• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "KZ-HÄFTLINGE: Bekenntnis" (05.11.1986)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "KZ-HÄFTLINGE: Bekenntnis" (05.11.1986)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES ARZTEBLATT

BRIEFE AN DIE REDAKTION

KZ-HÄFTLINGE

Zu der Besprechung des von Fridolf Kudlien herausgegebe- nen Buches „Ärzte im Natio- nalsozialismus" durch Prof.

Dr. med. Hans Schadewaldt, in Heft 17/1986, Seite 1187, schreibt ein Betroffener:

Bekenntnis

Im Sammelwerk Kudliens und den „Arbeitsbüchern"

Dr. Wuttke-Gronebergs, des Meisters der kriminel- len Ausdeutung der deut- schen Ärzte, finden sich als verdächtigt, geächtet und verurteilt Männer, zu deren Schülern ich mich zähle und die ich hoch achte. Ich bin nicht geneigt hinzu- nehmen, daß die Grabstei- ne Hans Bürger-Prinzens, August Mayers, Otfried Müllers, Alfred Schitten- helms, Richard Siebecks, Viktor von Weizsäckers umgeworfen und besudelt werden.

Ich würde, wüßte ich über ihre Schicksale hinrei- chend Bescheid, weitere Namen nennen, erlebte ich doch, wie viele gute Män- ner verhärmt, verbittert und mundtot geschlagen umkamen und zu den ärzt- lich Verkommenen gezählt werden. Wohl begingen viele grauenhafte, unver- zeihbare und aus der Ge- schichte des Arztstandes nicht zu löschende Verbre- chen, aber manch anderer sollte nicht geächtet blei- ben.

Einige, die dies lesen, grei- fen — das weiß ich genau — jetzt zu ihren Vorderladern, um sie mit Anschwärzpul- ver zu stopfen. Ich gehöre nun einmal zu den Haß- und Verdammungsobjek- ten, wenn ich auch dem Buche Kudliens glaube entnehmen zu dürfen, daß man mich für abgelebt und deshalb einstampfbar hält.

Bei der Rückkehr aus so- wjetischer Kriegsgefangen- schaft Ende 1955 beschrie die DDR den „meineidigen

Massenmörder", der Tau- sende russischer Kriegsge- fangener und KZ-Häftlin- ge durch Verabreichung hochwertiger Eiweißpräpa- rate habe zu Tode kommen lassen.

Ich bekenne mich dazu, al- les, was an Eiweiß in den Jahren 1943/44 noch greif- bar war oder speziell für die Konzentrationslager produziert wurde, dorthin dirigiert zu haben als die einzige Möglichkeit, Ver-

hungernde am Leben zu erhalten. — Manchmal, so auch hier, offenbart tö- richt-verblendeter Haß die Wahrheit. Dies leitet über zu dem diffamierenden und diskriminierenden Verdikt des Herrn Michael H. Kater wegen der Beteiligung an den „Ernährungsversu- chen" im K. L. Mauthau- sen. Der ursprüngliche Be- richt über die sogenannten

„Versuche" stammt von dem KZ-Häftling und über- zeugten Kommunisten

Heinz Mar§alek („Mauthau- sen mahnt", wahrschein- lich 1946, S. 64); dieser wurde vom Arbeitskreis Dr.

Wuttke („Heilen und Ver- nichten im Nationalsozia- lismus", Tübingen 1982, S.

52) übernommen, und Ka- ter plappert ihn ohne eige-

ne Prüfung nach.

Der Maräalek-Bericht ist nun in den wesentlichsten Stücken gefälscht und auf eine bestimmte Richtung hin getrimmt. „Dialekti- sche" Bearbeitung eines Stoffes istfüreinen Kommu- nisten nun einmal Pflicht- übung und gehört zum Handwerk; Dr. Wuttke-Gro- neberg, als anscheinend fa- miliär Betroffenem, sehe ich die kritiklose Weitergabe nach, nicht aber dem Lehr- stuhlinhaber und Zeithisto- riker Kater.

