer Ärzteverband auf dem Weg zur Ärztekammer" (12.12.1990)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

KURZBERICHT

Tschechischer Ärzteverband

auf dem Weg zur Ärztekammer

Der tschechische Ärzteverband führte am 27. Oktober 1990 in Prag im Haus der tschechischen Eisen- bahner-Gewerkschaft, dem frühe- ren Ständehaus, die konstituierende Vertreterversammlung durch. In ba- sisdemokratischen Wahlen waren 500 Delegierte nominiert. Der große Sitzungssaal des Gewerkschaftshau- ses war nahezu vollständig besetzt, was das hohe Interesse der derzeit 15 000 Mitglieder aus dem gesamten Gebiet der tschechischen Republik an einer Entwicklung hin zu einer Ärztekammer dokumentierte. Be- sonders beeindruckte die angeneh- me Sitzungsatmosphäre der gut or- ganisierten Delegiertenversammlung in hoher parlamentarischer Kultur.

Die Delegierten repräsentierten alle Altersgruppen von Arzt' nnen und Ärzten. Lebendig und ausge- sprochen sachorientiert wurden die Regularien abgewickelt, so daß man sich des Eindrucks nicht erwehren konnte, daß 42 Jahre kommunisti- scher Diktatur nahezu spurlos am anscheinend tief verwurzelten demo- kratischen Verhalten vorüber gegan- gen sind. Die Delegiertenversamm- lung wählte einen neuen Vorstand sowie mehrere Ausschüsse, so bei- spielsweise eine Mandatskommissi- on, eine Vorschlagskommission, ei- nen Ausschuß zur Bildung der Ärz- tekammer sowie weitere Ausschüsse für Allgemeinmedizin, Finanzen, Organisationsfragen und zur Refor- mierung des Gesundheitswesens.

Hervorzuheben ist, daß der Vi- zepräsident des tschechischen Natio- nalrates (Landtag), der Chirurg Dr.

Petr Lom, in seiner Begrüßungsan- sprache den Delegierten des tsche- chischen Ärzteverbandes den Ent- wurf eines Gesetzes über die Ärzte- kammer auf dem Gebiet der tsche- chischen Republik feierlich übergab.

Er verband dies mit dem Verspre- chen, den Entwurf in den parlamen- tarischen Beratungsgang einzubrin- gen und sich intensiv dafür einzuset- zen, daß er im Frühjahr 1991 ab- schießend beraten wird. Ziel der

Verabschiedung dieses Gesetzes ist es, die Ärztekammer für Böhmen, Mähren und Schlesien offiziell wie- der zu begründen und ihr die Ge- setzesgrundlagen zu geben, die die ärztliche Selbstverwaltung benötigt.

Die Delegierten gewannen den Ein- druck, in Dr. Lom auch einen Garan- ten für eine rasche Entwicklung der Reform des Gesundheitswesens zu haben.

Auf Einladung des Vorstandes des tschechischen Ärzteverbandes nahmen als Ehrengäste der Ge- schäftsführende Arzt der Landesärz- tekammer Hessen, Dr. med. Michael Popovi, und der Vorsitzende des Ausschusses „Umwelt und Medizin"

der Landesärztekammer Hessen und der Bundesärztekammer, Prof. Dr.

Pavel Schmidt — auch in seiner Funk- tion als Berater des tschechischen Ärzteverbandes —, an der Versamm- lung teil. Dr. Popovih, der die Grüße der Bundesärztekammer und der Landesärztekammer Hessen über- brachte, begann unter großem Bei- fall sein Grußwort in tschechischer Sprache, bat jedoch um Verständnis dafür, weiter auf Deutsch vortragen zu dürfen, da Tschechisch doch nur seine Großmuttersprache sei. Er knüpfte an die demokratische Tradi- tion der ersten tschechoslowakischen Republik und die Verdienste des Präsidenten Massaryk an und erin- nerte an die Gründung der Landes- ärztekammern auf dem Gebiet der Länder des Königreichs Böhmen vor 100 Jahren. Bemerkenswert sei, daß die Ärztekammern bis zur kommuni- stischen Machtübernahme eigentlich gut funktioniert hätten.

