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Archiv "Natrium, Wasser und unsere Eßgewohnheiten" (17.04.1992)

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DAS EDITORIAL

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Natrium, Wasser

und unsere Eßgewohnheiten

Wolfgang Forth

_ 1

as sich hinter der „Kontraktion des extrazellulären Flüssigkeits- volumens" an handfesten Sym- ptomen verbergen kann, muß die Phantasie des Arztes erst einmal in die Realitäten übersetzen: das sind Dehydrie- rungen bis zu abhebbaren Falten der Haut, Blut- eindickungen mit Neigungen zu Thromben und der nachfolgenden Ablösung von Embolie. Es ist zu Todesfällen gekommen. Es besteht kein An- laß dazu, die Geschichte zu dramatisieren, denn das sind immer Einzelfälle. Sie werden aber ge- genwärtig in der Regel nicht mit der zugrunde- liegenden Therapie mit Diuretika in Zusammen- hang gebracht. Besonders beschämend ist, daß gegenwärtig niemand in der Lage ist, die Häufig- A1 -1424 (36) Dt. Ärztebl. 89, Heft 16, 17. April 1992

keit derartiger Zwischenfälle, etwa im Vergleich mit der Zwischenfallrate konkurrierender The- rapieschemata anzugeben. Da wurden schlicht die Schulaufgaben nicht gemacht. Wer ein thera- peutisches Konzept entwirft und durchsetzt, muß dann wohl auch die Mühen der Bewertung auf sich nehmen.

Wir müssen auch in einer anderen Hinsicht unser Wissen auf den Prüfstein stellen. Wenn es um den Wasserhaushalt geht, dann können die Elektrolyte nicht unerwähnt bleiben. Der wich- tigste Träger der Tonizität im Körper sind die Natriumionen, die seit Volhards Erkenntnissen mit der Pathogenese des Hochdrucks in Zusam- menhang stehen. Zu Recht, wenn auch die Dis- kussion gegenwärtig darum geht, daß eigentlich nur ein Teil der Menschen, die zu einer Hyperto- nie neigen, natriumempfindlich ist. Das ist aber eine ganz andere Geschichte (1, 2, 4).

Wichtig ist, daß sich seit Volhards Zeiten das Therapieschema der Hypertonie grundlegend verändert hat: Es gibt heute so gut wie keinen Patienten, der an Hypertonie oder auch an einer Herzinsuffizienz leidet, der nicht Bekanntschaft mit Diuretika gemacht hätte. Das bedeutet, daß die erwähnte Kontraktion des Extrazellulärvolu- mens für jeden dieser Patienten eine Realität darstellen kann. Wenn Arzt und Patient im Lau- fe der Behandlung mit dem Wirkungsverlust von

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Diuretika konfrontiert werden, dann ist in den meisten Fällen die Ursache ein zu großer Verlust an Natriumionen. Die Wirkung kehrt wieder, wenn die Lösungsräume mit Natrium und Was- ser repletiert sind. Das viel zitierte Syndrom des sekundären Hyperaldosteronismus, der sich im Laufe einer derartigen Behandlung einstellen kann, ist ebenfalls mit einer Wirkungsminderung der Diuretika verbunden. Hier liegt der Versuch des Organismus vor, mit dem System von Renin, Angiotensin und Aldosteron Natriumionen ein- zusparen und gewissermaßen die Natriumverlu- ste regulativ zu kompensieren.

