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50 Jahre Anerkennung von Obstgehölzen

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50 Jahre Anerkennung von Obstgehölzen

Noch heute profitiert der Schweizer Obstbau von der virologischen Arbeit von Gustav Schmid und René Bovey, die vor 50 Jahren begann. Ob sich die Anerkennung (Zertifizierung) bei Obstgehölzen durchsetzen wird, entscheiden die Obstproduzenten. Da bekanntlich die Nachfrage das Angebot regelt: Werden anerkannte Jungpflanzen nicht mehr verlangt, wird sich die virologische Qualität der Obstbäume langsam wieder zurück zur Situation anno 1959 bewegen.

Markus Bünter, Beatrix Buchmann, Santiago Schaerer, Carole Balmelli und Sébastien Besse, Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW

Andres Altwegg und Alfred Husistein, Concerplant Peter Latus, Bundesamt für Landwirtschaft BLW markus.buenter@acw.admin.ch

«Viruskrankheiten können an Obstgehölzen und Früch- ten grosse Schäden verursachen. Die Anzucht und Be- schaffung von virusfreiem Pflanzenmaterial erwies sich deshalb als eine wichtige Aufgabe unserer Forschungs- anstalt. Die Arbeit in dieser Richtung wurde 1959 aufge- nommen.» schrieb Schmid (1979) in der Publikation

«Virusfreie Obstgehölze». Diese Aussage gilt auch heute noch.

Beginn vor 50 Jahren

Die Anerkennung von Obstgehölzen wurde von Virolo- gen entwickelt. Nachdem im Juni 1954 in Wädenswil mit dem ersten internationalen Treffen «Symposium on Fruit Tree Virus Diseases» der Grundstein gelegt worden

war, begann vor 50 Jahren an der Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW mit Gustav Schmid und René Bovey die Virologie-Forschung bei Obstgehölzen. Nach Einführung von Testmethoden (In- dexing) und Wärmebehandlung (Virusfreimachung) wurden Ende der 60er-Jahre in Changins (VD) und Grabs (SG) zwei Edelreiserschnittgärten angelegt. Mehr als 30 Jahre lang wurden alle Schweizer Obstbaumschu- len mit geprüften, virusfreien Edelreisern aus diesen Gärten beliefert (Abb. 2). Wie Schmid (1979) beschreibt, war dies dringend notwendig, weil «mehr als 75% der ge- prüften Steinobstsorten von einer oder mehreren Viro- sen befallen waren. Viele Sorten wiesen eine totale Ver- seuchung auf. Bei Apfelbäumen war es noch schlimmer.

Von den älteren Sorten wurde keine gefunden, die nicht irgendein Virus in sich hatte ...». Damals begann der Wandel vom Hochstamm-Obstbau über Drei-Ast- Hecken zu den heutigen Obstanlagen auf schwach wachsenden Unterlagen. Virus-Symptome waren auf diesen kleinen Bäumen meist früher und stärker ausge- prägt, vor allem Ertragsreduktionen und/oder Ausfälle

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Abb. 1: Vermehrungsschema für Obstgehölze.

(aus Kellerhals et.al. 1997,angepasst durch Markus Bünter)

Abb. 3: Nuklearstock für Obstgehölze an der ACW in Wä- denswil. Hier befinden sich zurzeit 340 virus- und phy- toplasmenfreie Obstsorten.

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55

AnzahlBaumschulen/Organisationen 196919691969 1971 1973 1975 1977 1979 1981 1983 1985 1987 1989198919891989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009

Abb. 2: Anzahl Lieferung aus dem Edelreiserschnitt- garten Grabs. Ab 2004 vom Nuklear- stock für Obstge- hölze der ACW, Standort Wädens- wil.

