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Saisonale Aktivität und Reproduktionsbiologie von Grauen Mausmaki-Männchen (Microcebus murinus, J.F. Miller 1777) in Nordwest-Madagaskar

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Academic year: 2022

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Saisonale Aktivität und Reproduktionsbiologie von Grauen Mausmaki-Männchen (Microcebus murinus, J.F. Miller 1777) in Nordwest-Madagaskar

I N A U G U R A L - D I S S E R T A T I O N zur Erlangung des Grades eines

D O C T O R M E D I C I N A E V E T E R I N A R I A E durch die Tierärztliche Hochschule Hannover

Vorgelegt von Barthel Schmelting

aus Münster

Hannover 2000

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Wissenschaftliche Betreuung: Univ.-Prof. Dr. E. Zimmermann

1. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. E. Zimmermann 2. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. A. Günzel-Apel

Tag der mündlichen Prüfung: 22.11.2000

Die Dissertation wurde gefördert durch die Landesgraduiertenförderung Niedersachsen, den Deutschen Akademischen Austauschdienst und das Cusanuswerk.

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Meinen Eltern

in Freude und Dankbarkeit

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1 EINLEITUNG...1

2 LITERATURÜBERSICHT...2

2.1 SAISONALITÄT...2

2.2 NAHRUNGSÖKOLOGIE IM KONTEXT DER REPRODUKTION...5

2.3 BEDEUTUNG DER SCHLAFPLATZWAHL...6

2.4 MÄNNLICHE REPRODUKTION...7

2.4.1 PRÄKOPULATIVER WETTBEWERB...8

2.4.2 POSTKOPULATIVER WETTBEWERB...11

2.5 DER GRAUE MAUSMAKI – STAND DER FORSCHUNG...13

2.5.1 SYSTEMATIK...13

2.5.2 NAHRUNGSPEKTRUM...14

2.5.3 TORPORPHASEN...14

2.5.4 SCHLAFPLÄTZE...15

2.5.5 REPRODUKTIONSBIOLOGIE...16

2.6 METHODISCHER HINTERGRUND UND ZIELSETZUNG...20

3 MATERIAL UND METHODEN...24

3.1 UNTERSUCHUNGSGEBIET...24

3.1.1 UNTERSUCHUNGSGEBIET JARDIN BOTANIQUE A ...24

3.1.2 LEMUREN...24

3.1.3 PRÄDATOREN...26

3.2 KLIMA...26

3.3 UNTERSUCHUNGSZEITRAUM...27

3.4 TIERE...27

3.4.1 INDIVIDUELLE MARKIERUNG UND VERMESSUNG...27

3.4.2 REPRODUKTIONSSTATUS...27

3.4.3 BESENDERUNG VON TIEREN...28

3.5 POPULATIONSÖKOLOGIE...29

3.5.1 FANG UND WIEDERFANG...29

(6)

3.6 SENDERTIERE...32

3.6.1 FALLENNUTZUNG DURCH SENDERMÄNNCHEN...34

3.6.2 SCHLAFPLÄTZE...34

3.6.3 RADIOTELEMETRIE...35

3.6.4 VERHALTENSBEOBACHTUNGEN...37

3.7 DATENVERARBEITUNG UND STATISTISCHE VERFAHREN...42

4 ERGEBNISSE...43

4.1 SAISONALE DYNAMIK DER GESAMTPOPULATION...43

4.1.1 FALLENNUTZUNG...44

4.1.2 FÄNGE UND WIEDERFÄNGE...45

4.1.3 GESCHLECHTERVERHÄLTNIS...45

4.1.4 POPULATIONSGRÖßE...46

4.1.5 SAISONALE DYNAMIK VON KÖRPERGEWICHT UND HODENVOLUMEN...47

4.2 SAISONALE DYNAMIK IM VERHALTEN DER SENDERMÄNNCHEN...50

4.2.1 FALLENNUTZUNG DURCH SENDERMÄNNCHEN...50

4.2.2 SCHLAFPLÄTZE...51

4.2.2.1 Saisonale Nutzungsunterschiede...51

4.2.2.2 Soziale Schlafkonstellationen ...54

4.2.2.3 Schlafplatzwahl und Prädatoren...56

4.2.2.4 Konkurrenz um Schlafplätze...56

4.2.3 VERHALTENSBEOBACHTUNGEN...57

4.2.3.1 Aufenthaltshöhe ...57

4.2.3.2 Nahrungsverhalten ...58

4.2.3.3 Aktivitätsbudgets ...59

4.2.3.4 Markier- und Lautaktivität ...60

4.3 FORTPFLANZUNGSSTRATEGIEN DER SENDERMÄNNCHEN...63

4.3.1 KÖRPERGEWICHT UND HODENVOLUMEN DER SENDERMÄNNCHEN...63

4.3.2 SOZIALE INTERAKTIONEN...64

4.3.3 AKTIONSRÄUME: SAISONALE DYNAMIK...68

4.3.4 AKTIONSRAUMÜBERLAPPUNGEN...70

4.3.5 NACHTWANDERSTRECKEN...76

4.3.6 ZUGANG ZU WEIBCHEN...79

(7)

5 DISKUSSION...81

5.1 METHODENVERGLEICH: NACHTWANDERSTRECKEN UND AKTIONSRÄUME...81

5.2 SAISONALITÄT...83

5.2.1 POPULATIONSÖKOLOGIE...83

5.2.1.1 Geschlechterverhältnis ...85

5.2.1.2 Saisonaler Torpor...86

5.2.2 SCHLAFPLATZWAHL...86

5.2.2.1 Trockenzeit...87

5.2.2.2 Schlafgemeinschaften am Ende der Trockenzeit ...87

5.2.2.3 Regenzeit...89

5.2.2.4 Das Phänomen der Blattnester ...90

5.2.3 NAHRUNGSSPEKTRUM...91

5.2.4 MAUSMAKIS UND IHRE BEDEUTUNG ALS BLÜTENBESTÄUBER...93

5.2.5 AUFENTHALTSHÖHEN...94

5.3 REPRODUKTIONSBIOLOGIE DER MÄNNCHEN...95

5.3.1 PAARUNGSZEIT...95

5.3.2 PHYSISCHE KONDITION UND REPRODUKTIONSSTATUS...98

5.3.3 MÖGLICHE REPRODUKTIONSSTRATEGIEN...101

5.3.4 REPRODUKTIONSSTRATEGIEN VON M. MURINUS: EIN NEUES MODELL...103

5.4 AUSBLICK...106

6 ZUSAMMENFASSUNG...107

7 SUMMARY...109

8 LITERATURVERZEICHNIS ...111

9 ANHANGSTABELLE ...129

(8)

°C Grad Celsius

Abb. Abbildung

cm Zentimeter

df Freiheitsgrad

Fa. Firma

g Gramm h Stunde

ha Hektar

JBA jardin botanique A

Kap. Kapitel

km Kilometer m Meter

Max Maximum

MHz Mega Hertz

Min Minimum

min Minute

mm Millimeter

MW Mittelwert

N Anzahl der Tiere

n.s. nicht signifikant

NN Normal Null

SD Standardabweichung

sec Sekunde

Std. Dev. Standard Deviation (Standardabweichung) Std. Err. Standard Error (Standardfehler)

Tab. Tabelle

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1 Einleitung

Madagaskar zeichnet sich aufgrund der frühen erdgeschichtlichen Isolation vom afrikanischen Festland vor 120 bis 160 Millionen Jahren und der geographischen Lage durch eine ausgesprochen hohe biogeographische Diversität aus, die es zu einem der 12 „top megadiversity countries“ der Erde werden läßt (TATTERSALL 1993, MITTERMEIER et al.

1994). Durch die Vielzahl unterschiedlicher Habitate und die Abwesenheit vieler anderer auf dem Festland vorkommender Säugetierordnungen konnte sich dort eine große Anzahl von Lemurenspezies entwickeln (KAPPELER & GANZHORN 1993). Madagaskar hat mit mindestens 33 noch existierenden Lemurenarten die dritthöchste Primatendiversität der Welt (MITTERMEIER et al. 1994, ZIMMERMANN et al. 1998, GANZHORN et al. 1999). Doch die nur auf Madagaskar vorkommenden Lemuren sind durch die zunehmende Zerstörung ihres Lebensraumes, bedingt durch Abholzung und Brandrodung für landwirtschaftliche Zwecke, stark gefährdet. Viele von ihnen sind vom Aussterben bedroht, für die meisten fehlt das Wissen über genaue geographische Verbreitung, Populationsgrößen oder grundlegende biologische Parameter (GREEN & SUSSMANN 1990, HARCOURT & THORNBACK 1990, MITTERMEIER et al. 1992, 1994, GANZHORN et al. 1997). Für die erfolgreiche Etablierung von Arterhaltungsprogrammen und ihren Schutz ist aber ein detailliertes Wissen über die Reproduktionsbiologie im Zusammenhang mit Lebenslaufstrategien und ökologischen Faktoren notwendig (RAKOTOARISON et al. 1996, WRIGHT 1997, SCHMELTING et al. 2000). In dieser ersten die Trocken- und Regenzeit erfassenden Langzeitstudie an dem Grauen Mausmaki, Microcebus murinus, sollen anhand von populationsökologischen Daten sowie detaillierter Verhaltensstudien an ausgewählten Fokustieren saisonale Veränderungen im Verhalten der Männchen unter Berücksichtigung der Reproduktion in Ampijoroa, Nordwest-Madagaskar, untersucht werden.

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2 Literaturübersicht

2.1 Saisonalität

Aufgrund der besonderen geographischen Lage am Wendekreis des Steinbocks unterliegt Madagaskar mit einer wärmeren Regenzeit und einer kälteren Trockenzeit starken klimatischen Schwankungen (JENKINS 1990). Anhand der Verteilungsmuster von Lemurenspezies und klimatischen, geographischen sowie botanischen Kriterien unterscheidet MARTIN (1972a) sieben Subzonen in Madagaskar, die durch geographische Barrieren getrennt sind: Die drei Subzonen der Westküste werden als Trockenwald im Südwesten (SW), laubabwerfender Trockenwald im Westen (W) und laubabwerfender Trockenwald in Nordwest-Madagaskar (NW) eingeteilt (Abb. 1). Der Graue Mausmaki, Microcebus murinus, ist eine der kleinsten Primatenarten und kommt in den laubabwerfenden Trockenwäldern aller drei Subzonen der Westküste Madagaskars vor und bewohnt dort die „fine-branch-niche“

(MARTIN 1972b).

