Nach dem vollzogenem Wandel des Resektionskonzeptes in der Schilddrüsenchirurgie innerhalb der letzten 25 Jahre sind heutzutage radikalere Resektionen bis hin zur totalen Thyreoidektomie üblich. Das Resektionsausmaß sollte vor allem befundorientiert festgelegt werden. Drohende Rezidiveingriffe durch zurückhaltende Resektionen sind aufgrund der erhöhten Komplikationsrate zu vermeiden. Mit zunehmendem Resektionsausmaß steigt die Inzidenz der postoperativen symptomatischen Hypocalcämie signifikant an. Der entscheidende Endpunkt dieser eingriffstypischen Komplikation, der permanente Hypoparathyreoidismus, entwickelt sich jedoch in einem vertretbar geringen Prozentsatz. Hierbei muss die ,,Dunkelziffer“, die aufgrund der beschrieben Komplexität der Erkrankung höher einzuschätzen ist, berücksichtigt werden.
Die in der vorliegenden Dissertation dargestellten Mängel in der Therapie des postoperativen Hypoparathyreoidismus zeigen eine typische Schnittstellenproblematik des Gesundheitswesens. Eine differenzierte Gewichtung der stationären zur ambulanten Nachsorge von schilddrüsenresezierten Patienten ist hier zu konstatieren. Durch eine stärkere und dauerhafte Thematisierung des permanenten Hypoparathyreoidismus sollten die Patienten, die niedergelassenen Kollegen sowie vor allem die operativen Kollegen vermehrt sensibilisiert werden. Moderne Operationstechniken und neue technische Hilfsmittel sollten zur Anwendung kommen. Eine konsequentere Durchführung des empfohlenen „Nebenschilddrüsenweanings“
sowie eine bedarfsgerechte individualisierte Therapie sind im Bereich der postoperativen Nachsorge einzufordern.
In der Therapie des permanenten Hypoparathyreoidismus sollten zukünftig kausale Therapieformen angestrebt werden. Diese scheitern bis dato an diversen Problemen. Aufgrund der erheblichen Nebenwirkungen der zur allogenen Nebenschilddrüsentransplantation benötigten systemischen Immunsuppression kann diese Therapie aktuell nur als ultima ratio angesehen werden (57). Hier könnten zukünftig neue Techniken eine Rolle spielen. Dazu gehören die lokale Immunsuppression mit Cyclosporin, die Vorkultivierung des Gewebes in speziellen Medien und die Immunisolation durch Mikroenkapsulierung des Gewebes mit Alginat (29, 32, 33, 34,36, 52, 65, 74, 75, 83). Diese Methoden befinden sich jedoch noch im experimentellen Stadium.
- 38 - Eine weitere kausale Therapieoption ist die Gabe von gentechnisch hergestelltem humanem Parathormon (39). Die Kosten dieser Behandlungsform sind jedoch noch sehr hoch und die bisherige Notwendigkeit der subkutanen Applikation mit den entsprechenden Nebenwirkungen gefährdet die Compliance. Der Langzeiteffekt dieser Substitution und somit mögliche schwerwiegende Nebenwirkungen sind bisher noch ungeklärt (66, 80, 81).
- 39 -
6. Zusammenfassung:
Unter den postoperativen Komplikationen bei resezierenden Eingriffen an der Schilddrüse kommt dem postoperativen Hypoparathyreoidismus neben der möglichen Verletzung des Nervus laryngeus recurrens eine überragende Bedeutung zu. Zur weiteren Klärung der Fragen zur Inzidenz des postoperativen Hypoparathyreoidismus (passager / permanent) nach Resektion benigner Knotenstrumen und deren Ursachen und Risikofaktoren wurde in der vorgelegten retrospektiven Analyse insbesondere der Frage nachgegangen, ob die im Rahmen der stationären Behandlung ausgesprochene Empfehlung zur schrittweisen Reduktion der Substitutionstherapie („Nebenschilddrüsenweaning“) beim postoperativen Hypopara-thyreoidismus in der ambulanten Nachsorge umgesetzt wird, zumal die Datenlage zu dieser Fragestellung als äußerst limitiert zu betrachten ist.
