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Archiv "Arbeitszeitgesetz: Die Zeichen der Zeit verkannt" (11.11.2005)

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uf die Frage, welche Faktoren aus- schlaggebend für die Auswahl ei- ner Klinik sind, antworten neun von zehn Befragten: „Der Ruf der Ärzte der betreffenden Klinik“ (Ergebnis ei- ner aktuellen TNS-Healthcare-Umfra- ge im Auftrag von Helios). Um im Ver- drängungswettbewerb bestehen zu kön- nen, ist es für die Krankenhäuser dem- nach existenziell wichtig, gute Ärztin- nen und Ärzte anzuwerben beziehungs- weise zu halten. Vernünftige und plan- bare Arbeitszeiten sowie die Höhe der Bezahlung geben den Ausschlag, wenn ein Bewerber zwischen mehreren Stel- lenangeboten wählen kann (was in Zei- ten des sich verschärfenden Fachärzte- mangels keine Seltenheit mehr ist).

Blockadetaktik der DKG

Wenn nun die Deutsche Krankenhaus- gesellschaft (DKG) fordert, die zwei- jährige Übergangsfrist für die Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes um zwei weitere Jahre bis Ende 2007 zu verlängern, ver- kennt sie die Zeichen der Zeit. Anstatt die Krankenhäuser aktiv bei der Ein- führung alternativer Arbeitszeitmodelle zu unterstützen und so deren Wettbe- werbsfähigkeit langfristig zu verbessern, setzt der Dachverband der Krankenhaus- träger unverändert auf Blockadetaktik – und das vielleicht sogar mit Erfolg.

So hat Bayern jüngst einen Antrag im Bundesrat eingebracht, der die For- derung der DKG aufgreift. Um eine entsprechende Gesetzesänderung frist- gerecht auf den Weg zu bringen, müsste der Antrag am 25. November im Bun- desratsplenum beschlossen und an den Bundestag weitergeleitet werden. Die- ser könnte ihn dann in der letzten Sit- zungswoche des Jahres, in der 50. Kalen- derwoche, abschließend beraten.

Nach Darstellung von DKG-Präsi- dent Wolfgang Pföhler droht in den Krankenhäusern ein massiver Perso- nalnotstand, wenn die Übergangsfrist nicht verlängert wird. „Eine 1:1-Umset- zung des Arbeitszeitgesetzes führt da- zu, dass einzelne Abteilungen und Be- reiche, schlimmstenfalls ganze Kran- kenhäuser ihren Betrieb einstellen müssen, wenn eine adäquate personelle Besetzung nicht gewährleistet ist“, ließ Pföhler am 2. November verbreiten.

Hintergrund des DKG-Vorstoßes ist das Auslaufen der Übergangsregelung für den ärztlichen Bereitschaftsdienst gemäß Arbeitszeitgesetz zum Jahresen- de. Tarifverträge und Betriebsvereinba- rungen, die abweichende Regelungen enthalten, bleiben bis Ende 2005 un- berührt. Nach dem Arbeitszeitgesetz – und der europäischen Rechtsprechung – ist der ärztliche Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit zu werten. Der Vermittlungs- ausschuss von Bundestag und Bundesrat hatte indes im Rahmen des zum 1. Januar 2004 geänderten deutschen Arbeitszeit- gesetzes die zweijährige Übergangsrege- lung vorgesehen, um die Auswirkungen für die Krankenhäuser zu mildern.

Pföhler argumentiert, dass das Ar- beitszeitgesetz im Krankenhaus faktisch nicht umsetzbar sei. Weder das Problem des personellen noch des finanziellen Mehraufwandes könne von den Klini- ken gelöst werden. Den Personalmehr- bedarf im ärztlichen Dienst veranschlagt Pföhler mit bis zu 27 000 Ärzten. Derzeit seien jedoch nur 6 000 Ärzte arbeitslos gemeldet. Die Krankenhäuser hätten bereits heute erhebliche Schwierigkei- ten, ärztliches Personal zu rekrutieren.

Auch das Problem der Mehrkosten sei ungelöst. Diese taxiert die DKG auf 1,7 Milliarden Euro jährlich.

Der Marburger Bund (MB) appel- liert hingegen an die Bundesregierung,

das novellierte Arbeitszeitgesetz – wie beschlossen – zum 1. Januar 2006 anzu- wenden. Pföhlers Forderung, die Über- gangsfrist zu verlängern, sei eine „un- verschämte Unverfrorenheit“, sagte der MB-Vorsitzende Dr. med. Frank Ulrich Montgomery am 2. November in Berlin.

Die DKG verhalte sich zum Schaden der Krankenhäuser und sei inzwischen zum „Symbol für Totalverweigerung und Zukunftsunfähigkeit“ geworden.

MB: „blanke Panikmache“

„Die propagierten Mehrkosten in Milli- ardenhöhe sind blanke Panikmache“, betonte Montgomery und verwies dar- auf, dass sein Verband derzeit einen Ta- rifvertrag mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder verhandele, in dem die neue Bereitschaftsdienstregelung flexibel ausgelegt wird. Damit könnten die Mehrkosten zur Einstellung neuer Ärzte stark begrenzt werden. Der MB ist davon überzeugt, dass die Vorgaben des revidierten Gesetzes mit 6 000 bis 6 700 zusätzlichen Ärzten erfüllt wer- den können (Mehrkosten: 500 bis 600 Millionen Euro jährlich). Die vom Ge- setzgeber bereitgestellten 100 Millio- nen Euro jährlich beziehungsweise ku- mulativ 700 Millionen Euro bis zum Jahr 2009 reichten somit aus.

Neben den arbeitslosen Ärzten seien 6 300 deutsche Klinikärzte im Ausland tätig, betont der MB. Davon wäre Um- fragen zufolge jeder zweite bereit, in die Heimat zurückzukehren, fände er hier bessere Arbeitsbedingungen vor. Dar- über hinaus würden zu wenige Kliniken Teilzeitmodelle anbieten. Viele Ärztin- nen, die sich gegenwärtig in Elternzeit befinden, wären aber bereit, Teilzeitar- beit zu leisten.Auch das Rekrutierungs- problem sei also lösbar. Jens Flintrop P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 45⏐⏐11. November 2005 AA3061

Arbeitszeitgesetz

Die Zeichen der Zeit verkannt

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft fordert eine Verlängerung der Übergangsfrist um zwei weitere Jahre.

Bayern hat einen entsprechenden Antrag in den Bundesrat eingebracht.

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