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Archiv "20 Jahre Tschernobyl: Aufräumarbeiter leiden unter den Folgen" (27.01.2006)

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träts und Aufzeichnungen nicht tenden- ziös zu manipulieren oder zu interpre- tieren waren. Bekanntlich ist der Ver- lauf von Krankheiten und Intoxikatio- nen, die mit deutlichen Störungen der Feinmotorik verbunden sind, im intra- individuellen Vergleich von Schriftpro- ben objektivierbar (5). Da von Mozart zahlreiche Briefe erhalten sind und da er noch bis wenige Stunden vor dem Tod an seinem Requiem ganz ohne gra- phomotorische Störungen geschrieben hat, sind retrospektive Aussagen über angebliche Beeinträchtigungen seiner Gesundheit im Laufe und am Ende sei- nes Lebens unwahrscheinlich (3, 8). Die bisher diskutierten Hypothesen über die Todesumstände Mozarts enthalten höchstens Vermutungen darüber, wel- che Erkrankung Mozart in seinen letz- ten zwei Wochen ans Bett gefesselt hat.

Die Ursache des plötzlichen Endes ist mit dem bislang vorliegenden Material zwar ebenfalls nicht schlüssig zu bewei- sen, eine medikamentöse Interaktion mit dem Aderlass aber ist zumindest nahe liegend und bisher auch noch nicht bestritten worden.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2006; 103(4): A 172–176

Literatur

1. Ludewig, R.: Zum derzeitigen Stand der Forschung über die Ursachen des Todes von Mozart. Mozart-Jahr- buch, Salzburg 1991/1; 132–144. – Erweiterung in Z. gesamte Innere Medizin 1991; 46/13 : 491–500.

2. Ludewig, R.: Die Haus- und Reiseapotheke der Familie Mozart. Z. Phytotherapie 1991; 12: 183–191.

3. Ludewig, R.: Meinungsstreit über die Ursachen des Todes von W.A.Mozart.Ann.Univ.Sarav.Med. – Suppl.8/

1992; 1–92. Saarpfalz-Druck Ermer KG, 66402 Hom- burg-Saar, Postfach 11 55 (enthält eine Auflistung sämtlicher Autoren und die Besprechung ihrer Theo- rien nebst wichtigen Hintergrundinformationen und 36 Abbildungen).

4. Ludewig, R.: Akute Vergiftungen, 9. Aufl., Stuttgart, 1999.

5. Ludewig, R.: Zur Interpretation ausgewählter Schrift- veränderungen. Z. Menschenkunde 1999; 63/1: 1–16.

6. Ludewig, R.: Krankheiten, Tod, in H. Gruber u. J. Brüg- ge, DAS MOZART-LEXIKON, S. 368–370, Laaber, 2005.

7. Ludewig, J. u. R.: Zur medizinischen Bedeutung des letzten Mozart-Porträts. Z. ärztl. Fortbild. 1992; 85:

297–300.

8. Ludewig, R. u. Rudolph, I.: Zu den Diskussionen über die letzten Autographen von W. A. Mozart. Z. Men- schenkunde 1992; 56/4: 229–243.

Anschrift des Verfassers:

Prof. em. Dr. med. Reinhard Ludewig Bochumerstraße 47

04357 Leipzig

T H E M E N D E R Z E I T

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A176 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 4⏐⏐27. Januar 2006

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ie Hauptbotschaft des Tscherno- bylforums ist: Kein Grund zur Be- unruhigung“, so lautete das Fazit des Strahlenexperten der Weltgesund- heitsorganisation (WHO), Dr. Mike Rapacholi. Das Tschernobylforum, ein Zusammenschluss verschiedener UN- Organisationen, darunter die Interna- tionale Atomenergieorganisation sowie die Regierungen Weißrusslands, Russ- lands und der Ukraine, hatte am 6. und 7. September 2005 eine Konferenz zu den Folgen der Tschernobylkatastro- phe von 1986 veranstaltet.