Mit den Grüßen des Präsidenten der Bundesärztekammer, Dr. Kar- sten Vilmar, und ihres Vizepräsiden- ten, Dr. Helmuth Klotz, berichtete Dr. Popovic über den Besuch einer tschechischen Delegation des Ge- sundheitsministeriums Anfang Okto- ber in der Bundesrepublik Deutsch- land, welche sich bei Bundes- und Landesministerien sowie Organi- sationen im Gesundheitswesen, so

auch bei der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung, eingehend über das so- ziale Sicherungssystem und insbe- sondere die ambulante ärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland informiert hat. Er be- kräftigte die Auffassung der Bundes- ärztekammer, daß es gerade in An- betracht der Vereinigung der beiden Teile Deutschlands außerordentlich wichtig sei, die Probleme der ande- ren europäischen Länder nicht aus den Augen zu verlieren und nach Überwindung der Teilung Europas auch dort partnerschaftliche ärztli- che Beziehungen aufzubauen und weiterzuentwickeln, wie dies zum Beispiel schon mit Ungarn, Polen, Bulgarien und einigen Republiken der Sowjetunion geschehen ist.

Neue Krankenkasse

Der Gesundheitsminister, der Neurologe Dr. Martin Bojar, stellte die Notwendigkeit dar, nicht mehr über „Reformen" des Gesundheits- wesens zu sprechen, sondern dies, da es sich um eine derart große Umge- staltung handele, lieber als eine Neu- begründung des Gesundheitswesens zu bezeichnen. Er konkretisierte den Zeitbedarf für eine derart umfassen- de Reform auf etwa vier Jahre. Die erste Stufe soll im Jahre 1991 die Gründung einer allgemeinen Kran- kenkasse darstellen, welche als Pflichtversicherung für alle Bürger im Sinne einer Grundversicherung vorgesehen sei. Darüber hinaus soll jeder Bürger die Möglichkeit einer Zusatzversicherung erhalten, welche Wünschen und Möglichkeiten ent- sprechend abgeschlossen werden könnte. Diese sozialversicherungs- rechtliche Erstmaßnahme soll dazu beitragen, die Versorgung der tsche- chischen Bevölkerung zu verbessern und darüber hinaus die Vertragsbe- ziehung zwischen Arzt und Patient zu regeln. Darüber hinaus solle ein derartiges Versicherungssystem den Bürger dazu motivieren, selbst durch Veränderungen seines Lebensstiles

und seiner Gewohnheiten im Sinne

einer gesunden Lebensführung an einer selbstverantwortlichen Primär- prävention mitzuwirken.

Dt. Ärztebl. 87, Heft 50, 13. Dezember 1990 (23) A-4003

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

DAS FORUM

Am Rande der Tagung hatten die beiden deutschen Vertreter Ge- legenheit, zahlreiche Gespräche zu führen, insbesondere mit dem Ge- sundheitsminister Bojar, dem Natio- nalrats-Vizepräsidenten Lom, dem Vorsitzenden des tschechischen Ärz- teverbandes Dr. Miroslav Kaspar und Dr. Iwan Pfeifer, dem Direktor der medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung des Gesundheitsministeri- ums in der tschechischen Republik.

Im Laufe dieser Gespräche wurde Prof. Dr. Pavel Schmidt zum offiziel- len Konsultanten des Gesundheits- ministers berufen. Vizepräsident Dr.

Lom und Minister Dr. Bojar äußer- ten nachdrücklich den Wunsch nach einer Institutionalisierung der kon- kreten Zusammenarbeit und Part- nerschaft zwischen den Institutionen der tschechischen Republik und de- nen in der Bundesrepublik Deutsch- land. Es wurde die Bitte geäußert, im Rahmen einer Informationsveran- staltung im Januar 1991 in Prag über das System der deutschen ärztlichen Selbstverwaltung und der sozialen Krankenversicherung zu berichten.

Angesichts der ausgesprochen schwierigen Lage der Patientenver- sorgung war man sich einig darüber, daß im Herzen Europas eine Reani- mation erforderlich sei. Als erste Hilfe in diese Richtung wären Infusi- onsmaßnahmen durch Lieferung von lebensnotwendigen Medikamenten und Geräten beziehungsweise Ein- richtungen für die medizinische Akutversorgung erforderlich. Die Versorgungslage der tschechischen Bevölkerung ist als ausgesprochen kritisch zu bezeichnen; dies hat ihre Ursache in den einschneidenden ökonomischen Veränderungen im Rahmen der Umgestaltung der ge- samten Gesellschaft. Der internatio- nale Handel im Rahmen des Ra- tes für gegenseitige Wirtschaftshil- fe (RGW) ist zusammengebrochen;

dies betrifft auch die Medikamen- ten- und Medizingerätelieferungen aus den Mitgliedsländern der RGW, welche heute harte Währung verlan- gen (bei Nicht-Konvertibilität der tschechischen Währung). Darüber hinaus hat das politische Engage- ment der CSFR im Rahmen der Irak-Krise das Land zusätzlich er- heblich ökonomisch belastet. MP

