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Der postoperative Hypoparathyreoidismus nach Resektion benigner Knotenstrumen: eine retrospektive Studie zur Frage des permanenten Hypoparathyreoidismus

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Academic year: 2022

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(1)

(Chefarzt: Prof. Dr. med. Joachim Jähne) Diakoniekrankenhaus Henriettenstiftung Hannover

Der postoperative Hypoparathyreoidismus nach Resektion benigner Knotenstrumen – Eine retrospektive Studie zur Frage des permanenten

Hypoparathyreoidismus

Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin an der Medizinischen Hochschule Hannover

vorgelegt von Timm Franzke

aus Hannover

Hannover, 2009

(2)

b Angenommen vom Senat der Medizinischen Hochschule Hannover

am 25.10.2010

Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover

Präsident: Professor Dr. med. D. Bitter-Suermann

Betreuer der Arbeit: Professor Dr. med. J. Jähne

Referent/Referentin: Professor Dr. med. F.W. Scheumann

Korreferent(en) / Korreferentin(nen): Professorin Dr. med. Anette Fiebeler

Tag der mündlichen Prüfung: 25..10.2010

Prüfungsausschussmitglieder:

Prof. Dr. H. Haller Prof. Dr. K. Otto Prof. Dr. C. Klein

(3)

c Meinen Eltern und meiner Großmutter

In liebevoller Dankbarkeit

(4)

I

Inhaltsverzeichnis

Seite

1. Einleitung und Fragestellung 1

2. Material und Methoden

2.1. Patientenkollektiv 4

2.2. Präoperative Diagnostik/ Vorbereitung 5

2.3. Operation 6

2.4. Postoperativer Verlauf 9

2.5. Datenerhebung 10

2.6. Datenauswertung 11

3. Ergebnisse

3.1. Patientencharakteristik 12

3.2. Resektionsausmaß 13

3.3. Resektionsausmaß in Abhängigkeit vom Operateur 14

3.4. Postoperativer Hypoparathyreoidismus 15

3.5. Calciumwerte im stationären Verlauf 20

3.6. Poststationäre Ergebnisse 22

3.7. Auswertung der Nachuntersuchung 25

4. Diskussion 27

5. Fazit und Ausblick 37

6. Zusammenfassung 39

7. Literaturverzeichnis 41

(5)

II

8. Anhang 55

9. Lebenslauf 56

10. Danksagungen 57

11. Erklärung nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 und 6 PromO 58

(6)

III

Abkürzungsverzeichnis

Abt. = Abteilung

df = degrees of freedom DRG = Diagnosis Related Groups ggf. = gegebenenfalls

HT = Hemithyreoidektomie HT+ST = OP nach Dunhill i.S. = im Serum log. = logistisch

MHH = Medizinische Hochschule Hannover

o.g. = oben genannt

OR = Odds ratio

OW = oberer Wert

ST = subtotale Resektion (Enderlen Hotz)

TT = Thyreoidektomie

UW = unterer Wert

z.B. = zum Beispiel

(7)

- 1 -

1. Einleitung und Fragestellung:

Schilddrüsenresektionen sind die am häufigsten durchgeführten endokrin-chirurgischen Operationen in Deutschland. Im Jahre 2006 wurden in der Bundesrepublik 106.996 Schilddrüsenresektionen durchgeführt, wobei die benigne Knotenstruma mit 70,4% die häufigste Operationsindikation darstellte (63).

Zu den eingriffstypischen Komplikationen der Schilddrüsenchirurgie gehört neben der Verletzung des N. laryngeus recurrens der postoperative Hypoparathyreoidismus (57, 84).

Ursächlich für diese Komplikation sind das direkte Trauma, die Devaskularisation sowie die fälschliche Excision einer oder mehrerer Nebenschilddrüsen während der Operation. (26, 51, 77).

Grundsätzlich wird der passagere Hypoparathyreoidismus, der als postoperative symptomatische Hypocalcämie für weniger als 6 Monate definiert ist (Inzidenz: 1,6 - 50%), vom permanentem Hypoparathyroidismus (Inzidenz: 0-13,8%) unterschieden (1, 6, 8, 13, 51, 53, 57, 64, 72, 73, 76). Die in der Literatur meist zitierte Definition des permanenten Hypoparathyreoidsmus ist die Parathormonerniedrigung i.S. mehr als 6 Monate post resectionem und / oder Symptome, die mit dem Beschwerdebild des Hypoparathyreoidismus vereinbar sind (11, 14, 37, 43, 76).

Die wichtigsten Risikofaktoren für die Entstehung eines permanenten postoperativen Hypoparathyreoidismus sind das Ausmaß der Resektion, die Grunderkrankung (Carcinom, M. Basedow, Struma multinodosa, etc.), die Erfahrung des Operateurs, das Geschlecht des Patienten sowie die Anzahl der in situ oder durch Autotransplantation erhaltenen Nebenschilddrüsen (48, 50, 51, 70, 71, 72).

Die Symptome des permanenten postoperativen Hypoparathyreoidismus sind mannigfaltiger und in vielen Fällen subtiler als die des passageren (,,a clinical chameleon“). Die Lebensqualität der betroffenen Patienten1

1 Aus Gründen der Vereinfachung wird in der gesamten Dissertation ausschließlich die männliche Personenform verwendet.

ist aufgrund der gesteigerten neuromuskulären Erregbarkeit und / oder der Therapienebenwirkungen häufig lebenslang erheblich beeinträchtigt (12).

(8)

- 2 - Die Langzeittherapie des permanenten Hypoparathyreoidismus mit Calcium und Vitamin-D- Präparaten verursacht mehr oder weniger schwere Nebenwirkungen. Calciumpräparate sowie Vitamin-D-Präparate können Übelkeit und Diarrhoen verursachen. Bei Überdosierung ist eine asymptomatische Hypercalcämie, jedoch auch ein lebensbedrohliches Hypercalcämiesyndrom (akutes Nierenversagen, neurologisch-psychiatrische Störungen, Herzrhythmusstörungen, gastrointestinale Symptome usw.) eine mögliche Folge. Langzeitnebenwirkungen sind darüber hinaus Hyperphosphatämie, Hypercalciurie mit rezidivierender Urolithiasis sowie Verkalkungen an Gefäßen, Niere oder Weichteilen mit daraus resultierendem Bluthochdruck und Beeinträchtigung der Nierenfunktion (11, 55, 57). Weiterhin ist zu beachten, dass Patienten mit einem permanenten Hypoparathyreoidismus aufgrund der vielfältigen Stoffwechselfunktionen des Parathormons durch die alleinige Substitution von Calcium- und Vitamin D-Präparaten nur insuffizient zu therapieren sind (7, 11, 28, 65). Trotz guter Einstellung des Serum-Calciums entstehen langfristig sowohl funktionelle als auch strukturelle Störungen wie Katarakt (Tetaniestar), Basalganglienverkalkungen (M. Fahr), Osteoporose und Psychosyndrome (11, 28, 42). Eine ausreichende Verfügbarkeit von Parathormon selbst erscheint also aus o.g.

Gründen unabdingbar zu sein (28).

Da der postoperative Hypoparathyroidismus in den meisten Fällen reversibel ist (passager), kommt der nachstationären ambulanten Behandlung eine besondere Bedeutung zu (51, 53).

Patienten, die aufgrund eines postoperativen Hypoparathyreoidismus mit einer entsprechenden Substitutionstherapie entlassen wurden, wird empfohlen, die Medikation sukzessive unter regelmäßiger Kontrolle des Calciumwertes zu reduzieren (,,Nebenschilddrüsenweaning“).

Hinsichtlich der tatsächlichen Umsetzung dieser Empfehlung im niedergelassenen, ambulanten Bereich ist die Datenlage jedoch als mangelhaft zu bezeichnen.

(9)

- 3 - Ziel der vorliegenden Dissertation ist die retrospektive Analyse aller Patienten, bei denen zwischen 01.01.2003 und 31.12.2006 in der Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie des Diakoniekrankenhauses Henriettenstiftung eine Schilddrüsenresektion aufgrund einer gutartigen Knotenstruma durchgeführt wurde, um folgende Fragestellungen zu beantworten:

1) Wie hoch ist die Inzidenz des passageren sowie des permanenten postoperativen Hypoparathyreoidismus nach Resektion einer benignen Knotenstruma?

