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Archiv "Normaldruckglaukom und vaskuläre Dysregulationen: Augenleiden mit Tinnitus und kalten Extremitäten" (21.02.2014)

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A 308 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 8

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21. Februar 2014

NORMALDRUCKGLAUKOM UND VASKULÄRE DYSREGULATIONEN

Augenleiden mit Tinnitus und kalten Extremitäten

Das Flammer-Syndrom beschreibt die Pathogenese einer Glaukomvariante, bei der vaskuläre Dysregulationen nicht nur im Auge dominieren.

M

anchmal kommt Dr. med.

Maneli Mozaffarieh schon bei der Begrüßung die Verdachts - diagnose. Schüttelt die Augenärztin am Basler Kantonsspital einer Pa- tientin mittleren Alters die Hand, und ist diese ungewöhnlich kalt, ahnt sie bereits, was bei der an-

schließenden Unter- suchung des Augen- hintergrundes erwar- tet werden kann: ein

Sehnerv mit einer Aushöhlung (Ex- cavation).

Diese Schädigung des Nervus op- ticus, hervorgerufen durch einen Verlust von Nervenfasern, ist das ty- pische Zeichen eines Glaukoms.

Traditionsgemäß steht für viele Au- genärzte die Diagnose Glaukom fest, wenn der Augeninnendruck 21 mm Hg übersteigt – auch wenn es noch nicht zur Ex cavation und dem dadurch bedingten Sehausfall (Gesichtsfeldeinschränkung) gekom- men ist. Doch die alte Normierung

(Augendruck unter 21 mm Hg ist un- auffällig, über 21 mm Hg pa tho - logisch) gilt längst nicht mehr.

„Es gibt Patienten mit einem Glaukom“, so betont Mozaffarieh,

„bei denen der Schaden trotz nor- maler Augendruckwerte fortschrei- tet. Bei diesem Normaldruckglau- kom ist die Durchblutung des Au- ges oft gestört, sehr häufig in Zu- sammenhang mit einem niedrigen Blutdruck.“

Man schätzt, dass etwa 30 Pro- zent aller Glaukome Normaldruck- glaukome sind, und dass diese Glau- komform vor allem bei Patienten mit primärer vaskulärer Dysregulation (PVD) auftritt, deren klassisches Symptom kalte Extremitäten sind.

Dass die Assoziation von pri - mären vaskulären Dysregulationen und Normaldruckglaukom heute in der ophthalmologischen Fachlite - ratur zunehmend „Flammer-Syn- drom“ genannt wird, ist eine Hom- mage an die Forschungstätigkeit

des langjährigen Chefs der Basler Universitätsaugenklinik, Prof. Dr.

med. Josef Flammer. Der Ophthal- mologe hatte Ende der 1980er Jahre Untersuchungen mit einem Instru- ment gemacht, das wahrlich nicht zur augenärztlichen Standardausrüs- tung gehört: der Nagelfalzmikro- skopie. Der reduzierte Blutfluss in dieser Körperperipherie passte in ein sich allmählich entwickelndes Gesamtbild, zu dem ein systemi- scher Hypotonus gehört. Die nächt- lichen „Dips“ eines möglicherwei- se schon tagsüber recht niedrigen Blutdrucks wurden von Flammer und Mitarbeitern als ein wesentli- ches Risiko für die Ganglienzellen in Retina und Sehnerv identifiziert.

Die bei (Normaldruck-)Glauko- men typische Apoptose dieser Zel- len sowie der ophthalmoskopisch sichtbare Schwund von Nervenfa- sern wird nicht nur durch eine Hy- potonie-bedingte Minderperfusion ausgelöst, sondern in besonderem Maße durch die wiederkehrende Durchblutung nach Phasen der Hypoxie. Diesen „Reperfusions- schaden“ als kritisches Moment identifiziert zu haben, hat dazu ge- führt, dass Augenärzte heute ne- ben einem gut regulierten Augen- innendruck an einem möglichst über 24 Stunden konstanten Sys- temblutdruck ihrer Patienten inter - essiert sind.