Die meisten natürlichen Lebensräume sind durch saisonale Veränderungen gekennzeichnet.

Regenfall und Temperatur können das Pflanzenwachstum und dadurch die Produktivität der gesamten Nahrungskette begrenzen, da alle physiologischen Prozesse, vor allem die Reproduktion, limitiert werden durch die verfügbare Nahrung (BRONSON & HEIDEMAN 1994). Als wichtigster ultimater Grund für eine Saisonalität der Fortpflanzung gilt daher die Variabilität in der Nahrungsverfügbarkeit (JANSON & CHAPMAN 1999). Je ausgeprägter saisonale Veränderungen sind, um so stärker sollte das Verhalten hierauf abgestimmt sein.

Die meisten Säuger zeigen eine Tendenz zur Saisonalität hinsichtlich ihrer Fortpflanzung;

viele haben eine vom restlichen Jahr klar abgegrenzte Reproduktionsphase (BRONSON &

HEIDEMAN 1994). Arten, bei denen in einem Jahr oder weniger ein kompletter Reproduktionszyklus von der Paarung bis zur Entwöhnung durchlaufen werden kann, sollten eine größere Fortpflanzungssaisonalität zeigen als Arten mit längeren Zyklen (LINDBURG 1987). Die Konzentration der Geburten zu einer Zeit, in der ein großes Nahrungsangebot besteht, ist auch unter Primaten weit verbreitet (LINDBURG 1987).

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VAN SCHAIK & VAN NOORDWIJK (1985) schlugen als ein klassisches Verhaltensmuster für Primaten in Habitaten mit ausgeprägtem circannual-saisonalem Charakter vor, daß Paarungen in der Zeit der Nahrungsknappheit stattfinden sollten, damit die Endphase der Laktation bzw. der Beginn des Entwöhnens mit dem Klimax der Nahrungsverfügbarkeit zusammenfalle, während als alternative Strategie in Habitaten mit sogenannten Mastjahren (unregelmäßiges und nicht voraussehbares Nahrungsangebot) die Paarungszeit erst mit dem Nahrungsklimax einsetzen soll. Bei Lemuren ist bereits früh eine mögliche Korrelation zwischen dem Klimax der Nahrungsverfügbarkeit in der Regenzeit und der Entwöhnungsphase der Jungtiere beobachtet worden, die als ein Anpassungsmuster für eine erhöhte Überlebensrate der Nachkommen für die folgende Trockenzeit erklärt wird (MARTIN 1972a). Die meisten untersuchten Lemurenarten haben eine für Primaten außergewöhnlich strikte saisonale Reproduktionsphase (VAN HORN & EATON 1979, RICHARD & DEWAR 1991, ROWE 1996, aber STERLING 1993), welche unter anderem als Anpassung an das saisonale Klima und die saisonale Nahrungsverfügbarkeit interpretiert wird (RICHARD & DEWAR 1991). Auch die Tragzeiten der Strepsirhini sind im Vergleich zu den Haplorhini mit ähnlichen Körpergrößen sehr kurz (HARVEY et al.1987, YOUNG et al. 1990). YOUNG et al. (1990) stellten unter Verwendung der Relation des Geburtsgewichtes zur Tragzeit als Index für maternales Investment bei den Lemuren ein verringertes pränatales Investment in die Nachkommen fest, welches einhergeht mit einem erniedrigten Basalstoffwechsel. Diese Zusammenhänge resultieren neben der saisonalen Reproduktionsphase in einer zusätzlichen Energieersparnis, die aufgrund der besonderen ökologischen Bedingungen Madagaskars für die Lemuren notwendig sein können (SCHMID 1997).

Eine ausgeprägte saisonale Reproduktion kann aber auch durch verlorene oder ausgelassene Reproduktionsmöglichkeiten mit hohen Fitneßkosten verbunden sein (KILTIE 1988). Dieser Zeitverlust ist besonders bedeutend für Arten mit kleiner Körpergröße und kürzerer Lebenserwartung (DI BITTETTI & JANSON 2000). Denn wie allgemein in anderen Säugetierordnungen, verkürzt sich auch innerhalb der Primaten die durchschnittliche Tragzeit einer Art mit Abnahme der Körpergröße (HARVEY et al. 1987, BEARDER 1987), wodurch kürzere Geburtsintervalle möglich sind. So zeigen die zu den Neuweltaffen gehörenden Callitrichiden ein bimodales Reproduktionsmuster aufgrund der hohen Kosten (in Hinsicht

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auf Zeitverlust), die eine nur einmal im Jahr stattfindende Reproduktion bedeuten würde (DI BITTETTI & JANSON 2000). Je ausgeprägter saisonale Veränderungen sind, um so stärker muß jedoch das Verhalten und die Reproduktion hierauf abgestimmt sein. Je nach Art, Population und Individuum können sich in Abhängigkeit vom Habitat unterschiedliche Strategien zur Erhöhung des Reproduktionserfolgs ergeben.

2.2 Nahrungsökologie im Kontext der Reproduktion

Die Saisonalität im Nahrungsangebot in Tropenwäldern verlangt von den meisten Primatenarten ausreichende und schnelle Flexibilität in Nahrungspräferenzen, da bevorzugte Nahrungen verschwinden oder neu auftreten können (JANSON & CHAPMAN 1999). Die zu den Lemuren gehörenden Propithecus sp. legten z.B. während der Trockenzeit, in der Nahrung mit niedrigem Energiegehalt den Großteil der Diät ausmachen, die kürzesten Tageswegstrecken zurück, wodurch der Energieverbrauch bei knapper Nahrungsverfügbarkeit minimiert werden soll (MEYERS & WRIGHT 1993).

Je kürzer und vorhersehbarer eine Periode von Nahrungsreichtum ist, um so deutlicher sollte die Reproduktionsphase von der übrigen Zeit des Jahres abgehoben sein. Auch die Art der Diät sollte den Grad der Saisonalität bestimmen: Tiere, deren Nahrung vor allem aus saisonal verfügbaren Ressourcen wie z.B. Früchten und Arthropoden besteht, sollten einem höheren Selektionsdruck auf eine saisonale Paarungszeit unterliegen als Tiere, deren Nahrung weniger saisonal bedingt ist wie z.B. Blätter und Pflanzenexsudate (DI BITTETTI & JANSON 2000).

Kleinere Primatenspezies sollten einen hohen Anteil ihres Nahrungsbedarfes durch energiereiche Nahrungsquellen wie Insekten decken, um genügend Energie für den erhöhten Stoffwechselbedarf zu haben (FLEAGLE 1988). Aufgrund schwieriger Beobachtungs- bedingungen (Tiergröße, Vegetationsdichte, Regenfall) werden bei kleinen, arborealen Primatenspezies oft indirekte Erfassungsmethoden verwendet. Basierend auf Kotuntersuchungen schlußfolgerte z.B. ATSALIS (1999) auf das Freßverhalten von Microcebus rufus, einer im Regenwald Ostmadagaskars vorkommenden Schwesterart zu M.

murinus: Früchte, vor allem der Art Bakerella, sollten ein Hauptnahrungsbestandteil von M.

rufus sein. Kotuntersuchungen alleine spiegeln jedoch nicht das gesamte Nahrungsspektrum

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hohen Fasergehalt sowie Larven oder Raupen nur sehr bedingt feststellen (WHITAKER 1988, ATSALIS 1999).

In zahlreichen saisonal reproduktiven Primaten- und anderen Säugerarten kann bei den Männchen kurz vor Beginn der Paarungszeit eine Zunahme des Körpergewichtes, des Hodenvolumens (FIETZ 1998, SCHMID & KAPPELER 1998, PULLEN et al. 2000) und ein Einsetzen der Spermatogenese festgestellt werden (DU MOND & HUTCHINSON 1967, FUENTES et al. 1991, WALKDEN-BROWN et al. 1994), wobei der Beginn der sexuellen Aktivität um den Zeitraum des höchsten Körpergewichtes beobachtet wurde (PASQUALINI et al. 1986). Die Zunahme des Körpergewichtes der Männchen ist nicht notwendigerweise mit dem Regenfall korreliert, dem Hauptfaktor für ein reichhaltigeres Nahrungsangebot, so daß andere Faktoren hieran beteiligt sein können wie z.B. ein veränderter Hormonstoffwechsel (WALKDEN-BROWN et al. 1994).

Für die Männchen ist vor allem die Paarungszeit selbst mit energetischen Kosten verbunden.

Bei zahlreichen männlichen Säugern (z.B. Hausrind, See-Elefant, Rhesusmakakke, Grauer Mausmaki, Fettschwanzmaki) können während der Paarungszeit Gewichtsabnahmen festgestellt werden (BOYD et al. 1989, DEUTSCH et al. 1990, BERCOVITCH &

NÜRNBERG 1996, RADESPIEL 1998, MÜLLER 1999), die endokrinologisch bedingt sein könnten (PASQUALINI et al. 1986) oder auf eine verminderte Nahrungsaufnahme und/oder gesteigerte Aktivität zurückgeführt werden. Wenn die Erlangung und Aufrechterhaltung des Zugangs zu Weibchen durch die Qualität eines Männchens bedingt sind, dann kann als Konsequenz auch der Nahrungszustand und das Freßverhalten der Männchen einen direkten oder indirekten Einfluß auf den männlichen Reproduktionserfolg haben (BERCOVITCH &

NÜRNBERG 1996). So können z.B. auch durch unterschiedliche Nahrung Unterschiede in der Effizienz der Spermatogenese hervorgerufen werden (OLDHAM et al. 1978, BRONSON

& HEIDEMAN 1994).