2) Welche Ursachen / Risikofaktoren sind ausschlaggebend für das Entstehen eines passageren / permanenten postoperativen Hypoparathyreoidismus?

3) Wie wird die empfohlene schrittweise Reduktion der Substitutionstherapie (,,Nebenschilddrüsenweaning“) in der postoperativen ambulanten Nachsorge umgesetzt?

(10)

- 4 -

2. Material und Methoden:

2.1. Patientenkollektiv

Zwischen 01.01.2003 und 31.12.2006 wurden in der Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie des Diakoniekrankenhauses Henriettenstiftung insgesamt 2290 Patienten wegen einer Schilddrüsenerkrankung operiert. Dabei handelte es sich um 1719 Frauen (75,1%) und 571 Männer (24,9%) mit einem medianen Alter von 55 Jahren (Mittelwert: 54 ± 14 Jahre). Unter allen Operationen überwogen mit 85,9% (n=1966) die Eingriffe wegen einer benignen Knotenstruma (Abbildung 1). Dieses Patientenkollektiv wurde im Hinblick auf die Fragestellung dieser Arbeit detailliert ausgewertet.

2290 1966

125 103 96

0 500 1000 1500 2000 2500

1 Diagnosen

Operationen

gesamt benigne Knotenstrumen M.Basedow Rezidive Carcinome

Abbildung1: Operationsindikation – eigenes Kollektiv

(11)

- 5 - 2.2. Präoperative Diagnostik/ Vorbereitung

Alle Patienten wurden präoperativ vom Hausarzt oder Internisten, insbesondere aber vom niedergelassenen Nuklearmediziner untersucht. Die Diagnostik umfasste in aller Regel die Sonographie und Szintigraphie der Schilddrüse sowie die entsprechende Hormonanalytik. In Abhängigkeit von diesen Befunden erfolgte dann ggf. eine Feinnadelaspirationszytologie.

Ebenso wurde bei allen Patienten präoperativ eine diagnostische Laryngoskopie ambulant durchgeführt.

Mit den präoperativ erhobenen Befunden wurden die Patienten in der endokrin - chirurgischen Sprechstunde vorgestellt und hinsichtlich einer Operation mit Aufzeigen der operationsspezifischen Risiken, der Operationschancen sowie alternativer Behandlungs- möglichkeiten beraten.

Als Indikation für eine Schilddrüsenresektion wurden Knoten unklarer Dignität, eine Größenprogredienz, die Strumagröße, eine rezidivierende Hyperthyreose sowie Lokal- beschwerden angesehen.

Bei der vorstationären oder stationären Behandlung wurden alle Patienten ausführlich untersucht und evtl. fehlende Befunde (z.B. Calciumbestimmung i.S.) ergänzt. Darüber hinaus wurden in einem Aufklärungsgespräch mittels eines standardisierten Aufklärungsbogens (Perimed® bzw. Diomed®) und ergänzenden handschriftlichen Eintragungen erneut alle Patienten über die Operation und die operationsspezifischen Komplikationen aufgeklärt.

(12)

- 6 - 2.3. Operation

Die Operation erfolgte bei allen Patienten in Intubationsnarkose mit total intravenöser Analgesie. In Rückenlage mit leicht erhöhtem Oberkörper und sparsam rekliniertem Hals wurde der Kocher’sche Kragenschnitt an der präoperativ am stehenden Patienten angezeichneten Stelle durchgeführt (Abbildung 2).

Abbildung 2: intraoperative Lagerung

Nach der Freilegung beider Schilddrüsenlogen erfolgte sodann nach intraoperativer Befunderfassung die Festlegung des Resektionsausmaßes. Bei der anschließenden Resektion kam die so genannte Mikrodissektionstechnik zur Anwendung (21). Bei allen Patienten wurde der Nervus laryngeus recurrens optisch unter Zuhilfenahme der Lupenbrille dargestellt und mittels Neuromonitoring überprüft (Abbildung 3 und 4).

(13)

- 7 -

Neuromonitoring des N. laryngeus recurrens untere

Nebenschilddrüse

Struma nodosa

↑ ↑

by Henriettenstiftung 09/2008

N. Laryngeus recurrens

Abbildung 3: intraoperative Darstellung des N. laryngeus recurrens

Abbildung 4: intraoperative Dokumentation des Neuromonitoring

(14)

- 8 - Darüber hinaus erfolgte bei allen Operationen die Darstellung und Freipräparation der Nebenschilddrüsen unter Durchblutungserhalt (Abbildung 5). Die bedarfsgerechte Blutstillung erfolgte unter Zuhilfenahme von bipolarem Strom mit feiner Pinzette sowie Vessel Sealing.

↓ ↑

untere Nebenschilddrüse obere Nebenschilddrüse

by Henriettenstiftung 09/2008

Struma nodosa

Abbildung 5: intraoperative Darstellung der Nebenschilddrüsen

Bei fraglicher Durchblutung wurde die Nebenschilddrüse exstirpiert und in eine Muskeltasche des rechtsseitigen Musculus sternocleidomastoideus reimplantiert.

Alle Resektate wurden histo-pathologisch untersucht.

(15)

- 9 - 2.4. Postoperativer Verlauf

Nach einer kurzen Phase im Aufwachraum wurden die Patienten auf die Normalstation verlegt.

Am ersten postoperativen Tag wurde routinemäßig in Abhängigkeit von der Drainagemenge eine eventuell eingebrachte Redon-Drainage entfernt.

In Abhängigkeit vom postoperativen Zustand der Patienten erfolgte die Bestimmung des Serumcalciumwertes routinemäßig am zweiten postoperativen Tag.

Darüber hinaus wurde im postoperativen Verlauf eine diagnostische Laryngoskopie zur Überprüfung der Stimmbandbeweglichkeit durchgeführt.

Die Entlassung der Patienten erfolgte nahezu ausnahmslos am 3. postoperativen Tag.

Bei Patienten mit einer symptomatischen Hypocalcämie wurde eine Substitutionsbehandlung mit Calcium bzw. Calcium in Kombination mit Calcitriol eingeleitet. Nach Besserung der hypocalcämischen Symptomatik sowie deutlich steigender Tendenz des Calciumwertes wurden die Patienten mit der entsprechenden Medikation entlassen. Eine Empfehlung zur schrittweisen Reduktion der Substitution (,,Nebenschilddrüsenweaning“) wurde im Entlassungsbrief ausgesprochen und eingehend mit den Patienten erörtert.

Asymptomatische Patienten wurden nicht substituiert, jedoch auf die Ernährung mit calciumreicher Kost hingewiesen.

(16)

- 10 - 2.5. Datenerhebung

Alle perioperativen Behandlungsdaten wurden in einer Excel-Datei retrospektiv eingegeben und gespeichert. Dazu gehörten im Einzelnen: Diagnose, Resektionsausmaß, Operateur, akzidentielle Nebenschilddrüsenentfernung und die demographischen Patientendaten. Für Patienten mit einer postoperativen Hypocalcämie wurden der präoperative, der erste postoperative sowie der Calciumwert bei Entlassung erfasst.

Patienten mit einer postoperativen symptomatischen Hypocalcämie wurden auf der Basis der ärztlichen Verlaufsdokumentation identifiziert. In die weitere Datenerhebung wurden dann nur noch jene Patienten einbezogen, die nach der Resektion einer benignen Knotenstruma postoperativ eine symptomatische Hypocalcämie aufwiesen.

Diese Patienten wurden anhand eines selbst entwickelten Fragebogens weiter untersucht (s. Anhang). Der Fragebogen wurde an den behandelnden Hausarzt / Internisten, den Nuklearmediziner sowie den Patienten geschickt. Durch den Fragebogen wurden der nachstationäre Verlauf der hypocalcämischen Symptomatik, die Reduktion der Calciumsubstitution sowie der Verlauf des Calciumwertes evaluiert.

Auf der Basis der erhobenen Daten der Fragebögen wurden dann gezielt jene Patienten kontaktiert, die auch nach mehr als sechs Monaten postoperativ noch Calcium / Vitamin D- Präparate einnahmen. Diese Patienten wurden während der endokrin - chirurgischen Sprechstunde systematisch nachuntersucht und die Laborparameter Parathormon, Calcium und Phosphat bestimmt. Darüber hinaus wurde die aktuelle Symptomatik und Substitutionsmedikation erfragt.