Zwischen 2003 und 2006 wurden insgesamt 1966 Schilddrüsenresektionen aufgrund einer benignen Knotenstruma in Mikrodissektionstechnik mit aktiver Darstellung aller vier Nebenschilddrüsen durchgeführt und die resultierenden Daten dieser Operationen retrospektiv ausgewertet.
Bei einem deutlichen Überwiegen der Frauen (80% aller Patienten) wurde die totale Thyreoidektomie in etwa 50% aller Fälle durchgeführt. Eine symptomatische postoperative Hypocalcämie im Sinne eines postoperativen Hypoparathyreoidismus war bei knapp 14% der Patienten zu beobachten. Die postoperative Hypocalcämie zeigte eine deutliche Abhängigkeit vom Resektionsausmaß. Nach einer Thyreoidektomie trat sie etwa doppelt so oft auf wie nach einer Dunhill’schen Resektion. Ein weiterer Risikofaktor war das Geschlecht, wobei Frauen unabhängig vom Resektionsausmaß signifikant häufiger postoperativ Symptome entwickelten als Männer. Die Erfahrung des Operateurs, das Alter der Patienten sowie eine akzidentielle Nebenschilddrüsenentfernung hatten keinen Einfluss. 25% der unter Substitution entlassenen Patienten nahmen auch nach mehr als sechs Monaten trotz eines normalen Serum-Calciumspiegels Calcium bzw. Vitamin D-Präparate ein. Ein Auslassversuch wurde lediglich bei 18% der betroffenen Patienten unternommen. Gemäß der gängigen Definition des permanenten Hypoparathyreoidismus lag dieser bei 4 der von uns nachuntersuchten Patienten vor.
- 40 - Die im Rahmen dieser Arbeit erhobenen Daten bestätigen die überragende Bedeutung des Resektionsausmaßes für die Entstehung des postoperativen Hypoparathyreoidismus, d.h., dass die Inzidenz der symptomatischen Hypocalcämie signifikant mit der Anzahl der „Parathyroids at risk“ steigt. Die praktische Konsequenz dieses Ergebnisses hat sich in der aktiven Identifikation, der Schonung sowie der Sicherstellung der suffizienten Durchblutung der bei der Schilddrüsenresektion dargestellten Nebenschilddrüsen zu manifestieren.
Die Inzidenz des permanenten Hypoparathyreoidismus muss kritisch diskutiert werden. Die rechtzeitige Diagnosestellung scheitert in praxi an der Komplexität des Krankheitsbildes mit mannigfaltiger Symptomatik (,,a clinical chameleon“) sowie dem Fehlen von objektiven / zuverlässigen Parametern. Daher dürfte die tatsächliche Inzidenz erheblich höher liegen.
Des Weiteren zeigen die in dieser Dissertation gewonnenen Daten, dass das empfohlene
„Nebenschilddrüsenweaning“ in der poststationären Nachsorge selbst bei normalen Serum-Calciumwerten nur unzureichend durchgeführt wird. Aufgrund der Nebenwirkungen der Substitutionstherapie sowie der ökonomischen Konsequenzen kommt diesem Procedere jedoch eine besondere Bedeutung zu.
Dies verdeutlicht in kleinem Rahmen die bestehende Schnittstellenproblematik des Gesundheitswesens zwischen stationärer Behandlung und ambulanter Nachsorge und unterstreicht deren Bedeutung. Die vermehrte Sensibilisierung der Patienten für das im Rahmen des stationären Aufenthaltes angesprochene „Nebenschilddrüsenweaning“ einerseits und die zunehmende Umsetzung dieser Empfehlung im ambulanten Bereich andererseits können langfristig zu einer qualitätsverbesserten perioperativen Betreuung dieser Patienten führen.
- 41 -
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- 55 -
8. Anhang:
Fragebogen:
1) Nimmt der Patient noch Calcium-, Vitamin-D3-, oder Calcitriolpräparate ?
