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Phänomenologie und Genese pathologischer Veränderungen des alternden Auges beim Tiermodell Mausmaki (Microcebus murinus)

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Academic year: 2022

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Tierärztliche Hochschule Hannover

Phänomenologie und Genese pathologischer Veränderungen des alternden Auges beim Tiermodell

Mausmaki (Microcebus murinus)

INAUGURAL – DISSERTATION zur Erlangung des Grades eines Doktors der Veterinärmedizin

- Doctor medicinae veterinariae - ( Dr. med. vet. )

vorgelegt von Marko Dubicanac aus Slavonski Brod

Hannover 2018

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Wissenschaftliche Betreuung: 1. Univ.-Prof. Dr. Elke Zimmermann, Institut für Zoologie

2. Univ.-Prof. Dr. Ingo Nolte, Klinik für Kleintiere

1. Gutachter/in: Univ.-Prof. Dr. Elke Zimmermann Institut für Zoologie, Tierärztliche Hochschule, Hannover

Univ.-Prof. Dr. Ingo Nolte Klinik für Kleintiere, Tierärztliche Hochschule, Hannover

2. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. Franz-Josef Kaup Deutsches

Primatenzentrum, Leibniz-Institut für Primatenforschung, Göttingen

Tag der mündlichen Prüfung: 25.10.2018

Diese Studie wurde teilweise von dem 7. Europäischen Forschungsrahmenprogramm (FP7/2007-2013) mit der Fördervereinbarungsnummer 278486, Akronym “DEVELAGE” und dem DAAD PROCOPE mit der Fördervereinbarungsnummer 55924926 finanziell unterstützt.

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Za najboljeg oca na svijetu,

mog tatu

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ... 11

1.1 Anatomie des Säugetierauges ... 11

1.2 Altersassoziierte Augenerkrankungen beim Mensch und bei anderen Säugetierarten ……… 19

1.3 Der Mausmaki als nichtmenschliches Primatenmodell für die Altersforschung am Auge ... 21

1.4 Ziele und Fragestellungen ... 28

2. Publikationen ... 32

2.1 A review on ocular findings in mouse lemurs: potential links to age and genetic background ... 32

2.2 Intraocular pressure in the smallest primate aging model: the gray mouse lemur ... 34

2.3 Photoperiodic regime influences onset of lens opacities in a non-human primate ... 36

3. Übergreifende Diskussion... 39

3.1 Ophthalmologische Befunde bei Mausmakis in Gefangenschaft ... 39

3.2 Augeninnendruck bei Mausmakis in Gefangenschaft ... 46

3.3 Linsentrübungen bei Mausmakis und deren Bedeutung für die Forschung ... 49

3.4 Schlussfolgerung und Ausblick ... 54

4 Zusammenfassung ... 56

5 Summary ... 58

6 Literaturverzeichnis ... 60

7 Anhang... 87

7.1 Abbildungsverzeichnis ... 87

7.2 Untersuchungsprotokoll ... 88

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Abkürzungsverzeichnis

Abb. Abbildung

bzw. beziehungsweise

ca. circa

kg Kilogramm

HE Hämatoxylin-Eosin

IOD Intraokularer Druck

et al. et alii / et aliae (und andere)

°C Grad Celsius

mmHg Millimeter Quecksilbersäule

mm Millimeter

µm Mikrometer

% Prozent

mm² Quadratmillimeter

u.a. unter anderem

UV Ultraviolett

z.B. zum Beispiel

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Ergebnisse dieser Dissertation wurden in international anerkannten Fachzeitschriften mit Gutachtersystem (peer review) zur Veröffentlichung angenommen:

Dubicanac, M., Radespiel, U., und Zimmermann, E. (2017): A review on ocular findings in mouse lemurs: potential links to age and genetic background. Primate Biol., 4, 215-228.

Dubicanac, M., Joly, M., Strueve, J., Nolte, I., Mestre-Frances, N., Verdier, J. M., und Zimmermann, E. (2016): Intraocular pressure in the smallest primate aging model: the gray mouse lemur. Vet. Ophthalmol., 21(3), 319- 327.

Dubicanac, M., Strueve, J., Mestre-Frances, N., Verdier, J. M., Zimmermann, E., und Joly, M. (2017): Photoperiodic regime influences onset of lens opacities in a non-human primate. PeerJ., 5, e3258, https://doi.org/10.7717/peerj.3258.

Teilergebnisse dieser Dissertation wurden auf internationalen Fachkongressen präsentiert:

Dubicanac, M., Joly, M., Strueve, J., Nolte, I., Verdier, J-M., Mestre-

Francés, N., und Zimmermann, E. (2014): Ocular pathologies in aging gray mouse lemurs (Microcebus murinus). 25th Conference of the International Primatological Society in Hanoi, Vietnam, 11.8.2014 – 16.8.2014

Dubicanac, M., Joly, M., Karck, J., Nolte, I., Verdier, J.-M., und Zimmermann, E. (2013): Ocular pathologies in aging mouse lemur (Microcebus murinus) populations: cataract formation depends on the annual photoperiodic cycle. 13th Conference of the Gesellschaft für Primatologie in Hamburg, Deutschland, 6.2. 8.2.2013

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1. Einleitung

1.1 Anatomie des Säugetierauges

Grundsätzlich stellt das Auge eines der fünf Sinnesorgane der Wirbeltiere und somit auch der Säugetiere (Mammalia) dar. Bei diesen bildet es mittels eines Linsensystems die Umwelt ab und mithilfe der Netzhaut detektiert und transduziert es Lichtreize, welche schließlich dem Großhirn zugeleitet werden (von Engelhardt u.

Breves, 2010). Innerhalb der Ordnung der Säugetiere weisen die anatomischen Strukturen des Auges deutliche Variationen auf. In diesem Kapitel werden die anatomischen Strukturen in ihren Einzelheiten anhand des menschlichen Auges als Grundlage beschrieben, siehe Abbildung (Abb. 1). Dabei werden morphologische und histologische Unterschiede zu anderen Säugetierarten dargestellt, um Erkrankungen der Strukturen und deren Auswirkungen auf das Sehvermögen besser zu verstehen.

Abb. 1: Waagerechter schematischer Durchschnitt durch den linken Augapfel, von oben gesehen (nach Leydhecker, 1987)

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Das menschliche Auge befindet sich in einer knöchernen Augenhöhle (Orbita) und besitzt eine rundliche Form mit einem durchschnittlichen Durchmesser von 25,3 mm (Chau et al., 2004; Croxtall u. Scott, 2009). Diese knöcherne Augenhöhle ist jedoch nicht bei allen Säugetierarten vollständig ausgebildet. So wird beim Hund der äußere Teil der Orbita zwischen Processus frontalis des Jochbeins und Processus zygomaticus des Stirnbeins durch ein bindegewebiges Band, das sogenannte Ligamentum orbitale, umschlossen (Frewein et al., 2003). Die Form des Augapfels kann ebenfalls zwischen den Tierarten variieren und weist zum Beispiel beim Pferd rostrocaudal eine leicht quer-ovale Form auf (Nickel et al., 2005; Stades et al., 2006).

Des Weiteren kann auch das Verhältnis von Augengröße zu Körpergewicht stark variieren (Borghi et al., 2002; Kirk, 2004; Ross u. Kirk, 2007). Ein entscheidender Einflussfaktor dabei ist die Hauptaktivitätszeit der Tierart (Kirk, 2006; Schmitz u.

Motani, 2010; Hall et al., 2012). Ein extremes Beispiel für verhältnismäßig große Augen in Relation zum Körpergewicht stellt der in den philippinischen Wäldern lebende, nachtaktive Koboldmaki (Tarsius syrichta), mit einem durchschnittlichen Körpergewicht von 110-150 Gramm und einem durchschnittlichen Augendurchmesser von 17,9 mm, dar (Kirk, 2004, 2006). Der tagaktive Drill (Mandrillus leucophaeus) hingegen, besitzt, bei einem Gewicht von bis zu 20 kg (Weibchen) und 40 kg (Männchen), Augen mit einem durchschnittlichen Durchmesser von 21,6 mm (Kirk, 2004, 2006) und stellt somit ein Beispiel für das entgegengesetzte Extrem dar.