(17)

- 11 - 2.6. Datenauswertung

Die statistischen Berechnungen erfolgten unter Zuhilfenahme des Softwareprogramm Microsoft Excel sowie des Statistikprogramm SPSS. Die statistischen Untersuchungen wurden in Kooperation mit dem Institut für Biometrie der Medizinischen Hochschule Hannover 2

2 An dieser Stelle gilt mein Dank Frau Dr. rer. hort. Cornelia Frömke (Institut für Biometrie der MHH) für die hervorragende Zusammenarbeit

durchgeführt.

Bei sämtlichen Signifikanztests wurde ein Signifikanzniveau von p<0,05 bzw. p<5% festgelegt.

Aufgrund des dichotomen Parameters hypocalcämische Symptome (ja oder nein) und der zu untersuchenden unabhängigen Variablen wurde die logistische Regression angewendet (4, 46, 47). Der chi-Quadrat Test nach Pearson wurde zur Berechnung der geschlechtsspezifischen Unterschiede des Resektionsausmaßes verwendet (27, 46). Sämtliche Berechnungen im Zusammenhang mit dem kontinuierlichen Parameter Calciumwert wurden unter Zuhilfenahme des zweiseitigen t-Test für unverbundene Stichproben durchgeführt (27, 46).

(18)

- 12 -

3. Ergebnisse

3.1. Patientencharakteristik

Bei den 1966 Patienten, die wegen einer benignen Knotenstruma operiert wurden, überwogen mit 78% deutlich die Frauen, wobei das mittlere Alter geschlechtsunabhängig bei 54 Jahren lag (Abbildung 6, Tabelle 1).

Frauen 1532 (78%) Männer

434 (22%)

Abbildung 6: Geschlechterverteilung bei 1966 Resektionen wegen einer benignen Knotenstruma

Tabelle 1: Altersverteilung in Jahren

Frauen Männer gesamt

Mittelwert 54 55 54

Standardabweichung 14,22 13,66 14,09

Median 55 56 55

Maximum 95 87 95

Minimum 12 11 11

(19)

- 13 - 3.2. Resektionsausmaß

In der überwiegenden Zahl (50,7%) aller Resektionen wurde eine Thyreoidektomie durchgeführt (Tabelle 2). Frauen wurden signifikant häufiger (p=0,026 / OR: 1,274) thyreoidektomiert als Männer (Tabelle 3).

Tabelle 2: Resektionsausmaß bei Knotenstrumen (gesamt)

Tabelle 3: Geschlechterverteilung des Resektionsausmaßes

Frau Mann

Thyreoidektomie 795 (51,9%) 199 (45,9%)

Operation n. Dunhill 346 (22,6%) 119 (27,4%)

Hemithyreoidektomien 372 (24,3%) 112 (25,8%)

Isthmusresektion/Enucleation 15 (0,01%) 4 (0,01%)

Anzahl Prozent (%)

Thyreoidektomien n=996 50,7%

Hemithyreoidektomien n=485 24,7%

Operation n. Dunhill n=466 23,7%

Isthmusresektion/Enucleation n=19 0,01%

(20)

- 14 - 3.3. Resektionsausmaß in Abhängigkeit vom Operateur

Mit knapp 43% wurden die meisten Operationen von Oberärzten durchgeführt, während 39%

der Eingriffe durch Assistenzärzte unter entsprechender fachärztlicher Assistenz und knapp 19% der Eingriffe vom Leiter der Abteilung durchgeführt wurden. Die weitere Aufschlüsselung der Ergebnisse zeigte, dass von den Oberärzten sowohl numerisch als auch prozentual am häufigsten die Thyreoidektomie durchgeführt wurde (Abbildung 7).

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Isthmusresektion/Enucleation 2 2 13 17

Operation n. Dunhill 165 165 136 466

Hemithyreoidektomie 73 134 278 485

Thyreoidektomie 117 510 339 996

Chefarzt Oberarzt Assistenzarzt gesamt

20,3%

16,5%

0,04%

32,8%

20,4%

46,2%

0,6%

44,3%

36,3%

17,8%

0,02%

50,7%

62,9%

0,01%

23,7%

24,7%

Abbildung 7: Resektionsausmaß in Abhängigkeit vom Operateur

(21)

- 15 - 3.4. Postoperativer Hypoparathyreoidismus

Bei knapp 23% (n=445) aller operierten Patienten entwickelte sich postoperativ serologisch eine Hypocalcämie. In 13,7% (n=273) aller Resektionen aufgrund einer benignen Knotenstruma war diese Hypocalcämie durch entsprechende klinische Symptome nachweisbar. Dabei zeigte das Auftreten einer Hypocalcämie eine deutliche und statistisch signifikante Korrelation (p=0,000) zum Resektionsausmaß. Demzufolge traten die meisten symptomatischen Hypocalcämien nach Thyreoidektomie auf (Abbildung 8, Tabelle 4).

0 500 1000 1500 2000

ges am

t

Thy reoi

dek tom

ie

Hemithy reoi

dek tom

ie

Oper ation n

. Dunhi ll

Isthm usresektion/

Enuc leat

ion

symptomatische Hypocalcämien keine Symptome

13,7%

21,7%

0,01% 11,8%

0%

Abbildung 8: Hypocalcämien in Abhängigkeit vom Resektionsausmaß

(22)

- 16 - Tabelle 4: Resektionsausmaß – logistische Regression

Thyreoidektomie zu Hemithyreoidektomie

Thyreoidektomie zu Operation n. Dunhill

Konstante

Regressionskoeffizient (ß) -3,800 -0,732 -1,281

Standardfehler 0,584 0,163 0,077

Wald 42,306 20,215 277,619

df 1 1 1

Signifikanz 0,000 0,000 0,000

Odds ratio 0,022 0,481 0,278

95% Konfidenzintervall für Odds ratio

UW OW 0,007 0,070

UW OW 0,349 0,662

(aufgrund der zu kleinen Stichprobe konnte für die Isthmusresektion / Enucleation keine log. Regression durchgeführt werden)

(23)

- 17 - Daneben zeigte sich eine statistisch signifikante Abhängigkeit des Auftretens der symptomatischen Hypocalcämie vom Operateur. Wurde die Operation vom leitenden Arzt durchgeführt, so trat in 10% der Fälle eine Hypocalcämie auf, während dies bei 12,1% der von Assistenzärzten durchgeführten Operationen und bei 17,2% der von Oberärzten durchgeführten Eingriffe der Fall war (Abbildung 9, Tabelle 5).

359

837 768

36

144 93

Chefarzt Oberarzt/-ärztin Assistenzarzt/- ärztin

gesamt

symptomatische Hypocalcämien

10% 17,2% 12,1%

Abbildung 9: Hypocalcämien in Abhängigkeit vom Operateur

Tabelle 5: Operateur - logistische Regression Oberarzt zu Assistenzarzt

Oberarzt zu Chefarzt

Konstante

Regressionskoeffizient (ß) -0,401 -0,639 -1,559

Standardfehler 0,144 0,198 0,091

Wald 7,805 10,404 290,964

df 1 1 1

Signifikanz 0,005 0,001 0,000

Odds ratio 0,670 0,528 0,210

95% Konfidenzintervall für Odds ratio

UW OW 0,505 0,887

UW OW 0,358 0,778

(24)

- 18 - Darüber hinaus zeigte sich eine deutliche, statistisch signifikante Abhängigkeit des Auftretens einer Hypocalcämie vom Geschlecht. Frauen waren etwa doppelt so oft von einer postoperativen Hypocalcämie betroffen wie Männer (Tabelle 6 und 7).

Tabelle 6: Hypocalcämien in Abhängigkeit vom Geschlecht Operationen (gesamt) Symptomatische

Hypocalcämien

Prozent (%)

Frauen 1532 240 15,7%

Männer 434 32 7,4%

Tabelle 7: Geschlecht - logistische Regression

weiblich zu männlich Konstante

Regressionskoeffizient (ß) -0,831 -1,664

Standardfehler 0,194 0,070

Wald 18,282 561,308

Df 1 1

Signifikanz 0,000 0,000

Odds ratio 0,436 0,189

95% Konfidenzintervall für Odds ratio

UW 0,298

OW 0,638

Demgegenüber zeigte sich keine Abhängigkeit vom Alter der Patienten zum Zeitpunkt der Operation. Eine akzidentielle Nebenschilddrüsenexstirpation erfolgte in 23 Fällen (1,2%), ohne dass sich eine signifikante Abhängigkeit zur postoperativen Hypocalcämie ergab.

