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Archiv "Behandlung des Hypoparathyreoidismus – womit?" (21.09.1989)

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Behandlung des

Hypoparathyreoidismus womit?

Reinhard Ziegler

Allgemeine Richtlinien Die Behandlung der Neben- schilddrüsenunterfunktion (Hypopa- rathyreoidismus) stützt sich auf zwei Prinzipien: Zum einen werden Vit- amin-D-artig wirksame Substanzen gegeben, um die Absorption von Kalzium im Darm zu vermehren und den Kalziumtransport aus dem Lu- men in das Blut zu fördern (um das fehlende Parathormon zu ersetzen) — zum anderen sorgt der Arzt für ein ausreichendes und gleichmäßiges Kalziumangebot, damit die Vitamin- D-Substanz wirksam werden kann.

Ob für das zweitgenannte Ziel Kalzium-Präparate eingesetzt wer- den oder nicht, ist eine Ermessens- frage — manche Therapeuten verwei- sen auf Milch und Milchprodukte als Kalziumquelle. Nachdem der Patient mit Hypoparathyreoidismus jedoch auch eine Hyperphosphatämie auf- weist und Milch und Milchprodukte ausgesprochen phosphatreich sind, ziehen wir selbst es vor, nicht unbe- dingt über die Nahrung das opti- mierte Kalziumangebot erreichen zu wollen, sondern eine gleichmäßige Kalziumsubstitution mit entspre- chenden Präparaten vorzunehmen, zum Beispiel täglich 500 bis 1000 mg Ca' in Form von Brausetabletten (zum Beispiel Calcium-Sandoz®) (1).

Bei Unverträglichkeit der Brauseta- bletten infolge Durchfallneigung oder ähnlichem kann statt dessen Kalzium-Karbonat-Granulat (zum Beispiel Zikal® oder Dago®-Calci- um) gewählt werden, einen ausrei- chenden Kalziumgehalt vorausge- setzt (2).

Für die noch wichtigere Vit- amin-D-Komponente der Therapie konnte man in der Vergangenheit

bei unproblematischen Krankheits- fällen preiswerte, hochdosierte Vit- amin-D-Präparate einsetzen; nur ausnahmsweise waren die wesentlich teureren Vitamin-D-Metaboliten in- folge eines ungenügenden Anspre- chens auf genuines Vitamin D oder auch bei erwiesener Kumulationsge- fahr erforderlich.

Der individuelle Vitamin-D-Be- darf für das Erreichen einer optima- len Einstellung (niedrig-normale Se- rumkalziumspiegel) lag bei einem von uns untersuchten Kollektiv zwi- schen 0,35 und 2,5 mg Vitamin D3

pro Tag — bei 13 Patienten betrug der Mittelwert der Dosierung 1,4 ± 0,7 mg/Tag (3). Bei Verwendung von Dihydrotachysterol (zum Beispiel A. T. 104 ) betrug die mittlere Dosis bei fünf anderen Patienten 1,1 ± 0,2 mg/Tag.

Aktuelles Problem:

Anderung des

Präparate-Angebotes

Das therapeutische Angebot auf diesem Gebiet hat sich nun in den vergangenen Monaten dramatisch geändert: Die Firmen, die bisher Ta- bletten zu 5 mg entsprechend 200 000 I. E. Vitamin D3 angeboten hatten, haben diese Präparate ver- hältnismäßig akut vom Markt abge- zogen: Weder Vigantol® forte noch Vigorsan® forte stehen mithin für die Behandlung des Hypoparathy- reoidismus noch zur Verfügung. Von der Herstellerseite wurden betriebs- wirtschaftliche Gründe angegeben — ob ein Zusammenhang mit der Neu- fassung der Monographie über Vit- amin-D-Präparate des BGA besteht, ist nicht ersichtlich.

Der Arzt, der Patienten mit Hy- poparathyreoidismus versorgt, steht nun vor der akuten Aufgabe, auf an- dere Präparate umzustellen — im fol- genden sollen Gesichtspunkte für diese Umstellung angegeben werden.

Eine Möglichkeit besteht darin, statt der hochdosierten Tabletten zu 5 mg Vitamin D3 solche mit 10 000 I. E. zu wählen — dies bedeutet, daß zum Beispiel 1 Tablette Vigantol®

forte (200 000 I. E.) durch 20 Tablet- ten Vigantol® (zu 10 000 I.E.) ersetzt werden muß.

In der Vergangenheit haben wir sehr gute Erfahrungen damit ge- macht, etwa 1 Tablette Vigantol®

forte alle fünf Tage zu verabreichen

— dies bedeutete eine Tagesdosis von 1 mg Vitamin D3, entsprechend 40 000 I. E. (der individuelle Bedarf muß selbstverständlich für jeden Pa- tienten „heraustitriert" werden).

Praktisches Vorgehen

In Zukunft muß ein Patient mit dem genannten Bedarf von 1 mg Vit- amin D3 pro Tag täglich 4 Tabletten Vigantol® einnehmen. Kostenmäßig bedeutet dies eine Steigerung der Ausgaben um den Faktor 4,5 (ver- gleiche Tabelle).

Eine andere Alternative besteht darin, anstelle von Vitamin D3 Di- hydrotachysterol (A.T. 10 9) zu ver- wenden. Äquivalent mit 1 mg Vit- amin D3 sind etwa 0,5 mg Dihydrota- chysterol — bei Verwendung dieses Medikamentes steigen die Kosten um das Vierfache an.