2.3 Bedeutung der Schlafplatzwahl

Schutz vor Prädatoren gilt im allgemeinen als Hauptgrund für die Schlafplatzwahl bei Primaten, vor allem bei kleineren Spezies (MARTIN 1972a, HAMILTON 1982, KAPPELER 1998, RADESPIEL et al. 1998, DI BITETTI et al. 2000). Die Verfügbarkeit von

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Schlafplätzen ist ein bedeutender Faktor für den Grad des Prädationsrisikos und der Nutzung des Aktionsraumes in vielen terrestrischen Primatenspezies (S.A. ALTMANN 1974, HAMILTON 1982). Da häufig genutzte Schlafplätze leichter von Prädatoren entdeckt werden könnten, sollten bei einem hohen Prädatorendruck Individuen möglichst viele verschiedene Schlafplätze in unterschiedlichen Nutzungsmustern verwenden (HRDY 1977). Andererseits sollten besonders sichere Schlafplätze so oft wie möglich aufgesucht werden (RADESPIEL et al. 1998). Eine gemischte Strategie könnte sein, neben häufig wechselnden, einige bevorzugte und wiederholt genutzte Schlafplätze zu haben (DI BITETTI et al. 2000).

Soziale Interaktionen können jedoch auch die Schlafplatzwahl beeinflussen, indem Schlafplätze gewählt werden, die soziale Kontakte zu Paarungspartnern (SCHWAGMMEYER 1995, RADESPIEL 1998, PETERS 1999) oder anderen Sozialpartnern erleichtern (SARIKAYA 1999, DI BITETTI et al. 2000). So kommt es z.B. beim nachtaktiven Spektraltarsier (Tarsius spectrum) an 20 % der am Schlafplatz verbrachten Zeit zu sozialen Interaktionen, die sich vor allem zwischen Mutter und Jungtier, aber auch zwischen Adulten (hier: Adulte Weibchen und Männchen) ereignen (GURSKY 2000).

2.4 Männliche Reproduktion

Die sexuelle Selektion als eine besondere Form der natürlichen Selektion (DARWIN 1871) begünstigt Individuen, die ihren Reproduktionserfolg in Relation zur Lebenszeit maximieren (DIXSON 1997). Es wird hierbei zwischen zwei grundlegenden Mechanismen der sexuellen Selektion unterschieden: Der intrasexuellen Konkurrenz vor allem der Männchen um Paarungspartner (male-male competition) und der intersexuellen Konkurrenz durch die Auswahl von Paarungspartnern nach bestimmten Merkmalen vorwiegend durch Weibchen (female choice). Der geschlechtstypische Unterschied in diesen beiden Mechanismen der sexuellen Selektion hat seinen Ursprung im unterschiedlichen Investment der Geschlechter in die Nachkommen (TRIVERS 1972). Während für die Weibchen die Nachkommenaufzucht und die dafür benötigten Ressourcen die limitierenden Faktoren des Reproduktionserfolges darstellen, ist der potentielle Fortpflanzungserfolg der Männchen von dem Zugang zu fertilen Weibchen abhängig (EMLEN & ORING 1977, CLUTTON-BROCK 1989, DAVIES 1991).

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2.4.1 Präkopulativer Wettbewerb

Bei vielen Arten führen direkte Auseinandersetzungen der Männchen um Weibchen (contest competition) zu einer stabilen Dominanzhierarchie, in der dominante Männchen bevorzugten Zugang zu rezeptiven Weibchen haben (CLUTTON-BROCK et al. 1982, DEWSBURY 1982, BERCOVITCH & NÜRNBERG 1996, DIXSON 1997). Der Sexualdimorphismus kann dabei besonders ausgeprägt sein, da Größe und Stärke sowie bessere Waffen wie z.B. große Eckzähne dazu beitragen, Weibchen als Paarungspartner monopolisieren zu können (CLUTTON-BROCK 1984). So führten z. B. bei Rhesusmakakken (Macaca mulatta) Paarungen mit mehreren Weibchen zu größerer Nachkommenschaft und dementsprechend zu einem höheren Reproduktionserfolg, welcher mit einer Anzahl von Faktoren assoziiert war wie hoher Dominanzstatus, hohes Körpergewicht, großes Hodenvolumen und guter physischer Körperkondition (BERCOVITCH & NÜRNBERG 1996). Die Abwesenheit von Sexualdimorphismus in Körpergröße oder Caninuslänge bei den Lemuren wird dahingehend interpretiert, daß der männliche Reproduktionserfolg der Lemuren nur geringfügig durch physische, präkopulatorische Auseinandersetzungen beeinflußt wird (KAPPELER 1993).

Bei solitär lebenden Arten mit promiskem Paarungssystem, wo rezeptive Weibchen räumlich weit verteilt und Östren nicht vorhersehbar sind, ist die aktive Suche ohne aggressive Auseinandersetzung von Männchen nach Paarungspartnern von entscheidender Bedeutung (TRIVERS 1972). Bei diesem als scramble competition bezeichneten Wettbewerb (WELLS 1977) sind Fähigkeiten, die den Paarungserfolg am meisten beeinflussen, wie die Aktionsraumgröße und das Aufspüren von östrischen Weibchen, nicht notwendigerweise mit der Körpergröße korreliert (SCHWAGMEYER 1994, FISHER & LARA 1999). Männchen vom Dreizehnstreifenerdhörnchen, Spermophilus tridecemlineatus, mit einem größeren Aktionsraum haben auch einen größeren Reproduktionserfolg; während sich in der Paarungszeit der Aktionsraum stark vergrößert, verringert sich dieser abrupt und drastisch, sobald alle Weibchen der Population belegt sind (SCHWAGMEYER 1988). Die Dynamik der Aktionsraumgröße kann daher ein Ausdruck möglicher Paarungsaktivität sein. Auch bei nachtaktiven Lemuren konnte festgestellt werden, daß Männchen ihre Aktionräume während der Paarungszeit stark vergrößern, um so möglicherweise vermehrt rezeptive Weibchen als Paarungspartner zu treffen (KAPPELER 1997, FIETZ 1999, RADESPIEL 2000, SCHWAB

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2000). Die zurückgelegte Wegstrecke während der Paarungszeit kann ebenfalls Hinweise auf einen möglichen Paarungserfolg geben: RAADSMA et al. (1983) fanden bei Rindern eine starke Korrelation zwischen der zurückgelegten Wegstrecke und der durchschnittlichen Anzahl von belegten Kühen zu Anfang der Paarungszeit, wenn Bullen am aktivsten sind.

Treffen allerdings während der Suche mehrere Männchen gleichzeitig auf ein östrisches Weibchen, kann in der direkten Auseinandersetzung das Körpergewicht einen entscheidenden Einfluß auf den Zugang zum Weibchen und den Paarungserfolg haben (FISCHER & LARA 1999, SCHMID 1999, PULLEN et al. 2000). So waren z.B. bei der nachtaktiven Prosimierart Galago moholi, für die das Modell der Spermienkonkurrenz (s.u.) in einem dispersen Paarungssystem zuzutreffen scheint, an 88 % der beobachteten Kopulationen schwerere Männchen beteiligt (PULLEN et al. 2000).

Wenn Weibchen lokal in hoher Dichte auftreten, wird der Wettbewerb zwischen Männchen verstärkt und kann zur Bildung von Männchenkoalitionen auch bei solitär lebenden Spezies führen (z.B. bei Geparden (CARO 1994) oder Waschbären (GEHRT & FRITZELL 1998)).

Bei Karnivoren können Langzeitassoziationen, die den reproduktiven Zugang zu Weibchen ermöglichen, auch Unterschiede im Reproduktionserfolg der Koalitionspartner aufweisen (PACKER & PUSEY 1982, CARO 1994).

Primaten zeichnen sich durch eine besondere Vielfalt in ihren sozialen Organisationsformen aus (CHENEY 1987, FLEAGLE 1988). Neben Langzeitkoalitionen (SMUTS 1985, NOE 1986) treten bei ihnen Koalitionen auf, die eher kurzzeitigen Interaktionen entsprechen (HARCOURT 1992). NOE (1986) definiert daher Koalitionen als jedes Ereignis, in dem Individuen ihre Kräfte verbinden, wobei ein Individuum dem anderen Hilfe leistet oder zwei bzw. mehrere Individuen direkte Aggression auf das gleiche Ziel zur gleichen Zeit richten. In 42 % der Koalitionen von männlichen Löwen sind die Individuen nicht miteinander verwandt (PACKER & PUSEY 1982). Unter Primaten ist die Bildung von Koalitionen häufig, wobei Verwandtschaften oft eine fundamentale Rolle spielen (HARCOURT & DE WAAL 1992, VAN SCHAIK 1996). Hierbei sind Assoziationen und Koalitionen von Männchen seltener als bei Weibchen (VAN SCHAIK 1996). Dieses hat seinen Ursprung im geschlechtsspezifischen

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bei Koalitionsbildungen geteilt oder gar erst erschlossen werden können (VAN HOFF &

VAN SCHAIK 1992). Die Bildungen von Koalitionen können jedoch vereinfacht werden, wenn die Männchen miteinander verwandt sind. Bei einigen Spezies mit ausgesprochenen Männchenbindungen entwickeln die Männchen hoch differenzierte Beziehungen mit Groomingpartnern und Koalitionsbildungen (VAN HOFF & VAN SCHAIK 1992, 1994).

Diese Spezies sind durch ein promiskes Paarungssystem mit wahrscheinlich ausgeprägter Spermienkonkurrenz gekennzeichnet (HARCOURT 1996).

Bei nachtaktiven Prosimiern wurde dem Sozialverhalten und möglichen sozialen Interaktionen lange keine größere Bedeutung zugemessen, da Individuen im allgemeinen allein in der Nacht gesehen wurden (MARTIN 1995). Die meisten dieser Arten wurden daher lange als solitär bezeichnet. Unmittelbare Nähe ist jedoch nicht unbedingt erforderlich, um miteinander kommunizieren und soziale Interaktionen ausführen zu können. Rufe dienen wenigstens drei wichtigen sozialen Funktionen: Zusammenbringen von Individuen und Verstärkung von Koalitionen, Distanzhalten von Konkurrenten und Verminderung von Konflikten, Alarmrufe als Warnung vor Gefahren (MARLER 1968, ZIMMERMANN 1995).

Distanzkommunikation über Vokalisation und Olfaktorik als auch zwischenzeitliche soziale Begegnungen können ebenso zur individuellen Erkennung, der Wahl eines Sozialpartners und der Synchronisation von Aktivitäten beitragen und so auch bei nachtaktiven Lemuren zu einem Netzwerk von individualisierten Sozialbeziehungen führen (STERLING 1993).

