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Archiv "Auf dem Weg zu einem neuen SPD-Programm: Gesundheitspolitik im „Ökonomisch-politischen Orientierungsrahmen“ und in einem ASÄ-Entwurf (Teil 1)" (13.02.1975)

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Bericht und Meinung

72. Jahrgang / Heft 7 13. Februar 1975 Postverlagsort Köln

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Verlag und

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Ärztliche Mitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Auf dem Weg zu einem

neuen SPD-Programm

Gesundheitspolitik im „Ökonomisch-politischen Orientierungsrahmen" und in einem ASÄ-Entwurf

Heute sagt man nicht mehr einfach „Parteiprogramm": Die Sozial- demokraten haben jetzt den allgemeinen Teil des zweiten Entwurfs für einen „Ökonomisch-politischen Orientierungsrahmen für die Jahre 1975/85 — OR '85" veröffentlicht und zur inner- und außer- parteilichen Diskussion gestellt.

Ist ein „OR" mehr oder weniger als ein Parteiprogramm? Die Ver- fasser betonen einerseits wiederholt, daß das Godesberger „Pro- gramm" Grundlage des neuen Dokumentes sei, womit der „OR"

also nur eine Ausfüllung der Programmsätze mit konkreten zeit- bezogenen Inhalten wäre — bezogen auf eine Dekade, die bei der Veröffentlichung dieses Entwurfes schon begonnen hat. Ande- rerseits wird der „OR" eingeleitet durch langwierige politisch- philosophische Erörterungen, die normalerweise vor der Erarbei- tung konkreter Programme stehen, ja deren geistige oder ideolo- gische Grundlage sie bilden sollen.

Nun — allzu strenge theoretische Maßstäbe wären bei einem aus- drücklich noch als Entwurf gekennzeichneten Dokument fehl am Platze: Der „Orientierungsrahmen" stellt sich eben als beides dar, wobei die theoretische Einleitung nun teilweise auch höchst ver-

dienstvoll ist. Willy Brandt vor allem war es, der in den letzten Jah- ren mit dem Wort vom „demokratischen Sozialismus" durch die Lande zog; was er damit meinte, wird nun endlich in diesem Ent- wurf versuchsweise definiert. Diese Definition in Absatz 1.1 besteht allerdings vornehmlich aus Formeln: Der demokratische Sozia- lismus „erstrebt eine neue und bessere Ordnung der Gesellschaft", und „der Sozialismus ist eine dauernde Aufgabe", die Idee des Sozialismus umfasse das Ziel ebenso wie den Weg dorthin — der dritte Satz widerspricht teilweise schon dem zweiten. Dann aller- dings kommt eine begrüßenswerte Festlegung: Demokratischer Sozialismus beruhe auf drei Grundwerten oder verwirkliche sie:

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 7 vom 13. Februar 1975 399

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Die Information:

Bericht und Meinung

„Orientierungsrahmen" der SPD

Freiheit, Gerechtigkeit und Solida- rität. Daraus ergeben sich einige Folgerungen, die in Absatz 1.2 wörtlich so lauten:

„Freiheit ist nur dann gesellschaft- liche Wirklichkeit und nicht nur Il- lusion oder Vorrecht für Wenige, wenn alle Menschen die tatsächli- che (wirtschaftliche, politische, so- ziale, kulturelle) Möglichkeit ha- ben, sich frei zu entfalten. Die Men- schen können auch nur dann in Freiheit leben, wenn sie von der Solidarität ihrer Mitmenschen ge- tragen werden. Gerechtigkeit ver- wirklicht die gleichberechtigte Freiheit jedes einzelnen, indem sie ihm gleiche Rechte und Chancen eröffnet. Darauf erwachsen für je- den Pflichten gegenüber der Ge- sellschaft."

Dies ist der Anfang des Abschnitts 1, der insgesamt jedoch fast drei Zeitungsseiten umfaßt. Der große Rest nach den soeben zitierten Sät- zen mahlt das damit vorgegebe- ne Material weithin in unendlichen Wiederholungen durch. Einige Ab- sätze sind dann jedoch noch be- deutsam:

Widersprüche ...

In Ziffer 1.3 ist eine Verbeugung vor der Linken enthalten, die je- doch glücklicherweise nichts ko- stet: „Die gesellschaftliche Ord- nung der Gegenwart wird in allen Ländern der Erde durch Probleme bestimmt, die in ihrem Kern als Wi- dersprüche gekennzeichnet wer- den müssen ... " — Damit bleibt marxistisch angelernten Jungsozia- listen die Anwendung dialektischer Denkmethodik erlaubt. Und es fol- gen auch Aufzählungen einer gan- zen Menge von Widersprüchen, die sogar ein Nichtdialektiker als Rea- litäten dieser Welt durchaus anzu- erkennen in der Lage ist.