Licht welches auf das Auge trifft, tritt als erstes durch die durchsichtig erscheinende Hornhaut (Cornea). Auch hier gibt es morphologische Unterschiede zwischen nacht- und tagaktiven Tieren. Bei nachtaktiven Tierarten nimmt die Hornhaut deutlich mehr Fläche des sichtbaren Teils des Augapfels ein als bei tagaktiven Tieren. Das Verhältnis von Hornhautdurchmesser zu Augapfeldurchmesser liegt beim nachtaktiven Koboldmaki bei knapp 1:1,25, beim tagaktiven Drill hingegen bei ca. 1:2 (Kirk, 2004). Histologisch sind bei verschiedenen Tierarten unterschiedliche Hornhautdicken feststellbar. Diese haben besonders bei der klinischen Diagnosestellung eine entscheidende Bedeutung (Tonnu, 2005; Martinez-de-la-Casa et al., 2006; Park et al., 2011). Die Hornhautdicke variiert bei Menschen je nach

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ethnischer Zugehörigkeit zwischen ca. 517 ± 37 µm und 563 ± 37,2 µm (Dimasi et al., 2011). Während die Hornhautdicke beim Hund durchschnittlich 549,7 ± 51 µm beträgt (Park et al., 2011), variiert sie bei verschiedenen Mäusezuchtlinien zwischen 70,6 ± 6,9 µm und 95,5 ± 4,6 µm (Dimasi et al., 2011). Die unterschiedliche Hornhautdicke hat entscheidenden Einfluss auf die Messung des intraokularen Drucks (IOD) in der Human- und Veterinärmedizin und macht es nötig Geräte vor ihrer Nutzung für jede Tierart separat zu kalibrieren (Reuter et al., 2010; Elsmo et al., 2011; Park et al., 2011; McLellan et al., 2013). Die Hornhaut bildet zusammen mit der weißlichen Lederhaut (Sclera) die äußere Hülle des Augapfels und ist für die Erhaltung der Form des Auges verantwortlich. Nachdem das Licht die Hornhaut durchdrungen hat, gelangt es in die vordere Augenkammer (Camera anterior bulbi), welche mit einer wässrigen Flüssigkeit gefüllt ist. Die hintere Begrenzung der vorderen Augenkammer stellt die Regenbogenhaut (Iris) dar, welche an ihrem Ansatz mit der Hornhaut zusammen den Kammerwinkel bildet. Sie ist der vorderste Teil der mittleren Augenhaut (Uvea bzw. Tunica media bulbi). Die Iris ist ein zirkulärer Muskel, der in seiner Mitte ein Loch bildet, das Pupille (Pupilla) genannt wird und von vorne schwarz erscheint. Bei Lichteinfall bildet sie im geschlossenen Zustand beim Menschen eine runde Form. Diese Form kann von rund (z.B. Mensch, Schimpanse, Hund), über horizontal quer-oval (z.B. Ziege, Pferd), bis hin zu einer vertikalen Schlitzform (z.B. Hauskatze und Großkatzen) reichen (Nickel et al., 2005;

Stades et al., 2006; Waschke et al., 2015).

Hinter der Iris liegt die Linse (Lens crystallina), welche über Zonulafasern (Fibrae zonulares) zirkulär mit dem mittleren Teil der Uvea verbunden ist, dem Ziliarkörper (Corpus ciliare). Die Linse ist eine proteinhaltige, im Querschnitt ovale, transparente, biegsame Kapsel (Abb. 2).

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Der Ziliarkörper bewirkt durch Kontraktion bzw. Relaxation über die Zonulafasern einen unterschiedlichen Dehnungsgrad der Linsenkapsel. In den verschiedenen Dehnungsgraden wird das Licht unterschiedlich gebrochen und der Brennpunkt verlagert, sodass das wahrgenommene Bild auf der Netzhaut (Retina) aktiv scharf gestellt werden kann. Des Weiteren produziert der Ziliarkörper eine wässrige Flüssigkeit, die nötig ist, um den IOD und folglich die Form des Auges aufrecht zu erhalten. Diese Flüssigkeit fließt von der hinteren Augenkammer (Camera posterior bulbi) durch die Pupille in die vordere Augenkammer und wird schließlich im Schlemm‘schen-Kanal (Plexus venosus sclerae), welcher im Kammerwinkel liegt, absorbiert und dem Blutkreislauf zurückgeführt. Hinter der Linse schließt sich der Glaskörper (Corpus vitreum) an. Der Glaskörper hilft ebenfalls bei der Aufrechterhaltung der Augenform und besteht zu ca. 98 % aus Wasser, ca. 2 % aus Hyaluronsäure und zu < 1 % aus Kollagenfasern. Der Glaskörper ist durchsichtig und lässt das Licht ungebrochen auf die Netzhaut fallen.

Die Netzhaut selbst lässt sich histologisch in unterschiedliche Schichten unterteilen (Abb. 3). Dem Weg des einfallenden Lichtes folgend, trifft dieses zuerst auf die dünne innere Grenzmembran (Stratum limitans internum), welche aus den zum Augeninneren reichenden Endfasern der Müller-Gliazellen besteht. Als nächstes folgt ein aus Nervenfasern (Stratum neurofibrarum) bestehendes Geflecht, welches aus Axonen der direkt darauffolgenden Ganglienzellenschicht (Stratum ganglionicum),

Abb. 2: Querschnitt durch die Augenlinse (nach Stades et al., 2006): Ant. = anteriorer Linsenpol; Post. = posteriorer Linsenpol; e = embryonaler Nukleus; f = fetaler Nukleus; a = adulter Nukleus; c = Kortex

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der dritten Neurone der Sehbahn, besteht. Diese Nervenfaserschicht bildet den 2.

Hirnnerv, den Sehnerv (Nervus opticus), und ist mit einigen Blutgefäßen durchsetzt (Arteriae/Venae retinalis). Die darauffolgende Schicht wird als innere plexiforme Schicht (Stratum plexiforme internum) bezeichnet. Hier findet die Umschaltung zwischen den zweiten und dritten Neuronen der Sehbahn statt. Der inneren plexiformen Schicht folgt die innere nukleäre Schicht (Stratum nucleare internum).

Diese Schicht beinhaltet die Perikaryen einiger verschiedener Zelltypen. Der am häufigste vertretene Zelltyp sind die bipolaren Zellen, welche die zweiten Neuronen der Sehbahn darstellen. Aber auch die Perikaryen der selteneren Amakrinzellen, Horizontalzellen und Müller-Gliazellen finden sich in dieser Schicht. Nach außen hin schließt an die innere nukleäre Schicht die äußere plexiforme Schicht an (Stratum plexiforme externum). Hier erfolgt die Umschaltung zwischen den ersten und zweiten Neuronen der Sehbahn. Erst nachdem das Licht diese Schichten durchdrungen hat, trifft es auf die Perikaryen der eigentlichen Fotorezeptorzellen, welche wiederum in der äußeren nukleären Schicht (Stratum nucleare externum) liegen. Die Fotorezeptorzellen werden in Stäbchen und Zapfen unterteilt. Stäbchen sind für das skotopische Sehen (Sehen bei geringer Lichtintensität) und Zapfen für das photopische Sehen (Farbensehen bei ausreichender Helligkeit) zuständig. An der lichtempfindlichsten Stelle der Netzhaut befindet sich in der Säugetiernetzhaut eine Vertiefung (Fovea centralis). Das Areal um und in dieser Vertiefung (Area centralis) besitzt die größte Dichte an Fotorezeptorzellen pro mm² und wird daher auch als

„Punkt des schärfsten Sehens“ bezeichnet (Penzlin, 2014). Beim Menschen wird der Bereich um diese Vertiefung „gelber Fleck“ (Macula lutea) genannt (Penzlin, 2014;

Campbell et al., 2015).

Auch das Verhältnis von Stäbchen zu Zapfen kann von Tierart zu Tierart stark variieren. Grundsätzlich stellen die Stäbchen den dominierenden Fotorezeptortyp in der Säugetierretina dar (Ahnelt u. Kolb, 2000; Peichl, 2005; Penzlin, 2014), wobei erneut die Hauptaktivitätszeit der Tierart einen entscheidenden Einfluss auf dieses Verhältnis hat. Im menschlichen Auge liegt die durchschnittliche Zapfendichte im Bereich der Fovea centralis bei ca. 164.000 ± 24.000 Zapfen/mm² (Wells-Gray et al., 2016) und die durchschnittliche Stäbchendichte bei 72.246 ± 17.295 Stäbchen/mm²

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(Zaleska-Żmijewska et al., 2017). Bei der nachtaktiven Gambia-Riesenhamsterratte (Cricetomys gambianus) hingegen finden sich Höchstwerte von bis zu 730.000 Stäbchen/mm² und eine maximale Zapfendichte von gerademal 3.000 Zapfen/mm² (Peichl u. Moutairou, 1998). Das Spitzhörnchen (Tupaia belangeri) zählt zu den wenigen Säugetierarten, die mit einem Dichteverhältnis von 500 bis 3.500 Stäbchen/mm² zu 36.000 Zapfen/mm², sehr gut an die diurnale Lebensweise angepasst sind (Mueller u. Peichl, 1989).

Der äußeren nukleären Schicht folgt die äußere Grenzschicht (Stratum limitans externum). Ihr folgt eine weitere Schicht, in der Stäbchen und Zapfen dominieren (Stratum segmentorum externum et internum). Hier liegen die äußeren (fotosensiblen) und die inneren (vorwiegend Mitochondrien enthaltenden) Zellsegmente der Fotorezeptoren. Die fotosensiblen Außensegmente der Fotorezeptoren enthalten Membranscheiben, an denen sich große Mengen des Chromoproteids Rhodopsin befinden. Bei der Absorption von Lichtphotonen verändert Rhodopsin seine Konformation. Diese Konformationsänderung setzt eine biochemische Signal-Kaskade in Gang, die in der Hyperpolarisierung der Fotorezeptorzelle resultiert. Im Gegensatz zu anderen Nervenzellen, erzeugen die Fotorezeptoren selbst keine Aktionspotentiale, sondern bewirken durch die Freilassung von Neurotransmittern eine Veränderung der Membranpotentiale angrenzender bipolarer Zellen. Die Reizleitung erfolgt somit von den Fotorezeptorzellen ausgehend (erste Neuronen der Sehbahn) an die bipolaren Zellen (zweite Neuronen der Sehbahn) und von diesen an die Ganglienzellen (dritte Neuronen der Sehbahn). Die Ganglienzellen leiten die Impulse schließlich zum Gehirn weiter (Penzlin, 2014; Campbell et al., 2015; Vecino et al., 2016).