RADESPIEL (2000) verwendet dafür bei M. murinus den Ausdruck „individualisierte Nachbarschaft“. Bereits PAGES-FEUILLADE (1988) vermutete aufgrund von Aktionsraumüberlappungen und Interaktionen zwischen Männchen ein komplizierteres Sozialgefüge für M. murinus als vormals angenommen, wobei es der Klärung bedarf, ob es sich um ein saisonales Phänomen und/oder eine Abhängigkeit vom Habitat handelt.

Eine andere Form des präkopulativen Wettbewerbs ist die Unterdrückung der Reproduktion von konkurrierenden Männchen. Sie ist meist auf olfaktorische oder streßvermittelte Mechanismen zurückzuführen, wie bei Nagern dokumentiert ist (VANDENBERGH 1983, RICH & HURST 1999, HUMPHRIES et al. 1999). Neben der Markierung des Territoriums können durch das Setzen von Duftmarken sowohl Dominanzstatus über Konkurrenten (GOSLING 1982, HURST 1993), als auch Signale an das andere Geschlecht über die Qualität

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als potentieller Paarungspartner vermittelt werden (RICH & HURST 1998, HURST & RICH 1999). Auch bei Lemuren wurde das Setzen von Duftmarken in Verbindung gebracht mit dem Dominanzstatus (SCHILLING et al. 1984, SCHILLING & PERRET 1987, IZHARD 1990, PERRET 1992, KRAUS et al. 1999). So konnte für z.B. Propithecus verreauxi beobachtet werden, daß dominante Männchen fast dreimal mehr Duftmarken setzten als subdominante Männchen. Nur bei dominanten Tieren war eine nennenwerte Zunahme des Hodenvolumens vor der Paarungszeit zu verzeichnen, welche allerdings nicht gemessen, sondern nur visuell ermittelt wurde (KRAUS et al. 1999). Eine andere Studie an der gleichen Tierart kam zu dem Ergebnis, daß ältere, vermutlich dominante Männchen häufiger kopulierten als junge, vermutlich subdominante Männchen (BROCKMANN 1994).

2.4.2 Postkopulativer Wettbewerb

Als postkopulative Verhaltensanpassungen dienen alle Verhaltensweisen eines Männchens, welche die Wahrscheinlichkeit seines eigenen Fortpflanzungserfolges nach der Paarung erhöhen, wie z.B. das Bewachen eines Weibchens nach der erfolgten Paarung, das mate guarding (DEWSBURY 1988, MØLLER & BIRKHEAD 1989). Hierdurch sollen weitere Paarungen des Weibchens mit anderen Männchen verhindert werden. Auch bei M. murinus konnte mate guarding beobachtet werden (PETERS 1999).

Sexualdimorphismus kann fehlen, wenn die physische Auseinandersetzung nur eine untergeordnete Rolle beim intrasexuellen Wettbewerb spielt (RICHARD 1992). Wenn Männchen rezeptive Weibchen nicht monopolisieren können, kann Spermienkonkurrenz (sperm competition) als postkopulativer Wettbewerbsmechanismus zu einem entscheidenden Faktor werden für den reproduktiven Erfolg der Männchen (PARKER 1970). Dieser Fall tritt vor allem in promisk-dispersen Paarungssystemen ein. Bei ihnen kommt es nur zu kurzzeitigen, nicht exklusiven Begegnungen von einzelnen Individuen, die sonst in der Regel verstreut in einem Gebiet anzutreffen sind (DIXSON 1997).

Die Spermienproduktion ist proportional zur Anzahl der Sertolizellen, und die Anzahl der Sertolizellen gilt als die kritische biologische Bestimmungsgröße für die Hodengröße (BARDIN et al. 1994, SETCHELL et al. 1994, SHARPE 1994). Relativ große

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Spermienkonkurrenz (HARCOURT et al. 1981, DIXSON 1987). Das Paarungssystem korreliert mit der Hodengröße und beeinflußt daher wahrscheinlich die Hodengröße:

Männchen in Mehr-Männchenpaarungssystemen haben signifikant größere Hoden in Relation zur Körpergröße als in Ein-Männchensystemen, unabhängig von der Länge der Paarungszeit (HARCOURT et al. 1995). Wenn eine kurze Paarungszeit verbunden ist mit häufigen Kopulationen, so ist andererseits eine Selektion auf hohe Spermienproduktion wahrscheinlich, um eine ausreichende Spermienzahl pro Ejakulation zu erhalten, welche ihrerseits zur Selektion von größeren Hoden führt.

Bei wiederholten Ejakulationen innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne kann die Kapazität der männlichen Reproduktion beschränkt sein: Eine Abnahme der Anzahl der Spermien und/oder anderer Parameter pro Ejakulat nach wiederholten Ejakulationen konnte bei zahlreichen Tierarten (Rind, Hund, Schwein, Kaninchen, Ratte, Schaf, Haushuhn, Pute, Schmetterling, Fruchtfliege, Moskito, Strudelwurm) und dem Menschen nachgewiesen werden (OLDEREID et al. 1984, RUANGSBOON & VISUTAKUL 1985, LEVIN et al.

1986, Übersicht in AUSTIN & DEWSBURY 1986). So werden bei Ratten in späteren Ejakulationen nur etwa 10 - 21 % der Anzahl der Spermien frühzeitiger Ejakulationen erreicht. Während in kurzzeitig aufeinanderfolgenden Kopulationstests bei der ersten Paarung 83 % der Weibchen trächtig werden, können im siebten Paarungsversuch nur noch 17 % der Weibchen konzipieren (AUSTIN & DEWSBURY 1986). Sowohl die Anzahl der Spermatozoa im Nebenhoden als auch das Gewicht des Nebenhodens verringern sich nach Ejakulationen (RUANGSBOON & VISUTAKUL 1985, HARCOURT 1991). Wiederholte Paarungen mit verschiedenen, aufeinanderfolgenden Weibchen können daher den Nachteil mit sich bringen, daß ein individuelles Weibchen nicht konzipieren kann oder daß, wenn Weibchen nicht monopolisiert werden können, das Sperma dieses Männchens nicht erfolgreich konkurrieren kann mit dem Sperma anderer Männchen, die sich vorher oder nachher mit dem gleichen Weibchen paaren (AUSTIN & DEWSBURY 1986).

Methoden wie etwa die Zählung überlebender Spermatiden nach der Homogenisierung des Hodens, die sehr genau die Spermienproduktion messen können, sind für die meisten Freilandstudien nicht geeignet, bei denen man eine einfach zu handhabende in vivo Methode zur Erfassung der Spermiogenese benötigt (WALKDEN-BROWN et al. 1994). Die

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verläßlichste Methode zur indirekten Messung der Spermienproduktion ist in zahlreichen Spezies die Hodengröße, mit moderaten bis hohen Korrelationskoeffizienten zwischen Hodengröße und Spermatogenese (AMANN 1970, CURTIS & AMANN 1981, SWANEPOEL et al. 1993, WALKDEN-BROWN et al. 1994).

2.5 Der Graue Mausmaki – Stand der Forschung

2.5.1 Systematik

M. murinus ist eine der kleinsten und phylogenetisch ursprünglichsten Primatenarten mit nachtaktiver Lebensweise (z.B. MARTIN 1972a, DUTRILLAUX 1979, SCHILLING &

PERRET 1987). In seiner Verhaltensökologie werden Ansätze zum Verständnis der Lebensweise und Evolution der Vorfahren rezenter Primaten gesucht. Aus diesem Grund wird gerade diese Art als Modell für evolutiv frühe Sozialsysteme bei Primaten herangezogen (SCHILLING & PERRET 1987).

M. murinus kann systematisch wie folgt eingeordnet werden (nach YODER 1997):

Klasse: Mammalia Ordnung: Primates

Unterordnung: Strepsirhini Überfamilie:Lemuroidea

Familie: Cheirogaleidae Gattung: Microcebus

Art: M. murinus

Wie bei den meisten Strepsirhini, ist auch bei M. murinus ein Tapetum lucidum als reflektierende Schicht hinter der Retina des Auges vorhanden, welche als Anpassung an die Nachtaktivität gesehen wird (MARTIN 1973, 1995, ROWE 1996). Neben dem akustischen Sinn (ZIMMERMANN 1995) ist der Geruchssinn bei Mausmakis sehr gut ausgeprägt mit einem funktionsfähigen und gut entwickelten Vomeronasalorgan (SCHILLING 1987, SCHILLING & PERRET 1987). Erwachsene Tiere sind einheitlich graubraun gefärbt, ca. 60 g schwer mit einer mittleren Körperlänge von 12 - 13 cm und einer Schwanzlänge von ca. 13

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1998). Im natürlichen Lebensraum der Grauen Mausmakis gibt es eine Trennung in eine etwa viermonatige Regenzeit von Dezember bis März und eine etwa achtmonatige Trockenzeit von April bis November (HLADIK 1980, SORG & ROHNER 1996, SCHMELTING et al. 2000).

2.5.2 Nahrungspektrum

Als Nahrung von M. murinus werden Früchte, Insekten, Blumen, Baumharze, Nektar, Pflanzen- und Insektensekrete, kleinere Wirbeltiere und Blätter angesehen (MARTIN 1972a, 1972b, 1973, HLADIK et al. 1980, BARRE et al. 1988, CORBIN & SCHMID 1995). Als Hauptbestandteil der Nahrung gelten Früchte, während Insekten nur opportunistisch, soweit verfügbar, aufgenommen werden (MARTIN 1972b, HLADIK et al. 1980). MARTIN (1972b) vermutete, daß sich Mausmakis je nach Habitat auf verschiedene Nahrungsressourcen spezialisieren. ATSALIS (1999) nahm jedoch an, daß trotz der Unterschiede im Habitat von M. rufus (Regenwald) und M. murinus (Trockenwald) beide Arten aufgrund der Ähnlichkeiten im Lebenszyklus der untersuchten Populationen ein ähnliches Freßverhalten mit Früchten als den Hauptbestandteil der Nahrung aufweisen.

