• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Seltene Erkrankungen: Häufig nicht erkannt" (18.05.2007)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Seltene Erkrankungen: Häufig nicht erkannt" (18.05.2007)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A1364 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 20⏐⏐18. Mai 2007

P O L I T I K

L

ange musste Gabriele Fehr warten. Seit ihrer Geburt lei- det sie an einem angeborenen Im- mundefekt: CVID – dem variablen Immundefektsyndrom. Schon als Kind litt sie häufig unter Entzün- dungen, das sechste Schuljahr hat sie fast komplett aussetzen müs- sen. Später kamen weitere, schwere Entzündungen hinzu. Diagnostiziert wurde die Ursache nicht. Erst mit 42 Jahren, nach einem Umzug nach Berlin, entdeckte man in der Charité den angeborenen Immundefekt.

Nun wird sie richtig behandelt.

Auch wenn die Beschwerden sie im Alltag noch immer belasten, führt sie heute ein halbwegs normales Le- ben. Probleme bereiten ihr vor allem einige mittlerweile chronisch ge- wordene Entzündungen. „Bei einer früheren Diagnose wäre das ver- meidbar gewesen“, sagt sie.

Bewusstsein für seltene Erkrankungen schärfen

Fehr ist eine von schätzungsweise rund 100 000 Personen in Deutsch- land, die an einem angeborenen Im- mundefekt leiden. Die meisten da- von gehören zu den seltenen Er- krankungen. Nach offizieller Defi- nition leidet einer von 2 000 Men- schen an einer seltenen Erkrankung.

Obwohl diese selten sind, geht die Zahl der Betroffenen in die Millio- nen. Denn es gibt 5 000 bis 8 000 sogenannte Orphan Diseases, die in 80 Prozent der Fälle genetisch be- dingt sind. In Deutschland gibt es darum vier Millionen, in Europa bis zu 20 Millionen Patienten.

Häufig werden seltene Erkran- kungen nicht richtig von den Ärz- ten diagnostiziert. Von den rund 100 000 Betroffenen würden die angeborenen Immundefekte bisher lediglich bei 1 400 Patienten ent- deckt, wie Prof. Reinhold E. Schmidt

bei einem Symposium der „Deut- schen Selbsthilfe Angeborene Im- mundefekte e.V.“ (DSAI) Mitte Mai erklärte. Schmidt ist Vizeprä- sident der Deutschen Gesellschaft für Immunologie und Direktor der Abteilung klinische Immunologie und Rheumatologie an der Medi- zinischen Hochschule Hannover.

Mit 1 400 Fällen habe sich die Zahl der Diagnosen in den letzten Jah- ren verdoppelt. Gleichzeitig nimmt er die Ärzte in Schutz: Sie wür- den nicht falsch, aber oft „unter- diagnostizieren“. Schmidt: „Es ist notwendig, das Bewusstsein der Ärzte für seltene Erkrankungen zu stärken.“

Auch der Gesundheitsökonom und SPD-Bundestagsabgeordnete, Prof. Dr. med. Karl Lauterbach, sieht ein Versorgungsproblem bei den seltenen Erkrankungen. „Die Versorgung ist zu wenig zentrali- siert und zu wenig spezialisiert“, sagt er. Es gebe eine Unter-, Fehl- und Überversorgung: eine Unter- versorgung, weil es zu wenig Dia- gnosen gebe, eine Fehlversorgung, da häufig Ärzte behandelten, die nicht ausreichend spezialisiert sei- en, und eine Überversorgung durch die Behandlung auftretender, aber überflüssiger Komplikationen durch Fehldiagnosen. Dort müsse man ge- gensteuern. Lauterbach hofft, dass der Gemeinsame Bundesausschuss schnell – möglichst noch 2007 –

„allgemeine Qualitätsanforderun- gen“ definiert. Diese sollten jedoch nicht wie bei den DMP auf jede ein- zelne Erkrankung zugeschnitten werden. Es gehe nicht darum, „in- ternational unschlagbare Qualitäts- anforderungen“ aufzustellen, son- dern darum, rasch die „gravierende Fehlversorgung“ zu beseitigen.