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stellt die Anerkennung (Zertifizierung) die Garantie für virus- und phytoplasmenfreies Pflanzenmaterial dar. Vi- rosen werden hauptsächlich bei Veredelungen oder Wur- zelverwachsungen übertragen. Diese beiden Übertra- gungswege sind im Anerkennungsschema (Abb. 1) aus- geschlossen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass viele Jungpflanzen mit dem Status vf, die nicht im Anerken- nungsschema kontrolliert und vermehrt wurden, nach 10 bis 20 Jahren wieder Virosen aufweisen. Eine Vektor- übertragung ist jedoch nur bei Phytoplasmen und eini- gen Viren bekannt. Weit wichtigere Übertragungswege fürViren und Phytoplasmen sindVeredelungen mit kran- ken Unterlagen oder Edelreisern und Wurzelverwach- sungen in Baumschulparzellen oder Obstanlagen. Mit grosser Wahrscheinlichkeit sind die Viren bei Veredelun- gen mit krankem Pflanzenmaterial oder durch Wurzel- verwachsungen auf die vf-Pflanzen übertragen worden.

Wie in Abbildung 2 ersichtlich, gingen ab Ende der 80er-Jahre die Edelreiserlieferungen aus den Schnittgär- ten zurück. Die Baumschulen schnitten die Edelreiser vermehrt in den eigenen Baumschulparzellen oder Edel- reiserschnittgärten. Nach intensiven Diskussionen zwi- schen dem VSB und der Forschungsanstalt wurde vor rund zehn Jahren entschieden, dass an der Forschungs- anstalt nur noch ein Nuklearstock für Obstgehölze be- trieben wird (Abb. 3) und dass die P1- und P2-Parzellen für Edelreiser und Unterlagen von wenigen Baumschu- len betrieben werden. Dies führte 2003 zur Auflösung der Edelreiserschnittparzelle in Grabs und zum Umzug des Nuklearstocks nach Wädenswil. Einige Jahre davor wur- de der Edelreiserschnittgarten in Changins an eine Baumschule übergeben. 1994 bis 1996 entstanden die ersten zertifizierten Edelreiserschnittgärten und Unter- lagen-Mutterbeete bei verschiedenen Baumschulen.

Anerkennung von Obstgehölzen heute

Mit der Anerkennung erhalten die Erwerbsobstprodu- zenten Pflanzenmaterial mit kontrollierter Sortenecht- heit, Gesundheit, insbesondere Virus- und Phytoplas- menfreiheit; es ist frei von Quarantäneorganismen (Pflanzenpass) und von definierter äusserer Qualität.

sowie schwacher Wuchs und Symptome an Blättern und Früchten. Um die Abgabe virusfreier Edelreiser zu re- geln, erarbeitete der Verband Schweizerischer Baum- schulen VSB (heute JardinSuisse) mit der Forschungsan- stalt einen Rahmenvertrag.

Zu Beginn wurden Bäume, die visuell frei waren von Apfelmosaik, Gummiholz, Rillenkrankheit und Trieb- sucht, als virusgetestet (vt) bezeichnet. In den folgenden Jahren wurden dank verbesserter Nachweismethoden immer mehr Virus- und Pyhtoplasmenkrankheiten ent- deckt. Heute sind für Obstgehölze einige Dutzend Krankheiten beschrieben. Bäume, die frei waren von al- len bekannten und nachweisbaren Virosen, die Schäden an Obstgehölzen und Früchten verursachen, wurden als virusfrei (vf ) bezeichnet. Seit der Einführung der Ther- motherapie ist es möglich, kranke Pflanzen virus- und phytoplasmenfrei zu machen.

Die Begriffe vt (virusgetestet) und vf (virusfrei) sind folglich historisch und heute nicht mehr wichtig. Heute

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Anerkennung von Obstgehölzen – das Wichtigste in Kürze

Die Anerkennung von Obstgehölzen ist ein freiwilliger Zusatz zum Pflanzenpass.

Die Anerkennung ist die einzige Garantie für

Virus- und Phytoplasmenfreiheit des Pflanzenmaterials und die Rückverfolgbarkeit bis zur Mutterpflanze. Für die Freiheit von besonders gefährlichen Schadorganismen (Quarantäne- organismen) bürgt der gesetzlich vorgeschriebene Pflanzen- pass.