2.5.3 Torporphasen

Als eine Strategie des Überdauerns von Zeiten mit Nahrungsknappheit in niedriger Umgebungstemperatur gilt der Eintritt in den Trockenschlaf, den Torpor, der für M. murinus im Westen und Südwesten Madagaskars festgestellt wurde und Gegenstand zahlreicher Studien ist (PETTER 1978, PETTER-ROUSSEAUX 1980, ORTMANN et al. 1996, ORTMANN & HELDMAIER 1997, SCHMID 1997, 1999, SCHMID & KAPPELER 1998).

MARTIN (1972a) schlußfolgerte nach Ausführungen von WEIDHOLZ (1932), daß der Eintritt in den Torpor vorrangig temperaturabhängig sei und nicht durch verkürzte Tageslänge, Nahrungsknappheit oder Trockenheit hervorgerufen wird. Im Trockenwald des Südwesten Madagaskars (20°04‘ S, 44°39‘ W) können die Temperaturen über Nacht im Juni und Juli unter 5°C fallen (SCHMID 1997, 1999, SCHMID & KAPPELER 1998). Hier treten vor allem die Weibchen in den Torpor, der bis zu sieben Monate andauern kann. Da die Weibchen zu dieser Zeit inaktiv sind, ergibt sich besonders in den kältesten Monaten der Trockenzeit ein stark zugunsten der Männchen verschobenes Geschlechterverhältnis bei Fangaktionen (FIETZ 1998, SCHMID & KAPPELER 1998, SCHMID 1999). Um Aussagen

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zu einem geschlechtsspezifischen Vorhandensein von Langzeittorpor treffen zu können, kann daher das Geschlechterverhältnis bei Fangaktionen herangezogen werden. Auch bei M. rufus im Regenwald der Ostküste wird das Vorkommen von saisonalem Torpor vermutet (ATSALIS 2000).

2.5.4 Schlafplätze

MARTIN (1972b) charakterisierte 22 von 32 gefundenen Schlafplätzen von Mausmakis als Baumhöhlen und sieben als Blattnester, die sich bei einem Durchmesser von ca. 20 – 25 cm gut konstruiert im dichten Laub befinden; nur in drei Fällen wurden Tiere schlafend im Blattwerk bzw. Gestrüpp vorgefunden. Im Kirindy wurden Mausmakis nach FIETZ (1995) und SCHMID (1997) in Höhlen und Baumspalten vorgefunden. In Studien im Kirindy waren alle 35 erfaßten Schlafplätze Baumhöhlen (FIETZ 1995), bzw. es wurde von 50 registrierten Schlafplätzen nur einmal ein M. murinus ohne zusätzlichen Schutz im dichten Laub vorgefunden (SCHMID 1997). Die übrigen Schlafplätze waren Baum-/Asthöhlen und Baumspalten, während Blattnester nie beobachtet wurden (SCHMID 1997). In einer Studie in Ampijora über zwei kurze Zeiträume während der Trockenzeit wurden vorrangig Schlafhöhlen (N = 38 bzw. 39) und seltener Blattnester (N = 10 bzw. 1) identifiziert, ohne daß Tiere frei schlafend vorgefunden wurden (RADESPIEL 1998). Blattnester sollen öfter von Männchen als von Weibchen genutzt worden sein, wobei unklar blieb, ob die Tiere selbst Nestbau betrieben. Es wird eine intersexuelle Konkurrenz vermutet um Baumhöhlen, die als bessere und sicherere Schlafplätze angesehen werden (RADESPIEL 1998). EHRESMANN (2000) hingegen konnte bei 118 Schlafplätzen von M. murinus während der Trockenzeit keine Nestkonstruktionen feststellen. Während dieser Zeit wurden neben offenen Schlafplätzen von den Männchen bevorzugt Baumhöhlen (außerhalb der Paarungszeit im Mittel zu 62 % bzw. in der Paarungszeit zu 76 %) aufgesucht, wobei Schlafplätze vom Beobachter auch oft nicht genau lokalisiert werden konnten (im Durchschnitt zu 31 % außerhalb der Paarungszeit bzw.

zu 15 % in der Paarungszeit).

In einer sechswöchigen Feldstudie zwischen August und Anfang Oktober in Ampijoroa, Nordwest-Madagaskar, über Schlafgruppenzusammensetzung von M. murinus nutzte jedes

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einer Folgestudie im gleichen Gebiet wurden die Männchen an dem überwiegenden Teil der Kontrolltage alleine an einem Schlafplatz aufgefunden; nur einmal ab Mitte Oktober bildeten zwei Männchen für eine Dauer von 11 Tagen eine Schlafgemeinschaft gegen Ende der Untersuchungszeit (RADESPIEL 2000). PAGES-FEUILLADE (1988) konnte zwischen Ende September und Anfang November insgesamt viermal zwei Männchen finden, die sich gemeinsam einen Schlafplatz teilten und vermutet, daß es sich um Tiere eines gleichen Wurfes handeln könne. EHRESMANN (2000) fand in einer achtmonatigen Feldstudie während der Trockenzeit bei höchstens fünf gleichzeitig besenderten Männchen nur einmal Mitte November zwei Männchen gleichzeitig an einem Schlafplatz. RADESPIEL (2000) schlug vor, daß intrasexuelle Konkurrenz der Männchen um Zugang zu Weibchen zu einem gewissen Grad von Intoleranz führen und damit verantwortlich für das überwiegend gefundene Alleinschlafen der Männchen sein sollte, welches im Kontrast zu den Schlafgemeinschaften der Weibchen stehe.

2.5.5 Reproduktionsbiologie

Wie die meisten Lemuren haben auch die Grauen Mausmakis eine saisonale Fortpflanzungsphase. Die Weibchen von M. murinus bringen nach 2 Monaten Tragzeit (in Gefangenschaft 60,2 ± 1,7 Tage) 1 bis 4 Jungen zur Welt (PERRET 1982, WROGEMANN et al. 2000). In Gefangenschaft konnte bei nicht konzipierenden Weibchen im Abstand von 45 - 55 Tagen ein zweiter (PETTER-ROUSSEAUX 1962, GLATSTON 1979, HARVEY et al.

1987) bzw. dritter Östrus (PERRET 1982) oder selbst ein vierter Östrus (WROGEMANN et al. 2000) festgestellt werden. Es ist bekannt, daß M. murinus unter Laborbedingungen zweimal Jungtiere innerhalb der Reproduktionsphase gebären können (2 von 11 Weibchen, ANDRIANTSIFERANA et al. 1974; bzw. 1 von 33 Weibchen, PERRET 1982). Basierend auf Fangdaten in der Nähe von Morondava, West-Madagaskar, postulierte MARTIN (1972a, 1972b) in der ersten Freilandstudie an M. murinus, daß es nach der ersten Laktation zu einer zweiten Trächtigkeit und somit einer zweiten Geburtensaison zwischen Januar und März kommen könne.

Nach bisherigen Erkenntnissen geht die Hauptpaarungszeit von M. murinus in Ampijoroa, Nord-West-Madagaskar von Mitte September bis Mitte Oktober (RADESPIEL 1998, 2000, PETERS 1999, SARIKAYA 1999). Nach Ende der Paarungszeit im September/Oktober

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konnten in früheren Studien in Ampijoroa im November Kopulationversuche an zwei Weibchen beobachtet werden (PETERS 1999, SARIKAYA 1999). Während zu einem Kopulationsversuch keine weiteren Weibchendaten wie vorausgegangener Östrus oder Geburten vorhanden waren, wurde bei dem anderen Weibchen aufgrund der Daten ein vorausgegangener Abort vermutet (SARIKAYA 1999). Ob diese Weibchen in jener Reproduktionssaison erfolgreich reproduzierten, ist unbekannt. In der vorliegenden Studie sollen daher die Monate September bis November eine besondere Berücksichtigung erfahren.

Die Reproduktionsphase von M. murinus in einem anderen Gebiet im Südwesten Madagaskars hingegen beginnt nicht vor Mitte Oktober1 (FIETZ 1998, ZIMMERMANN 1998), wobei das höchste Hodenvolumen im Oktober erreicht wird (SCHWAB 2000). Die Paarungszeit ist dort darüber hinaus auf ca. 4 Wochen im Jahr beschränkt (EBERLE &

KAPPELER 1999).

Als eine Besonderheit im Markierverhalten von Mausmakis ist neben dem Anogenitalmarkieren und dem Mundwinkelreiben (Kopfmarkieren) an einem Substrat das Urinwaschen zu nennen, welches sowohl bei Männchen als auch Weibchen auftritt (SCHILLING & PERRET 1987, BÜSCHING et al. 1998). Dabei urinieren die Tiere in die gewölbte Hand und reiben anschließend schnell ihre Fußsohle der gleichen Körperseite zwei- bis dreimal an der Hand ab. Die ganze Verhaltenssequenz wird dann meist mit den Gliedmaßen der anderen Körperseite wiederholt. Untersuchungen an M. murinus in Gefangenschaft zeigten, daß die Häufigkeit des Markierens des dominanten Tieres einer Gruppe zu Beginn der Paarungszeit stetig ansteigt und während des Proöstrus ein Maximum zeigt (GLATSTON 1983, LEBEC 1984). Ebenfalls wurde im Labor festgestellt, daß Pheromone im Urin von dominanten Männchen die Gonadenfunktion von subdominaten Männchen inhibieren und deren sexuelle Aktivität unterdrücken können (SCHILLING et al.

1984, SCHILLING & PERRET 1987).