(25)

- 19 - In Tabelle 8 erfolgt die Darstellung der multivariaten logistischen Regression für das Auftreten symptomatischer Hypocalcämien beim Vergleich aller genannten Variablen. Dabei zeigte sich, dass das Resektionsausmaß den größten Einfluss auf die Entwicklung einer symptomatischen Hypocalcämie hat, das Geschlecht trotz des größeren Thyreoidektomieanteils bei Frauen einen signifikanten Einfluss nimmt und dass sich der relativ hohe Prozentsatz an symptomatischen Hypocalcämien der Oberärzte (im Vergleich zu den Assistenzärzten bzw. dem Leiter der Abteilung) durch die größere Anzahl an Thyreoidektomien erklären lässt.

Tabelle 8: multivariate logistische Regression3

3 aufgrund der zu kleinen Stichprobe konnte für die Isthmusresektion / Enucleation keine log. Regression durchgeführt werden Regressions-

koeffizient (ß)

Standardfehler Wald d f

Signifi- kanz

Odds ratio

95%

Konfidenzintervall

Frau zu Mann -0,806 0,199 16,405 1 0,000 0,446 UW 0,302 OW

0,660 Thyreoidektomie zu

Hemithyreoidektomie

-3,761 0,585 41,240 1 0,000 0,023 UW 0,007 OW

0,073 Thyreoidektomie zu

subtotaler Resektion

-0,628 0,169 13,887 1 0,000 0,534 UW 0,384 OW

0,743 Oberarzt zu

Assistenzarzt

-0,105 0,150 0,489 1 0,484 0,900 UW 0,670 OW

1,209

Oberarzt zu Chefarzt -0,373 0,209 3,189 1 0,074 0,689 UW 0,457 OW 1,037

Konstante -1,071 0,103 108,428 1 0,000 0,343

(26)

- 20 - 3.5. Calciumwerte im stationären Verlauf

Beim Vergleich der Calciumwerte zwischen symptomatischen und asymptomatischen Patienten mit einer postoperativen Hypocalcämie zeigte sich, dass der erste postoperative Wert mit 1,86 mmol/l ± 0,09 bei asymptomatischen Patienten signifikant höher (p= 0,000) als bei den symptomatischen Patienten mit einem Mittelwert von 1,76 mmol/l ± 0,11 war (Abbildung 10).

0 0,5 1 1,5 2 2,5 3

mmol/l

serologische Hypocalcämie

2,39 1,88 1,98

symptomatische Hypocalcämie

2,41 1,76 2,00

präoperativer Wert

1.Wert postoperativ

Wert bei Entlassung

Abbildung 10: postoperative Hypocalcämien (mediane Calciumwerte im stationären Verlauf)

Bei genauerer Betrachtung zeigten sich obere sowie untere Ausreißer. Trotz eines sehr niedrigen Calciumwertes von 1,50 mmol/l (Minimum) blieb ein Patient asymptomatisch.

Andererseits entwickelte ein Patient typische hypocalcämische Symptome bei einem Calciumwert von 1,96 mmol/l (Maximum) (Tabellen 9 und 10).

Tabelle 9: Calciumwerte bei asymptomatischer serologischer Hypocalcämie

präoperativ 1. Wert postoperativ Wert bei Entlassung

Mittelwert (mmol/l) 2,39 1,86 2,01

Standardabweichung 0,11 0,09 0,15

Maximalwert (mmol/l) 2,73 2,04 2,48

Minimalwert (mmol/l) 2,06 1,50 1,51

(27)

- 21 - Tabelle 10: Calciumwerte bei symptomatischer Hypocalcämie

präoperativ 1. Wert postoperativ Wert bei Entlassung

Mittelwert (mmol/l) 2,41 1,76 2,01

Standardabweichung 0,11 0,11 0,15

Maximalwert (mmol/l) 2,79 1,96 2,51

Minimalwert (mmol/l) 2,05 1,42 1,60

Ein signifikanter Unterschied des postoperativen Calciumwertes bei symptomatischen Patienten in Abhängigkeit vom Resektionsausmaß bestand hingegen nicht (Tabelle 11 und 12).

Tabelle 11: Calciummittelwerte in Abhängigkeit vom Resektionsausmaß bei symptomatischer Hypocalcämie

präoperativ 1. Wert postoperativ Wert bei Entlassung Thyreoidektomie 2,41 ± 0,11 1,76 ± 0,11 2,00 ± 0,14

Hemithyreoidektomie 2,42 ± 0,12 1,75 ± 0,11 2,01 ± 0,17 OP n. Dunhill 2,49 ± 0,26 1,81 ± 0,11 2,14 ± 0,29

Tabelle 12: Calciumwerte in Abhängigkeit vom Resektionsausmaß bei symptomatischer Hypocalcämie (t-Tests)

Thyreoidektomie zu OP n. Dunhill

Thyreoidektomie zu Hemithyreoidektomie

Hemithyreoidektomie zu OP n. Dunill

p-Wert 0,667 0,623 0,774

95%

Konfidenzintervall

UW OW -0,031 0,020

UW OW -0,073 0,044

UW OW -0,053 0,071

(28)

- 22 - 3.6. Poststationäre Ergebnisse

Von den 273 angeschriebenen Patienten mit postoperativer symptomatischer Hypocalcämie bzw. deren Hausärzten oder Nuklearmedizinern antworteten 57,5% (n=157).

Dabei zeigte sich, dass 25,6% der Patienten (n= 40 / Gruppe 1), die mit einer Substitutionstherapie entlassen wurden, nach mehr als 6 Monaten postoperativ noch Calcium- / Vitamin D- Präparate einnahmen. Dagegen war bei 66,2% der Patienten die Substitutionstherapie beendet (n=107 / Gruppe 2) (Tabelle 13).

Tabelle 13: aktuelle Substitutionstherapie

Patientenanzahl Prozente (%)

Ja (Gruppe 1) 40 25,6 %

Nein (Gruppe 2) 107 66,2 %

schon vorher 4 10 6,4 %

Bei der ersten ambulant durchgeführten Calciumkontrolle (Hausarzt/ Nuclearmediziner) zeigten Patienten der Gruppe 1 mit im Median 2,08 mmol/l einen signifikant niedrigeren Calciumwert (p=0,001), als Patienten der Gruppe 2 mit im Median 2,25 mmol/l (Abbildung11).

2,08

2,19

2,25 2,25

1,95 2 2,05 2,1 2,15 2,2 2,25

1. Wert letzter Wert

(mmol/l) Gruppe 1

Gruppe 2

Abbildung 11: postoperativ ambulant erhobene mediane Calciumwerte

4 Patienten, die aus diversen Indikationen bereits präoperativ Calciumpräparate eingenommen haben

(29)

- 23 - Betrachtete man die zuletzt ambulant erhobenen Calciumwerte, so zeigte sich für beide Gruppen im Mittel ein normwertiges Calcium. Ein Patient der Gruppe 1 substituierte trotz eines hochnormalen Calciumwertes von 2,41 mmol/l (Maximum). Der Minimalwert in Gruppe 2 mit 1,98 mmol/l ist nahezu normwertig (Tabellen 14 und 15).

Tabelle 14: ambulante Calciumkontrollen (Hausarzt / Nuklearmediziner) Gruppe 1

1. Wert letzter Wert

Mittelwert (mmol/l) 2,09 2,14

Standardabweichung 0,20 0,19

Maximalwert (mmol/l) 2,66 2,41

Minimalwert (mmol/l) 1,60 1,68

Tabelle 15: ambulante Calciumkontrollen (Hausarzt / Nuklearmediziner) Gruppe 2

1. Wert letzter Wert

Mittelwert (mmol/l) 2,23 2,25

Standardabweichung 0,18 0,13

Maximalwert (mmol/l) 2,66 2,64

Minimalwert (mmol/l) 1,66 1,98

Bei Patienten der Gruppe 1 erfolgte die letzte Calciumkontrolle im Mittel 23 ± 14 Monate postoperativ, bei Patienten der Gruppe 2 hingegen im Mittel 14 ± 16 Monaten postoperativ.

Somit wurden die Patienten der Gruppe 2 wesentlich kürzer ambulant überwacht.