Bekenntnis zur Marktwirtschaft

In Ziffer 1.6 werden „gesellschaftli- che Probleme von grundlegender Bedeutung" aufgezählt, und dies

beginnt mit den Sätzen: „Die ein- zelwirtschaftliche Verfügung über die Produktionsmittel und die Marktkonkurrenz sind weitgehend unentbehrlich. Ihre Ersetzung durch staatliche Planung bringt die Gefahr mit sich, daß die be- schränkten Interessen herrschen- der Minderheiten (Bürokratien) un- kontrollierbar über die Bedürfnis- befriedigung der Menschen verfü- gen." Damit wiederholt der „OR"

die Festlegungen des Godesberger Programms auf die Marktwirt- schaft. Und die darauffolgenden Erörterungen darüber, wie in ei-

ner solchen marktwirtschaftlichen Grundordnung die Grundwerte von Freiheit, Gerechtigkeit und Solida- rität verwirklicht werden können, die „Vermachtung der Märkte" ge- bremst werden kann, sind durch- aus diskutabel. Das wirkt sich bis in die späteren Einzelerörterungen aus, wenn man auch bisweilen be- merkt, daß das Verfasserkomitee manchmal im Abstimmungsverfah- ren widersprechende Anträge nicht gründlich abklärte und dann ver- schiedenartige Fassungen hat ste- hen lassen. Dies zum Beispiel bei der Frage der Bankenverstaatli- chung, die zu streichen man ver- gessen hat, obwohl etwas später sie deshalb für überflüssig erklärt wird, weil sich ohnehin 60 Prozent des Kreditwesens in öffentlicher Hand befänden (Sparkassen!).

Oder bei der Behandlung des Ver- hältnisses der Partei zu den Ge- werkschaften — da heißt es ein- mal: „... Die Gewerkschaften sind in erster Linie solidarische Organi- sationen zur Verbesserung des Einkommens und der Arbeitsbedin- gungen der Arbeitnehmer. Sie könnten diesen ihrem überwiegen- den Organisationszweck nicht in vollem Umfang gerecht werden, wenn sie mit Aufgaben gegenüber dem Bürger und der Gesamtgesell- schaft überfordert werden." — Und ein paar Zeilen weiter heißt es dann: „Die Gewerkschaften haben sich in unserem demokratischen Gemeinwesen über ihre Aufgabe der Vertretung spezieller Arbeit- nehmerinteressen hinaus längst zu einem Verband entwickelt, der — obgleich parteipolitisch unabhän-

gig — auf die Mitgestaltung und Mitverantwortung an der politi- schen Gesamtordnung ausgerich- tet ist und für deren Lebensfähig- keit Mitverantwortung trägt." Diese beiden Sätze sind schlechthin nicht miteinander vereinbar.

Anerkennung historischer Eliten

Weiterhin ist aus diesem ersten Abschnitt noch ein „highlight" er- wähnenswert: Ziffer 1.7 enthält eine klare Absage an die modisch gewordene materialistische Ge- schichtsbetrachtung. Demokrati- scher Sozialismus ist, so heißt es, nur in der modernen arbeitsteiligen und wohlstandsträchtigen Indu- striegesellschaft möglich; vorindu- strielle Gesellschaften konnten nur dadurch existieren, daß sie wirt- schaftlich unabhängige kulturtra- gende Eliten hervorbrachten. Viel- leicht fassen jetzt ein paar kolla- borierende Geisteswissenschaftler an unseren Universitäten wieder Mut und schütteln den Terror ma- terialistisch-marxistischer Welt- sicht ab, der ihnen von lautstarken Minderheiten aufgezwungen wor- den ist.

Subsidiarität

Schließlich ist noch eine Festle- gung zu erwähnen, die unter ande- rem gerade für die sozial- und ge- sundheitspolitische Ausfüllung des Rahmens bedeutsam sein kann:

Die Ziffer 2.4.8 spricht von der Zu- sammenarbeit des Staates mit den

„gesellschaftlichen Gruppen und Kräften", enthält wörtlich und fett- gedruckt den Satz „Sozialdemo- kratische Gesellschaftspolitik kann nicht die ‚Verstaatlichung' der Ge- sellschaft bedeuten", postuliert die

„Selbstregulierung und Selbsthilfe der Gesellschaft" und warnt davor, daß „einem zunehmenden Versor- gungsdenken und abnehmender Fähigkeit und Bereitschaft zu soli- darischer Selbsthilfe eine abneh- mende Leistungsfähigkeit des Staatsapparates" gegenüberstün-

• Fortsetzung auf Seite 404

400 Heft 7 vom 13. Februar 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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