Als Medizinhistoriker ohne Äskulapstab konnte ihm natürlich nicht auffallen, daß im Jahre 1944 keine Klinik der Welt, geschwei- ge denn das Zimmerlabo- ratorium eines Konzentra-

tionslagers in der Lage ge- wesen wäre, innerhalb von 8 Monaten hochgerechnet 150-170 000 Blutentnah- men und ein Mehrfaches von Blutanalysen durchzu- führen. Es sei ihm verzie- hen, daß er diese einfache Multiplikation der Angaben nicht vornahm und darüber stutzig wurde. Aber ein

Zeitgeschichtsforscher muß ja Urkundenjäger sein, will er „Erkenntnisse" sam- meln. Wäre Kater an der Wirklichkeit interessiert ge- wesen, so hätte er die Ver- suchsprotokolle des biede- ren Tschechen Herrn On- draczek eingesehen, der mit sauber ausgeführten Tabellen und Kurven deut- lich machte, daß von der ungeheuren Zahl von Blut- entnahmen . keinerlei Rede sein konnte. (Dieses Proto- koll dürfte einsehbar sein in Prag, leichter im Bun- desarchiv Koblenz.) Nun, wer mag schon Proto- kolle in Schönschrift lesen!

Aber gerichtsnotorisch wä- re immerhin das Urteil des Militärtribunals III in Nürn- berg vom 3. November 1947 gewesen, in dem es nach eingehenden Unter- suchungen heißt: „Das Ge- richt erkennt, daß die Er- nährungsversuche ... le- diglich erlaubte Versuche über den Nährwert von Nahrungsmitteln darstell- ten. Als solche trugen sie selbstverständlich keinen verbrecherischen Charak- ter." (Es war der einzige Punkt, in welchem der Hauptangeklagte Pohl frei- gesprochen wurde. — Ich selbst war damals noch verschollen.) Wie auch im- mer: Fehlanzeige bei Ka- ter!

Jedoch hätte er später Ge- legenheit gehabt, sich über die Vorgänge zu unterrich- ten, denn ab 1963 lief ein Ermittlungsverfahren des

„Leiters der Zentralstelle im Lande Nordrhein-West- falen für die Bearbeitung von nationalsozialistischen Massenverbrechen in Kon- zentrationslagern" gegen

mich, das schließlich nach sehr eingehenden Untersu- chungen im Jahre 1968 mit der Anerkennung der Staatsanwälte, was nicht gerade häufig vorkommt, eingestellt wurde, daß die Versuchspersonen im Ver- gleich zu den übrigen Häft- lingen insgesamt besser- gestellt waren und alles un- ternahmen, um den Ab- schluß der Versuche hin- auszuzögern . . . Auf die Frage der Staatsanwälte nach etwaigen gesundheit- lichen Schäden durch die

„Versuche" (die ja gar kei- ne waren) äußert ein fran- zösischer Zeuge, der be- troffen war: „Ich glaube ehrlich, daß diese Versu- che niemandem geschadet haben. Sie waren im Ge- genteil sowohl für die ver- antwortlichen Deutschen als auch für die Laboranten und ‚Versuchskaninchen' eine Gelegenheit, sich zu drücken." —

Leider ist nicht abzustrei- ten, daß vor allem vor und während der Untersu- chungsperiode zahlreiche der beteiligten Häftlinge verstarben.

Der oben genannte franzö- sische Zeuge sagt dazu zu dem vernehmenden Staats- anwalt: „Die Häftlinge ..., die schon gesundheitlich geschädigt waren, waren im ‚Krankenlager', wo die Sterblichkeit durch Ruhr, Typhus etc. täglich zunahm und zum Schluß ein enor- mes Ausmaß annahm. Mei- ner Meinung nach muß man den Tod dieser Häft- linge ausschließlich auf diese Krankheiten zurück- führen, da die Versuche, denen sie unterstellt wa- ren, an sich nicht gefähr- lich waren." —

Man könnte mir hier für Zu- stände, von denen ich seit 1944 nichts mehr erfuhr, Verantwortung übertragen.