(30)

- 24 - Der im Entlassungsbrief empfohlene Auslassversuch (,,Nebenschilddrüsenweaning“) wurde bei nur 18% (n=7) der Patienten aus Gruppe 1 durchgeführt. Dagegen wurde bei 82% (n=33) nie ein Auslassversuch unternommen (Abbildung 12).

ja 7 (18% )

nein 33 (82% )

Abbildung 12: Auslassversuche bei substituierenden Patienten

(31)

- 25 - 3.7. Auswertungen der Nachuntersuchung (Gruppe 1)

Von den 40 Patienten der Gruppe 1 konnten 31 nachuntersucht werden5.

Tabelle 16: erhobene Laborparameter Parathormon i.S.

(ng/l)

Calcium i.S. (mmol/l) Phosphat i.S. (mg/dl)

Mittelwert 18 2,14 4,15

Standardabweichung 10 0,20 0,73

Median 17 2,19 4,00

Maximum 52 2,48 6,00

Minimum 4 1,65 2,60

(Normwerte: PTH 15 - 80 ng/l; Calcium 2,1 - 2,55 mmol/l; Phosphat 2,7 - 4,5 mg/dl)

Mit 61% (n=19) wies die Mehrzahl der Patienten ein normwertiges Parathormon auf. Ein Auslassversuch wurde jedoch nur in 21% (n=4) der Fälle unternommen (Abbildung 13 und 14).

PTH (erniedrigt)

12 (39%)

PTH (normwertig)

19 (61%)

Abbildung 13: Parathormon i.S. (normwertig vs. erniedrigt)

5Aufgrund der fehlenden Daten bzw. der geringen Fallzahl ist aus statistischen / mathematischen Gründen eine Hochrechnung auf das gesamte Kollektiv (n=1966) nicht sinnvoll bzw. möglich.

(32)

- 26 -

ja 4 (21%)

nein 15 (79%)

Abbildung 14: Auslassversuch bei normwertigem PTH i.S.

Über gelegentlich auftretende hypocalcämische Symptome berichteten 4 der nachuntersuchten Patienten, wobei 2 ein normwertiges und 2 ein erniedrigtes Parathormon aufwiesen. Die

Mehrzahl (n=27) war asymptomatisch (Abbildung 15, Tabelle 17).

0 5 10 15 20

asymptomatische Patienten

gelegentliche Symptome

PTH (normal) PTH (erniedrigt)

Abbildung 15: Symptome in Abhängigkeit zum PTH i.S.

Tabelle 17: Symptome in Abhängigkeit zum PTH i.S.

asymptomatische Patienten gelegentliche Symptome

PTH (normal) 17 2

PTH (erniedrigt) 10 2

(33)

- 27 -

4. Diskussion

Die Schilddrüsenchirurgie hat in den letzen 25 Jahren einen Wandel des Resektionskonzeptes erfahren. Die frühere Standardoperation nach Enderlen-Hotz (subtotale Resektion mit Erhalt der lateralen Grenzlamelle), ist der funktions- und befundorientierten Resektion bis hin zur Thyreoidektomie gewichen (24). Somit rückten auch die Nebenschilddrüsen zunehmend in das Blickfeld der Chirurgen.

Da permanente Störungen der Stimmbandnerven- und Nebenschilddrüsenfunktion nicht oder nur teilweise behandelbar sind, kommt der Nerven- und Nebenschilddrüsendarstellung sowie -schonung bei Schilddrüsenoperationen eine noch größere Bedeutung zu als der Technik der Schilddrüsenresektion selbst (20).

Die Wichtigkeit der Nebenschilddrüsen ist schon seit langer Zeit bekannt. So schrieb die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie bereits 1998 in Ihrer Leitlinie zur Therapie der benignen Struma: ,,Bei jeder Schilddrüsenresektion, die mit einer möglichen Beeinträchtigung der anatomischen oder funktionellen Integrität der Nebenschilddrüsen einhergeht, ist zu gewährleisten, dass gefährdete Nebenschilddrüsen sicher identifiziert und gut vaskularisiert erhalten werden. Durchblutungsgestörte Nebenschilddrüsen sollten in kleine Stückchen zerteilt autotransplantiert werden.“(19).

Die totale Thyreoidektomie mit Darstellung beider Nervi recurrenti sowie Darstellung aller 4 Nebenschilddrüsen stellt aktuell das Standardverfahren bei der operativen Sanierung einer beidseits multinodös veränderten benignen Knotenstruma dar, um Rezidiveingriffe aufgrund der erheblich höheren Komplikationsrate zu vermeiden. (3, 15, 22, 40, 45, 54, 72).

Der postoperative Hypoparathyreoidismus ist eine eingriffstypische und zugleich die häufigste Komplikation in der Schilddrüsenchirurgie (6). Daher sind genaue anatomische Kenntnisse über die variable Lage sowie die Anzahl der Nebenschilddrüsen notwenig, um Schilddrüsenresektionen komplikationsarm durchführen zu können. Eine große Autopsiestudie vor mehr als 20 Jahren zeigte, dass in 84% der Fälle 4 Nebenschilddrüsen, in 3 % der Fälle nur 3 Nebenschilddrüsen und in 13 % mehr als 4 Nebenschilddrüsen, vorhanden waren. Ein überzähliges Epithelkörperchen war häufig im Thymus lokalisiert. Die oberen

(34)

- 28 - Nebenschilddrüsen lagen in ca. 20 % außerhalb der typischen Region dorsokranial der Kreuzungsstelle von A. thyreoidea inferior und N. laryngeus recurrens. Die unteren Nebenschilddrüsen hatten aufgrund ihres embryologisch bedingten längeren Deszensus eine noch häufigere Lagevariabilität. Nur in ca. 40 - 60 % lagen sie im unteren Schilddrüsenpolbereich ventrocaudal der arterio-nervalen Kreuzungsstelle (5).

In genauer Kenntnis über die anatomische Variabilität sowie unter Berücksichtigung der o.g.

Leitlinie der Deutschen Gesellschaft wurde das eigene Patientengut operiert. Trotzdem entwickelten insgesamt ca. 14% der von uns operierten Patienten postoperativ eine symptomatische Hypocalcämie. Dies ist im Vergleich zu den in der Literatur angegebenen Inzidenzen von 1,6-50% bei einem Thyreoidektomieanteil von knapp 51% im eigenen Kollektiv im unteren Drittel anzusiedeln (1, 6, 8, 50, 51, 53, 57, 64, 67, 72, 76) (Tabelle 18).

Tabelle 18: postoperativer Hypoparathyreoidismus und Resektionsausmaß – Literatur- zusammenstellung

Autoren Studiendesign Patienten (n)

TT (%)

HT+ST (%)

ST (%)

HT (%)

passagerer

HP (%)

Pattou F (1998) prospektiv 1071 + - + - 5,4

Bergamaschi (1998) retrospektiv 1163 50 20 20 10 20

Reeve T (2000) Literaturvergleich k.A. 1,6 – 50

Steinmüller Th (2001) retrospektiv 2235 - 42,6 19 23 16,1

Trupka A (2002) prospektiv 146 100 - - - 21,6

Thomusch O (2003) retrospektiv 5195 ~2 - ~90 ~8 6,8

Sywak MS (2006) prospektiv 809 100 - - - 11

Page C (2007) retrospektiv 351 100 - - - 35

Aluffi P (2008) prospektiv 67 100 - - - 43,3

Emre AU (2008) prospektiv 144 100 - - - 20,3

eigene Studie retrospektiv 1966 50,7 23,7 - 24,7 13,9

(35)

- 29 - Durch die weitere Auswertung der von uns erhobenen Daten konnten bereits bekannte Risikofaktoren bestätigt werden. Das Resektionsausmaß stellte sich - wie erwartet - als wichtigster unabhängiger Risikofaktor für das Auftreten einer postoperativen symptomatischen Hypocalcämie heraus. Thyreoidektomierte Patienten entwickelten im Gegensatz zu Patienten nach einer Dunhill´schen Operation doppelt so häufig eine symptomatische Hypocalcämie (Thyreoidektomie 21,7% vs. Dunhill 11,8%). Eine symptomatische Hypocalcämie nach einer Hemithyreoidektomie trat nahezu nie auf. Diese Tatsache deckt sich mit den Aussagen anderer Arbeitsgruppen (18, 25, 43, 72). Somit steigt die Inzidenz der symptomatischen Hypocalcämie signifikant mit der Anzahl der ,,parathyroids at risk“ an. Daher spielen die subtile Operationstechnik (die sog. Mikrodissektionstechnik) und die genaue Kenntnis der anatomischen Strukturen eine immense Rolle. Der Identifikation und der suffizienten Durchblutung der in situ belassenen Nebenschilddrüsen kommt somit die größte Bedeutung in der Risikominderung des postoperativen Hypoparathyroidismus zu. Sichere Identifikation bedeutet dabei die aktive Darstellung der Nebenschilddrüsen und nicht nur der orientierende Ausschluss nicht erkennbaren Nebenschilddrüsengewebes in situ oder am Resektat (20).

