• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Hilfe für die Opfer von Auschwitz: Geld und Medikamente für ehemalige KZ-Häftlinge" (03.04.1992)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Hilfe für die Opfer von Auschwitz: Geld und Medikamente für ehemalige KZ-Häftlinge" (03.04.1992)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

BLICK INS AUSLAND

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Hilfe für die Opfer von Auschwitz

Geld und Medikamente

für ehemalige KZ-Häftlinge

Foto: Rolf Schulten/octopus

120 waren sie, als sie 1980 zu- sammentrafen und einen Verein ehemaliger Häftlinge nationalsoziali- stischer Konzentrationslager in Zgorzelec gründeten. Heute leben noch 61.

Mitten im Neubaugebiet von Zgorzelec, dem polnischen Teil von Görlitz, auf dem Grün zwischen ver- witterten Betonbauten und Park- platz, steht eine Preßplatten-Barak- ke. Sie ist der ganze Stolz des Ver- eins, für die meisten Mitglieder der Mittelpunkt ihres Lebens.

Mittwochs ist es im Clubheim immer besonders voll, dann hält der Internist und Dermatologe Kotylo Sprechstunde. Seit drei Jahren be- handelt der Kollege die ehemaligen Häftlinge. Sie alle sind gezeichnet durch das KZ-Syndrom, brauchen als extrem Traumatisierte besondere Zuwendung, viel Zeit und einen Arzt, dem sie vertrauen.

Dr. Kotylo wurde früher von ei- nem katholischen Hilfswerk aus Deutschland bezahlt, das sich plötz- lich aus dem Projekt zurückzog, oh- ne Gründe zu nennen. Im letzten Jahr, als sich auch die wirtschaftliche Situation des Arztes dramatisch ver- schlechterte, wurde er von einem Privatmann aus Hessen mit 1200 DM unterstützt. Für 1992 war die Bezah- lung jedoch nicht mehr gesichert.

Keiner der ehemaligen Häftlin- ge fühlt sich in den unpersönlichen Kliniken des desolaten polnischen Gesundheitswesens gut behandelt.

Die langen Anfahrtswege und War- tezeiten sind diesen Menschen nicht zumutbar. Oft hören gerade die am Überlebenden-Syndrom Erkrankten dort nur, daß sie zu alt seien für psy- chotherapeutische Behandlungsme- thoden.

Dr. Jozef Panasewicz, Leiter der Beratungsstelle für Kriegs- und La- gerkrankheiten in Warschau, schreibt, daß „es unter den Perso- nen, die das Lager überlebt haben, keine Gesunden gibt". Er definiert

Ein ehemaliges KZ-Opfer mit seinen Fotos aus der Auschwitzer Häftlingskartei

das KZ-Syndrom als „krankhafte Veränderungen des Knochengerü- stes, neuro-psychische Veränderun- gen und komplexes Auftreten von mehreren Krankheiten verschiede- ner Organe".

Die wirtschaftliche Katastrophe Polens, auf dem schwierigen Weg in die Marktwirtschaft, trifft die ehe- maligen Häftlinge besonders hart.

Von diesem Jahr an wird ihre spezi- elle NS-Opfer-Rente um die Hälfte gekürzt. Seit November 1991 müssen auch polnische Rentner ihre Medi- kamente und Heilhilfsmittel voll- ständig selbst bezahlen, und das bei gleichen Preisen wie in Deutschland.

Keiner der Clubmitglieder, deren Rente bei 150 DM liegt, weiß, woher er das Geld für die Medikamente nehmen soll, die jeder von ihnen so dringend braucht . . .

2,50 mal 4 Meter mißt das Be- handlungszimmer, vom Clubraum nur durch eine Sperrholzwand abge- trennt. Durch die Tür und das kleine Fenster pfeift der Wind. Ein Hand- waschbecken in der Ecke, eine Toi- lette gibt es nicht im Haus. Tablet- ten-Schachteln lagern hinter Lum- penvorhängen in rohen Sperrholz-

Regalen, außer der ramponierten Trage gibt es keine Untersuchungs- oder Behandlungsgeräte.