Doch sagen die ermitteln- den Staatsanwälte, daß ich für die allgemeinen Ver- hältnisse im Lager keine ei- gene Verantwortung trug. >

3074 (10) Heft 45 vom 5. November 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

(2)

Basis erfolgreicher Diabetes-Therapie

• bewährte Wirksubstanz

• Urinzuckerselbstkontrolle

• Motivation zur besseren Diäteinhaltung

Glukoreduct

Das Komplettprogramm für eine bessere Diabetikerführung

6 Teststreuen zum Schnellnachweis nerGluiroserin

Mit Teststreifen

mehr als ein Medikament

• besonders geeignet zur Ersteinstellung

• günstig im Preis

Zusammensetzung: 1 Tablette Glukoreduct enthält 3,5 mg Glibenclamid. 1 Tablette Glukoreduct mite enthält 1,75 mg Glibenclamid. Anwendungsgebiet: Erwachsenen- Diabetes (Typ II-Diabetes), wenn Diät allein nicht ausreicht. Gegenanzeigen: Insulin- pflichtiger Typ I-Diabetes (juveniler Diabetes), diabetisches Koma, diabetische Stoff- wechselentgleisung (z. B. Ketoazidose), schwere Leber-, Nieren- oder Schilddrüsen- erkrankungen, Überempfindlichkeit gegen Glibenclamid, Schwangerschaft. Neben- wirkungen: Übelkeit, Druck- oder Völlegefühl, Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut und Veränderungen des blutbildenden Systems sind sehr selten. Bis zur opti- malen Einstellung bzw. bei Präparatwechsel sowiedurch unregelmäßigeAnwendung kann das Reaktionsvermögen soweit verändert werden, daß z.B. die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr oder zum Bedienen von Maschinen beein- trächtigt wird.

Wechselwirkungen: Bei gleichzeitiger Einnahme von Glukoreduct oder Glukore- duct mite und bestimmten anderen Medikamenten sowieAlkohol kann eszu Wechsel- wirkungen kommen (nähere Angaben siehe Gebrauchsinformation). Dosierung:

Glukoreduct: Bei Behandlungsbeginn in der Regel Tablette täglich, falls erfor- derlich Steigerung bis zu 3. in Ausnahmefällen 4 Tabletten möglich. Glukoreduct mite: Bei Behandlungsbeginn in der Regel ' ,2-1 Tablette täglich, falls erforderlich Steigerung bis zu 6 Tabletten möglich. Packungsgrößen und Preise: Glukoreduct:

30 Tabletten (N1) +6 Glukose-Teststreifen DM 9,95,120 Tabletten (N3)+24 Glukose- Teststreifen DM 31,40, Glukoreduct mite: 30 Tabletten (N1) + 6 Glukose-Teststreifen DM 5,65,120 Tabletten (N3) + 24 Glukose-Teststreifen DM 20,10. Stand: Apri11986

MIDY

Midy Arzneimittel GmbH 8000 München 2

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Und wie auch? — da ich höchstens zwei= bis drei- mal unter steter Beaufsich- tigung in das Konzentra- tionslager hineingelassen wurde.

Mit der Einstellung der staatsanwaltschaftl ichen Ermittlungen wurde im Jahre 1968 anerkannt, daß die „Ernährungsversuche"

nicht gegen die Mensch- lichkeit verstießen, nicht die Menschenwürde ver- letzten und mit dem Be- rufsethos eines Arztes ver- einbar seien. Michael H.

Kater behauptet, ohne den Versuch wenigstens einer oberflächlichen Orientie- rung, zu der er als Wissen- schaftler verpflichtet gewe- sen wäre, aus voller Brust das Gegenteil.

Ohne auf die absonder- lichen Ernährungsvorstel- lungen Himmlers eingehen zu wollen, möchte ich sa- gen, daß die von ihm per- sönlich befohlenen „Groß- versuche" mir als Experten völlig unsinnig erschienen.

Ihre Durchführung konnte nicht verweigert, aber un- terlaufen werden. Und dies geschah. Mein einziger Feind seit Kindheitstagen im 1. Weltkrieg warder Hun- ger; seine Bekämpfung, wo auch immer er auftrat, mein oberstes Ziel während des 2.

Weltkrieges.