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Abb. 3: Schematische Darstellung des zellulären Aufbaus der Netzhaut (nach Vecino et al., 2016). Weg des einfallenden Lichts von unten nach oben:

Blutgefäße (BV). Amakrinzellen (A), Astrozyten (AS), Bipolarzellen (B), Zapfen (C), Ganglienzellen (G), Horizontalzellen (H), Müllerzellen (M), Mikrogliazellen (Mi), Stäbchen (R). Die Schichten der Retina von innen (unten) nach außen (oben):

Nervus opticus (ON), Nervenfaserschicht (NFL), Ganglienzellenschicht (GCL), Innere plexiforme Schicht (IPL), Innere nukleäre Schicht (INL), Äußere plexiforme Schicht (OPL), Äußere nukleäre Schicht (ONL), Äußere und Innere Segmentschicht (OS), Pigmentepithel (PE), Aderhaut (Ch)

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Hinter den Fotorezeptoren befindet sich das Pigmentepithel (Stratum pigmenti), in das die Außensegmente der Stäbchen und Zapfen eintauchen. So werden die mit Rhodopsin besetzten Membranscheiben am äußeren Ende durch das Pigmentepithel phagozytiert und im inneren Fotorezeptorsegment nachgebildet und ins äußere Segment nachgeschoben. Eine weitere Funktion des Pigmentepithels ist die Nährstoffversorgung von Fotorezeptoren und die Aufrechterhaltung der Blut-Retina Schranke. Dem Pigmentepithel folgt die kollagenhaltige Bruchsche Membran. Als letzte Schicht schließt sich die Aderhaut (Choroidea) an. Sie ist der hintere Teil der mittleren Augenhaut (Uvea bzw. Tunica media) und für die Blutversorgung der Netzhaut verantwortlich. Um die Entstehung von Streulicht zu verringern, sind die Zellen der Aderhaut tagaktiver Säugetiere zusätzlich mit dem Pigment Melanin durchsetzt. Bei den meisten nachtaktiven Säugetieren findet sich eine weit geringere Menge an Melanin als bei tagaktiven Säugetieren. Stattdessen befinden sich in den Zellen oder im interzellularem Raum reflektierende Kristalle bzw. Kollagenfasern, welche eine reflektierende Schicht, das sogenannte Tapetum lucidum, bilden. Dabei wird zwischen verschiedenen Typen des Tapetum lucidums unterschieden (Ollivier et al., 2004): das beim Säugetier relativ selten vorkommende retinale Tapetum lucidum, wie z.B. beim Flughund und Opossum (Walls, 1942; Braekevelt, 1976), das choroidale Tapetum lucidum cellulosum, wie z.B. bei Hund und Katze (Braekevelt, 1990a, 1990b; Chijiiwa et al., 1990), und das choroidale Tapetum lucidum fibrosum, wie z.B. bei Kuh und Schaf (Braekevelt, 1983, 1986).

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1.2 Altersassoziierte Augenerkrankungen beim Mensch und bei anderen Säugetierarten

Wie bei allen Organen, können auch beim Auge altersbedingte Veränderungen auftreten. In diesem Abschnitt sollen die häufigsten Veränderungen des alternden Auges bei Mensch und Tier vergleichend dargestellt werden.

Katarakt (auch Grauer Star genannt) ist eine Trübung der Linse und beim Menschen die weltweit häufigste Erblindungsursache (Thylefors et al., 2002; Abraham et al., 2006; Stades et al., 2006; Bourne et al., 2013; Khairallah et al., 2015; Chua et al., 2017). Das Auftreten dieser Krankheit ist nicht auf den Menschen beschränkt, sondern betrifft auch eine Vielzahl anderer Säugetierarten. Dazu zählen unter anderem domestizierte Haustiere wie Hund, Katze und Pferd aber auch Primaten wie Makaken und Mausmakis sowie Nagetiere wie Ratte und Maus (Beltran et al., 2007;

Fris u. Midelfart, 2007; Graw, 2009; Sasaki et al., 2011; Gelatt et al., 2012; Chen et al., 2013). Die Ursachen sind multifaktoriell, jedoch gilt oxidativer Stress, hervorgerufen durch Alterungsprozesse und UV-Strahlung, als häufigster Entstehungsgrund (Sweeney u. Truscott, 1998; Moffat et al., 1999; Truscott, 2000, 2005; Babizhayev et al., 2015; Abdelkader et al., 2015). Ebenfalls können metabolische Erkrankungen (Miglior et al., 1994; Klein et al., 1995; McCarty et al., 1999; Gelatt et al., 2012; Maggs et al., 2012) und Mangelernährung Katarakt hervorrufen (Heseker, 1995; Ohta et al., 1997; Meyer u. Sekundo, 2005;

Nourmohammadi et al., 2008; Yonova-Doing et al., 2016). Die Folgen für die Linsenzellen sind Linsenquellung und Proteinausfällung. Da das Licht die Linse an den betroffenen Stellen nicht mehr ungebrochen passieren kann, sondern gestreut wird, führt dies schließlich zum Verlust der Transparenz (Stades et al., 2006).

Neben Katarakt kann die Linse auch von einer anderen Form der altersbedingten Linsentrübung betroffen sein, der Nukleussklerose. Diese Trübungsform wird u.a.

häufig bei Mensch und Hund diagnostiziert und ist im Linsenkern lokalisiert (Glover u.

Constantinescu, 1997; Stades et al., 2006; Gelatt et al., 2012; Maggs et al., 2012).

Anders als bei der Katarakt entsteht die Nukleussklerose durch die Akkumulation von Linsenzellen im Linsenkern und führt im fortgeschrittenen Alter zur Versteifung der

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Augenlinse. Dieser Elastizitätsverlust führt zu einer eingeschränkten Akkommodationsfähigkeit der Linse und wird daher für die Entstehung altersbedingter Weitsichtigkeit mitverantwortlich gemacht (Gwin u. Gelatt, 1981;

Glover u. Constantinescu, 1997; Keil u. Davidson, 2001; Gelatt et al., 2012; Maggs et al., 2012). Obwohl sich eine Trübung im Linsenkern bildet, sind Erblindungen wie im Katarakt für Nukleussklerose nicht bekannt. Klinisch differenziert man Nukleussklerose und Katarakt anhand einer Fundoskopie. Dabei trübt Katarakt während der Untersuchung das Blickfeld auf die Netzhaut, wohingegen Nukleussklerose keinen Schatten auf den dahinterliegenden Netzhautbereich wirft (Gelatt et al., 2012).

Eine weitere Augenerkrankung, die mit steigendem Alter korreliert, ist das Glaukom (Grüner Star). In der Human- und Veterinärmedizin werden Glaukome häufig bei ophthalmologischen Untersuchungen diagnostiziert (Resnikoff et al., 2004; Gelatt et al., 2012; Maggs et al., 2012). Diese Krankheit betrifft 2 bis 2,7 % der menschlichen Population im Alter von über 40 Jahren und mehr als 11 % der menschlichen Population im Alter von über 80 Jahren (Perruccio et al., 2007; Marx-Gross et al., 2017), wobei die Fallzahlen aufgrund frühzeitiger Diagnose und besseren Behandlungsmethoden in den letzten Jahrzehnten rückläufig sind (Malihi et al., 2014). Die Bezeichnung Glaukom stellt den Sammelbegriff einer Reihe von Erkrankungen unterschiedlicher Ätiologie dar. Neben dem Alter ist ein zu hoher Augeninnendruck ein wichtiger Risikofaktor und gleichzeitig entscheidender diagnostischer Hinweis (Sommer et al., 1991; Bengtsson u. Heijl, 2005; European Glaucoma Prevention Study, 2007; Gelatt et al., 2012). Klinisch zeigt sich eine verringerte Sensibilität und Funktionsfähigkeit der Ganglienzellen bis hin zu deren Zelltod sowie der Verlust von Nervenfasern und Exkavation des Nervus opticus (Stades et al., 2006; Gelatt et al., 2012; Maggs et al., 2012). Das Glaukom ist beim Menschen, nach Katarakt, die zweithäufigste Erblindungsursache sowie die häufigste irreversible Erblindungsursache (Resnikoff et al., 2004).