Bei M. murinus wurde aufgrund von Beobachtungen aus Gefangenschaftshaltungen mit klaren Dominanzverhältnissen zwischen Männchen und monopolisierbaren Paarungen zunächst auf ein polygynes Paarungssystem geschlossen (PERRET 1977, 1985). Zahlreiche Untersuchungen über Fortpflanzung und Sozialstruktur sind im Labor unter kontrollierten

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Bedingungen durchgeführt worden (PERRET 1977, PETTER-ROUSSEAUX 1980, SCHILLING & PERRET 1987, PERRET 1992, LINDEMANN 1996). Hierbei kamen teilweise widersprüchliche Ergebnisse zustande. Bei Untersuchungen von PERRET (1992) an Grauen Mausmakis blieben einmal etablierte Rangordnungen zwischen Männchen konstant, und subdominante Männchen wurden in ihrer Fortpflanzung inhibiert. In einer anderen Untersuchung (KUGEL 1993) bildete sich zwar eine lineare Rangfolge unter den Männchen aus, es schien jedoch kein Männchen in seiner Reproduktion inhibiert zu sein. LINDEMANN (1996) konnte nachweisen, daß unter Laborbedingungen Rangwechsel zwischen den Männchen auch während einer Reproduktionssaison auftreten können und vermutet, daß unterschiedliche Laborbedingungen wie z.B. Käfig- und Gruppengrößen und Verwandtschaftsgrade zu verschiedenen Ergebnissen führten. Weiter konnte in dieser Studie nachgewiesen werden, daß Paarungen sowohl bei dominanten als auch subdominanten Männchen vorkommen. Jedoch kamen nur bei dominanten Männchen ungestörte Paarungen mit den Weibchen vor. Dominante und subdominante Männchen könnten somit unterschiedliche Strategien verfolgen, um ihren Paarungserfolg zu erhöhen. Die Laborergebnisse deuteten darauf hin, daß es einen Zusammenhang zwischen dem Körpergewicht und dem sozialen Status eines Männchens gibt (PERRET 1992, LINDEMANN 1996). Bei Studien über Sozial- und Paarungssysteme wie auch Überlebensstrategien muß jedoch immer überprüft werden, in wieweit die im Labor gewonnenen Ergebnisse ins Freiland übertragbar sind. Die Gruppenzusammensetzung in Gefangenschaft und der zur Verfügung stehende Aktionsraum entsprechen nicht den natürlichen Verhältnissen im Freiland. Deshalb könnten sich die Mechanismen, die den Reproduktionserfolg im Freiland steigern, von denen in Gefangenschaft unterscheiden (FIETZ 1999).

Frühere Beobachtungen von Microcebus murinus im Freiland führten zur Hypothese der Existenz sogenannter „population nuclei“, mit Weibchen und einem/wenigen zentralen, dominanten Männchen im Zentrum und vielen subdominanten Männchen in der Peripherie (MARTIN 1972b). Innerhalb der Populationskerne sollte ein Geschlechterverhältnis von zwei bis vier Weibchen zu einem Männchen herrschen (PETTER 1962, MARTIN 1972b). Zentrale Männchen sollen durch ihre Duftmarken periphere, subdominante Männchen in ihrer Reproduktion inhibieren können (SCHILLING & PERRET 1987). Erst durch Ausfall eines

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zentralen Männchens soll ein peripheres Männchen diese Lücke besetzen und sich fortpflanzen können.

Dies wurde nach neueren systematischen Freilandstudien in Frage gestellt. Eine Monopolisierung der Weibchen konnte nicht festgestellt werden (z.B. RADESPIEL 1998).

Dennoch konnte bei den Männchen von M. murinus auch Verhalten beobachtet werden, daß auf contest competition und mate guarding hinzudeuten scheint (PETERS 1999) Die Aktionsräume der Männchen sind während der Paarungszeit größer als die der Weibchen, aber sie überlappen sowohl innerhalb als auch zwischen den Geschlechtern (LEBEC 1984, PAGES-FEUILLADE 1988, BARRE et al. 1988, RADESPIEL 1998). Die Männchen scheinen auf der Suche nach reproduktiven Weibchen umherzuziehen, da die Aktionsräume der Männchen innerhalb der Hauptpaarungszeit signifikant größer sind als außerhalb dieser Zeit (RADESPIEL 1998). SCHMID & KAPPELER (1998) nehmen an, daß eine Zunahme des Körpergewichtes kurz vor der Paarungszeit den Paarungserfolg von männlichen M.

murinus erhöht. Nach FIETZ (1995) und PETERS (1999) scheint die Größe der Aktivitätsräume von dem Körpergewicht der Männchen abzuhängen: Schwerere Männchen sollen entsprechend größere Aktivitätsräume nutzen als leichtere Männchen.

Die Abwesenheit von Sexualdimorphismus von M. murinus in der Körpergröße (FIETZ 1995, aber KAPPELER 1991) und der Eckzahngröße (KAPPELER 1993) deutet darauf hin, daß der männliche Reproduktionserfolg nicht so sehr vom physischen Wettbewerb vor der Paarung, sondern vielmehr vom postkopulativen Wettbewerb abhängt (CLUTTON-BROCK 1991, KREBS & DAVIES 1996). Dafür spricht auch, daß die Hoden der Männchen vergleichsweise groß sind (DIXSON 1987, KAPPELER 1996). SPÜHLER (1935) konnte an aus dem Südwesten Madagaskars stammenden M. murinus histologisch nachweisen, daß sich die auf etwa das Achtfache vergrößerten Hoden gegen Ende der Trockenzeit (Ende Oktober) in voller Spermiogenese befinden, wobei aber auch bereits erste Anzeichen einer beginnenden Involution auftraten. Diese Ergebnisse entsprechen Studien an anderen sich saisonal fortpflanzenden Tieren im Freiland, bei denen das Klimax der Spermiogenese und des Hodenvolumens mit der Paarungszeit zusammenfällt (DU MOND & HUTCHINSON 1967, FUENTES et al. 1991).

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Die Studien aus neuerer Zeit aus dem Freiland legen bei M. murinus daher aufgrund von Daten zum Sexualmonomorphismus, Hodengröße, räumlicher Verteilung und postkopulatorischen Mechanismen ein promiskes Paarungssystem nahe, bei dem Männchen im als scramble competition genannten Wettbewerb (WELLS 1977) über die aktive Suche nach dispersen, rezeptiven Weibchen miteinander konkurrieren (SCHMID & KAPPELER 1998, FIETZ 1999, RADESPIEL 2000, SCHMELTING et al. 2000). Abhängig von den physischen Voraussetzungen, der Mobilität und den kognitiven Möglichkeiten, wie z.B.

räumliches Erinnerungsvermögen könnten einige alternative Paarungsstrategien für jedes individuelle Männchen von M. murinus existieren (RADESPIEL 2000). Oft sind aber nicht genügend Daten über längere Zeiträume an größeren Tierzahlen vorhanden, die eine detaillierte Betrachtung der Ergebnisse und Rückschlüsse auf Reproduktionsstrategien ermöglichen würden (z.B. FIETZ 1999, PETERS 1999).

2.6 Methodischer Hintergrund und Zielsetzung

Direkte Beobachtungen sind am leichtesten durchführbar an relativ seßhaften Tieren, die sich langsam fortbewegen und an den Beobachter habituiert sind oder im offenen Habitat leben (WHITE & GARROT 1990). Die kryptische Lebensweise von nachtaktiven Primaten, gepaart mit ihrer dispersen räumlichen Verteilung in unübersichtlichem Gelände machen aber direkte Verhaltensbeobachtungen im Freiland extrem schwierig. Muster von Aktionsraumüberlappungen zwischen Individuen sind daher Schlüsselparameter, die zur Charakterisierung von Sozialsystemen bei nachtaktiven Prosimiern verwendet werden, wobei die effektivste Methode zur Erfassung von individuellen räumlichen Bewegungen und sozialen Interaktionen die direkte Beobachtung von mit Radiotransmittern individuell gekennzeichneten Tieren ist (STERLING et al. 2000). In der Genauigkeit der Lokalisation unterliegt die Triangulation als indirekte Methode durch Kreuzpeilung der direkten Beobachtung. Andererseits können durch die Triangulation Daten von mehreren Individuen gleichzeitig gesammelt werden; sie gilt daher als die effektivste Methode zur Erfassung von Aktionsraumüberlappungen und Zugang zu Sozialpartnern (STERLING et al. 2000).

Wenngleich eine Kombination von Triangulation und kontinuierlicher Fokusbeobachtung wünschenswert wäre, die Daten im Makrobereich (d.h. Überlappungensgrade in der Raumnutzung) und Mikrobereich (d.h. direkte soziale Interaktionen zwischen Individuen)

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liefern würde, konnten STERLING et al. (2000) bei 27 seit 1977 veröffentlichten Studien an nachtaktiven Prosimiern keine Studie ausmachen, die sowohl Triangulation als auch Fokusbeobachtung für die Aufenthaltsbestimmung verwendete. Beide sind aber gleichermaßen wichtig, um Erkenntnisse zu gewinnen über Sozialsysteme bei nachtaktiven Prosimiern. In den mir weiter bekannten Studien, die beide Methoden verwendeten, „wurden aufgrund der schwierigen Beobachtungsbedingungen nur exemplarisch“ (RADESPIEL 1998) an drei (RADESPIEL 1998) bzw. vier Weibchen (SARIKAYA 1999) oder vier Männchen (PETERS 1999) Beobachtungen über kurze Zeitabschnitte durchgeführt (Gesamtdauer der Beobachtungen zwischen 32 h 5 min (RADESPIEL 1998) und 66 h 42 min (PETERS 1999)).

Gerade bei den Lemuren sind jedoch detaillierte Langzeitstudien an verschiedenen Populationen in unterschiedlichen Habitaten nötig, um Informationen über Sozial- und Paarungssysteme der jeweiligen Spezies zu erlangen, da bei ihnen im Vergleich zu den Anthropoidea größere Flexibilität innerhalb einer Art herrscht (KAPPELER 1993). Bisherige Feldstudien zu M. murinus erstreckten sich über 6- bis 8-monatige Beobachtungszeiten während der Trockenzeit und der Hauptpaarungszeit (MARTIN 1972, SCHMID 1997, EHRESMANN 2000) oder über kürzere, bis zu 3 Monate dauernde Perioden, die um den Zeitraum der Hauptpaarungszeit angesiedelt waren (PAGES-FEUILLADE 1988, BARRE et al. 1988, FIETZ 1995, RADESPIEL 1998, PETERS 1999, SARIKAYA 1999).

Langzeitstudien über die gesamte Reproduktionsphase, beginnend mit der Vergrößerung der Hoden der Männchen vor der Paarungszeit bis zum Ende der Regenzeit, sind für M. murinus bisher in keinem Gebiet durchgeführt worden.