Gibt es wirklich keinen Grund zur Beunruhigung? Die Schweizer Sektion der Internationalen Ärzte zur Verhü- tung des Atomkriegs (IPPNW) sieht

das anders. Sie veranstaltete am 12. No- vember 2005 zum Thema Tschernobyl- folgen ein Symposium über die Ge- sundheit der so genannten Liquidato- ren (Aufräumarbeiter), an dem führen- de wissenschaftliche Experten aus den drei am meisten betroffenen Ländern Weißrussland, Ukraine und Russland teilnahmen. Der Gründer des weißrus- sischen Krebsregisters, Prof. Dr. med.

A. E. Okeanov von der International Sakharov Environmental University Minsk, fand bei einer Gruppe von 120 000 weißrussischen Liquidatoren in Bezug auf die häufigsten Tumorarten (Magen-, Darm-, Lungen-, Nieren-, Harnblasen-, Haut- und Brustkrebs) im Beobachtungszeitraum von 1997 bis

20 Jahre Tschernobyl

Aufräumarbeiter leiden unter den Folgen

Die Arbeiter, die nach dem Reaktorunfall mit dem Aufräumen beschäftigt waren, erkranken häufiger an Krebs und psychischen Störungen als der Durchschnitt.

Fotos:dpa

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2000, das heißt nach einer durchschnitt- lichen Latenzphase von nur zwölf Jah- ren, bereits eine um 20 Prozent höhere Krebsrate als bei einer Kontrollgruppe.

Dieser gehörte die nur in geringem Grad verstrahlte Bevölkerung aus der Region Vitebsk an. Die dortigen Liqui- datoren oder umgesiedelte Personen wurden nicht einbezogen (1). Da Okea- nov keine zuverlässigen Angaben zu Strahlendosen vorlagen, wählte er als Bezugsgröße die jeweilige Dauer des Aufenthaltes in der 30-Kilometer-Ge- fahrenzone rund um den Reaktor bei den Aufräumarbeiten.

Schweizer Ärzte verwiesen außer- dem auf den russischen Wissenschaftler V. Ivanov vom Medical Radiological Research Centre of the Russian Aca- demy of Medical Sciences, der erhöhte Leukämieraten bei russischen Liquida- toren gefunden hatte. Danach hat sich das Risiko, an Leukämie (ohne chro- nisch lymphatische Leukämie) zu er-

kranken, für russische Liquidatoren, die einer Strahlendosis zwischen 150 und 300 Milligray (mGy) ausgesetzt waren, mindestens verdoppelt (2).

Als Folge des Reaktorunfalls wird neben Krebs auch die Zunahme ande- rer Erkrankungen diskutiert. Prof. Dr.

med. Dimitri Lazyuk vom Belorussian Scientific Practical Center of Cardiolo- gy aus Minsk konnte zeigen, dass zwi- schen 1992 und 1997 die Inzidenz tödli- cher kardiovaskulärer Erkrankungen bei den Liquidatoren im Vergleich zum Durchschnitt der weißrussischen Be- völkerung stark gestiegen ist (22,1 Pro- zent bei den Liquidatoren; 2,5 Prozent im Bevölkerungsdurchschnitt). Als Ur- sache wird eine Schädigung der Blutge- fäße durch die radioaktive Strahlung diskutiert. Dieser Mechanismus liegt auch den bei Liquidatoren gehäuft auf- tretenden retinalen Angiopathien zu- grunde. Eine weitere Augenkrankheit ist der strahlenbedingte Katarakt.

Bei vielen Liquidatoren wurden Ge- dächtnisstörungen, Reizbarkeit und ein chronisches Erschöpfungssyndrom dia- gnostiziert. Lange ging man davon aus, dass diesen Erkrankungen psychische Ursachen zugrunde liegen. Dr. med.