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1.3 Der Mausmaki als nichtmenschliches Primatenmodell für die Altersforschung am Auge

Aufgrund der steigenden Lebenserwartung des Menschen werden altersbedingte Erkrankungen zu einem zunehmenden gesundheitlichen Problem. Erkrankungen, die mit höherem Alter einhergehen, betreffen eine immer größere Anzahl an Menschen und diese gleichzeitig für einen immer längeren Zeitraum. Dabei sind Erkrankungen wie Alzheimer und Katarakt durch eine besonders hohe Fallzahl gekennzeichnet (Brookmeyer et al., 2007; Hirtz et al., 2007; Pascolini u. Mariotti, 2012). Diese Erkrankungen, welche das zentrale Nervensystem bzw. das Auge erfassen, beeinflussen das Alltagsleben von Betroffenen stark und dauerhaft. Um die Ursachen für die Entstehung solcher Krankheiten zu verstehen und Behandlungsmethoden zu entwickeln, ist neben menschlichen Probanden, die Nutzung von Versuchstieren immer noch essenziell (Maurer u. Quimby, 2015). Auf der Suche nach adäquaten Tiermodellen, hat sich in den vergangenen Jahren der Graue Mausmaki (Microcebus murinus) als vielversprechendes Tiermodell in der Altersforschung etabliert (Languille et al., 2012; Verdier et al., 2015). Der Mausmaki ist endemisch auf Madagaskar, nachtaktiv und zählt zu den kleinsten Primaten der Welt (Mittermeier et al., 2010).

Dies macht es möglich Mausmakis sehr kosteneffizient zu halten und leichter zu handhaben als andere Primatenarten (Wrogemann et al., 2001; Bons et al., 2006;

Fischer u. Austad, 2011; Finch u. Austad, 2012; Languille et al., 2012). Zudem sind Mausmakis, aufgrund ihrer relativ nahen genetischen Verwandtschaft zum Menschen, besonders interessant für die Forschung. Zum einen haben sich Mausmakis, bzw. die Unterordnung der Feuchtnasenprimaten, im Vergleich zu Maus und Ratte taxonomisch relativ spät von den Trockennasenprimaten, zu denen auch der Mensch gehört, getrennt. Außerdem haben Mausmakis im Gegensatz zu Maus und Ratte, welche heutzutage die häufigsten Tiermodelle in der Versuchstierforschung darstellen, eine deutlich langsamere molekulare Uhr (Ezran et al., 2017). Dies bedeutet, dass die Anzahl an Mutationen, die das Genom eines Mausmakis von dem eines Menschen trennt, weitaus geringer ist als zwischen Mensch und Maus bzw. Ratte (Li et al., 1996; Huttley et al., 2007). Aufgrund ihrer

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phylogenetischen Stellung, ihrer hohen und kryptischen Artenvielfalt, ihrer ungleichmäßigen Verteilung auf Madagaskar und ihrer flexiblen Anpassung an den zur Verfügung stehenden Lebensraum sind Mausmakis vor allem im Bereich der Evolutionsforschung äußerst interessant (Zimmermann u. Radespiel, 2014) und werden zunehmend in der Alters- und Alzheimerforschung eingesetzt (Bons et al., 1995; Dhenain et al., 2000; Mestre-Frances et al., 2000; Fischer u. Austad, 2011;

Kraska et al., 2011; Verdier et al., 2015). Letzteres ist unter anderem der Tatsache zuzuschreiben, dass sich im Gehirn alternder Mausmakis β-Amyloid und Tau-Protein Ablagerungen finden (Bons et al., 1995; Mestre-Frances et al., 2000; Heuer et al., 2012). Diese Ablagerungen finden sich auch bei Menschen mit Alzheimersymptomen wieder (Querfurth u. LaFerla, 2010). Die Pathophysiologie dieser Krankheit bedingt, dass die Tiere ein relativ hohes Alter erreichen müssen, um Veränderungen feststellen zu können. Mausmakis werden in menschlicher Obhut unter optimalen Haltungsbedingungen (medizinische Versorgung, fehlender Prädationsdruck, kontrolliertes Futter- und Hygienemanagement) mit bis zu achtzehn Jahren deutlich älter als Artgenossen in freier Wildbahn mit bis zu acht Jahren (Weigl u. Jones, 2005;

Zimmermann et al., 2016). Altersbedingte Veränderungen, die sonst bei freilebenden Tieren nicht bzw. selten auftreten, können daher gehäuft beobachtet werden, darunter besonders häufig Katarakt (Beltran et al., 2007). Diese Erkrankung führt durch Trübungen in der Linse zu einem sich stetig verschlechternden Sehvermögen und im Endstadium zur kompletten Blindheit (Stades et al., 2006; Gelatt et al., 2012;

Maggs et al., 2012). Die Folgen einer solchen Seheinschränkung für Mausmakis werden deutlich, wenn man sich die zahlreichen anatomischen Anpassungen des Auges an eine visuelle Orientierung genauer ansieht. Diese sind für die räumliche Orientierung unter schlechten Lichtbedingungen im dreidimensionalen Raum sowie für den Beutefang und die Detektion von Prädatoren von großer Wichtigkeit (Fichtel, 2016). So ist das Auge der Mausmakis durch eine überdurchschnittliche Größe in Relation zum Kopf und Körpergewicht gekennzeichnet (Abb. 4) und weist einen durchschnittlichen Durchmesser von 9,4 mm auf (Kirk, 2004). Dies ermöglicht mehr Restlicht einzufangen und die absolute Anzahl der Fotorezeptoren zu erhöhen.

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Die Linsenstruktur des Mausmakiauges ist der Struktur anderer Säugetieraugen ähnlich (Abb. 5), jedoch ist das Größenverhältnis des Hornhaut- und Linsendurchmessers zum äquatorialen Augendurchmesser typisch für nachtaktive Säugetiere. Das Hornhaut-Augenverhältnis beträgt 0,86:1 und das Linsen- Augenverhältnis 0,63:1 (Peichl et al., 2017). Die vergrößerten Durchmesser der Hornhaut und der Linse ermöglichen eine höhere Lichtausbeute (Kirk, 2004; Schmitz u. Motani, 2010; Land u. Nilsson, 2012).

Abb. 4: Frontalaufnahme eines ophthalmologisch gesunden Mausmakis (Foto:

M. Dubicanac). Die Pupille schließt bei Lichteinfall vertikal oval bis schlitzförmig. Die Augen sind mit einem Durchmesser von durchschnittlich 9,4 mm verhältnismäßig groß.

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Ein weiteres Hilfsmittel, um die geringe Lichtintensität während der Nacht besser nutzen zu können, ist die multiple Stimulierung fotosensibler Zellen. Um die Entstehung von Streulicht zu minimieren, befindet sich bei tagaktiven Tieren eine stark pigmentierte Aderhaut hinter den Fotorezeptoren. Beim Mausmaki ist diese Pigmentierung, wie bei vielen anderen nachtaktiven Tieren, schwach ausgeprägt und durch das Tapetum lucidum ersetzt. Auftreffendes Licht verleiht der Netzhaut den typischen Rückstrahleffekt (Ollivier et al., 2004), dessen Farbe zwischen Tierarten variiert und beim Mausmaki von gelb-grün bis orange reicht (Abb. 6).

Abb. 5: (links) Schematische Darstellung der Linsenstruktur (in Anlehnung an Stades et al., 2006). (rechts) Histologischer Querschnitt durch die Augenlinse eines zwei Jahre alten grauen Mausmakis (Foto: Arbeitsgruppe PD Dr. med. Stephanie Joachim, Ruhr-Universität Bochum, HE-Färbung, Maßstab 200 µm), in diesem Präparat umgeklappte Linsenkapsel (1), Nukleus (2), Kortex (3)

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Die so verursachte Reflektion des einfallenden Lichts und die damit einhergehende zweite Stimulierung der Fotorezeptoren, erhöhen die Signalstärke die letztendlich zum Gehirn weitergeleitet wird. Zwar liegen bis heute keine Untersuchungen zur Feinstruktur der Retina beim Mausmaki vor, jedoch könnte es sich beim Tapetum lucidum des Mausmakis um ein choroidales Tapetum lucidum cellulosum handeln, Abb. 6: Fundoskopie der Netzhaut eines Mausmakis (Foto: M.

Dubicanac). Das zurückgeworfene Licht schimmert gelb-grün bis orange. Ein vertikal verlaufender Pigmentstreifen ist medial der Papille zu sehen.

Abb. 7: (links) Schematische Darstellung der Netzhaut (nach Vecino et al., 2016) und (rechts) histologischer Querschnitt der Netzhaut eines Mausmakis (Foto: Arbeitsgruppe PD Dr. med. Stephanie Joachim, Ruhr- Universität Bochum, HE-Färbung, Maßstab 20 µm). (rechts) Von unten (innen) nach oben (außen): Ganglienzellschicht (GCL), innere plexiforme Schicht (IPL), innere nukleäre Schicht (INL), äußere plexiforme Schicht (OPL), äußere nukleäre Schicht (ONL)

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wie es bereits bei den relativ nah verwandten Galagos (Galago crassicaudatus) beschrieben wurde (Ollivier et al., 2004).