Ziel der hier vorliegenden erstmals durchgeführten Langzeitstudie über einen gesamten Jahreszyklus ist daher, erstmals das Verhalten von M. murinus in Nordwest-Madagaskar unter besonderer Berücksichtigung der Reproduktionsbiologie der Männchen vom Anfang bis zum Ende der Reproduktionszeit zu erfassen. Hierdurch sollen das Verhalten und die physische Kondition charakterisiert werden, die für den Reproduktionserfolg von Männchen von Bedeutung erscheinen. Zudem soll eine Basis für populations- und artübergreifende Vergleiche geschaffen werden. Hierfür werden systematische Fang- Wiederfangaktionen durchgeführt, die Aufschluß über die Populationsökologie geben sollen. Neben der

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auch das monatliche Geschlechterverhältnis ermittelt. Monatliche Erfassung der Hodenvolumina und Körpergewichte der gefangenen Männchen sollen zur Charakterisierung der physischen Kondition und ihrer Veränderung herangezogen werden. Durch die Besenderung von ausgewählten Individuen sollen durch die Kombination von Triangulation und kontinuierlicher Fokusbeobachtung erstmals Langzeitdaten im Makro- und Mikrobereich des Verhaltensspektrums für diesen Zeitraum registriert werden. Die tägliche Schlafplatzerfassung der Sendertiere dient dem Zweck, saisonale Verhaltensmuster in der Schlafplatzwahl und ihrer Bedeutung für das Überleben als auch eventuelle soziale Interaktionen (Konkurrenz, Koalitionen) aufzudecken. Neben der Ermittlung der Aktionsraumgrößen und der Nachtwanderstrecken soll unter anderem versucht werden, Ruf- und Markieraktivität sowie das Freßverhalten direkt zu erfassen.

Durch Verknüpfung der genannten Techniken soll versucht werden, mögliche Fortpflanzungstaktiken der Männchen zu charakterisieren, die abhängig von ihrem individuellen Zustand wie z.B. Gewicht, Hodenvolumen, Alter und Erfahrung sein könnten.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Befundlage können bei männlichen Grauen Mausmakis folgende Reproduktionstaktiken postuliert werden, die in dieser Arbeit untersucht werden sollen:

1. Dominante Männchen sind Männchen mit überdurchschnittlich großen Hodenvolumina, überdurchschnittlich hohen Körpergewichten und großen Aktionsräumen. Dominante Männchen haben ausschließlichen Zugang zu Weibchen. Sie inhibieren subdominante Männchen mit kleinen Hodenvolumina und kleinen Aktionsräumen.

2. Ein nachweisbares Dominanzverhältnis mit reproduktiver Unterdrückung zwischen den Männchen existiert nicht. Alle Männchen können potentiell Zugang zu Weibchen haben.

Sie konkurrieren durch prä- und postkopulativen Wettbewerb. Hierbei sind folgende Reproduktionstaktiken denkbar:

2a) Männchen mit überdurchschnittlich hohen Körpergewichten können längere Nachtwanderstrecken als leichte Männchen zurücklegen, da der Energieverbrauch und somit die Körperkondition mit der zurückgelegten Strecke korreliert und haben daher größere Aktionsräume und zu mehr Weibchen Kontakt als leichte Männchen.

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2b) Residente Männchen, die länger als ein Jahr im gleichen Gebiet leben, verfügen über eine bessere Kenntnis des Raumes und der Verteilung der limitierenden Ressourcen wie Schlafplätze und Weibchen als zugewanderte Männchen oder Jungtiere. Residente Männchen haben daher größere Aktionsräume und zu mehr Weibchen Kontakt als nicht residente Männchen.

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3 Material und Methoden

3.1 Untersuchungsgebiet

Das Untersuchungsgebiet liegt im laubabwerfenden Trockenwald im Nordwesten Madagaskars (16°35’ südlicher Breite und 46°82’ östlicher Länge von Greenwich, 200 m über NN, Abb.1) in einem ca. 130 000 ha großen Naturreservat Madagaskars, das zwei Schutzgebiete einschließt: Das Forstschutzgebiet Réserve Forestière d’Ampijoroa sowie das Naturschutzgebiet Réserve Naturelle Intégrale de l’Ankarafantsika (JENKINS 1990). Der Wald ist phytogeographisch dem trockenen Subzonobiom der paläotropisch-afrikanischen Biomgruppe (des Zonobioms II) zuzuordnen (WALTER & BRECKLE 1984). Die Vegetation wird der Pflanzengemeinschaft Dalbergia-Commiphora-Hildegardia zugerechnet (JENKINS 1990).

3.1.1 Untersuchungsgebiet jardin botanique A

Die Studie wurde im Waldgebiet « jardin botanique A » (JBA) durchgeführt, welches sich 2 km westlich der Station Forestière Ampijoroa befindet (Abb. 2). JBA ist genau vermessen und kartiert und hat eine Größe von 30.63 ha. Über die gesamte Fläche ist es durch 1 m breite und jeweils ca. 50 m voneinander entfernte Wege in ein Wege-Raster-System unterteilt; in der östlichen Hälfte ist zusätzlich ein Feingrid mit Pfaden im Abstand von ungefähr 10 x 10 m angelegt zwecks besserer Beobachtungsmöglichkeiten der dort lebenden Lemuren. Jeder Kreuzungspunkt ist durch ein dazugehöriges Baumschild gekennzeichnet.

3.1.2 Lemuren

Neben den beiden Mausmaki-Arten M. murinus (Abb. 3) und M. ravelobensis kommen im Untersuchungsgebiet noch wenigstens sechs weitere Lemurenarten vor: Die ebenfalls nachtaktiven Arten Cheirogaleus medius, Lepilemur edwardsi, Avahi occidentalis, zwei kathermerale Arten Eulemur fulvus fulvus und Eulemur mongoz sowie der diurnale Propithecus verreauxi coquereli (MITTERMEIER et al. 1994, ZIMMERMANN et al. 1998).

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Abb. 2. Untersuchungsbiet JBA

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3.1.3 Prädatoren

Unter den mindestens neun im Ankarafantsika vorkommenden Schlangenspezies (GLAW &

VENCES 1994) finden sich in Ampijoroa auch die bereits als Mausmaki-Prädatoren beschriebenen (GOODMAN et al. 1993) Arten Ithycyphus miniatus sowie die zur Familie der Boidae gehörenden Sanzinia madagascariensis (GLAW & VENCES 1994) und Acrantophis madagascariensis (eigene Beobachtungen). Auch die endemische Schleichkatzenart Cryptoprocta ferox, deren Prädatorenstatus für Microcebus ssp. in Kirindy (Westmadagaskar) nachgewiesen wurde (HAWKINS 1998), konnte beobachtet werden (eigene Beobachtungen). Zu den drei in Ampijoroa bekannten Eulenarten (LANGRAND 1990) zählen auch Tyto alba und Asio madagascariensis, ebenfalls Mausmakiprädatoren (GOODMAN et al. 1993).

3.2 Klima

Der Trockenwald in Ampijoroa wird durch ein ausgeprägtes saisonales Klima mit einer kühleren achtmonatigen Trockenzeit von April bis November und einer wärmeren viermonatigen Regenzeit von Dezember bis März beeinflußt. Mitarbeiter der Anganoka- Zuchtstation des Durrell Wildlife Conservation Trust in Ampijoroa führen tägliche Temperatur- und Niederschlagsmessungen mit Erfassung der Minimal- und Maximaltemperaturen an der Station durch. Freundlicherweise wurden die zum Studienzeitraum (Mai 1998 bis April 1999) zugehörigen Daten zur Verfügung gestellt (vergl.

Abb. 4). Im kältesten Monat Juli betrug die minimale Durchschnittstemperatur 15.4 °C (Extremwerte: 12.0 °C; 20.5 °C) und die maximale Durchschnittstemperatur 32.2 °C (Extremwerte: 31.0 °C; 34.5 °C). Erste vereinzelte Regenfälle gab es im Oktober (39.2 mm Gesamtniederschlag). Der regenreichste Monat war der Dezember mit 338 mm Gesamtniederschlag bei minimaler Durchschnittstemperatur von 21.8 °C (Extremwerte: 19.0

°C; 24.5 °C) und maximaler Durchschnittstemperatur von 33.8 °C (Extremwerte: 30.0 °C;

38.0 °C).

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3.3 Untersuchungszeitraum

Vom 13. Juli 1998 bis zum 08. April 1999 führte ich die Freilanduntersuchungen in Ampijoroa durch. Für die Monate Mai und Juni 1998 standen mir dankenswerter Weise die von Blanchard Randrianambinina und Solofonirina Rasoloharijaona erhobenen Fang- Wiederfangdaten zur Verfügung.

3.4 Tiere

3.4.1 Individuelle Markierung und Vermessung

Die Untersuchungen wurden an einer durch Fang-Wiederfang in JBA erfaßten Population von M. murinus durchgeführt. Jedes gefangene Tier wurde individuell gekennzeichnet, indem ihm ein Mikrotransponder (Transpondertyp ID-100, Fa. Telinject, D - Römerberg) subkutan injiziert wurde. Durch ein Transponderlesegerät (TROVAN LID-500, Fa. Telinject, D - Römerberg) kann dieser Nummerncode lebenslang abgelesen werden, sofern das Tier den Transponder nicht kurz nach der Markierung verliert (Austritt durch die Injektionsstelle). Mit einer speziellen Ohrmarkierung durch kleine Einschnitte mit einer feinen Augenschere im Randbereich der Ohren (FIETZ 1995, RADESPIEL 1998) war eine zusätzliche individuelle Kennzeichnung eines jeden Neufangs gegeben. Zur Vereinfachung der Datenverwaltung wurden für die so markierten Tiere fortlaufende Tiernummern vergeben, wobei die letzten beiden Ziffern für das Jahr des Erstfanges stehen. An der Station wurden alle erstmals gefangenen Mausmakis individuell markiert, vermessen, gewogen und das Geschlecht bestimmt. Das Körpergewicht der gefangenen Tiere wurde mit einer Federwaage (Pesola, Messbereich bis 300 g), an die ein Baumwollbeutel mit dem Tier eingehängt werden konnte, auf 1 g genau bestimmt. Das Gewicht des Beutels wurde anschließend abgezogen.