Wählt man anstelle des genui- nen Vitamin D den in der Leber ge- bildeten Metaboliten 25-OH-Vit- amin D, so sind äquivalent 100 pug er- forderlich — die Steigerung des Ko- stenfaktors beträgt das Achtzehnfa- che im Vergleich zu den nicht mehr verfügbaren Vitamin-D-Tabletten zu 200 000 I. E.

Wählt man hingegen für die Therapie des Hypoparathyreoidis- mus das sogenannte Vitamin-D-Hor- mon, den in der Niere gebilde- ten Metaboliten 1,25-Dihydroxy-Vit- amin D (Rocaltrol®), so beträgt die äquivalente Dosis in unserem Beispiel 1 lig pro Tag — die Kosten steigen da- mit auf das Fünfunddreißigfache an.

Dt. Ärztebl. 86, Heft 38, 21. September 1989 (79) A-2667

(2)

Tabelle: Erhaltungstherapie Hypoparathyreoidismus — Relative Kosten einer äquipotenten Durchschnittsdosis Relative Kosten laut Roter Liste 1989: Erhöhung der Kosten gegenüber „Vigan- tol® forte"

Präparat Äquipotente Dosis

Substanz mit Vitamin- D-Hormon-Wirkung

Vitamin D 3

Vitamin D3

Vigantol® forte*) (Packung 30 Tbl.

ä 200 000 I.E.) Vigorsan® forte*)

(100 Tbl.

ä 200 000 I.E.) 1 mg

(40 000 I.E.)

1 mg (40 000 I.E.)

=

1

x 0,95

Vigantol®

(Packung 20 Tbl.

ä 10 000 I.E.)

x 4,5 1 mg

(40 000 I.E.) Vitamin D3

Vitamin D3

D ihyd rot achyste rol

25-OH-Vit. D

1 mg (40 000 I.E.)

0,5 mg

100 .tg

D-Tracetten®

(Packung 20 Tbl.

ä 10 000 I.E.) A.T. 10®

(Packung 100 Perlen ä 0,5 mg) Dedrogyl®-Tropfen

(Packung ä 10 ml, 20 Tropfen — 100 14)

x 4,5

x4

x 18

1,25-(OH) 2-Vit. D 1,0 jtg Rocaltrol®

(Packung 100 Kapseln ä 0,5 .tg)

x 35

nicht mehr angeboten

Für den Arzt ist es verwunder- lich, daß in der Zeit der intensiven Kostendiskussion eine wirtschaft- liche Verordnungsweise für eine zu- gegebenermaßen kleine Zahl von Patienten (der Hypoparathyreoidis- mus ist ein nicht besonders häufiges Krankheitsbild) verteuert wird: Nach Verschwinden der Vitamin-D-Prä- parate zu 200 000 I. E. in einer Ta- blette steigen die Kosten für diese Behandlungskomponente um minde- stens das Vier- bis Fünffache an. Die obengenannten Beispiele haben dar- gestellt, daß sogar eine Steigerung auf das Zwanzig- bis Dreißigfache erfolgen kann, wenn zu den teureren Alternativen gegriffen wird. Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei nochmals darauf hingewiesen, daß für einige Patienten diese teurere Therapie mit den Metaboliten un- vermeidlich ist (beispielsweise Fif

Patienten mit ungenügendem An- sprechen auf das genuine Vitamin D, bei Patienten mit Pseudo-Hypopa- rathyreoidismus, bei denen eine Re- mission nach Erreichen der Normo- kalziämie möglich erscheint, und an- dere seltene Konstellationen).

Es ist zu hoffen, daß die Patien- ten mit Hypoparathyreoidismus bei der Umstellung nicht durch Dosie- rungs- oder Kontrollfehler Schaden nehmen — auf längere Sicht möchte ich die Hoffnung aussprechen, daß vielleicht doch in der Zukunft erneut ein höher dosiertes Vitamin-D-Prä- parat angeboten wird, um die Mög- lichkeiten der wirtschaftlichen Ver- ordnung der Vergangenheit wieder ausnutzen zu können. Abschließend sei vermerkt, daß jegliche Therapie mit Vitamin D adäquate Kontrollen zur Überwachung voraussetzt, um Intoxikationen zu vermeiden (4).

Literatur

1. Ziegler, R.: Die Therapie des tetanischen Syndroms. Dtsch. med. Wschr. 110 (1985) 424-427

2. Schwabe, U., und R. Ziegler: Mineralstoffe.

In: Arzneiverordnungsreport '88, hrsg. von U.

Schwabe und D. Paffrath. Fischer, Stuttgart—

New York (1988) 281-290

3. Streibl, W., H. Minne, F. Raue und R. Zieg- ler: Die Langzeitbehandlung des Hypopara- thyreoidismus. Therapiewoche 29 (1979) 6272-6274

4. Gottswinter, J., R. Ziegler, H. Felun: Die In- toxikationsgefahr bei hochdosierter Vitamin- D-Therapie von dermatologischen Erkran- kungen. Med. Welt 34 (1983) 40-42.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Reinhard Ziegler Abteilung Innere Medizin I Endokrinologie und Stoffwechsel Medizinische Universitätsklinik Bergheimer Straße 58

6900 Heidelberg A-2668 (80) Dt. Ärztebl. 86, Heft 38, 21. September 1989

Referenzen

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