Es ist nicht einmal sicher, ob der Club die Baracke behalten kann.

Der ehemalige Direktor der Zgorze- lecer Kohlengrube, selbst ein ehema- liger KZ-Häftling, hatte das Haus mietfrei überlassen. Inzwischen ist er gestorben. Niemand weiß, was nun geschieht.

Die ehemaligen Häftlinge in Zgorzelec haben niemals Entschädi- gungen von der Bundesrepublik Deutschland bekommen. Als sich Bonn in den 70er Jahren im Zuge der „Ostverträge" kurzfristig etwas spendabel zeigte und an den polni- schen Staat pauschal magere Ent- schädigungen zahlte, kam von die- sem Geld in Zgorzelec nichts an.

Die Koordinationsstelle medizi- nische Hilfe für ehemalige KZ- Häftlinge an der Ärztekammer Ber- lin unternahm viele erfolglose Ver- suche, bei Behörden und Hilfsorga- nisationen Geld für die medizinische Versorgung der ehemaligen Häftlin- ge zu erhalten. Erst nach Einschal- ten von Berliner Funk und Presse flossen Spendengelder und Indu- striespenden.

Am 5. Februar brachte der dritte Hilfstransport Hörgeräte, Rollstüh- le, Blutzucker-Meßgeräte, Einmal- spritzen, Kreislaufmittel und Anti- rheumatika nach Zgorzelec. Dr. Ko- tylos Finanzierung ist für dieses Jahr gesichert.

Weitere Hilfsaktionen sind ge- plant. Angestrebt wird eine Finan- zierung der medizinischen Versor- gung in Zgorzelec für mindestens zehn Jahre. Überall in Polen leben ehemalige KZ-Häftlinge, nur wenige 100 Kilometer weiter, in Wroc}aw (Breslau), leben 800 von ihnen medi- zinisch völlig unversorgt. Wiedergut- machen kann man zwar nichts, aber versuchen, die Wunden von damals zu lindern.

Wir bitten um Spenden auf das Konto der Deutschen Ärztegemein- schaft für medizinische Zusammen- arbeit e. V., Stichwort: „Arzt für Po- len", Konto-Nr. 971-105, PGA Ber- lin, BLZ: 100 100 10.

Dr. med. Claudia Malzfeldt Ärztekammer Berlin A1-1216 (32) Dt. Ärztebl. 89, Heft 14, 3. April 1992

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

21 Eine Auflistung aller bekannten Lager in Wien findet sich bei Eleonore Lappin, Ungarisch-Jüdische Zwangsarbeiterinnen in Österreich 1944/45.. 22 Eine

Nicht alle Flüchtlinge, die 1945 nach Tirol kamen, waren jüdische Holocaust-Überlebende, ehemalige KZ-Häftlinge oder sonstige Opfer des Nationalsozialismus.. So wie die

Der Kinderfreibetrag soll auf 4500 DM angehoben werden; der Steuerausfall wird mit knapp 6 Milli- arden Mark beziffert. Auch eine Er- höhung des Grundfreibetrages sei

Die Europäische Union ver- fügt damit über ein langfristiges Ak- tionsprogramm (1996 bis 2000) zur Gesundheitsförderung, -aufklärung, -erziehung und -ausbildung, das nicht auf

Eine vernünftige und kosten- günstige Behandlung kann dieses Gesundheitswesen nicht garantieren usw. Dreßler hat Argumentati- on

mich, das schließlich nach sehr eingehenden Untersu- chungen im Jahre 1968 mit der Anerkennung der Staatsanwälte, was nicht gerade häufig vorkommt, eingestellt wurde, daß die

Im Jahre 1983 nach einer Europareise des ersten de- mokratisch gewählten Vor- sitzenden des „Colegio M6dico de Chile" sind Ver- waltungsbezirke der chile- nischen

Auch bin ich fest über- zeugt, daß viele andere Kol- legen während der damaligen schweren Zeit sogar unter großer eigener Gefahr Pa- tienten geholfen haben, die von