DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
E
ine „Hiobsbotschaft" in Form eines „Sondergut- achtens" hat der Sachver- ständigenrat für die Konzertier- te Aktion im Gesundheitswesen Bundesgesundheitsministerin Gerda Hasselfeldt unterbreitet.Die drei Fragen zur Analyse der Ausgabenentwicklung der Kran- kenkassen seit 1990, zur mit- telfristigen Kostenstabilisierung und zum Postulat der Beitrags- satzstabilität beantwortet der Rat der sieben Gesundheitswei- sen ebenso eindeutig wie die Analyse der Kassenfinanzen in den Jahren 1991/92. Gleichsam mit wissenschaftlichem Bestäti- gungsvermerk haben die Sach- verständigen einen Ausgaben- überhang in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in der Rekordhöhe von sieben Mil- liarden DM prognostiziert (wie bereits zuvor vom Hasselfeldt- Ministerium befürchtet). Inso- fern kann es — aus der Sicht des Rates — für die Politik keine Ent- warnung an der Ausgaben-/Ko- stenfront geben.
Erfreulich offen und Fehl- deutungen korrigierend nennt der Rat die Kostenverursacher beim Namen und gibt Anhalts- punkte zur Quantifizierung, oh- ne „Folterinstrumente" zur Ko- stendämpfung zu empfehlen.
Zutreffend stellt der Rat fest: Das Gesundheitswesen als besonders personalintensiver,
Krankenversicherung
Beitragsdeckelung kein Ausweg
aber wenig rationalisierbarer Dienstleistungssektor hat seinen (notwendigerweise immer höher werdenden) „Preis". Es bean- sprucht — neben dem Anstieg der Zahl der Versicherten — Mit- tel in einem so hohen Umfang, daß die Finanzierung der immer aufwendiger werdenden Lei- stungen nicht im Rahmen des Zuwachses der beitragspflichti- gen Einnahmen möglich ist.
Auch mittelfristig könne unter den gegebenen (nur politisch zu ändernden) Rahmenbedingun- gen nicht mit Ausgabensteige- rungen gerechnet werden, die unterhalb oder parallel zum je- weiligen Zuwachs der Grund- lohnsumme verlaufen. Zudem wachse die Anspruchsinflation, und es würden zunehmend teu- rere Behandlungstechnologien eingesetzt.
Deshalb seien Forderungen illusorisch, die Beitragssätze ein- zufrieren, Höchstsätze gesetz- lich vorzuschreiben, ohne die medizinische Versorgung zu be- einträchtigen. Eine bloße „Nach- besserung" des umstrittenen
„Ge sundheits-Reformgesetzes"
reiche nicht aus, um Steuerungs- defizite zu beseitigen und mittel- fristig Beitragssatzstabilität zu erreichen. Dazu seien „ein- schneidendere Maßnahmen" er- forderlich. Falls im günstigsten Fall sämtliche erhofften Spar- und Struktureffekte erzielt wür- den (was aber nur Theorie ist), könnten allenfalls 3,7 Milliarden DM zugunsten der defizitären Kassenfinanzen „eingespielt"
werden (1992 nur maximal 720 Millionen DM).
Ein so komplexes System wie das Gesundheitswesen kann eben nicht durch eine Spirale von Dauerinterventionen und administrativen Eingriffen stabi- lisiert werden. Schon gar nicht können damit die Effizienz und Qualität erhöht werden. Die Mehrheit des Rates baut des- halb weniger auf Kontrollen und dirigistische Normen als viel- mehr auf mehr Marktwirtschaft und steuernde Mechanismen.
Dazu sollen durchgängig Bonus- Malus-Regelungen bei den Lei- stungserbringern und Selbstbe- teiligungen bei den Patienten in- stalliert werden (bis hin zum völ- ligen Ausschluß von Bagatell- Leistungen). Als Beitragsstabili- satoren und „Kostendämpfer Nummer 1" werden der Abbau von Überkapazitäten und eine grundsätzliche Neubewertung der Prioritäten in der Gesund- heitssicherung empfohlen. HC
B
eispiel 1: Ausgerechnet am Jahrestag der „Großen Oktoberrevolution", am 7.November, zeigte das Russische Fernsehen einen von einem amerikanischen Konzern ge- sponserten Film. Natürlich ent- hielt er Werbespots. Was darin von westlicher Lebensart zu se- hen war, ist aber für die russi- schen Zuschauer vorläufig eben- so unerreichbar wie die privaten Lebensumstände der Nomenkla- tura, die sich früher beim Ab- nehmen der Revolutionspara- den fürs Fernsehen filmen ließ.
Beispiel 2: Am Abend des Revolutionsfeiertages brachte das Russische Fernsehen den er-
Beispiele
Sponsern
sten Teil einer westlichen Fern- sehdokumentation über den Aufstieg von Michail Gorba- tschow. Zum Teil erstmals konn- ten die russischen Zuschauer In- terviews mit Funktionären sehen
— Wegbereitern, aber auch Geg- nern der Liberalisierung —, die sie bisher nur dem Namen nach kannten. Der Eindruck war um so stärker, als alle Äußerungen und Interviews in der Original- sprache Russisch belassen wor-
den waren. Übrigens hatte die Ausstrahlung dieser Sendung in Moskau lange auf der Kippe ge- standen, weil das Russische Fernsehen kein Geld hatte, um die Senderechte zu erwerben.
Schließlich sprang ein ameri- kanischer Pharmakonzern als Sponsor in die Bresche.
Jetzt wird es jeder gemerkt haben: Beispiele 1 und 2 betref- fen die gleiche Sendung (die Werbespots zeigten unter ande- rem westliche Krankenhäuser und Medizintechnik).
Und nun kann jeder selbst entscheiden: Sponsoring durch die Arzneimittelindustrie — gut oder schlecht? gb
Dt. Ärztebl. 88, Heft 49, 5. Dezember 1991 (1) A-4329