Besserung verspricht sich Lauter- bach auch durch die Gesundheitsre-

form, genauer, von der Änderung des §116 b des SGB V. Dieser sieht die Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung bei selte- nen Erkrankungen vor. Gerade mal fünf Unikliniken hätten Verträge da- zu abgeschlossen. Bisher gingen die Behandlungskosten in solchen Spe- zialambulanzen zulasten der Bud- gets der ambulanten Versorgung.

Das ändert sich nun mit der Reform.

Neues Forschungsnetzwerk

Aber nicht nur die Versorgung ist verbesserungswürdig; auch die Er- krankungen und neue Therapien sind bisher nur unzureichend er- forscht worden. Für die Pharmain- dustrie ist der Kundenkreis zu klein, um große Gewinne zu erzielen, der finanzielle Aufwand für ein neues Medikament ist hingegen enorm.

Erst seit die EU im Jahr 2000 mit der Orphan-Drug-Verordnung monetä- re Anreize geschaffen hat, steigen die Zulassungszahlen. Um auch die Forschung voranzutreiben, hat nun das Netzwerk „E-Rare“ seine Arbeit aufgenommen. Dieses soll die Forschungsaktivitäten von Frank- reich, Italien, Spanien und Deutsch- landsowie der Türkei und Israel bündeln. Wo bisher nationale Kom- petenznetze ihre Forschung auf wenige Hundert Patienten ausrich- ten mussten, können sie nun auf weitaus mehr Studienteilnehmer zurückgreifen. Zugleich sollen Mediziner europaweit gemeinsame Datenbanken aufbauen und sich über Krankheitsverläufe austau- schen. Finanziert wird E-Rare von den Teilnehmerländern mit knapp 13 Millionen Euro für die nächsten drei Jahre. E-Rare basiert dabei auf bereits bestehenden nationalen Netzwerken. Hierzulande fördert das Forschungsministerium zehn solcher Projekte mit insgesamt 30 Millionen Euro. „Der Ansatz ist gut, jede Initiative, länderüber- greifend zusammenzuarbeiten, ist positiv“, sagt Eberhard Kroll, Geschäftsführer der Pharmafirma Orphan Europe Deutschland. Aller- dings könne die Finanzierung mit 13 Millionen Euro nur ein kleiner Anfang sein. „Mehr Geld wäre wünschenswert“, so Kroll. I Timo Blöß

SELTENE ERKRANKUNGEN

Häufig nicht erkannt

Rund vier Millionen Menschen leiden in Deutschland

an seltenen Erkrankungen. Um deren Behandlung zu

verbessern, will die EU die Forschung vernetzen.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Zu den Partnern zählen ne- ben dem ZQ die medizinische In - formatik der Universitätsmedizin Mainz, die Klinik für Dermatologie und Venerologie des Universitätskli- nikums

● Infektion oder Intoxikationen während der Schwangerschaft (Röteln oder andere bakterielle oder virale Infekte, Alkohol, Rauschgift, Medika- mente);. ● Kongenitale Mißbildungen,

Amerikas, die Ruβland nahe liegen, oder unmit- telbar damit durch Ansiedelungen verbunden sind würdig zu seyn. eignen

B ei den meisten (81 Prozent) der als depressiv richtig erkannten Pati- enten sahen die Ärzte eine medika- mentöse Therapie als indiziert an; bei 70,1

34 Prozent der Patienten eine Re- ruptur der Sehne, nach einer opera- tiven Versorgung sind es nur etwa 5,4 Prozent.. Dafür wird nach der Literatur bei einer offenen Operation in

Ich denke über mein eigenes Handeln nach.. Daran möchte ich

Ich denke über mein eigenes Handeln nach... Daran möchte ich

Ich frage nach, wenn ich das Feedback nicht verstehe.. Feedback und Tipps helfen mir, mich