( Ja / Nein ): wenn ja, welche: 1. __________________________(bitte mg-Angabe) 2. __________________________(bitte mg-Angabe) 2) Hat der Patient schon vor der Operation o.g. Präparate eingenommen?
( Ja / Nein ): wenn ja, warum und wie lange?: _____________________________
3) Hat der Patient noch Symptome einer Hypocalcämie? (z.B. Kribbeln, Krampfanfälle, etc.) ( Ja / Nein ) 1. _______________________
2. _______________________
3. _______________________
4) Wurde schon einmal ein Auslassversuch unternommen?
( Ja / Nein ) Wann? _______________
Wenn ja, wie lange? _______________
5) Wie häufig haben Sie den Ca-Wert seit der OP kontrolliert?
Anzahl:__________________
6) Wie lange nach der Operation hat die Hypocalcämie angedauert (Monate)?
Symptome:__________________ / serologische Hypocalcämie:_________________
7) Der 1.von Ihnen postoperativ kontrollierte Ca-Wert?
(Datum:_________/_________mmol/l) 8) Der zuletzt von Ihnen kontrollierte Ca-Wert?
(Datum:_________/_________mmol/l) VIELEN DANK !!!
- 56 -
9. Lebenslauf
__________________ Timm Franzke ___________________
Geburtsdatum/ -ort: 15.04.1980 in Hannover Familienstand: ledig
Staatsangehörigkeit: deutsch Konfession: evangelisch Schullaufbahn
Grundschule Empelde 1987-1991 IGS Mühlenberg 1991-1999
1999 Abitur IGS Mühlenberg (Note: 2,1) Zivildienst
Rettungssanitäter (RW JUH Hannover) Studium
Oktober 2000 Beginn Studium Humanmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover August 2002 Physikum
August 2003 1. Staatsexamen August 2005 2. Staatsexamen
November 2006 3. Staatsexamen / Approbation bisherige berufliche Laufbahn
Seit Januar 2007 Assistenzarzt im Diakoniekrankenhaus Henriettenstiftung Hannover Abteilung für Allgemein- und Visceralchirurgie
( Timm Franzke)
- 57 -
10. Danksagungen
Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. med. Joachim Jähne für die Überlassung des Themas und seiner stetigen motivierenden Unterstützung.
Gleichermaßen danke ich Frau Dr. rer. hort. Cornelia Frömke aus dem Institut für Biometrie der Medizinischen Hochschule Hannover für die hervorragende Zusammenarbeit.
Aus tiefstem Herzen danke ich meiner Familie und meiner Freundin Elisabeth für die grenzenlose moralische Unterstützung während meines Studiums sowie dem Beginn meiner Assistenzarztzeit.
- 58 -
11. Erklärung nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 und 6 PromO
Ich erkläre, dass ich die der Medizinischen Hochschule Hannover zur Promotion eingereichte Dissertation mit dem Titel:
„Der postoperative Hypoparathyreoidismus nach Resektion benigner Knotenstrumen – Eine retrospektive Studie zur Frage des permanenten Hypoparathyreoidismus“
in der Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie des Diakoniekrankenhauses Henriettenstiftung unter Betreuung von Professor Dr. med. J. Jähne ohne sonstige Hilfe durchgeführt und bei der Abfassung der Dissertation keine anderen als die dort aufgeführten Hilfsmittel benutzt habe.
Die Gelegenheit zum vorliegenden Promotionsverfahren ist mir nicht kommerziell vermittelt worden. Insbesondere habe ich keine Organisation eingeschaltet, die gegen Entgelt Betreuerinnen und Betreuer für die Anfertigung von Dissertationen sucht oder die mir obliegenden Pflichten hinsichtlich der Prüfungsleistungen für mich ganz oder teilweise erledigt.
Ich habe diese Dissertation bisher an keiner in- oder ausländischen Hochschule zur Promotion eingereicht. Weiterhin versichere ich, dass ich den beantragten Titel bisher noch nicht erworben habe.
(Timm Franzke)