3.4.2 Reproduktionsstatus

Der Reproduktionsstatus der Tiere wurde bestimmt. Weibchen wurden nach RADESPIEL (1998) und BÜSCHING et al. (1998) in folgende Kategorien eingeteilt: Interöstrus, Proöstrus, Östrus, Postöstrus, Trächtigkeit und Laktation.

(36)

Bei den Männchen wurden mit einer Präzisonsschublehre (Kanon, Meßbereich bis 15 cm, Genauigkeit 0,1 mm) die Hodenmaße aufgenommen und nach BERCOVITCH (1989) das Hodenvolumen als Ellipsoidkörper berechnet. Bei der Vermessung kann nicht in Hoden und Nebenhoden differenziert werden. Das Hodenvolumen bezieht sich daher immer auf beide Hoden mit Nebenhoden:

Hodenvolumen = 3.14 x Breite gesamt x (mittlere Länge)² 6

Die aufgenommenen morphometrischen Daten aller gefangenen Männchen der Population wurden miteinander verglichen und die saisonale Entwicklung analysiert. Unter Berücksichtigung der Weibchendaten sollen hierdurch Rückschlüsse auf den Beginn und das Ende der saisonalen Fortpflanzungsperiode gezogen werden.

3.4.3 Besenderung von Tieren

Insgesamt wurden 12 männliche M. murinus mit Halsbandsendern (Fa. Biotrack, GB - Dorset) ausgestattet. Ein Senderhalsband hat ein Gewicht von ca. 2.5 g. Die Toleranzgrenze für Sender liegt bei ca. 5 % des Körpergewichts des Tieres (COCHRAN 1980, KENWARD 1987). Daher wurden nur Mausmakis besendert, deren Körpergewicht mindestens 45 g betrug. Die Senderfrequenzen lagen zwischen 150 und 151 MHz. Verwendet wurden TW-4 Sender mit einer angegebenen Lebensdauer von drei bzw. fünf Monaten. Die letzteren waren nötig, da bereits erste Erfahrungen vorlagen, daß es mit Einsetzen der Regenzeit zu einer verringerten Fangbarkeit von Mausmakis kommen (PETERS 1999, SARIKAYA 1999) und dadurch der Austausch von Sendern Schwierigkeiten bereiten kann. Acht Tieren konnten am Ende der Untersuchungen die Sender wieder abgenommen werden. Die Peilanlage bestand aus einem Empfänger (TR-4 Receiver, Fa. Telonics, USA - Mesa, Arizona) mit einer Peilantenne (RA-14K, Rubber Ducky H, Fa. Telonics, USA - Mesa, Arizona). Die Empfangsreichweite betrug hierbei je nach Vegetationsdichte und Witterungsverhältnissen zwischen 40 und 100 m. Bei Bedarf konnte mit einer größeren Antenne (Fa. AWEK fl- electronic GmbH, D – Schwülper) die Empfangsreichweite um etwa das Vierfache gesteigert werden.

(37)

3.5 Populationsökologie 3.5.1 Fang und Wiederfang Tab. 1. Fangaktionen

Fangaktion Datum Mai 98 17.-22.05.

Jun 98 17.-22.06.

Jul 98 13.-18.07.

Aug 98 16.-21.08.

Sep 98 15.-20.09.

Okt 98 10.-15.10.

Nov 98 11.-16.11.

Dez 98 10.-15.12.

Jan 99 04.-08.01.

Feb 99 30.01.-03.02.

Mrz 99 01.-05.03.

Apr 99 29.03.-02.04.

In monatlichen Abständen wurden Fangaktionen in JBA durchgeführt. Es wurden Lebendfallen (Sherman-traps, 23.5 cm x 8 cm x 9 cm) verwendet, welche an den Wegekreuzungen des Hauptwegesystems in 1 bis 2 m Höhe in Astgabeln befestigt wurden. Eine reguläre Fangaktion umfaßte drei Fangnächte in einem Zwei-Tagesintervall (Tab. 1). Insgesamt wurden 1180 Fallen während der regulären Fangaktionen aufgestellt. Zusätzliche Fangtage wurden durchgeführt, wenn z.B. in einer regulären Fangaktion nicht ausreichend geeignete Sendertiere gefangen wurden oder defekte Sender ausgewechselt werden mußten.

Hierbei gewonnene Daten über Körpergewicht und Hodenvolumen der Männchen wurden berücksichtigt, um die Entwicklung dieser Parameter möglichst kontinuierlich und umfassend zu erfassen. In die Analyse der regulären Fangaktionen und die Berechnung der Populationsgröße gingen die Daten zusätzlicher Fangtage nicht mit ein. Im Mai und Juni 1998 wurden 90 Fallen pro Fangnacht aufgestellt, ab Juli wurden im Feingrid zwischen zwei Hauptwegen, die ca. 100 m voneinander entfernt waren, zusätzlich 10 Fallen aufgestellt.

Daraus resultieren 100 aufgestellte Fallen pro Fangnacht ab Juli 1998. Die Fallen wurden am späten Nachmittag mit möglichst überreifen Bananen beködert und in den Monaten Juli bis November am darauffolgenden Morgen bei Sonnenaufgang kontrolliert. Leere Fallen wurden geschlossen und gefangene Tiere zur Station gebracht. Ab Dezember, als mit laktierenden Weibchen zu rechnen war, wurden die Kontrollgänge zwischen 2.30 Uhr und 3.30 Uhr begonnen. Ab diesem Zeitpunkt wurden nur Fallen mit Männchen eingesammelt. Bei den in die Fallen gegangenen Weibchen wurde an Ort und Stelle der Reproduktionsstatus erhoben und die Tiere anschließend frei gelassen. So war sichergestellt, daß laktierende Weibchen noch innerhalb der Nachtphase zu ihren Jungen zurückkehren konnten.

(38)

3.5.2 Fallennutzung

Fangergebnisse werden beeinflußt durch die Anzahl und Verteilung der aufgestellten Fallen.

Die Fallen waren gleichmäßig über JBA verteilt mit einem Abstand von höchstens etwa 50 m zwischen zwei Fallen. Ausgehend von Aktionsraumberechnungen von M. murinus (vergl.

LEBEC 1984, PAGES-FEUILLADE 1988, BARRE et al. 1988, RADESPIEL 1998) wurde angenommen, daß jeder Mausmaki mindestens eine Falle erreichen konnte. Für jede Fangaktion wurde der Grad der Fallennutzung berechnet, d.h. wieviel Prozent der aufgestellten Fallen von Mausmakis und ggf. von anderen Tieren tatsächlich belegt waren.

Hierdurch kann abgeschätzt werden, ob die Anzahl der Fänge möglicherweise durch die Anzahl der aufgestellten Fallen limitiert wurde.

3.5.3 Bestimmung der Populationsgröße

Die meisten Populationen verändern sich kontinuierlich in ihrer Größe aufgrund von Geburten, Todesfällen, Immigrationen und Emigrationen und werden daher offene Populationen genannt (KREBS 1989). Unter Anwendung der Jolly-Seber Methode (KREBS 1989) können Populationsdichte, Überlebenswahrscheinlichkeit und Zu- oder Abnahme einer offenen Population berechnet werden. Als Voraussetzung für die Jolly-Seber Methode müssen gelten:

1. Jedes Individuum hat die gleiche Wahrscheinlichkeit gefangen zu werden, unabhängig davon, ob es markiert oder unmarkiert (Erstfang) ist.

2. Jedes markierte Individuum hat die gleiche Überlebenswahrscheinlichkeit von einer Fangperiode bis zur nächsten.

3. Individuen verlieren nicht ihre Markierungen, und Markierungen werden nicht übersehen.

4. Die Zeit der Fangaktion ist vernachlässigbar in Relation zu den Fangintervallen.

Die Tiere wurden individuell gekennzeichnet (mit Mikrotranspondern), was für die Annahme der ersten drei Vorraussetzungen nötig ist. Mikrotransponder werden in der Tiermedizin bei zahlreichen Tierarten zur schmerzfreien und dauerhaften individuellen Markierung eingesetzt.

Die subkutan injizierten Mikrotransponder beeinträchtigen oder behindern die markierten Tiere in keiner Weise bei der Ausführung ihrer Lebensgewohnheiten (RIVAL 1999). Somit sind diese Voraussetzungen für die Anwendung der Jolly-Seber Methode gegeben.

(39)

Die geschätzte Populationsgröße Nt kann berechnet werden durch die Formel:

Nt = Mt t

Wobei Mt = (st +1) Zt + mt und αt = mt + 1 Rt + 1 nt + 1

st = Anzahl der freigelassenen Individuen nach der Fangaktion t

Zt = Anzahl der Individuen, die vor Fangaktion t, aber nicht in t und wieder in einer Fangaktion nach t gefangen worden sind.

Rt = Anzahl der st Individuen, die in einer späteren Fangaktion wiedergefangen werden.

mt = Anzahl der gefangenen Individuen in Fangaktion t, die bereits markiert waren.

nt = Gesamtzahl der in Fangaktion t gefangenen Individuen.

Zur Schätzung der Konfidenzintervalle wird die Formel nach KREBS (1989) angewandt. Die Annahme der gleichen Fangbarkeit aller Tiere muß vor Anwendung der Jolly-Seber Methode getestet werden, um zu erfassen, wie verläßlich die errechneten Schätzungen sind. Ungleiche Fangbarkeit ist im wesentlichen auf drei Gründe zurückzuführen (EBERHARDT 1969):

1. Verhalten des Tieres in Fallennähe.

2. Lerneffekte bereits gefangener Tiere, die Fallen zu meiden oder bevorzugt in diese zu gehen.

3. Ungleiche Fangbarkeit aufgrund der Lage der Fallen.

Die Annahme der gleichen Fangbarkeit in einer offenen Population wurde mit dem Leslie- Chitty-Chitty Test (LESLIE et al. 1953) überprüft. Hier wird die Anzahl Z‘t der tatsächlichen Neufänge bis zur Fangaktion t verglichen mit der erwarteten Anzahl von Neufängen. Der Beobachtungswert Z‘t ergibt sich aus:

Z’t obs = st - mt

Der Erwartungswert wird berechnet durch:

Z’t exp = (Mt - mt + st) - Mt / αt + dt

αt + 1

wobei dt = Anzahl der in Fangaktion t gefangenen Tiere, die nicht in die Population zurückkehren.

Referenzen

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