F
rüher Morgen, Viertel vor fünf. Bettzeug raschelt.„Ich glaube, Pietro will diesem angeblichen Mafioso den Krieg erklären.“ „Hat er das gesagt?“ „Er meint, ich soll ihm das nächste Mal ein- fach kein Geld mehr geben.“
Franco, Restaurantbesitzer und Sizilianer in Köln, soll Schutzgeld zahlen. Sein Bru- der und Koch Pietro will sich nicht erpressen lassen.
Die beiden entwickeln einen Plan, der durch die unvorher- gesehene Einmischung von Francos Gattin Alice eine dramatische und überaus blu-
tige, aber dennoch kreative Wendung nimmt, bei der die Spezialität des Hauses, das
„bistecca mafia“, eine Schlüs- selrolle spielt.
Kein gewöhnliches Tonstudio In Wirklichkeit ist es zwei Uhr nachmittags, und mit dem Bettzeug rascheln die Schau- spieler Jürg Löw und April Hailer, die an diesem Tag ihren Part des Kurzkrimis
„Bistecca Mafia“ sprechen.
Aufnahmeort ist kein ge- wöhnliches Tonstudio, son- dern ein Provisorium im EDV-Bereich des Stammhau-
ses, einer Behinderteninitiati- ve im Westen von Köln. Auf- nahmeleiter Bernhard San- ders wacht dort über Mikro- fone, PC, Requisiten und die Schallwände, die aussehen wie überdimensionale Eier- kartons. Die Aufnahmequa- lität ist verblüffend und steht der eines „normalen“ Ton- studios in nichts nach. Einzig bei Regen, so Regisseur Jürg Löw, sind wegen der prasseln- den Nebengeräusche keine Aufnahmen im Stammhaus möglich. Wie bei den beiden Vorgänger-Pro- duktionen „Weihnach- ten ein bisschen an- ders“ und „Blumen für Angie“, die im Herbst 2004 und im Juli 2005 erschienen, haben Löw und Sanders die Hör- spiele bearbeitet, die- ses Mal vier Texte aus Frank Schätzings Kurz- krimi-Sammlung „Kei- ne Angst“.
In „Wollust“ inter- pretiert Löw Schät- zings brutal-sinnliche Beschreibung eines Ha- xen-Essens. In „Stühle, hoch- gestellt nach Mitternacht“ fin- det der Zyniker und Voyeur Habermas in einer alten Da- me seine Meisterin. Ihn, der nächtens die Kölner Brauhäu- ser durchstreift, „Schicksale, Gefühle und Biografien“ er- beutend, die er in seinen Zei- tungskolumnen verarbeitet – leidenschaftslos, zynisch, bril- lant –, berührt die Begegnung mit der skurrilen, melancholi- schen Spinnwebfrau und ihrer (Mord-)Geschichte. Mit ihrer
prägnanten Stimme verleiht die Schauspielerin Mechthild Grossmann der Spinnwebfrau die notwendige Intensität.
Das Hörspiel „Bistecca Mafia und andere Kölner Ab- gründe“ erscheint in der noch jungen „edition stammhaus“.
Ebenso wie die Autoren ver- zichten die Schauspieler, alle- samt bekannt von Bühne, Funk und Fernsehen, auf ihr Honorar, denn der Ver- kaufserlös kommt ausschließ- lich der Behindertenarbeit im Stammhaus zugute. Dort le- ben und arbeiten seit gut 20 Jahren Behinderte und Nicht- behinderte zusammen.
Vom Regen unabhängig
„Die Idee für die Hörspiel- produktion kam über die Le- sungen, die wir regelmäßig im Stammhaus-Café veranstal- ten“, sagt Dr.Thomas Stühren-
berg, Vorsitzender der Ge- meinschaft Unser Platz im Leben, dem Träger des Stamm- hauses. Zwei bis vier CDs will die edition stammhaus künftig pro Jahr produzieren. Die Ver- kaufszahlen der ersten bei- den CDs stimmen Stühren- berg optimistisch. Setzt sich der Erfolg fort, soll auch das provisorische Tonstudio in dem ehemaligen Bauernhof ausgebaut werden – „dann sind wir vom Regen unab- hängig“. Heike Korzilius
Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 47⏐⏐25. November 2005 AA3277
Krimi-Hörbuch
Scharf wie die Mafia
Erpressung, Voyeurismus, schräge Gestalten aus dem Kölner Milieu – Kurzgeschichten von Bestseller-Autor Frank Schätzing neu vertont
Jürg Löw und April Hailer alias Fran- co und Alice haben es in „Bistecca Mafia“ mit eben dieser zu tun.
Frank Schätzing: Bistecca Mafia und an- dere Kölner Abgründe. edition stamm- haus, Köln, 2005, 2 CDs, 17,50 Euro.
Bestellt werden kann das Hörspiel ebenso wie seine beiden Vorgänger
„Weihnachten ein bisschen anders“
und „Blumen für Angie“, zuzüglich 2,70 Euro für Porto und Versand, bei der Versandbuchhandlung des Deut- schen Ärzte-Verlages (Telefon: 0 22 34/70 11-3 14, Fax: 0 22 34/
70 11-4 76, E-Mail: vsbh@aerzteverlag. de) oder direkt beim Stammhaus über deren Website www.stammhaus.de (Fax: 0 22 34/
9 46 82 25).
Paul Faßnacht alias Pietro ist der Ver- schlagenere der sizilianischen Brüder.
Feuilleton
Fotos:Bernhard Sanders