Weiterhin sollten die in den letzten Jahren eingeführten technischen Hilfsmittel (Lupenbrille, bipolare Koagulation, Ultraschalldissektion, Vessel Sealing, intraoperativer PTH-Schnelltest) angewendet werden. Erste Studien zeigten hinsichtlich dieser Hilfsmittel einen positiven Effekt (30, 38, 61, 69).

Das Geschlecht der Patienten war ein weiterer signifikanter Risikofaktor. Frauen entwickelten etwa zweimal so häufig eine symptomatische Hypocalcämie wie Männer (Frauen 15,7 % vs.

Männer 7,4%). Obwohl das Geschlecht der Patienten in der Literatur immer wieder als Risikofaktor genannt wird, sind die zugrunde liegenden physiologischen Ursachen nicht bekannt, so dass hier zukünftig weitere Studien notwendig sind.

(36)

- 30 - Die Erfahrung des Operateurs als Risikofaktor für das Auftreten einer symptomatischen Hypocalcämie und die damit verbundene Frage nach einer Lernkurve wird in der Literatur kontrovers diskutiert (72) (Tabelle 19).

Tabelle 19: Lernkurven im Literaturvergleich

Autoren Studiendesign Patienten Lernkurve bzw.

Einfluss der Erfahrung

Shaha A (1988) retrospektiv 200 Nein

Sosa JA (1998) retrospektiv 5860 Ja

Mishra A (1999) retrospektiv 232 Nein

Mandolis S (2001) retrospektiv 1140 Ja

Thomusch O (2003) retrospektiv 5195 Nein

Acun Z (2004) prospektiv 152 Nein

Sywak MS (2006) prospektiv 809 Nein

Emre AU (2008) prospektiv 144 Nein

Eigene Studie retrospektiv 1966 Nein

Die Ergebnisse unserer Analyse zeigten, dass die Erfahrung des Operateurs keinen Einfluss auf die Rate des postoperativen passageren Hypoparathyreoidismus hatte. Die hohe Anzahl an postoperativen Hypocalcämien in der Gruppe der erfahrenen Operateure erklärte sich durch die im Verhältnis höhere Anzahl an Thyreoidektomien. Betrachtet man die in Tabelle 19 aufgeführten Studien genauer, so lassen sich die unterschiedlichen Ergebnisse am ehesten durch die Art der Assistenz erklären. Sowohl bei Sosa JA als auch bei Mandolis S wurden die schlechteren Ergebnisse durch unerfahrene Operateure ohne fachkundige Assistenz erzielt, wohingegen in den anderen Studien erfahrene endokrine Chirurgen die 1. Assistenz übernahmen. Im eigenen Kollektiv wurde die 1. Assistenz immer von einem erfahrenen endokrinen Chirurgen übernommen. Insgesamt wurden 39% der Resektionen von Assistenzärzten durchgeführt. Dies bestätigt die Schilddrüsenresektion als möglichen Lehreingriff. Deshalb können Schilddrüsenresektionen - vor allem in Hinblick auf die aktuell

(37)

- 31 - problematische Weiterbildungssituation in der Chirurgie - auch von Assistenzärzten in der Weiterbildung effektiv und komplikationsarm unter Supervision von erfahrenen Operateuren an spezialisierten Zentren durchgeführt werden (2, 23, 41, 44, 59, 62, 67, 72).

Auch das Alter der Patienten als möglicher Risikofaktor wird in der Literatur unterschiedlich gewertet. Erbil Y beschrieb 2009 eine signifikante Abhängigkeit der postoperativen Hypocalcämie vom Alter der Patienten. In unserer Erhebung, genauso wie bei anderen Autoren, spielte das Alter keine Rolle (43).

Aufgrund der ausgeprägten anatomischen Variabilität der Nebenschilddrüsen stellt sich die Frage nach einer mehr bzw. auch einer weniger ausgeprägten Kompensationsmöglichkeit bei der akzidentellen (d.h. erst im histologischen Präparat bemerkten) Entfernung einer Nebenschilddrüse während der Schilddrüsenresektion. Die akzidentielle Nebenschilddrüsenexstirpation wird mit einer Inzidenz von 1 - 10% angegeben (20). Die Bedeutung dieser ungewollten Entfernung wird unterschiedlich interpretiert. Wenn weniger als zwei bzw. drei Nebenschilddrüsen erhalten werden, steigt das Risiko eines permanenten postoperativen Hypoparathyreoidismus signifikant an (51, 71). Nach Auswertung der von uns erhobenen Daten stellte die akzidentielle Nebenschilddrüsenexstirpation - ebenso wie bei anderen Autoren - keinen relevanten Risikofaktor für die Entstehung eines postoperativen Hypoparathyreoidismus dar, wobei die versehentliche Nebenschilddrüsenentfernung im eigenen Kollektiv lediglich bei 1,2% der Schilddrüsenresektionen erfolgte (25).

Die Frage zur Inzidenz des permanenten Hypoparathyreoidismus bedarf einer kritischen Betrachtung. Allein in Deutschland wird die Inzidenz des permanenten postoperativen Hypoparathyreoidismus auf mindestens 1200 Neuerkrankungen pro Jahr geschätzt (11). Per definitonem besteht ein permanenter Hypoparathyreoidismus dann, wenn eine Erniedrigung des PTH-Spiegels über die Zeitdauer von mindestens sechs Monaten und / oder Symptome, die mit dem Beschwerdebild des Hypoparathyreoidismus vereinbar sind, vorliegen (14, 37). Trotz einer erfreulich hohen Rücklaufquote von ca. 60% bei der von uns durchgeführten Fragebogenaktion kann aufgrund der fehlenden Daten die Frage nach der genauen Inzidenz des permanenten Hypoparathyreoidismus nicht vollends für alle Patienten beantwortet werden. 40 der von uns

(38)

- 32 - unter Substitution entlassenen Patienten nahmen nach mehr als 6 Monaten postoperativ Calcium / Vitamin D Präparate ein. 31 dieser 40 Patienten konnten von uns nachuntersucht werden. Hierbei zeigten nur zwölf Patienten ein erniedrigtes PTH i.S., von denen zwei über gelegentliche hypocalcämische Symptome berichteten. Weiterhin berichteten zwei Patienten über Symptome trotz eines normwertigen Parathormonspiegel. Daher dürfte die Inzidenz (per definitionem) im eigenem Patientengut bei vier die Definition erfüllenden Patienten eher im unteren Bereich im Vergleich zu der in der Literatur angeben Werte von 0-13,8% liegen (Tabelle 20) (1, 6, 8, 13, 51, 53, 57, 64, 71, 72, 76). In Kenntnis der eigenen Daten ergibt sich bei einem gewissen Unsicherheitsfaktor aufgrund der fehlenden Daten ein Wert von 0,37% für die von uns nachuntersuchen Patienten.

Tabelle 20: permanenter Hypoparathyreoidismusraten im Literaturvergleich Autoren Studiendesign Patienten

(n)

permanenter HP (%)

Pattou F (1998) prospektiv 1071 0,5

Bergamaschi (1998) retrospektiv 1163 4

Reeve T (2000) Literaturvergleich k.A. 2

Steinmüller Th (2001) retrospektiv 2235 1,4

Trupka A (2002) prospektiv 146 2,75

Thomusch O (2003) retrospektiv 5195 1,2

Sywak MS (2006) prospektiv 809 1,4

Page C (2007) retrospektiv 351 1,4

Aluffi P (2008) prospektiv 67 11

(39)

- 33 - Der permanente Hypoparathyreoidismus ist ein komplexes Krankheitsbild (,,a clinical chameleon“) mit mannigfaltiger Symptomatik (12). In einer Fragebogenstudie von Bohrer 2005 wurden Kältegefühle in den Extremitäten und Gelenkschmerzen als die zwei häufigsten Symptome bei permanent hypoparathyreoten Patienten angegeben. Bei nur 45% der Patienten traten die für die postoperative Hypocalcämie typischen Kribbelparästhesien auf. Weiterhin wurden eine Fülle von unspezifischen Symptomen (Schwächegefühl, brüchige Nägel, Diarrhoe, etc.) genannt.