Nicht zuletzt ist auch die Anzahl der Stäbchen in der Netzhaut für eine adäquate Ausbeute eintreffender Lichtimpulse entscheidend (Abb. 7). Der Mausmaki hat ein gut entwickeltes skotopisches Sehvermögen und ein für nachaktive Tiere typisches Verhältnis von Stäbchen zu Zapfen, welches im umgekehrten Verhältnis zu tagaktiven Tiere steht. So liegt die Stäbchendichte in der Area centralis beim Mausmaki bei bis zu 850.000/mm2 und die Zapfendichte bei 7.600-10.900/mm2 (Dkhissi-Benyahya et al., 2001; Peichl et al., 2017). Die Stäbchendichte von 850.000/mm2 ist dabei selbst für nachtaktive Tiere besonders hoch (Dkhissi- Benyahya et al., 2001; Peichl et al., 2017). Hinsichtlich des Dichteverhältnisses der verschiedenen Zapfentypen des S-Typs (Blaurezeptor), M-Typs (Grünrezeptor) und L-Typs (Rotrezeptor), konnte erst vor kurzem festgestellt werden, dass beim Mausmaki die Dichte der Zapfen vom S-Typ mit einem zentralen Minimum von <

50/mm2 besonders niedrig ist (Peichl et al., 2017). Mausmakis gelten somit praktisch als M/L-Monochromaten und besitzen ein schlecht entwickeltes farbliches Sehvermögen (Peichl et al., 2017).

Es wurden bereits Augenerkrankungen beschrieben, die einige der oben genannten Strukturen betreffen, z.B. Katarakt und Korneaveränderungen (Beltran et al., 2007).

Jedoch gibt es bis heute keine systematischen Untersuchungen zu altersabhängigen Veränderungen am Mausmakiauge, obwohl diese von besonderem Interesse wären, da Alterungsprozesse beim Mausmaki stärker von fotoperiodischen Jahreszyklen abhängig sind als von der chronologisch verstrichenen Zeit (Perret, 1997;

Zimmermann et al., 2016). Um dies besser zu verstehen, muss man wissen, dass die Fortpflanzung von Mausmakis saisonal abhängig ist. Die Paarungsbereitschaft wird durch die Zunahme des Anteils der hellen Stunden pro Tag induziert. Auf Madagaskar variiert der fotoperiodische Zyklus und das davon abhängige Nahrungsangebot bzw. Klima zwar vorhersehbar, jedoch extrem, innerhalb eines Jahres. Unter solchen strengen periodischen Veränderungen müssen Mausmakis eine große Anpassungsfähigkeit in Bezug auf Reproduktion, Wachstum und Entwicklung zeigen. Diese strenge fotoperiodische Abhängigkeit kann bei Tieren in

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Gefangenschaft z.B. zu Gunsten einer beschleunigten Fortpflanzungsrate genutzt werden, indem die fotoperiodischen Jahreszyklen verkürzt werden (Perret, 1997).

Um die Auswirkungen der Anpassungsfähigkeit an fotoperiodische Jahreszyklen genauer zu erfassen, wurden Populationen untersucht, die unter verschiedenen, künstlichen Lichtbedingungen gehalten wurden. Die Kontrollpopulation wurde dabei unter einem natürlichen fotoperiodischen Jahreszyklus gehalten. Der Zeitraum für die Kurz-Tag Phase (10 Stunden Licht/14 Stunden Dunkel) und die Lang-Tag Phase (14 Stunden Licht/10 Stunden Dunkel) dieser Population betrug jeweils sechs Monate, was zusammen einen natürlichen zwölf-monatigen fotoperiodischen Jahreszyklus ergibt. Die zu untersuchende Population wurde unter einem beschleunigten fotoperiodischen Jahreszyklus gehalten. Dies bedeutet, dass die Kurz-Tag Phase auf drei Monate und die Lang-Tag Phase auf fünf Monate verkürzt wurde, was einen fotoperiodischen Jahreszyklus von insgesamt acht Monaten ergibt (Zimmermann et al., 2016). Neben einer beschleunigten Reproduktionsfähigkeit, hat der um 30 % verkürzte fotoperiodische Jahreszyklus auch zur Folge, dass Alterserscheinungen früher auftreten. Zu den erkennbaren Veränderungen zählen graues Fell, Abflachen der Nasenspitze sowie die Abnahme der durchschnittlichen Lebenserwartung (Perret, 1997). Auch das Körpergewicht von Weibchen während der ersten Reproduktionsphase und das Alter während der ersten Reproduktion sind betroffen (Zimmermann et al., 2016). Die genannten Alterserscheinungen zeigten eine signifikante Korrelation mit dem verkürzten fotoperiodischen Jahreszyklus, was zur Folge hat, dass sich die Lebenserwartung von 14 Jahren auf 10,7 Jahre verringerte (Zimmermann et al., 2016). Folglich sind Alter und dessen begleitende Prozesse bei Mausmakis stark fotoperiodisch gesteuert und können somit besser mit der Anzahl der durchlebten fotoperiodischen Jahreszyklen bestimmt werden als mit der üblichen chronologischen Zeitmessung.

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1.4 Ziele und Fragestellungen

Das Ziel dieser Arbeit ist es, in mehreren ophthalmologisch relevanten Bereichen, neue Erkenntnisse und Hilfestellungen zu bieten. Dazu gehören A) durch Literaturübersicht und eigene ophthalmologische Untersuchungen in zwei Kolonien die Kenntnis über das Auftreten von Augenveränderungen im Allgemeinen sowie im Verlauf des Alters zu erweitern, B) erstmals durch standardisierte, ophthalmologische Untersuchungen den physiologischen Augeninnendruck an gesunden Augen mehrerer hundert Tiere zu ermitteln, um so Veränderungen besser diagnostizieren zu können und festzustellen, ob und welche Bedeutung der Mausmaki für die Glaukomforschung hat, und C) erstmals durch den Vergleich zwischen der natürlichen und fotoperiodisch beschleunigten Alterung, den Einfluss der Fotoperiodik auf die Entstehung altersbedingter Augenveränderungen und die Bedeutung des Mausmaki für die Kataraktforschung einschätzen zu können.

Im Rahmen der ersten Publikation wird zunächst eine Übersicht der bisher beschriebenen Augenerkrankungen bei Mausmakis in Gefangenschaft gegeben.

Dazu werden Literaturdatenbanken auf bereits vorliegende Publikationen hin durchsucht und diese mit Fällen aus eigenen Untersuchungen ergänzt. Die durchgeführten ophthalmologischen Untersuchungen beinhalten dabei folgende Parameter: IOD-Messung mit einem Tonometer, die Untersuchung der vorderen- und hinteren Augenkammer sowie der Linse mit einer Spaltlampe und die Beurteilung der Netzhaut mit Hilfe eines Ophthalmoskops. Die Fälle aus den eigenen Untersuchungen wurden zusätzlich auf Altersabhängigkeit und, mithilfe von Stammbaumanalysen, auf eine familiäre Häufung hin untersucht. Die Darstellung der Häufigkeit einzelner Augenerkrankungen soll Kenntnis darüber schaffen, ab welchem Alter mit bestimmten ophthalmologischen Erkrankungen in Gefangenschaft gerechnet werden muss.

Die in der zweiten Publikation beschriebenen Methoden und Ergebnisse helfen dabei, eine umfangreiche und aussagekräftige ophthalmologische Untersuchung beim Mausmaki durchführen zu können. Dazu wurde eine praktikable Messmethode sowie ein Referenzwert für den IOD beim Mausmaki etabliert. Zunächst ist es

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notwendig aus den in der Veterinärmedizin gebräuchlichen diagnostischen Werkzeugen das für den Mausmaki praktikabelste zu bestimmen. Das TonoVet® und der TonoPen™ wurden an einer Stichprobe von Tieren getestet, um die Dauer der Messmethode, die Belastung für das Tier und die Genauigkeit zu ermitteln. Des Weiteren wurden die Messwerte beider Geräte validiert, da die Geräte nur für bestimmte Tierarten (Hund, Pferd) geeicht sind. Für die Validierung sind enukleierte Augäpfel von ophthalmologisch gesunden Tieren notwendig, an denen mit den beiden Testgeräten eine indirekte IOD-Messung durchgeführt wird. Dafür sollen Tieren genommen werden, die an ophthalmologisch nicht relevanten Krankheiten verstorben sind oder wegen diesen euthanasiert werden mussten. Der tatsächliche IOD wird hierbei durch ein Manometer direkt im Auge gemessen und anschließend mit den indirekt ermittelten Werten der beiden Tonometer verglichen. Aus dem Verhältnis zwischen dem direkt gemessenen Druckwert des Manometers und dem indirekt gemessenen Druckwert des jeweiligen Tonometers, lässt sich schließlich eine Umrechnungsformel berechnen. Sofern das gleiche Messgerät für die Untersuchung genutzt wird, soll diese Formel Tierärzten helfen gemessene Werte korrekt interpretieren zu können. Das besser geeignete Tonometer wurde anschließend für weitere Messungen an Tieren zweier großer Mausmaki- Populationen in Deutschland und Frankreich genutzt. Die zwei untersuchten Kolonien befinden sich am Institut für Zoologie an der Tierärztlichen Hochschule in Hannover und am INSERM u. 1198 der Université Montpellier 2 in Montpellier und beherbergen zusammen mehr als 350 Tiere. Die ermittelten Werte dieser großen Stichprobe wurden zu einem Referenzwert des physiologischen IOD beim Mausmaki zusammengefasst. Bei Mausmakis, die Symptome eines Glaukoms aufweisen, wurde der Augeninnendruck festgestellt und mit dem Referenzwert verglichen.

