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Archiv "Auswirkungen eines Atomkriegs auf das Gesundheitswesen" (13.02.1985)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

THEMEN DER ZEIT

D

ie Weltgesundheitsorganisa- tion (WGO) legte im März 1983 die englische Fassung des Berichtes des Internationalen Fachausschusses „Medizin und Gesundheitswesen zur Verwirkli- chung der Resolution WHA 34.38"

unter dem Titel: „Effects of Nucle- ar War an Health and Health Servi- ces"*) vor. Die zuständigen Gre- mien der Bundesärztekammer be- faßten sich seither mit dieser Stu- die. Bereits im Januar 1984 wurde in Aussicht genommen, sie aus- zugsweise zu veröffentlichen.

Dies ist nun, nach Erscheinen der offiziellen deutschsprachigen Fassung („Auswirkungen eines Atomkriegs auf die Gesundheit und das Gesundheitswesen", Ko- penhagen, 1984), möglich.

In der Öffentlichkeit, und insbe- sondere in der Bundesärztekam- mer, besteht seit langem ein brei- ter Konsens darüber, daß die möglichen Folgen eines Nuklear- krieges unvorhersehbar sind und die in dieser Fiktion möglicher- weise Betroffenen über die Fol- gen nuklearer Auseinanderset- zungen informiert werden sollten.

Damit folgt die Bundesärztekam- mer der Tradition Deutscher Ärz- tetage, welche seit 1958 auf die besonderen Gefahren des „frevle- rischen Mißbrauches der Atom- energie" ebenso hingewiesen ha- ben, wie sie an die Politiker der ganzen Welt appellierten, „die al- len Menschen gemeinsam dro- henden Gefahren des Krieges ab- zuwenden und dem Zusammenle- ben der Völker, der Humanität und der Ehrfurcht vor dem Leben wieder Geltung zu verschaffen."

Der 61. Deutsche Ärztetag forder- te „daher die Ächtung aller Mas- senvernichtungswaffen, zu denen auch die bakteriologischen und chemischen Kampfmittel gehö- ren". Er verlangte eine internatio- nale Vereinbarung über den Ver- zicht auf weitere Atomwaffenver- suche. Auch danach haben Deut- sche Ärztetage immer wieder ge- zeigt, wie brennend dieses Thema nach wie vor die Ärzteschaft be- wegt.

Auswirkungen eines Atomkriegs auf das

Gesundheitswesen

Bericht eines „Internationalen Fachausschusses Medizin und Gesundheitswesen" der Weltgesundheitsorganisation

Ein Bericht über eine derartige Studie im DEUTSCHEN ÄRZTE- BLATT kann keinesfalls als No- vum bezeichnet werden. Seit 1965*) wurde in vielen Aufsätzen begründet, warum ärztliche Hilfe bei atomaren Auseinandersetzun- gen im Megatonnenbereich nahe- zu unmöglich sein wird. Aller- dings wurde von den Deutschen Ärztetagen, den verschiedenen anderen Organen der Ärztekam- mern in Entschließungen und Ver- öffentlichungen nicht allein auf die Gefahren eines fiktiven nuklearen Konfliktes allein, son- dern auf die Gefahren jedes Krie- ges hingewiesen. Darüber hinaus stellte der Vorstand der Bundes- ärztekammer fest, daß sein Eintre- ten für Frieden und Abrüstung, aber auch für eine umfassende Nothilfe für Vorbereitungsmaß- nahmen und Fortbildung in Not- fall- und Katastrophenmedizin dem Imperativ ärztlicher Berufs- auffassung und menschlicher Nächstenliebe entspricht. Er be- kundete seine Auffassung, daß die deutschen Ärzte in besonderem Maße und wegen ihrer Kenntnisse der jüngeren Geschichte gegen jede Art kriegerischer Auseinan- dersetzungen sind. Er verurteilte jede Form der Waffen- und Gewaltanwendung als Mittel der Machtexpansion.