In der Diagnostik des permanenten Hypoparathyreoidismus ist das Parathormon i.S. der einzige objektive Parameter. Da per definitionem auch normoparathyreoinäme Patienten bei entsprechender Symptomatik einen permanenten Hypoparathyreoidismus haben, ist das Parathormon jedoch als nicht zuverlässig anzusehen. Weiterhin ist aufgrund der nicht unerheblichen Kosten das Parathormon i.S. bei weitem kein Routinewert in der ambulanten Nachsorge.

Die Kombination aus seltener Parathormonbestimmung und der Fülle an unspezifischen Symptomen erschwert die Diagnosestellung eines permanenten Hypoparathyreoidismus daher erheblich. Aufgrund der beschriebenen Komplexität des Krankheitsbildes dürfte die wahre Inzidenz somit (auch im eigenen Patientengut) höher liegen. Die immense Wichtigkeit der rechtzeitigen Diagnosestellung wird jedoch durch die Folgen sowie die schwierige Therapie der Erkrankung deutlich. Patienten mit einem permanenten Hypoparathyreoidismus müssen individuell therapiert werden, um schwerwiegende Folgeerkrankungen wie Katarakt (Tetaniestar), Basalganglienverkalkungen (M. Fahr), Osteoporose und psychiatrische Krankheitsbilder möglichst zu vermeiden (11, 28, 42).

Allerdings ist eine wirklich suffiziente Therapie des permanenten Hypoparathyreoidismus ausschließlich mit Calcium- und Vitamin D- Präparaten aufgrund der vielfältigen Stoffwechselfunktionen des Parathormons nicht möglich (7, 11, 28, 65). Eine ausreichende Verfügbarkeit von Parathormon selbst erscheint also aus den genannten Gründen unabdingbar zu sein (28).

(40)

- 34 - Im Zeitalter des DRG – Systems, besonders aber auch aufgrund der zunehmenden Sicherheit in der Schilddrüsenchirurgie, ist die Entlassung am 2. – 4. postoperativen Tag die Regel, sodass der Operateur nur beratenden Einfluss auf die weitere Therapie nehmen kann. Im Allgemeinen übernehmen die niedergelassenen Kollegen (niedergelassener Nuklearmediziner / Internist / Hausarzt) die postoperative Nachsorge von schilddrüsenresezierten Patienten. Die ambulante Nachsorge unterscheidet sich jedoch erheblich von der Nachsorge innerhalb einer klinischen Studie zum Thema des postoperativen Hypoparathyreoidismus. Die primäre Gewichtung auf die postoperative Schilddrüsenfunktion, auf das operative Ergebnis sowie die ggf. indizierte Rezidivprophylaxe lässt aus hausärztlicher / nuklearmedizinischer Sicht die postoperative Kontrolle der Nebenschilddrüsenfunktion in den Hintergrund treten, während diese unter chirurgischen Aspekten große Relevanz hat. Zeitmangel und Kostendruck im Rahmen der Ökonomisierung verhindern ebenfalls die aufwendige / korrekte Therapie von hypoparathyreoten respektive normoparathyreoten Patienten. Da der postoperative Hypoparathyroidismus in den meisten Fällen reversibel ist (passager), kommt der nachstationären ambulanten Behandlung jedoch eine besondere Bedeutung zu (51, 53).

Ziel der Nachsorge und damit auch der Therapie ist in erster Linie die Anhebung des Serumcalcium-Spiegels in den unteren Normbereich bei gleichzeitig angestrebter Normocalciurie, um funktionelle Störungen / Symptome zu beseitigen und möglichen Folgeschäden (s.o.) vorzubeugen (28). Durch regelmäßige Auslassversuche bzw. durch schrittweise Reduktion der Substitutionstherapie bis an die Symptomgrenze soll eine Stimulation der Nebenschilddrüsen erreicht werden (,,Nebenschilddrüsenweaning“). Hinsichtlich der Durchführung dieses Procederes im poststationären ambulanten Bereich ist die aktuelle Datenlage (Pubmed / Medline) als mangelhaft zu bezeichnen.

Somit zeigen die von uns erhobenen Daten einige neue und wichtige Aspekte. Rund ein Viertel der von uns unter Substitution entlassenen Patienten nahm nach mehr als 6 Monaten postoperativ noch regelmäßig Calcium- und / oder Vitamin D- Präparate ein. Ein Auslassversuch wurde jedoch bei nur 18% (n=7) der Patienten unternommen. Da der zuletzt erhobene Calciumwert dieser Gruppe im statistischen Mittel normwertig (2,14 mmol/l) war, wäre ein Auslassversuch somit bei den meisten Patienten sicherlich indiziert gewesen. Auch eine mögliche dauerhafte Schädigung der Nebenschilddrüsenfunktion durch eine Langzeitsubstitution (,,substitutionsbedingter permanenter Hypoparathyreoidismus“) bei nicht

(41)

- 35 - durchgeführtem „Nebenschilddrüsenweaning“ muss an dieser Stelle diskutiert werden.

Experimentelle Studien zeigten einen direkten negativen Einfluss der Serumkonzentration des ionisierten Calciums auf die Parathormonsekretion der Nebenschilddrüsen. Calcitriol (1,25 - Dihydroxycholecalciferol) und dessen Metabolite führten zu einer prolongierten Suppression der Parathormongentranskription (16, 17, 58). Die Vermutung bezüglich einer dauerhaften Schädigung der Nebenschilddrüsen durch eine Langzeitsubstitution ließ sich durch die aktuelle Literatur nicht belegen. Aufgrund der bekannten physiologischen Grundlagen des Regelkreises der Parathormonsekretion und der genannten experimentellen Studien ist ein ,,substitutionsbedingter permanenter Hypoparathyreoidismus“ jedoch anzunehmen.

Witte J beschrieb 1996 in einer Studie zur Frage der postoperativen Hypocalcämie nach Schilddrüsenresektionen, dass etwa 50% der Patienten nach 1-2 Jahren post resectionem weiterhin Calcium substituierten. Es wurde bemängelt, dass trotz stets normaler Calciumwerte nie ein Auslassversuch unternommen wurde (82).

Die eigenen Daten sprechen im Vergleich zu Witte J für eine Verbesserung der poststationären Nachsorge durch die niedergelassenen Kollegen, jedoch wäre durch eine konsequentere Umsetzung des empfohlenen ,,Nebenschilddrüsenweanings“ eine weitere Reduktion der substituierenden Patienten mit Sicherheit möglich. Die Notwendigkeit dieser Reduktion begründet sich einerseits aus den Nebenwirkungen der Therapie und andererseits aus den Kosten, die eine langjährige Substitutionstherapie verursacht. Die Therapiekosten eines hypoparathyreoten Patienten sind nicht zu unterschätzen (Tabelle 21)

Tabelle 21: Therapiekosten des Hypoparathyreoidismus (empfohlene initiale Dosierung) Calciumpräparate

(z.B. Calcium-Verla®, Calcium hexal®)

3x1000 mg

Calcitriol (z.B. Rocaltrol ®,

Decostriol®) 3x 0,25 ug

gesamt

Tagestherapiekosten 1,13 – 1,17 € 2,30 – 2,58 € 3,43 - 3,75 € Jahrestherapiekosten 412,50 – 427,00 € 839,50 – 941,70 € 1252-1368,70 €

(entnommen aus Roteliste 2009)

(42)

- 36 - Durch spätere Umstellung von Calcitriol auf alternative Vitamin D- Präparate und Anpassung der Ernährung (calciumreich) kann mit Sicherheit eine Kostenreduktion erzielt werden (57).

Insgesamt unterstreicht dies jedoch auch die ökonomische Bedeutung des permanenten Hypoparathyreoidismus. Eine adäquate Nachsorge würde somit langfristig zur Kostenreduktion führen.