Das Ziel Neuroprotektion liegt noch in der Ferne

Während das „klassische“ Glau- kom mit hohem Augeninnendruck überwiegend eine Erkrankung älte- rer Menschen ist, beobachtet man das Normaldruckglaukom beson- ders bei Jüngeren, und vor allem bei Frauen – insbesondere solchen, die aktiv im Berufsleben stehen, Typische Befunde

bei Flammer-Syn- drom: Die Thermo- graphie bestätigt die vaskuläre Dys-

regulation der Hand. Untersucht man den Augenhin-

tergrund, fällt die glaukomatöse Ex- cavation des Seh- nervkopfes auf.

Abbildungen: Josef Flammer

M E D I Z I N R E P O R T

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21. Februar 2014 A 309 schnell kalte Finger bekommen und

zu Tinnitus neigen. Wichtig sei sich zu vergegenwärtigen, so Flammer, dass nicht nur niedriger Blutdruck einen Glaukomschaden macht, son- dern auch dessen Schwankungen.

Angesichts des neuen Konzepts der Krankheit als ein vaskulär (mit-)be- dingtes Leiden, reiche die Senkung des Intraokulardruckes (IOD) als Therapie nicht aus.

Dem Ziel der Neuroprotektion sei man jedoch noch nicht nahegekom- men, wie Priv.-Doz. Dr. med. Mona Pache, Lübeck, auf einem internatio- nalen Symposium in Basel ausführ- te. Einem in Gebrauch befindlichen Antiglaukomatosum (Brimonidin) ist verschiedentlich neben der IOD- senkenden Wirkung auch ein neuro- protektiver Effekt zugesprochen worden. Auf einen solchen deutet der über 30 Monate angestellte Ver- gleich des Wirkstoffes mit anderen IOD-senkenden Augentropfen, dem Betablocker Timolol, hin. Bei annä- hernd gleich ausgeprägter Druck- senkung zeigte sich bei 31 Prozent der mit Timolol behandelten Patien- ten eine weitere Verschlechterung des Gesichtsfeldbefundes, aber nur bei neun Prozent der mit Brimoni- din Therapierten – was auf eine Neuroprotektion hindeuten könnte.

Allerdings verursacht Brimoni- din in hohem Maße okuläre Neben- wirkungen, so dass nicht weniger als 28 Prozent der Patienten im Be- obachtungszeitraum die Behand- lung abbrachen (Timolol: neun Pro- zent). Im Wachtsumsfaktor CNTF (ciliary neurotrophic factor) hoffe man ein anderes Neuroprotektivum zu finden, berichtete Pache. Bei Ratten, deren Sehnerv man mecha- nisch zerquetscht hatte, aktivierte CNTF sogenannte Pro-Survival Pathways. Ob dies Glaukompatien- ten nützt, wird in den USA in einer Studie evaluiert, bei der den Patien- ten ein miniaturisierter, 6 mm lan- ger Medikamententräger (ECT = encapsulated cell technology) in den Glaskörper des Auges implan- tiert wurde, welcher kontinuierlich CNTF in kleinen Dosen abgibt.

Den Bemühungen um einen Schutz der Ganglienzellen als Teil der Glaukomtherapie droht indes Gefahr durch eine andere augen-

ärztliche Maßnahme, die zu Recht als geradezu revolutionärer Durch- bruch bei der anderen wichtigen Augenerkrankung des höheren Le- bensalters gefeiert wird. Die intra- vitreale Injektion von VEGF A-An- tagonisten ist zwar ein Durchbruch in der Therapie der neovaskulären altersabhängigen Makuladegenera- tion (AMD), doch in den letzten Monaten im American Journal of Pathology veröffentlichte Ergebnis- se schrecken angesichts der Tatsa- che, dass sich die Patientenkreise von Glaukom und AMD über- schneiden, Glaukomexperten auf:

Jenes VEGF A, das die retinologi- schen Kollegen mit den neuen Inhi- bitoren so effektiv zu bekämpfen vermögen, ist als möglicher endo- gener Schutzfaktor für die Sinnes- zellen der Netzhaut identifiziert worden, seine pharmakologische Ausschaltung käme demnach einer effektiven Glaukomtherapie eher ungelegen.