Die Expertenkommission der Weltgesundheitsorganisation

(WGO) verweist in ihrem Bericht einleitend darauf, daß glücklicher- weise nur begrenzte Erfahrungen im Hinblick auf die Auswirkungen von Kernwaffen auf die Gesund- heit vorliegen. Gestützt auf eine Analyse der verfügbaren Daten und durch wissenschaftlich fun- dierte Abschätzungen möglicher Ereignisse werden unterschied- liche Atomkriegszenarien darge- stellt. Der Bericht des Internatio- nalen Ausschusses befaßt sich ne- ben der Schilderung psysikali- scher Eigenschaften und Wirkun- gen nuklearer Explosionen mit den Effekten, die bei Kernwaffen- detonationen auftreten, dem Ein- fluß der Sprengkraft und der Deto- nationshöhe ebenso wie mit dem elektromagnetischen Puls. Hier- von ausgehend werden die Aus- wirkungen von Kernwaffendeto- nationen auf den Menschen ge- schildert. Für die Ärzte ist das Ka- pitel III der Studie, welches sich mit den möglichen Hilfen für Be- troffene auseinandersetzt, von be- sonderer Bedeutung. Aus diesem Grunde wird dieses Kapitel in un- gekürzter Fassung im DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATT ab Seite 421 dokumentiert.

Aus Sicht der Bundesärztekam- mer müssen jedoch noch weitere Anmerkungen grundsätzlicher Art gemacht werden:

O Sollte es zu einem Atomkrieg kommen, wäre die deutsche Be- völkerung wahrscheinlich in er- ster Linie die leidtragende. Daran ändert auch nicht, daß gerade die Deutschen beiderseits der inner- deutschen Grenze nicht nur jeg- lichen Atomkrieg, sondern jede Art von Krieg aus bitterster Erfah- rung heraus ablehnen.

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Sollte es jedoch trotz aller Be- mühungen um die Verhinderung zu einem Atomkrieg oder zu einer anderen Form des Krieges kom- men, wird es neben einer Vielzahl

") „Die medizinischen Folgen eines thermo- nuklearen Krieges", Übersetzung aus dem

„New England Journal of Medicine", einge- leitet und ausgewählt von Dr. med. Willy Reichstein, Hefte 8, 9, 10, 11, 12/1965.

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 7 vom 13. Februar 1985 (35) 395

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Atomkrieg

an Toten zu einer ebenso großen Anzahl Verletzter, Verwundeter, Verbrennungsverletzter und Strah- lengeschädigter kommen. Gerade für diese Menschen muß dann je- der Arzt zur Verfügung stehen und kann weder straf-, zivil- oder berufsrechtliche noch politische Argumente anführen, die ihn von seiner Verpflichtung zur Hilfelei- stung freistellen könnten.

Daß diese Hilfe für viele wenig oder gar nicht wirksam sein kann, schließt ihren Einsatz keineswegs aus. Was getan werden kann, zeigt das Kapitel III der WGO-Stu- die.

Selbst das umfassende Szenario eines Nuklearkrieges, das vom Einsatz der Hälfte der in den Arse- nalen gelagerten Kampfmittel ausgeht, erkennt die Wahrschein- lichkeit, daß von der betroffenen Hälfte der Weltbevölkerung wie- derum die Hälfte überlebt. Es gibt nichts, was dem überlebenden und handlungsfähigen Arzt das Recht einräumen könnte, diesen Hilfebedürftigen nicht mit den dann noch zur Verfügung stehen- den Mitteln zu helfen. Wer sich hierzu unfähig macht oder hält, verstößt gegen festgefügte Grundsätze des Rechtes, der Ethik und der Moral.

Der Staat muß Schutz-

und Hilfsvorbereitungen treffen

Es darf nicht verkannt werden, daß es Aufgabe des Staates ist, diese Notwendigkeit der Bevölke- rung, aber auch den Ärzten klar- zumachen, sowie die notwendi- gen materiellen Schutz- und Hilfe- Vorbereitungen zu treffen. Dies sollte ihm um so leichter fallen, als die Bundesrepublik Deutsch- land weder ihrem nachhaltig be- kundeten Willen noch ihrer Fähig- keit nach in der Lage ist, Atomwaf- fen einzusetzen.