Dieser Vergleich ermöglicht rückblickend, ob und in welchem Maße der Mausmaki als Tiermodell für die Glaukomforschung in Frage kommt.

Im Rahmen der dritten Publikation wurden zwei Kolonien mit unterschiedlichen fotoperiodischen Jahreszyklen untersucht. Eine der Kolonien befindet sich am Institut für Zoologie an der Tierärztlichen Hochschule in Hannover. Diese wird unter natürlichen zwölf-monatigen fotoperiodischen Jahreszyklen gehalten. Die zweite

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Kolonie befindet sich an der Universität Montpellier und wird unter verkürzten acht- monatigen fotoperiodischen Jahreszyklen gehalten. Es sollte festgestellt werden, ob beim Mausmaki altersbedingte Trübungen der Augenlinse auftreten, die durch die Verkürzung der fotoperiodischen Jahreszyklen in ihrem Entstehungszeitpunkt beeinflusst werden. Dazu wurden jährlich in drei aufeinanderfolgenden Jahren (Hannover) bzw. zwei aufeinanderfolgenden Jahren (Montpellier) ophthalmologische Untersuchungen an allen Tieren beider Kolonien durchgeführt. Tiere, die innerhalb von zwei Untersuchungsreihen erste Anzeichen einer Trübung aufwiesen, wurden anschließend für weitere statistische Analysen benutzt. Die Tiere, bei denen das Auftreten erster Trübungen auf diese Weise zeitlich eingegrenzt werden konnte, wurden für die beiden Kolonien separat zusammengefasst. Diese beiden Gruppen wurden anschließend hinsichtlich des chronologischen Alters und der Anzahl fotoperiodischer Zyklen miteinander verglichen. Abschließend sollte die Frage beantwortet werden, ob der Mausmaki als Tiermodell für die Kataraktforschung von Interesse sein könnte.

Somit sollen folgende spezifische Fragen beantwortet werden:

(1) Welche Augenerkrankungen kommen beim Primatenmodell grauer Mausmaki in Gefangenschaft vor?

 Sind Mausmakis für bestimmte Augenerkrankungen besonders anfällig?

 Korrelieren bestimmte Augenerkrankungen mit dem Alter?

 Kann man familiäre Häufungen bei bestimmten Augenerkrankungen feststellen?

+

(2) Gibt es ein geeignetes Augeninnendruck-Messgerät für Kleinstprimaten und wie hoch ist der physiologische Augeninnendruck im gesunden Auge beim grauen Mausmaki?

 Wie kann der ermittelte Wert korrekt berechnet werden?

 Wie hoch ist der physiologische Augeninnendruck beim Grauen Mausmaki?

 Ist der Mausmaki als Tiermodell für die Glaukomforschung geeignet?

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(3) Werden Linsentrübungen beim Mausmaki durch fotoperiodische Zyklen beeinflusst?

 Führt ein verkürzter fotoperiodischer Zyklus zu einem früheren Entstehungszeitpunkt der Linsentrübungen?

 Ist der Mausmaki als Tiermodell für die Kataraktforschung geeignet?

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2. Publikationen

2.1 “A review on ocular findings in mouse lemurs: potential links to age and genetic background”

M. Dubicanac, U. Radespiel, E. Zimmermann Primate Biology, 4, 215-228

doi: https://doi.org/10.5194/pb-4-215-2017 Publiziert am 27.10.2017

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Abstract

Mouse lemurs, the world’s smallest primates, inhabit forests in Madagascar. They are nocturnal, arboreal and dependent on vision for their every day’s life. In the last decades, the gray mouse lemur became increasingly important for biomedical, in particular aging research. Experiments which require the combination of visual fitness and old age consequently depend on a solid knowledge of ocular pathologies.

Although impairments of the mouse lemur’s eye have been described as being common, they have not received much attention so far. Yet it is important to know when and why visual impairments in captive mouse lemurs may occur. This review aims to provide a comprehensive overview of known ocular changes in mouse lemurs. It summarizes the frequency of ocular impairments in captive mouse lemur colonies and points to their likely causes and treatment options based on the evidence available from other animals and humans. In addition, it shall be discussed whether age or genetic background may affect their development. This review may be used as a reference for future studies which require an assessment of visual fitness in mouse lemurs and help to evaluate observed ocular impairments and diseases. Furthermore, the high incidence of specific impairments may provide new perspectives and set the ground for a new animal model for ocular research.

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2.2 ”Intraocular pressure in the smallest primate aging model: the gray mouse lemur“

M. Dubicanac, M. Joly, J. Strüve, I. Nolte, N. Mestre-Francés, J.-M. Verdier, E.

Zimmermann

Veterinary Ophthalmology, 21(3), 319-327 doi: 10.1111/vop.12434

Publiziert am 31.09.2016

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Abstract

Objective: The aim of this study was to assess the practicability of common tonometers used in veterinary medicine for rapid IOP screening, to calibrate IOP values gained by the tonometers and to define a reference IOP value for the healthy eye in a new primate model for aging research, the gray mouse lemur.

Studied Animals & Procedures: TonoVet® and the TonoPen™ measurements were calibrated manometrically in healthy enucleated eyes of mouse lemurs euthanized for veterinary reasons. For comparison of the practicability of both tonometers as a rapid IOP assessment tool for living mouse lemurs, the IOP of 24 eyes of 12 animals held in the hand was measured. To define a standard reference value for IOP in mouse lemurs, 258 healthy animals were measured using the TonoVet®.

Results: IOP measurements for the TonoVet® can be corrected by using the formula: y = 0.981 + (1.962*TonoVet® value), and those for the TonoPen™ by using that of y = 5.38 + (1.426*TonoPen™ value). The calibrated IOP for a healthy mouse lemur eye was 20.3 ± 2.8 mmHg. The TonoVet® showed advantages in practicability, e.g. small corneal contact area, short and painless corneal contact, shortened total time spent on investigation as well as the more accurate measured values. IOP measurements of healthy mouse lemur eyes were not affected by age, sex, eye side or colony.

Conclusion: Tonometry using TonoVet® is the more practicable assessment tool for IOP measurement of the tiny eyes of living mouse lemurs. Pathological deviations can be identified based on the described reference value.

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2.3 “Photoperiodic regime influences onset of lens opacities in a non-human primate”

M. Dubicanac, J. Strüve, N. Mestre-Francés, J.-M. Verdier, E. Zimmermann, M. Joly PeerJ

doi: 10.7717/peerj.3258 Publiziert am 04.05.2017

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Abstract

Background: Opacities of the lens are typical age-related phenomena which have a high influence on photoreception and consequently circadian rhythm. In mouse lemurs, a small bodied non-human primate, a high incidence (more than 50% when >

7 years) of cataracts has been previously described during aging. Previous studies showed that photoperiodically induced accelerated annual rhythms alter some of mouse lemurs’ life history traits. Whether a modification of photoperiod also affects the onset of age dependent lens opacities has not been investigated so far. The aim of this study was therefore to characterise the type of opacity and the mouse lemurs’

age at its onset in two colonies with different photoperiodic regimen.

Methods: Two of the largest mouse lemur colonies in Europe were investigated;

Colony 1 having a natural annual photoperiodic regime and Colony 2 with an induced accelerated annual cycle. A slit-lamp was used to determine opacities in the lens.

Furthermore, a subset of all animals which showed no opacities in the lens nucleus in the first examination but developed first changes in the following examination were further examined to estimate the age at onset of opacities. In total, 387 animals were examined and 57 represented the subset for age at onset estimation.

Results: The first and most commonly observable opacity in the lens was nuclear sclerosis. Mouse lemurs from Colony 1 showed a delayed onset of nuclear sclerosis compared to mouse lemurs from Colony 2 (4.35 ± 1.50 years vs. 2.75 ± 0.99 years).

For colony 1, the chronological age was equivalent to the number of seasonal cycles experienced by the mouse lemurs. For colony 2, in which seasonal cycles were accelerated by a factor of 1.5, mouse lemurs had experienced 4.13 ± 1.50 seasonal cycles in 2.75 ± 0.99 chronological years.

Discussion: Our study showed clear differences in the age at the onset of nuclear sclerosis formation between lemurs kept under different photoperiodic regimes.

Instead of measuring the chronological age, the number of seasonal cycles (N = 4) experienced by a mouse lemur can be used to estimate the risk of beginning nuclear sclerosis formation. Ophthalmological examinations should be taken into account when animals older than 5 - 6 seasonal cycles are used for experiments in which

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unrestricted visual ability has to be ensured. This study is the first to assess and demonstrate the influence of annual photoperiod regime on the incidence of lens opacities in a non-human primate.

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3. Übergreifende Diskussion

Mausmakis stellen ein neues Primatenmodell in der Altersforschung dar. Daher sind eine Übersicht aller altersbedingt vorkommenden Augenerkrankungen und eine Einschätzung ihrer Bedeutung für Forschungsgebiete in der klinischen Wissenschaft sowie die Hilfestellung bei deren Diagnose von grundlegendem Interesse.