Calcium- sowie Vitamin-D-Präparate können Übelkeit und Diarrhoen verursachen. Vor allem Vitamin D- Präparate können bei Überdosierung aufgrund ihrer engen therapeutischen Grenzen zur Intoxikation mit konsekutivem lebensbedrohlichem Hypercalcämiesyndrom führen.

Langzeitnebenwirkungen wie rezidivierende Nephrolithiasis und Nephrocalcinose haben nachhaltig Auswirkungen auf die Lebensqualität sowie das Überleben der Patienten (11, 28, 55, 57).

(43)

- 37 -

5. Fazit und Ausblick:

Nach dem vollzogenem Wandel des Resektionskonzeptes in der Schilddrüsenchirurgie innerhalb der letzten 25 Jahre sind heutzutage radikalere Resektionen bis hin zur totalen Thyreoidektomie üblich. Das Resektionsausmaß sollte vor allem befundorientiert festgelegt werden. Drohende Rezidiveingriffe durch zurückhaltende Resektionen sind aufgrund der erhöhten Komplikationsrate zu vermeiden. Mit zunehmendem Resektionsausmaß steigt die Inzidenz der postoperativen symptomatischen Hypocalcämie signifikant an. Der entscheidende Endpunkt dieser eingriffstypischen Komplikation, der permanente Hypoparathyreoidismus, entwickelt sich jedoch in einem vertretbar geringen Prozentsatz. Hierbei muss die ,,Dunkelziffer“, die aufgrund der beschrieben Komplexität der Erkrankung höher einzuschätzen ist, berücksichtigt werden.

Die in der vorliegenden Dissertation dargestellten Mängel in der Therapie des postoperativen Hypoparathyreoidismus zeigen eine typische Schnittstellenproblematik des Gesundheitswesens. Eine differenzierte Gewichtung der stationären zur ambulanten Nachsorge von schilddrüsenresezierten Patienten ist hier zu konstatieren. Durch eine stärkere und dauerhafte Thematisierung des permanenten Hypoparathyreoidismus sollten die Patienten, die niedergelassenen Kollegen sowie vor allem die operativen Kollegen vermehrt sensibilisiert werden. Moderne Operationstechniken und neue technische Hilfsmittel sollten zur Anwendung kommen. Eine konsequentere Durchführung des empfohlenen „Nebenschilddrüsenweanings“

sowie eine bedarfsgerechte individualisierte Therapie sind im Bereich der postoperativen Nachsorge einzufordern.

In der Therapie des permanenten Hypoparathyreoidismus sollten zukünftig kausale Therapieformen angestrebt werden. Diese scheitern bis dato an diversen Problemen. Aufgrund der erheblichen Nebenwirkungen der zur allogenen Nebenschilddrüsentransplantation benötigten systemischen Immunsuppression kann diese Therapie aktuell nur als ultima ratio angesehen werden (57). Hier könnten zukünftig neue Techniken eine Rolle spielen. Dazu gehören die lokale Immunsuppression mit Cyclosporin, die Vorkultivierung des Gewebes in speziellen Medien und die Immunisolation durch Mikroenkapsulierung des Gewebes mit Alginat (29, 32, 33, 34,36, 52, 65, 74, 75, 83). Diese Methoden befinden sich jedoch noch im experimentellen Stadium.

(44)

- 38 - Eine weitere kausale Therapieoption ist die Gabe von gentechnisch hergestelltem humanem Parathormon (39). Die Kosten dieser Behandlungsform sind jedoch noch sehr hoch und die bisherige Notwendigkeit der subkutanen Applikation mit den entsprechenden Nebenwirkungen gefährdet die Compliance. Der Langzeiteffekt dieser Substitution und somit mögliche schwerwiegende Nebenwirkungen sind bisher noch ungeklärt (66, 80, 81).

(45)

- 39 -

6. Zusammenfassung:

Unter den postoperativen Komplikationen bei resezierenden Eingriffen an der Schilddrüse kommt dem postoperativen Hypoparathyreoidismus neben der möglichen Verletzung des Nervus laryngeus recurrens eine überragende Bedeutung zu. Zur weiteren Klärung der Fragen zur Inzidenz des postoperativen Hypoparathyreoidismus (passager / permanent) nach Resektion benigner Knotenstrumen und deren Ursachen und Risikofaktoren wurde in der vorgelegten retrospektiven Analyse insbesondere der Frage nachgegangen, ob die im Rahmen der stationären Behandlung ausgesprochene Empfehlung zur schrittweisen Reduktion der Substitutionstherapie („Nebenschilddrüsenweaning“) beim postoperativen Hypopara- thyreoidismus in der ambulanten Nachsorge umgesetzt wird, zumal die Datenlage zu dieser Fragestellung als äußerst limitiert zu betrachten ist.

Zwischen 2003 und 2006 wurden insgesamt 1966 Schilddrüsenresektionen aufgrund einer benignen Knotenstruma in Mikrodissektionstechnik mit aktiver Darstellung aller vier Nebenschilddrüsen durchgeführt und die resultierenden Daten dieser Operationen retrospektiv ausgewertet.

Bei einem deutlichen Überwiegen der Frauen (80% aller Patienten) wurde die totale Thyreoidektomie in etwa 50% aller Fälle durchgeführt. Eine symptomatische postoperative Hypocalcämie im Sinne eines postoperativen Hypoparathyreoidismus war bei knapp 14% der Patienten zu beobachten. Die postoperative Hypocalcämie zeigte eine deutliche Abhängigkeit vom Resektionsausmaß. Nach einer Thyreoidektomie trat sie etwa doppelt so oft auf wie nach einer Dunhill’schen Resektion. Ein weiterer Risikofaktor war das Geschlecht, wobei Frauen unabhängig vom Resektionsausmaß signifikant häufiger postoperativ Symptome entwickelten als Männer. Die Erfahrung des Operateurs, das Alter der Patienten sowie eine akzidentielle Nebenschilddrüsenentfernung hatten keinen Einfluss. 25% der unter Substitution entlassenen Patienten nahmen auch nach mehr als sechs Monaten trotz eines normalen Serum- Calciumspiegels Calcium bzw. Vitamin D-Präparate ein. Ein Auslassversuch wurde lediglich bei 18% der betroffenen Patienten unternommen. Gemäß der gängigen Definition des permanenten Hypoparathyreoidismus lag dieser bei 4 der von uns nachuntersuchten Patienten vor.

(46)

- 40 - Die im Rahmen dieser Arbeit erhobenen Daten bestätigen die überragende Bedeutung des Resektionsausmaßes für die Entstehung des postoperativen Hypoparathyreoidismus, d.h., dass die Inzidenz der symptomatischen Hypocalcämie signifikant mit der Anzahl der „Parathyroids at risk“ steigt. Die praktische Konsequenz dieses Ergebnisses hat sich in der aktiven Identifikation, der Schonung sowie der Sicherstellung der suffizienten Durchblutung der bei der Schilddrüsenresektion dargestellten Nebenschilddrüsen zu manifestieren.

Die Inzidenz des permanenten Hypoparathyreoidismus muss kritisch diskutiert werden. Die rechtzeitige Diagnosestellung scheitert in praxi an der Komplexität des Krankheitsbildes mit mannigfaltiger Symptomatik (,,a clinical chameleon“) sowie dem Fehlen von objektiven / zuverlässigen Parametern. Daher dürfte die tatsächliche Inzidenz erheblich höher liegen.

Des Weiteren zeigen die in dieser Dissertation gewonnenen Daten, dass das empfohlene

„Nebenschilddrüsenweaning“ in der poststationären Nachsorge selbst bei normalen Serum- Calciumwerten nur unzureichend durchgeführt wird. Aufgrund der Nebenwirkungen der Substitutionstherapie sowie der ökonomischen Konsequenzen kommt diesem Procedere jedoch eine besondere Bedeutung zu.

Dies verdeutlicht in kleinem Rahmen die bestehende Schnittstellenproblematik des Gesundheitswesens zwischen stationärer Behandlung und ambulanter Nachsorge und unterstreicht deren Bedeutung. Die vermehrte Sensibilisierung der Patienten für das im Rahmen des stationären Aufenthaltes angesprochene „Nebenschilddrüsenweaning“ einerseits und die zunehmende Umsetzung dieser Empfehlung im ambulanten Bereich andererseits können langfristig zu einer qualitätsverbesserten perioperativen Betreuung dieser Patienten führen.

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Referenzen

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