DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Z
um zweiten Mal hat ein Bundesland detailliert be- schrieben, wie das Risiko Pflegebedürftigkeit abzusi- chern sei. Nach dem hessi- schen Sozialminister präsen- tierte jetzt die Konkurrenz aus Rheinland-Pfalz einen de- setzesentwurf. Während Hes- sen eine Pflegeversicherung für alle fordert, setzt sich Rheinland-Pfalz für die soge- nannte leistungsrechtliche Lösung ein. Das sind zwei grundlegend unterschied- liche Konzepte.Die Pflichtversicherung führt zu Ansprüchen gemäß den gezahlten Versicherungsbei- trägen, korrigiert um soziale Komponenten. Alleiniger Empfänger der Leistungen ist, sofern der Versicherungsfall eintritt, der Versicherte. Ein Haupteinwand gegen die Versicherung lautet, der Staat wolle Sozialhilfelasten los- werden und auf den Beitrags- zahler verlagern. Dem nimmt Rheinland-Pfalz den Wind aus den Segeln: Vater Staat solle weiter zahlen. Lei- stungsrechtliche Lösung be- deutet nämlich Finanzierung aus Steuermitteln. Und das wieder bedeutet — wer zahlt, der bestimmt natürlich — ei-
Pflege in der Familie
nen variablen staatlichen Ge- staltungsspielraum. Rhein- land-Pfalz will den Spielraum nutzen.
Mit einem Bundespflegehilfe- gesetz soll die Regelleistung
„Hilfe zur Pflege" eingeführt werden, zunächst beschränkt auf die Pflege im Alter. Einen Rechtsanspruch auf Hilfe hat danach jeder, der pflegebe- dürftig wird. Die Höhe der fi- nanziellen Hilfen hängt vom sozialen Status ab. Der Staat, der ja alles aus Steuermitteln finanziert, prüft die Pflegebe- dürftigkeit und legt Einkom- mensgrenzen fest. Letzten En- des soll das Bundespflegehil- fegesetz insofern das Bundes- sozialhilfegesetz und die So- zialhilferegelungen in den Ländern ersetzen. Rheinland- Pfalz will die Sozialhilfe um- etikettieren. Dem Pflegebe- dürftigen soll das Odium So- zialhilfeempfänger genom- men werden.
Außerdem wollen die Main- zer die häusliche Kranken- pflege wiedererwecken — mit einem pfiffigen Trick: Nicht nur der Pflegebedürftige soll einen Rechtsanspruch haben, sondern auch die Pflegeper- son. Für sie nämlich soll Vater Staat angemessene Beiträge zur Rentenversicherung lei- sten, weil es sich doch bei der Pflege um eine „häusliche Be- rufstätigkeit" (Minister Rudi Geil) handele. Die Familien sollen außerdem durch eine Fülle weiterer Maßnahmen — vom Wohngeld bis zu Steuer- vergünstigungen beim Kauf von Wohnungseigentum — an- gereizt werden, pflegebedürf- tige Verwandte im Haus zu halten.
Erstaunen mag, daß ein SPD- regiertes Land die Versiche- rungslösung propagiert und ein CDU-regiertes sich für die Obhut des Staates verwendet.
Die ideologischen Klischees haben bei solch praktischen Fragen offenbar keine son- derliche Bedeutung. Nur eins ist sicher: die „Sicherung der Pflege" ist ein höchst kompli- ziertes Unternehmen. Der Ge- setzesentwurf von Rheinland- Pfalz umfaßt, einschließlich Begründung, 126 Seiten. NJ
111/ enn man so allmäh- lich ins „seneszente Erwachsenenalter"
kommt, merkt man doch, wie das geistige Tempo erlahmt.
Ich hatte gerade ziemliche Mühe zu verstehen, was ei- gentlich gemeint ist mit dem Satz: „Die Sexualdifferenz im Arbeitsunfähigkeitsgesche- hen ist durch höhere Werte für die weiblichen Beschäftig- ten gekennzeichnet." Warum können die Leute eigentlich nicht klar und einfach sagen:
Frauen sind öfter krank als Männer — mehr steckt doch gar nicht dahinter!
In der Kürze liegt die Würze.
Das stimmt aber auch nicht immer. Denn „Schwachstel- len im Uro-Bereich" zum Bei-
Atmosphäre- träger
spiel hört sich irgendwie fade an, finde ich. Da fehlt einem geradezu ein Fremdwort wie das Salz in der Suppe. In die- sem Sinne hat sich neulich mal einer für Fremdwörter eingesetzt, wenn sie vorsich- tig dosiert werden. Leider konnte er sich nicht enthalten, seine Definition von „Fremd- wörtern" hinzuzufügen: „ver- bale Atmosphäreträger".
Dann gibt's Leute, die ma- chen beides, die liefern im-
mer Fremdwort und Verdeut- schung. Das hört sich dann so an wie neulich bei einem Mu- siker: „Wir haben bestimmte Geräusche, also Sounds, naci t dargeboten, also ohne Rhythmusteppich drunter, aber das haben die Leute zu schwierig gefunden." (Und darüber wundert er sich an- scheinend noch.)
Leider kann ich mich nicht noch weiter darüber auslas- sen, wie die deutsche Sprache verhunzt wird. Ich hab' kei- nen Platz mehr — Entschuldi- gung, auf neudeutsch muß das heißen, wie ich gerade aus einem Pressedienst ge- lernt habe: „Die unterfre- quentierte Präsenz" von Text- raum hindert mich dran, gb
Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 12 vom 20. März 1985 (1) 785