3.1 Ophthalmologische Befunde bei Mausmakis in Gefangenschaft

Mausmakis werden heutzutage in diversen Forschungsbereichen erfolgreich eingesetzt. Ein wesentlicher Fokus liegt in der Alters- und Alzheimerforschung (Bons et al., 1995; Dhenain et al., 2000; Mestre-Frances et al., 2000; Fischer u. Austad, 2011; Kraska et al., 2011; Verdier et al., 2015). Hierfür werden auch Experimente durchgeführt, die eine wenig bis gar nicht eingeschränkte Sehfähigkeit der Versuchstiere (gesundes Auge) voraussetzen, wie z.B. Experimente, in denen Tiere auf berührungsempfindlichen Monitoren Bilder erkennen und differenzieren lernen müssen (Joly et al., 2014). Um eine Einschränkung der Sehfähigkeit auszuschließen, wird oftmals auf das Augenmaß vertraut. Dabei ist wichtig zu wissen, dass viele Erkrankungen augenscheinlich nicht diagnostizierbar sind und daher trotz des Fehlens äußerlich erkennbarer Veränderungen eine eingeschränkte Sehfähigkeit vorliegen kann (Stades et al., 2006; Gelatt et al., 2012; Maggs et al., 2012). Des Weiteren liegt beim Mausmaki bisher noch keine grundlegende Beschreibung für das Entstehungsrisiko auftretender Augenerkrankungen vor. Untersuchungen von Beltran et al. (2007) zeigten zwar auf, dass diese Tiere an diversen Augenerkrankungen leiden können, weitere Untersuchungen sind seitdem aber ausgeblieben. Um genauer einschätzen zu können, welche Erkrankungen wie oft und wann bei Tieren in Gefangenschaft auftreten, sind weitere Untersuchungen notwendig. Somit gilt es folgende konkrete Fragen zu beantworten: Welche Augenerkrankungen kommen bei Mausmakis in Gefangenschaft vor? Sind Mausmakis für bestimmte

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Augenerkrankungen besonders anfällig? Korrelieren bestimmte Augenerkrankungen mit dem Alter? Kann man familiäre Häufungen bei bestimmten Augenerkrankungen feststellen?

Im Rahmen dieser Studie konnte ein Überblick der auftretenden Augenerkrankungen geschaffen werden, der auf einem mehrjährigen Zeitraum und einer großen Stichprobe von 667 Tieren (386 Tiere aus eigener Untersuchung und 281 Tiere aus der Arbeit von Beltran et al., 2007) basiert. Die Ergebnisse zeigen, dass Veränderungen am Auge bei Tieren in Gefangenschaft gehäuft im Bereich des achten Lebensjahres entstehen. Dabei sind Trübungen der Linse die mit Abstand häufigsten Befunde, gefolgt von posteriorer Iris-Synechien. Diesen relativ häufigen Befunden folgt eine Vielzahl anderer Augenerkrankungen, die in ihrer Häufigkeit jedoch deutlich seltener (oft Einzelfälle) zu finden sind. Zu diesen Befunden zählen Korneadegenerationen, Korneadystrophien, Linsenluxation, Buphthalmia, Exophthalmos, Intraokulare Hypertension, Chorioretinitis und Hyphema.

In den vorliegenden Untersuchungen stellte Nukleussklerose, gefolgt von kortikaler Katarakt, die häufigste Trübungsform dar. Für beide Trübungsformen konnte eine starke Altersabhängigkeit festgestellt werden. Die Anzahl der erkrankten Tiere stieg mit steigendem Alter an und erreichte zwischen dem sechsten und achten Lebensjahr für Nukleussklerose und zwischen dem achten und zehnten Lebensjahr für Katarakt 100 % (Dubicanac et al., 2017). Diese Proportionen sind nicht einzigartig beim Mausmaki, sondern kommen auch bei anderen Säugetieren wie Mensch und Hund vor, bei denen Nukleussklerose und kortikale Katarakt ebenfalls die zwei häufigsten altersbedingten Trübungsformen darstellen (Sperduto u. Hiller, 1984;

Klein et al., 1992; Williams et al., 2004). Zusätzlich stellt Nukleussklerose beim Hund die durchschnittlich früheste altersbedingte Linsentrübung dar, welche bereits im Alter von 9,6 ± 2,6 Jahren bei 50 % der untersuchten Tiere auftritt (Williams et al., 2004). Ab dem achten Lebensjahr traten bei den hier untersuchten Mausmakis auch die ersten Fälle von maturer Katarakt auf, die letztendlich zur Blindheit betroffener Tiere führen. Eine Erklärung für das erhöhte Auftreten von altersbedingten Krankheiten ab einem bestimmten Alter kann als Folge der Tierhaltung selbst gesehen werden. Ähnlich wie bei anderen domestizierten Tieren, werden Mausmakis

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in Gefangenschaft aufgrund medizinischer Versorgung, ausreichendem Nahrungsangebot, besseren Hygienebedingungen und fehlenden Fressfeinden deutlich älter als ihre Artgenossen in freier Wildbahn (Weigl u. Jones, 2005). Dieses Phänomen kann auch bei anderen Tierarten beobachtet werden, wie z.B. Gorillas (Yamagiwa, 1997), Makaken (Hoffman et al., 2010) oder Weißbüscheläffchen (Tardif et al., 2011), aber auch bei Nagetieren wie Ratten und Mäusen (Finch u. Austad, 2012). Auch der Mensch zeigt aufgrund der genannten Punkte eine drastisch höhere Lebenserwartung (Robson u. Wood, 2008). Bei Mausmakis bedingt die erhöhte Lebenserwartung, dass im höheren Alter Erkrankungen der Sinnesorgane gehäuft auftreten. In freier Wildbahn sind solche Erkrankungen meist nicht zu finden, da sie den vorzeitigen Tod betroffener Tiere herbeiführen können. Beim Mausmaki ist der Schutz vor Fressfeinden besonders wichtig, wobei dem Sehsinn eine wichtige Rolle zugeteilt wird (Fichtel, 2016). Unter kontrollierten Bedingungen haben solche Erkrankungen weniger Einfluss auf die Futtersuche und erhöhen nicht die Wahrscheinlichkeit, Fressfeinden zum Opfer zu fallen. Das Alter von ca. acht Jahren könnte einen zeitlichen Grenzpunkt darstellen, der entscheidend die Entstehung altersbedingter Erkrankungen markiert. In Gefangenschaft werden zwischen dem sechsten und achten Lebensjahr zunehmend Beeinträchtigungen der Sehfähigkeit manifest. Zunächst entwickeln sich vornehmlich geringe Beeinträchtigungen wie Nukleussklerose und in geringerer Anzahl Frühstadien von Katarakt.

Nukleussklerose ist eine physiologische Alterung des Auges und geht hauptsächlich mit einer Trübung und Versteifung der Linse einher, welche als Mitursache für altersbedingte Weitsichtigkeit diskutiert wird, jedoch nicht zur Blindheit führt (Glover u. Constantinescu, 1997; Stades et al., 2006; Gelatt et al., 2012; Maggs et al., 2012).

Wie sehr die abnehmende Akkommodationsfähigkeit die Überlebenswahrscheinlichkeit freilebender Mausmakis beeinträchtigt, ist jedoch unklar. Da Mausmakis ebenfalls einen ausgeprägten Hörsinn besitzen (Schopf et al., 2014; Schopf et al., 2016; Fichtel, 2016), könnte eine nicht allzu gravierende Beeinträchtigung der Sehkraft bis zu einem gewissen Grad durch diesen Sinn kompensiert werden. Dies würde erklären, wieso Tiere bis zu einem Alter von acht Jahren in freier Wildbahn überleben können, obwohl bei diesen Tieren mit hoher

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Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass bereits fortgeschrittene Nukleussklerose vorliegt. In einer Studie konnte jedoch gezeigt werden, dass beim Mausmaki Neuronen der Hörbahnen einer altersbedingten Degeneration unterliegen. Somit ist auch der Gehörsinn beim Mausmaki, ähnlich wie beim Menschen und anderen Säugertieren, den typischen Alterungsprozessen unterworfen und wird mit steigendem Alter zunehmend beeinträchtigt (Schopf et al., 2014). Eine Kombination aus Seh- und Hörbeeinträchtigung könnte schließlich fatale Folgen für die Überlebenswahrscheinlichkeit freilebender Mausmakis haben. Ab dem achten Lebensjahr treten zudem gehäuft fortgeschrittene Formen von Katarakt auf. Im Gegensatz zu Nukleussklerose kann Katarakt jedoch zu gravierenden Seheinschränkungen und sogar zu Blindheit führen (Stades et al., 2006; Gelatt et al., 2012; Maggs et al., 2012). Das jüngste in Gefangenschaft lebende Tier, bei dem durch Katarakt hervorgerufene Blindheit festgestellt werden konnte, war ebenfalls acht Jahre alt. Nimmt man nun an, dass in freier Wildbahn die zeitliche Entwicklung von Augenerkrankungen wie Nukleussklerose und Katarakt im selben Zeitraum stattfindet wie bei Tieren in Gefangenschaft, unterstreichen die Ergebnisse die Bedeutung der Sehfähigkeit für die Überlebenschancen in freier Wildbahn und stehen im Einklang mit der dort beschriebenen maximalen Lebenserwartung von ca.

acht Jahren (Zohdy u. Radespiel, 2012).