PARAGRAPH 218

Mag sein, daß in unserer Gesell- schaft der risikolose Geschlechtsver- kehr derzeit als höherer Wert ange- sehen wird als die Gesundheit der Beteiligten und das Leben der ge- zeugten Menschen. Für den Arzt aber kann das nicht gelten. Denn der ehemalige Hippokratische Eid (heu- te das Ärztliche Gelöbnis und die Berufsordnung für die Ärzte) war und ist die vorchristliche Vorweg- nahme eines geistigen Zustandes des Menschengeschlechtes, der auch heute noch immer nicht erreicht ist, gegenwärtig sogar in weite Ferne enthumanisiert zu werden droht.

Im Gelöbnis verspricht jede Ärz- tin, jeder Arzt, jedem Menschenle- ben von der Empfängnis an Ehr- furcht entgegenzubringen. Ärztin und Arzt werden dann mit § 5 der Berufsordnung verpflichtet, auch das ungeborene Leben grundsätzlich zu erhalten.

Was jetzt von der Ärzteschaft verlangt wird, ist doch eine groteske Ungleichheit der Berufsmoral. Kein Arzt aber kann seine Haltung immer wieder diametral ändern, das heißt das Weiß seines „Ja zum Leben in der Nacht" nicht wechseln in das Schwarz des „Nein gegen das Leben beim Schwangerschaftsabbruch am Vormittag". Man hat denn auch in den letzten 14 Jahren versucht, die- sem den Arztberuf zerreißenden Problem durch eine „Arbeitsteilung"

zu entgehen. Prominente Frauenärz- te, die zum Beispiel als Berufsver- bands-Vorsitzende in der Öffentlich- keit auftreten, bekennen freimütig, daß sie noch nie eine Abtreibung ge- macht hätten und auch noch nie eine Schwangerenkonfliktberatung*). Sie seien aber auch für die Ärzte da, die das regelmäßig machten, und auf de- ren Druck hin setzten und setzen sie sich für eine weitere „Liberali- sierung" ein, z. B. für den ambulan-

*) Mit Bescheinigung einer Notlagenindikation nach § 218a Absatz 2 Nr. 3 in Verbindung mit § 218b Absatz 1 Nr. 2.

ten Schwangerschaftsabbruch beim Hausarzt beziehungsweise „Frauen- arzt des Vertrauens".

Mittlerweile 20 Jahre Mandats- träger der Ärzteschaft, habe ich eine erschreckende Gesetzesun- kenntnis der Schwangerschaftsabbrü- che durchführenden Ärzte erlebt.

Schließlich wurden aus insgesamt 28 einschlägigen Zeilen im alten Strafge- setzbuch im Zuge der 1976er Straf- rechtsreform 130 Zeilen, die praktisch kein Arzt mehr kennt. Das heißt, rund 100 Zeilen Strafgesetzbuch-Text

„mehr" haben das Lebensrecht der ungeborenen Kinder objektiv ver- schlechtert.

Eine Verharmlosung

Seit Inkrafttreten der Reform im Juni 1976 bis einschließlich De- zember 1989 sind beim Statistischen Bundesamt in Wiesbaden 1 Million 78 Tausend 250 Schwangerschafts- abbrüche gemeldet worden. Und wenn man davon ausgeht, daß dies nur gut 1/3 der Gesamtzahl ausmacht, dann ist der sogenannte „Pillen- knick" bei der deutschen Bevölke- rungsentwicklung in den alten Bun- desländern mit Rückgang von 58,2 auf 56,9 Millionen in den Jahren 1970 bis 1987 ganz überwiegend ein Abtreibungsknick.

Bei dem verharmlosend so ge- kennzeichneten „Schwangerschafts- abbruch" handelt es sich in Wahrheit ja um die Beendigung des Lebens der Ursache der Schwangerschaft, nämlich des ungeborenen Kindes.

Was jetzt so vollmundig „Selbstbe- stimmungsrecht der Frau" genannt wird, ist somit tatsächlich eine

„Fremdbestimmung über ein ande- res individuelles Menschenleben", also kein Rechtsakt, sondern ein Willkürakt.

Wenn jetzt prominente Poli- tikerinnen — wie z. B. Dr. Irmgard Adam-Schwätzer (F.D.P.), Renate

Der Arzt ist kein Erfüllungsgehilfe

Ernst Th. Mayer

A-4004 (24) Dt. Ärztebl. 87, Heft 50, 13. Dezember 1990

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