Syndrom ist Ausdruck eines

„sick eye in a sick body“

Zu den Medikamenten und Nähr- stoffen, die im Rahmen eines thera- peutischen Ansatzes gegen primä- re vaskuläre Dysregulation und Nor- maldruckglaukom in Basel bei aus- gewählten Patienten gegeben werden, gehören vor allem Kalziumkanal- blocker und Magnesium als Granu- lat. Eine Reihe anderer Wirkstoffe sind in der Erprobung, vor allem Antagonisten des Endothelins.

Da die unregelmäßige Blutver- sorgung in den von PVD-kranken Gefäßen versorgten Organen zu ei-

ner Anflutung freier Sauerstoffradi- kale, zu oxidativem Stress in den betreffenden Geweben führt, wer- den antioxidative Nahrungsmittel als eine Art natürliche Gegenmittel erachtet. Als reich an „Radikalfän- gern“ gelten neben zahlreichen Ge- müsesorten vor allem grüner Tee, die in Kakao enthaltenen Flavonoi- de (in stark kakaohaltiger dunkler Schokolade, weniger in Milchscho- kolade) und Rotwein.

Die Formulierung vom Glaukom sowie von vaskulären Auffälligkei- ten in den kleinen Gefäßen des Au- genhintergrundes als Ausdruck ei- nes „sick eye in a sick body“ hat auch für eine der häufigsten To - desursachen eine Bedeutung. So sorgten Flammer und sein Team kürzlich mit einer Veröffentlichung im European Heart Journal (2013;

34(17): 1270–8) für Aufmerksam- keit. Die Basler Forscher hatten nachgewiesen, dass aus dem Verhal- ten und der Gestalt kleiner Gefäße in der Netzhaut bei Untersuchungen mit der Scanning Laser Doppler Flowmetrie Rückschlüsse auf die Gefahr eines potenziell tödlichen Herzleidens bei dem Betroffenen gezogen werden können. Einen sol- chen Hinweis kann unter anderem das Verhältnis von der Dicke der Gefäßwand zu seinem Innendurch- messer (W/L-Ratio) geben.

„Wie andere Wissenschaftler glau- ben auch wir, dass eine erhöhte W/L-Ratio ein ziemlich sensitiver Indikator für eine beginnende Arte- riosklerose ist – und damit ein ent- scheidender Risikohinweis für ei- nen Herzinfarkt oder eine Carotis - stenose“, erklärte Flammer.

Sollte sich bei weiteren Forschun- gen herausstellen, dass die Umbau- prozesse an den kleinen Netzhautge- fäßen und die Hinweise auf eine ge- störte Funktion jenen an den großen Arterien zeitlich vorausgehen, wür- de sich am Horizont die Chance ei- ner Prophylaxe bei Risikopatienten abzeichnen – zum Beispiel eine ge- zielte Reduktion von Risikofakto- ren wie Bluthochdruck und erhöh- ten Blutfetten bei jenen, die an den Netzhautgefäßen Vorboten einer allgemeinen Gefäßkrankheit erken-

nen lassen.

Dr. med. Ronald D. Gerste Symptome:

kalte Hände und/oder Füße

arterielle Hypotonie

niedriger Body-mass-Index

vermindertes Durstgefühl

Verlängerung der Einschlafzeit

erhöhte Empfindlichkeit für Schmerzen, Geruch, Medikamente (Ca-Antagonisten, Betablocker)

Migräne

Tinnitus

reversible fleckförmige weiße oder rote Verfärbungen der Haut

FLAMMER-SYNDROM

M E D I Z I N R E P O R T

Referenzen

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