Die Frage, ob die auftretenden Trübungen familiär gehäuft vorkommen, kann nach Beurteilung der Ergebnisse dieser Studie verneint werden. Für Katarakt und Nukleussklerose konnte vielmehr ein generelles Auftreten festgestellt werden, bei der jedes Tier spätestens zwischen dem achten und zehnten Lebensjahr eine Mischform beider Trübungsarten entwickelt. Die Ursache hierfür könnte in der Zucht liegen, welche auf einer definierten Anzahl von Gründertieren beruht. Obwohl Tiere aus anderen Kolonien regelmäßig in das Zuchtprogramm der Kolonie Hannover eingebracht werden, unterliegt diese unvermeidlich einem gewissen Grad der Inzucht. Für altersbedingte kortikale Katarakt und Nukleussklerose sind beim Menschen bereits erbliche Risikofaktoren beschrieben worden. So zeigten genomweite Assoziationsstudien, dass mehrere Loci das Entstehungsrisiko altersbedingter kortikaler Katarakt beeinflussen (Iyengar et al., 2004; Congdon et al.,

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2005; Shiels u. Hejtmancik, 2007). Auch für Nukleussklerose werden polygene Einflüsse vermutet (Klein et al., 2005). Daraus ließe sich schlussfolgern, dass das generelle Auftreten dieser Trübungsformen auf die genannten Gründertiere zurückgeführt werden könne und innerhalb der Kolonien persistiert. Wenn man jedoch zusätzlich die Ergebnisse Beltrans et al., 2007 in Betracht zieht, stellen Trübungen der Linse in insgesamt drei verschiedenen Kolonien mit unterschiedlichen Gründertieren eine häufige Erkrankung dar. Dies lässt eher auf eine artspezifische, genetische Determination schließen.

Eine weitere häufige Augenveränderung, die sowohl in den vorliegenden als auch in den Untersuchungen Beltrans et al., 2007 beobachtet werden konnte, war die Ausbildung posteriorer Synechien bzw. Seklusionen der Iris. Diese Erkrankung stellte eine regelmäßige Folgeerscheinung maturer Katarakt dar. Die betroffenen Tiere waren mindestens zehn Jahre alt und bei allen konnte mindestens ein Jahr zuvor mature Katarakt diagnostiziert werden. Das Auftreten von Synechien bzw.

Seklusionen der Iris wurde von Beltran et al. (2007) ebenfalls als kataraktassoziiert beschrieben. Es ist jedoch nicht bekannt, mit welchem Trübungsgrad die Synechien genau assoziiert waren oder in welchem Alter sich die betroffenen Tiere befanden.

Synechien treten in der Regel nach Entzündungen auf, die durch Infektionen der vorderen Augenkammer oder durch traumatische Schädigungen (z.B. chirurgische Eingriffe) bedingt sind (Kim et al., 2009; Hilgert et al., 2012). Auch Katarakt wird regelmäßig mit andauernden Entzündungsprozessen wie Uveitis in Verbindung gebracht, sodass nur die chirurgische Entfernung der Linse als Behandlung übrig bleibt (Gelatt et al., 2012; Leung et al., 2014; Lin et al., 2014; Vandenbroucke et al., 2014; Mehta u. Kempen, 2015). Dies könnte das häufige gemeinsame Auftreten von Synechien mit maturer Katarakt erklären. In den von mir diagnostizierten Fällen konnte jedoch nur bei einem Tier Anzeichen einer Uveitis festgestellt werden. Dabei sind nicht nur beim Menschen, sondern auch bei anderen Tieren wie Hund und Katze, posteriore Iris-Synechien typische Folgeerscheinungen einer vorangegangen Uveitis (Colitz, 2005; Wasik u. Adkins, 2010; Siddique et al., 2013). Daher sollte bei den anderen betroffenen Tieren nicht ausgeschlossen werden, dass eine klinisch

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unauffälligere oder vorangegangene und zum Zeitpunkt der Untersuchung abgeklungene kataraktinduzierte Uveitis die eigentliche Ursache der Synechien ist.

Genetische Prädispositionen für die Entwicklung von Synechien sind bis heute wissenschaftlich nicht untersucht worden. Die von mir untersuchten Tiere ließen keine genetische Prädisposition vermuten.

Die Retinae einiger Tiere, die teilweise die häufigen und oben genauer beschriebenen Veränderungen zeigten, wurden von unserem Kooperationspartner, der ARBEITSGRUPPE PD DR. MED. STEPHANIE JOACHIM, RUHR-UNIVERSITÄT BOCHUM, histologisch aufbereitet. Sie sind mit den entsprechenden Erkrankungen, die in der letzten Augenuntersuchung vor dem Tod der Tiere durchgeführt wurde, in Abb. 8 dargestellt. Zu erkennen ist, dass die Netzhaut des Auges 2 von Urania und beide Netzhäute von Ursel deutlich verdickt sind. Die Netzhaut von Vicky hingegen ist signifikant dünner. Die Ursachen für diese Unterschiede konnten leider jedoch nicht festgestellt werden.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Mausmakis in Gefangenschaft häufig und an einer Vielzahl von Augenerkrankungen leiden können. Linsentrübungen stellen hierbei mit steigendem Alter die größte Gefahr einer Seheinschränkung dar und sind ab dem achten Lebensjahr bei nahezu allen Tieren diagnostizierbar. Da diese Tiere nicht nur für das alltägliche Leben, sondern auch in Versuchen eine gute Sehfähigkeit benötigen, ist eine angepasste und aussagekräftige ophthalmologische Untersuchungsroutine dieser Tiere dringend erforderlich.

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Abb. 8: QuerschnittedurchsiebenNetzhäutevonfünf Mausmakis. (Foto: ArbeitsgruppePDDr.med. Stepha Joachim, Ruhr-Universität Bochum, HE-Färbung, Maßstab 20 µm).Für alle sieben Bilder; von oben (innen) nach un (außen):Ganglienzellschicht (GCL),innereplexiformeSchicht (IPL),innerenukleäreSchicht (INL),äußereplexiform Schicht (OPL), äußere nukleäre Schicht (ONL)

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3.2 Augeninnendruck bei Mausmakis in Gefangenschaft

Um eine umfassende und aussagekräftige, ophthalmologische Untersuchung durchführen zu können, ist eine Reihe von Messinstrumenten notwendig. Einige Hilfsmittel sind gänzlich ohne, oder zumindest ohne umfangreichere Anpassungen, an verschiedenen Tierarten nutzbar, wie z.B. die Spaltlampe oder das indirekte Ophthalmoskop. Andere Instrumente wiederum, benötigen eine Validierung und müssen an die jeweilige Tierart genau angepasst werden. Dazu zählen vor allem Messgeräte für den IOD. Die IOD-Messung bei Tieren stellt besondere Bedingungen an das zu verwendende Messgerät. Falls unangenehme Reize am Auge entstehen, muss der Untersucher mit teilweise starken Abwehrreaktionen des Tieres rechnen.

Deswegen stehen bei IOD-Messung mit Tieren die leichte Handhabung, die geringe Irritation und nötige Fixation des Patienten im Vordergrund. Da der Blutdruck und Manipulationen am Auge direkte Auswirkungen auf den gemessenen Wert haben, sind möglichst ruhige und leicht fixierte Tiere notwendig, um aussagekräftige Messwerte zu ermitteln (Stades et al., 2006; Gelatt et al., 2012; Koprowski u. Tian, 2017).

Um eine Grundlage für klinische und wissenschaftliche Untersuchungen zu schaffen, sollen folgende Fragestellungen überprüft werden: Gibt es ein geeignetes Augeninnendruck-Messgerät für Mausmakis? Wie kann der ermittelte Wert korrekt berechnet werden? Wie hoch ist der physiologische Augeninnendruck beim Grauen Mausmaki? Ist der Mausmaki als Tiermodell für die Glaukomforschung geeignet?

Die Ergebnisse dieser Untersuchungen zeigen deutlich, dass das in der Veterinärophthalmologie relativ neue TonoVet® ein geeignetes Messinstrument für Mausmakis darstellt (Kontiola, 2000; Stades et al., 2006; Kniestedt et al., 2008).

Durch die Auswahl eines von den Tieren gut akzeptierten Tonometers und dessen manometrische Validierung, konnte eine großangelegte Messreihe in den beiden untersuchten Kolonien (Hannover und Montpellier) vorgenommen werden. Für die statistische Analyse wurden die IOD-Werte von 258 ophthalmologisch gesunden Tieren einbezogen. Anhand dieser Stichprobe konnte der physiologische IOD beim Grauen Mausmaki definiert werden. Der IOD liegt bei 20,3 ± 2,8 mmHg und ist damit ähnlich zu dem IOD anderer Säugetierarten. Die berechnete Umrechnungsformel für

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