Im Weiteren garantiert sie - die Sortenechtheit

- die Einhaltung von Toleranzen bei Qualitätsorganismen wie Spinnmilben, Blattläusen, Schorf, Mehltau und vielen anderen.

- die Kriterien der äusseren Qualität wie minimale Stammdurchmesser und eine minimale Höhe der Pflanze und der Veredelungsstelle über Boden.

Weitere Informationen zur Anerkennung findet man unter www.nuklearstock.info-acw.ch und www.concerplant.ch ->

Zertifizierung.

Abb. 4: Anerkannter P2-Edelreiserschnittgarten. Abb. 5: Anerkanntes P2-Unterlagen-Mutterbeet.

Grundsätze der Anerkennung und technische Wegleitungen

Die schweizerische Anerkennung richtet sich an die Vor- gaben der EPPO-Standards (European and Mediterra- nean Plant Protection Organisation). Neben Obstgehöl- zen wird in der Schweiz auch Vermehrungsmaterial von Reben anerkannt. Bei beiden ist die Anerkennung frei- willig. Im Gegensatz dazu muss Saat- und Pflanzgut der Acker- und Futterkulturen anerkannt sein, damit es ver- kauft werden darf.

Für jede Vermehrungsstufe der Anerkennung besteht eine Wegleitung, in der sämtliche Definitionen, Anfor- derungen und Regeln festgehalten sind. Als Grundlage dafür dient die «gute landwirtschaftliche Praxis». Diese Wegleitungen wurden von Concerplant in Zusammen- arbeit mit ACW und den Berufsorganisationen erarbei- tet. Darin sind Anforderungen definiert wie Isolations- abstände der Parzellen, Anforderungen an den Boden und Anerkennungsdauer der Parzellen.

Das Ausgangsmaterial (Vorstufenmaterial) für die Anerkennung der Obstgehölze stammt aus einem Nu- klearstock, zum Beispiel dem der ACW oder einem aner- kannten im Ausland. In den von den Baumschulen ge- führten P1- und P2- Reiserschnittgärten (Abb. 4) und Unterlagen-Mutterbeeten (Abb. 5) wird das virus- und phytoplasmenfreie Vorstufenmaterial vermehrt, kon- trolliert und in einem letzten Vermehrungsschritt als an- erkannter Baum angeboten (Abb. 1).

Pflanzenmaterial ist nur dann anerkennbar, wenn es nach diesem Vermehrungsschema produziert wurde und sein Ursprung bis zum Mutterbaum im Nuklear- stock zurückverfolgt werden kann.

Anerkannte Obstgehölze müssen folgende Kriterien erfüllen:

Sortenechtheit.

Freiheit von Virosen und Phytoplasmosen durch das Anerkennungsschema garantiert.

Frei von besonders gefährlichen Schadorganismen (Quarantäneorganismen). Dafür bürgt der gesetzlich vorgeschriebene Pflanzenpass.

Anerkanntes Pflanzmaterial kann zudem bis zur Mutter- pflanze im Nuklearstock zurückverfolgt werden. Vor al- lem durch die Rückverfolgbarkeit wird ein echter Mehr- wert geschaffen. Im Weiteren wird auch eine ganze An- zahl bekannter Schadorganismen kontrolliert wie Spinnmilben und Blattläuse sowie Pilze (zum Beispiel Schorf und Mehltau).

Die Anerkennung von Obstgehölzen stützt sich auf das Landwirtschaftsgesetz, auf die Saatgutverordnung vom 7. Dezember 1998 sowie auf die Obst- und Beeren- obstverordnung des Eidgenössischen Volkswirtschafts- departements (EVD) vom 11. Juni 1999 (SR 916.151.2, www.admin.ch/ch/d/sr/c916_151_2.html). Die Aner- kennung wird vom Bund überwacht, die praktische Durchführung liegt bei Concerplant. Concerplant ist ein paritätisch zusammengesetzter Verein, dem einerseits die Baumschulen und andererseits die Obstwirtschaft angehören. Die Anerkennung ist ein offiziell anerkann- tes Qualitätssicherungssystem.