Der Gebrauch von Kochsalz wird auch von den Onkologen verworfen. Zu Recht dann, wenn es wirklich darum geht, den Menschen den Ge- brauch von Natriumionen in überhohen Konzen- trationen auszureden. Nur ist dazu anzumerken, daß die meisten experimentellen Arbeiten zu diesem Thema mit so exorbitant hohen Natrium- gehalten in den Nahrungsmitteln vorgenommen wurden, daß man sich eigentlich nur wundert, wie derartige Publikationen überhaupt erschei- nen konnten (6). Zehnprozentige Natriumgehal- te in der Nahrung sind eine Frage, die mit dem Toxikologen zu erörtern sind und deren wissen- schaftliche Relevanz sorgfältig überprüft werden muß. Man muß dann auch eben feststellen, daß etwa die japanischen Gewohnheiten im Ge- brauch gesalzener Nahrungsmittel nicht so ohne weiteres auf die anderer Kulturvölker zu über- tragen sind (3, 5). Dabei soll kein Zweifel dar- über aufkommen, daß beispielsweise die Häufig- keit des Magenkarzinoms in Gesellschaften, die japanische Nahrungsgewohnheiten bevorzugen, in der Tat höher ist als anderswo. Nur, diese Ge- wohnheiten im Gebrauch des Salzes sind nicht verbindlich für den Geschmack hierzulande. Wir sind immerhin mit der Zunahme des Jodmangels konfrontiert, dem gegenwärtig ausschließlich mit den Jodzulagen im Kochsalz aktiv begegnet wer- den kann. Die Tatsache, daß wir zunehmend Jodmangel in der Bundesrepublik Deutschland zu beklagen haben, ist offensichtlich mit der Minderung unseres Salzverbrauchs in Zusam- menhang zu sehen.

Die Griechen hatten den Spruch: meden agan, der sich vielleicht in unserer Umgangsspra- che mit „nur nicht übertreiben" übersetzen läßt.

Und dies ist wohl auch die Lehre, die aus unse-

rem künftigen Umgang mit Kochsalz zu ziehen ist. Die Patienten, die zusätzlich unter der The- rapie mit Diuretika stehen, bedürfen einer be- sonders sorgfältigen Bilanzierung ihrer Wasser- und Elektrolytversorgung. Die viel gerühmte Adynamie, die Schwäche vornehmlich der Mus- kulatur während dieser Behandlung, ist sicher- lich zunächst der Ausdruck der Kaliumverluste, die durch die Diuretika verursacht sind, wenn of- fensichtlich der Ersatz mit der individuellen Nahrung nicht möglich ist. Die Dehydrierung und die Natriumverluste können aber so weitge- hend sein, daß auch zentralnervöse Eintrübun- gen mit zu diesem Bild der Symptome gehören.

Dt. Ärztebl. 89 (1992) A 1 -1424-1427 [Heft 16]

Literatur

1. Anonymous: Salt and Blood Pressure: the Next Chapter. The Lancet, June 10th (1989) 1301-1303

2. Dustom, H. P.; Kirk, K. A.: Corcoran Lecture: The Case for or against Salt in Hypertension. Hypertension 13 (1989) Nr. 6 Part 2,696-705

3. Haenszel, W.; Kuvihava; Segi, M.; Lee, R. K. G.: Stomach Can- cer among Japanese in Hawaii. J. Natl. Cancer Inst. 49 (1972) 969-988

4. Luft, F. I.: Salt and Hypertension: Recent Advances and Per- spectives. J. Lab. Clin. Med. 114 (1989) 215-221

5. Oiso, T.: Incidence of Stomach Cancer and its Relation to Dietary Habits and Nutrition in Japan between 1900 and 1975.

Cancer Res. 35 (1975) 3254-3258

6. Tatematsu, M.; Takahashi, M.; Fukushima, S.; Hananouchi, M.; Shivai, T.: Effects in Rats of Sodium Chloride an Experi- mental Gastric Cancers Induced by N-Methyl-N'-nitro-N-ni- trosoguanidine or 4-Nitroguinoline-l-oxide. J. Natl. Cancer Inst. 55 (1975) 101-106

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Wolfgang Forth

Vorstand des Walther-Straub-Instituts für Pharmakologie und Toxikologie der Universität München

Nußbaumstraße 26 W-8000 München 2

Dt. Ärztebl. 89, Heft 16, 17. April 1992 (39) A1-1427

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