So wurden durch Falsch- berechnung der Verpfle- gungssätze die in die Un- tersuchung einbezogenen Häftlinge ganz wesentlich besser gestellt, als sie zu- vor waren. Das besagt, daß gegen 20 Tonnen hochwer- tiger, vollrationierter Le- bensmittel (zum Beispiel Getreideprodukte) und et- wa die gleiche Menge Ge- müse aus Truppenbestän- den während der achtmo- natigen Untersuchungs- dauer zusätzlich zu den

„Versuchspersonen" ge- langten, die sie in eigener Regie verwalteten. Natür- lich handelte es sich nur um einige Tropfen auf ei- nen heißen Stein.

Das Spiel wäre verloren ge- wesen, hätte sich ein Büro- krat der Berechnungen des

„Geheimnisträgers" ange- nommen.

Wenn der Kreis um Kudlien u. a. den Eindruck zu er- wecken versucht, das ge- samte Dichten und Trach- ten der deutschen Ärzte sei damals auf Vernichten, Quälen und Ausbeuten ab- gestellt gewesen, und wenn deshalb zum Beispiel der Slogan „Ausrottung der Tuberkulose!" in „Ausrot- tung der Tuberkulösen!"

verfälscht wird, so glaube ich, dies am obigen Bei- spiel widerlegt zu haben.

Man verharmlose doch nicht, was damals mit uns allen geschah. Im Jahre 1944 begann zum Beispiel, was meine Arbeitsbereiche betrifft, der Zusammen- bruch der Rationierung, und die allgemeine Hun- gersnot stand in der Tür.

Zur gleichen Zeit fiel im Sommer die deutsche Insu- linproduktion auf die Hälfte des unbedingt Erforder- lichen, im Herbst dann um ein weiteres Drittel. Welche Lasten legten sich auf die Schultern der wenigen Fachleute, die aus der überbordenden Misere

„das Beste" machen soll- ten — trotzdem wurden die Elenden im KZ Mauthausen nicht vergessen.

Abschließend sei jedoch auf ein Positivum hinge- wiesen, nämlich eine Neu- entdeckung der psychohi- storischen Schule, die auf Zeitgeschichtler Anzie-

hungskraft ausübt. Sie er- gänzt und erweitert das durch Stimmgabel objekti- vierbare „absolute Gehör"

durch das per Selektion stichhaltigen Materials subjektivierbare „absolute Gespür" — ein Arbeitsmittel nicht ohne Zukunft!

Ernst-Günther Schenck Arzt

Lutherweg 23 5100 Aachen BRIEFE AN DIE REDAKTION

3076 (12) Heft 45 vom 5. November 1986 83. Jahrgang

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

KZ Mauthausen an die österreichische Bundesregierung mit dem Auf- trag der dauerhaften Erhaltung wurde vom Mauthausen Komitee Österreich ein Oratorium für Soli, Chor und Orchester

Außerdem sieht der Ge- setzesantrag vor, dass Fehl- einweisungen in ein psychia- trisches Krankenhaus nicht mehr nur durch Entlassung korrigiert werden sollen, son- dern unter

Die Koordinationsstelle medizi- nische Hilfe für ehemalige KZ- Häftlinge an der Ärztekammer Ber- lin unternahm viele erfolglose Ver- suche, bei Behörden und Hilfsorga- nisationen

Eine vernünftige und kosten- günstige Behandlung kann dieses Gesundheitswesen nicht garantieren usw. Dreßler hat Argumentati- on

Ergebnis einer Um- frage bei den Mitgliedern der Kas- senärztlichen Vereinigung Westfa- len-Lippe, Band 76, Schriftenreihe des Instituts für Gesundheits-Sy- stem-Forschung,

(11.4) setzt sich aus der (in Abschnitt 10 diskutierten) allgemeinen L¨ osung der homogenen Wellengleichung (9.11) und einer speziellen L¨ osung der inhomogenen

Nach intensiven Diskussionen zwi- schen dem VSB und der Forschungsanstalt wurde vor rund zehn Jahren entschieden, dass an der Forschungs- anstalt nur noch ein Nuklearstock

Auch bin ich fest über- zeugt, daß viele andere Kol- legen während der damaligen schweren Zeit sogar unter großer eigener Gefahr Pa- tienten geholfen haben, die von