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R É S U M É

L’arboriculture suisse profite encore aujourd’hui des travaux de virologie initiés il y a plus de 50 ans par Schmid et Bovey. Selon la loi de l’offre et de la demande, les arboriculteurs décideront si la certification des

essences fruitières doit s’imposer. Si les plants certifiés ne sont pas demandés, alors la qualité virologique des arbres fruitiers régressera pour se rapprocher de la si- tuation observée en 1959.

La certification des arbres fruitiers depuis 1959

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In der Schweiz gibt es seit zirka fünf Jahren nur noch P2-Parzellen. Der zusätzliche Aufwand für Nach- Testungen der P1-Parzellen lohnt sich nicht. Edelreiser werden für P2-Edelreiserschnittgärten direkt aus dem Nuklearstock bezogen. Basismaterial für das Anlegen von P2-Unterlagen-Mutterbeeten werden im Ausland eingekauft.

Da die Zertifizierung freiwillig ist, unterliegt das An- gebot der Nachfrage. Viele Baumschulen haben zwar anerkannte P2-Edelreiserschnittgärten und/oder P2- Unterlagen-Mutterbeete oder haben Bezugs-Vereinba- rungen mit anderen Baumschulen. Dass die Jungpflan- zen anerkannt abgegeben werden, ist aber weitgehend noch nicht vollzogen, weil die Nachfrage von Seiten der Obstproduzenten fehlt, obwohl ein deutlicher Mehr- wert bezüglich Gesundheit, insbesondere der Virus- und Pytoplasmenfreiheit, Sortenechtheit und Rückver- folgbarkeit geboten wird.

Die Verwendung anerkannten Pflanzguts ist die beste Garantie für gute Qualität und eine erfolgreiche, dauer- hafte Produktion – für Erwerbsobstproduzenten ein

Muss!

Literatur

Kellerhals et. al.: Obstbau, 1. Auflage, 120 ff, 1997.

Schmid G.: Virusfreie Obstgehölze, Schweiz. Z. Obst-Weinbau 115 (88), 157–167, 1979.

Weitere Literatur beim Autor erhältlich.

Einhaltung von Toleranzen bei Qualitätsorganismen wie Spinnmilben, Blattläusen, Schorf, Mehltau und vielen anderen.

Kriterien der äusseren Qualität – wie minimaler Stammdurchmesser und minimale Höhe der Pflanze und Veredelungsstelle über Boden.

Anerkanntes Pflanzenmaterial ist mit einer offiziel- len Etikette (Abb. 6) gekennzeichnet. Die Angaben, die auf dem Etikett aufgeführt sind, sollten auch auf dem Lieferschein oder der Rechnung stehen.

Baumschulkontrollen und Stand der Anerkennung von Obstgehölzen

Baumschulen, die anerkannte Pflanzen produzieren, unterstehen einer regelmässigen Prüfung durch die un- abhängigen Kontrolleure von Concerplant. Die Baum- schulen sind verpflichtet, über sämtliche Kulturmass- nahmen Buch zu führen.

EU Qualität / Qualité UE Schweiz / Suisse Malus Virus free 00000000000

Sorte : Variété :

Unterlage :

Porte-greffe : Produzent : 7612469121047

Producteur : Posten Nr : N° du lot :

Gultig für : Valable pour :

Maigold M9 FL 56

10 Zertifizierte Pflanzen Sortenechtheit !

Rückverfolgbarkeit !

Ein EU-kompatibles System !

Phytosanitärer Status ! Gesicherte Herkunft !

Eine Identität !

005387-2000

Abb. 6: Offizielle Etikette.

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