Konstantin Loganovsky vom Research Centre for Radiation Medicine, Aca- demy of Medical Science of Ukraine, berichtete ebenso wie Prof. Pierre Flor- Henry, Direktor des Zentrums für Kli- nische Diagnostik und Forschung am Universitätskrankenhaus von Alberta, Kanada, über neuere Forschungen an

Liquidatoren, die auf strahlenbedingte organische Hirnschäden als Ursache hinweisen (3). Danach können Strah- lendosen zwischen 0,15 und 0,5 Sievert (Sv) neurologische und psychiatrische Erkrankungen auslösen, zum Beispiel Depressionen, chronisches Müdigkeits- syndrom, organische Hirnveränderun- gen und Erkrankungen aus dem schizo- phrenen Formenkreis. So fanden die Forscher unter anderem bei Liquidato- ren, die einer Strahlung von mehr als 0,3 Sv ausgesetzt waren, signifikant häufi- ger links frontotemporale Hirnverän- derungen im MRT bei gleichzeitig be- stehenden schizophreniformen Syndro- men. Eine japanische Untersuchung von Überlebenden der Atombomben- angriffe auf Hiroshima und Nagasaki im Zweiten Weltkrieg belegt bei diesen eine ebenfalls signifikant höhere Rate an Schizophrenien (sechs Prozent) als bei der Normalbevölkerung (ein Pro- zent) (4).

Nach der Katastrophe von Hiroshi- ma und Nagasaki ist Tschernobyl das zweite nukleare Desaster des 20. Jahr- hunderts. In Hiroshima überwogen ex- tern bedingte Strahlenschäden, wäh- rend bei der Katastrophe von Tscherno- byl sowohl externe Strahlenschäden und deren Langzeitfolgen (bei den Li- quidatoren) zu beobachten sind als auch vorwiegend intern wirksame Niedrig- strahlung, ausgelöst durch den Verzehr von kontaminierten Nahrungsmitteln und das Einatmen von kontaminierter Luft durch die Bevölkerung und hier vor allem durch die Kinder. Der Schat- ten von Tschernobyl wird uns noch lan- ge begleiten. Dr. med. Angelika Claußen IPPNW-Vorsitzende

Literatur

1. Okeanov AE, Sosnovkaya EY, Priatkina OP: A national cancer registry to assess trends after the Chernobyl Ac- cident. Swiss Med Wkly 2004; 134: 645–649, www.smw.ch.

2. Ivanov V et al.: Elevated leukamia rates in Chernobyl accident liquidators. British Medical Journal 2003;

http://bmj.bmjjournals.com/cgi/eletters/319/7203/

145/a.

3. Ivanov V et al.: The radiation risks of cerebrovascular diseases among the liquidators Radiatsionnaia biolo- giia, radioecologiia. Rossiiskaia akademiia nauk May- Jun 2005; 45 (3): 261–70.

4. Nakane Y, Ohta Y: An Example from Japanese register:

Some long-term consequences of A-bomb survivors in Nagasaki. In: Horn GHMM, Gulbinat RWH, Henderson JH: Psychiatric Case Registers in Public Health. Amster- dam: Elsevier Science Publishers 1996; 26–27.

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A178 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 4⏐⏐27. Januar 2006

Zwei Kongresse beschäftigen sich 2006 mit den Folgen von Tschernobyl:

Vom 3. bis 5. April findet in Berlin die medizinisch-wissenschaftliche Kon- ferenz „20 Jahre Tschernobyl“ statt. Ver- anstalter sind die Gesellschaft für Strah- lenschutz und die IPPNW Deutschland.

Vom 7. bis 9.April findet in Bonn der IPPNW-Kongress „Zeitbombe Atomener- gie – 20 Jahre nach Tschernobyl“ statt.

Informationen unter www.ippnw.de.

Die Tschernobyl-Gedenkstätte in Kiew erinnert an die 3 000 Liquidatoren, die ihren Versuch, die Tschernobyl-Katastrophe 1986 unter Kontrolle zu bringen, mit dem Leben bezahlt haben.

Referenzen

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