Hieraus lassen sich folgende Schlußfolgerungen ziehen: Es ist

berechtigt, daß Ärzte und andere erfahrene Wissenschaftler sich in- tensiv mit den Schrecken und den

Folgen eines Atomkrieges befas- sen, daß sie die Bevölkerung auf die Gefahren aufmerksam ma- chen und sich an die politisch Ver- antwortlichen im eigenen Lande und in aller Welt wenden, eine sol- che Apokalypse nicht Realität werden zu lassen.

Auch wird sich eine gegebenen- falls notwendige ärztliche Hilfelei- stung um so wirkungsvoller ge- stalten, je friedlicher sich die Um- welt darstellt. Es muß hierbei auch beachtet werden und bleiben, daß allein eine weltweite und kontrol- lierte Beseitigung dieser Waffen der Bedrohung abhelfen kann.

Gelingt es auch nur einem Staat, sein Atomwaffenarsenal zu behal- ten oder mühelos neue derartige Waffen herzustellen, gewinnt die Bedrohung neue unvorstellbare Dimensionen.

Gleichgültig welcher Art die Be- drohung menschlicher Existenz- fähigkeit durch Waffen, durch Krankheiten oder auf anderem Wege ist oder sein könnte, ist je- der Arzt verpflichtet, sich über die ihm möglichen Methoden zur Ret- tung und Wiederherstellung der Gesundheit seiner Mitmenschen ständig informiert sowie darüber auf dem laufenden zu halten, wie und womit er die notwendige Hilfe leisten kann.

Es kann niemals Aufgabe eines Arztes sein, Angst zu erzeugen, sondern Wege zur Beseitigung und Überwindung von Angst oder Zukunftsfurcht aufzuzeigen. Der Arzt muß mit Recht erwarten, daß er bei der Erfüllung dieser seiner Pflichten die volle Unterstützung durch die Träger der politischen Verantwortung findet, daß vor al- lem seine Vorschläge, die er aus- schließlich im Überlebens- und Gesundheitsinteresse seiner Mit- menschen macht, das notwendige Gehör finden.

Die Propagierung einer Verweige- rungshaltung gegenüber dem

notwendigen Erwerb grundlegen- der Kenntnisse zur ärztlichen Hil- fe in Extremfällen ist mit dem Arzttum unvereinbar. Wie bereits dargestellt, haben dies die Be- schlüsse Deutscher Ärztetage seit mehr als 25 Jahren immer wieder ausgewiesen.

Zweifel am Mandat der Weltgesundheitsorganisation

In diesem Zusammenhang darf al- lerdings nicht unerwähnt bleiben, daß nach Auffassung der hierfür zuständigen Bundesministerien die WGO ihr Mandat — die Ge- sundheit der Menschen zu för- dern und zu bewahren — über- schreitend in die politische Dis- kussion über die Gefahren eines nuklearen Waffeneinsatzes einge- griffen hat.

Wie bekannt wurde, haben die Bundesrepublik Deutschland und eine Reihe anderer Staaten gegen die Behandlung des vorliegenden Themas und die Verabschiedung der Resolution gestimmt, nicht weil sie eine nukleare Auseinan- dersetzung weniger fürchten als andere Mitglieder • der Organisa- tion, sondern weil sie die Aufga- benstellung der WGO unzulässig ausgeweitet und in die Kompe- tenz einer Reihe von internationa- len Gremien, die sich besonders mit Fragen der Abrüstung befas- sen, eingegriffen sehen.

Wie von offizieller Seite weiter zu vernehmen war, wollen die Län- der, die sich gegen die Resolution ausgesprochen haben, insbeson- dere auch das Erwecken jeden Eindrucks vermeiden, als ob allein von den Atomwaffen Gefahren ausgehen; der Mensch bleibt von jeder Art des Waffeneinsatzes im

Kriegsfall bedroht.

Dr. med. Michael Popovid Bundesärztekammer Haedenkampstraße 1 5000 Köln 41 (Lindenthal) 396 (36) Heft 7 vom 13. Februar 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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