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iskussionen um Zeitpläne und Finanzierungsmodelle begleiten zurzeit die Vorarbeiten zur Ein- führung der elektronischen Gesund- heitskarte und des elektronischen Heil- berufsausweises (HPC). Fragen hierzu wurden auch beim Kongress „Health Telematics 04“ in Krefeld erörtert, zu dem das NRW-Gesundheitsministe- rium und das Zentrum für Telematik im Gesundheitswesen eingeladen hatten.Im Mittelpunkt der Veranstaltung stan- den die aktuellen Entwicklungen zur Telematik-Rahmenarchitektur, die Kon- zepte der Länder für Modellregionen zum Aufbau einer Telematik-Infra- struktur und die Planungen der Selbst- verwaltung zur Einführung von Telema- tik-Anwendungen. NRW-Gesundheits- ministerin Birgit Fischer mahnte zur Versachlichung der Diskussion. Vor- rang habe die Qualität der Lösungen.
„Eine gute Vorbereitung ist wichtiger als ein enger Zeitplan“, meinte Fischer.
Entscheidend sei, für Akzeptanz zu sor- gen. Die Technik an sich sei nicht das Problem, sondern die Praxis. Die Einführung der Gesundheitskarte und der HPC bedeuteten eine erhebliche Veränderung der Arbeitsabläufe in Arztpraxen, Krankenhäusern und Apo- theken und bedürften deshalb der gründlichen Vorbereitung und auch der Mitwirkung der Beteiligten, so die Ministerin. Was die Frage der Finanzie- rung betreffe, so müssten bei den Modellvorhaben auch verschiedene Finanzierungsmodelle erprobt werden.
Das gesamte Investitionsvolumen schätzen Experten auf rund 1,4 Milliar- den Euro. Ob mit dem Einsatz der Technik tatsächlich die großen Einspar- effekte zu erreichen sind, die Untersu- chungen prognostizieren – allein eine Milliarde Einsparungen soll die Ein- führung des elektronischen Rezepts ergeben –, muss sich unter realen Be-
dingungen erst noch zeigen. „Deshalb müssen wir baldmöglichst in Modell- versuche einsteigen“, forderte Dr.
Claus Werner Brill, Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. „Denn da können sich durchaus noch Über- raschungen ergeben.“
Als verbindliche Applikation der Karte hat der Gesetzgeber neben den administrativen Daten, dem Zuzah- lungsstatus und dem europäischen Krankenversicherungsschein (Formu- lar E111) nur das elektronische Rezept festgelegt. Auch muss die Gesundheits- karte zwar technisch für die elektroni- sche Signatur ausgelegt sein, doch ist diese Funktion nur optional vorgese- hen, denn andernfalls würden sich die Einführungskosten verdoppeln. Daher wird es der Initiative von einzelnen Krankenkassen und Bürgern überlas- sen bleiben, ob sie zusätzliche Anwen- dungsmöglichkeiten der Karte, wie bei- spielsweise die Arzneimitteldokumen- tation, nutzen und dafür auch zahlen wollen. Von der breiten Akzeptanz und Nutzung der Gesundheitskarte nicht nur in ihrer Funktion als neuer Kran- kenversichertenausweis, sondern als Schlüssel zur elektronischen Patienten- akte hängt jedoch nach Meinung von Experten ab, ob sich die erwarteten Kosteneffekte auch einstellen oder kleiner als geplant ausfallen werden.
Lösungsarchitektur
Nach der Fertigstellung der Telematik- Rahmenarchitektur wird zurzeit an der Konzeption der Lösungsarchitektur und der Spezifikation der Gesundheits- karte gearbeitet, die schon im Juni 2004 vorliegen sollen. Darauf soll eine Test- phase mit Labortests und kleineren Piloten folgen, bevor Anfang 2005 größere Projekte mit 10 000 bezie-
hungsweise 100 000 Versicherten in ver- schiedenen Modellregionen starten.
Im Hinblick darauf forderten die Vertreter der Selbstverwaltung, als prio- ritäre Telematik-Anwendungen tech- nisch einfache Applikationen zu erpro- ben, die gleichzeitig einen möglichst großen Nutzen bringen und einfach vermittelbar sind, wie das elektronische Rezept. „Die elektronische Patienten- akte ist so komplex, dass man dafür nicht schnell eine hohe Akzeptanz schaffen kann“, betonte Philipp Stach- witz, Bundesärztekammer. Die Ärzte- kammern ständen jetzt zunächst vor der Aufgabe, die HPC ins Feld zu bringen:
„Unter welchen Bedingungen dies ge- nau geschehen kann, wird zurzeit durch alle Ärztekammern geprüft“, erläuterte Stachwitz. Die Ärztekammern hätten in den letzten Jahren viele Voraussetzun- gen hierfür geschaffen, darunter einen einheitlichen Meldedatensatz und eine bundeseinheitliche Arztnummer. Jetzt sei festzulegen, nach welchem organisa- torischen Konzept die Karten ausgege- ben werden. Sicher ist, dass die Ärzte- kammern diese technischen Aufgaben nicht selbst übernehmen, sondern ex- terne Dienstleister damit beauftragen werden. Stachwitz: „Um in die operati- ve Umsetzung einzusteigen, ist es je- doch notwendig, dass die Finanzierung geklärt wird und feststeht, wie sich die anderen Komponenten der Telematik- Infrastruktur entwickeln. Die Abstim- mung der Zeitpläne ist deshalb sehr wichtig.“
Zu konkreten Aussagen hinsichtlich der Finanzierung der Gesundheitskarte und der Telematik-Infrastruktur, des
„größten IT-Projekts Europas“, so Dr.
Gottfried T. W. Dietzel, Bundesministe- rium für Gesundheit und Soziale Siche- rung, waren die Vertreter der Selbstver- waltung und der Politik nicht bereit.
Während die Krankenkassen vermut- lich für die Finanzierung der neuen Ver- sichertenkarte aufkommen werden, ist beispielsweise die Übernahme der Investitionskosten für die Lesegeräte und die technische Infrastruktur in den Arztpraxen und Krankenhäusern weiterhin unklar. Heike E. Krüger-Brand P O L I T I K
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A1070 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1616. April 2004
Gesundheitstelematik
Viele offene Fragen
Der Erfolg der elektronischen Gesundheitskarte wird von der Akzeptanz der Nutzer abhängen.
Informationen und Vorträge des Kongresses im Internet unter www.ztg-nrw.de