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Graphen ist ein Material der Superlative: Es ist nicht nur das dünnste und stärkste bekannte Material, sondern auch ein extrem guter elektrischer Leiter. In Graphen lässt sich aber auch der Spin der Elektronen über außergewöhnlich lange Strecken nahezu un- gestört transportieren. Dieser weitere Rekord macht Graphen interessant für die Spintronik, die nichtflüch- tige Arbeitsspeicher oder eine deutlich geringere Wärme entwicklung auf Chips verspricht.

W

er Bleistifte zum Schreiben benutzt, hat mög- licherweise schon einmal Graphen hergestellt.

Bleistiftminen bestehen – abgesehen von etwas Ton, mit dem sich die Härte beeinflussen lässt – aus Graphit, einem Festkörper ausschließlich aus Kohlenstoff. Anders als Diamant ist aber Graphit sehr stark anisotrop, denn es besteht aus atomar dünnen Lagen, welche aufeinander geschichtet und nur relativ schwach aneinander gebunden sind. Beim Schreiben mit dem Bleistift werden diese Lagen abgeschält, wo- bei man wohl nur selten genau eine einzelne Lage des Materials aufs Papier bringt. Vor etwa zehn Jahren ist es jedoch Andre Geim und Konstantin Novoselov gelungen, durch wiederholtes Ankleben und Abziehen von Klebeband einzelne Lagen von Graphen zu iso- lieren. Die beiden Physik-Nobelpreisträger von 2010 haben diese Lagen allerdings nicht auf Papier, sondern auf Silizium oxid abgelagert, welches die Oberfläche von herkömmlichen Mikrochips aus Silizium bildet.

Siliziumoxid einer bestimmten Dicke eignet sich des- halb sehr gut, weil sich darauf einzelne Graphenlagen von Schichten aus zwei und mehr Lagen mit einem op- tischen Mikroskop unterscheiden lassen. Erst die Mög- lichkeit, einzelne Graphenflocken zu präparieren und mit elektrischen Kontakten zu versehen, hat es erlaubt, die erstaunlichen Eigenschaften dieses extrem dünnen Materials zu erforschen (Abb. 1). Dieses Forschungsfeld ist inzwischen groß und wird es wohl auch bleiben, denn im Oktober 2013 hat die Europäische Union das über eine Laufzeit von zehn Jahren mit insgesamt einer Milliarde Euro dotierte „Graphene Flagship“ zur wei- teren Erforschung der Grundlagen und Anwendungen von Graphen auf den Weg geschickt.

Graphen ist ein perfekt zweidimensionales Material, welches aus einer einzelnen Schicht von Kohlenstoff- atomen besteht [1, 2]. Diese sind in der Ebene in einem hexagonalen Gitter angeordnet – ähnlich einer Bienen-

wabe (Infokasten „Struktur und Bandstruktur“). Neben dem mechanischen Abtrennen einzelner Schichten von Graphit mit der beschriebenen „Klebeband-Methode“

lässt sich Graphen auch durch epitaktisches Wachstum auf Siliziumkarbid [3] oder durch Gasphasenabschei- dung präparieren.

Viele der außergewöhnlichen elektrischen Eigen- schaften von Graphen beruhen auf dessen Band- struktur, welche weder für ein Metall noch für einen konventionellen Halbleiter typisch ist. Bei niedrigen Energien besitzen nämlich die Elektronen in Graphen eine lineare Dispersion, d. h. ihre Energie E = ħνF| k | ist proportional zum Betrag des Impulses ħ k , wobei k

Spintronik in Graphen

Die ungewöhnlichen Eigenschaften von Spins in Graphen geben noch Rätsel auf, versprechen aber Anwendungen.

Guido Burkard

F E S T K Ö R P E R P H Y S I K

K O M PA K T

Viele der außergewöhnlichen Eigenschaften von Gra- phen beruhen auf der Bandstruktur, für die eine lineare Dispersion der Elektronen bei niedrigen Energien cha- rakteristisch ist.

Aufgrund der schwachen Spin-Bahn- und Hyperfein- wechselwirkung ist eine große Spin-Diffusionslänge und eine lange Spin-Relaxationszeit zu erwarten.

Die Experimente zeigen bislang noch ein uneinheit- liches Bild mit zwar großen Diffusionslängen, aber sehr kurzen Lebensdauern, für die möglicherweise die Kon- takte oder Störstellen verantwortlich sind.

1 µm

Abb. 1 Diese Aufnahme eines Raster elektronenmikroskops zeigt einen freistehenden Graphenstreifen (hellgrau) mit ferro- magnetischen Kobalt-Kontakten (hellblau).

van Wees et al.,/U Groningen [9]

Prof. Dr. Guido Bur- kard, Fachbereich Physik, Universität Konstanz, 84 Kon- stanz

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der Wellenvektor eines Bloch- Zustands und ħ die reduzierte Plancksche Konstante ist. Während in nor- malen Halbleitern die Energie- Impuls-Beziehung wie bei freien Teilchen quadratisch ist, d. h. E = ħ2 k2 / 2m*, mit der effektiven Masse m*, gleicht die Dispersion in Graphen derjenigen von Photonen, die aber nicht mit Lichtgeschwindigkeit c, sondern nur mit der Fermi- Geschwindigkeit νF ≈ c / 300 propagieren. Wie bei Pho- tonen verschwindet die Masse der Elektronen in Gra- phen, was mit dem Fehlen einer Bandlücke einhergeht, so dass sich Leitungs- und Valenzband in einem Punkt, dem Dirac-Punkt, treffen. Tatsächlich gibt es aber in Graphen zwei unterschiedliche solcher Dirac-Punkte, welche als „Täler“ („Valleys“) der Energiebänder be- zeichnet werden. Da sich ein Elektron an dem einen oder dem anderen Dirac-Punkt aufhalten kann, kommt zum Spin ein weiterer zweiwertiger Freiheitsgrad hin- zu, welcher wegen der Analogie zum Spin oft Valley- Isospin genannt wird. Zusätzlich besitzen die Elektro- nen in Graphen aufgrund der zweiatomaren Basis des Kristallgitters sogar noch einen weiteren zweiwertigen Freiheitsgrad, den „Pseudospin“, welcher angibt, ob sich das Elektron auf dem einen oder anderen Untergitter befindet. Neben dem Valley- und dem Pseudospin be- sitzen Elektronen in Graphen aber auch den „echten“

Spin, welcher über die Spin-Bahn-Kopplung an ihre Bahnbewegung gekoppelt ist. Im Vergleich zur starken Ankopplung des Pseudospins (Infokasten) ist der echte Spin nur schwach an die Bahnbewegung gekoppelt.

Spin statt Ladung

Die Spin-Bahn-Kopplung in Festkörpern lässt sich ver- wenden, um eine Spinpolarisation zu erzeugen und zu manipulieren, und bildet damit eine der Grundlagen der Spintronik. Bei dieser auf dem Spin basierenden Elektronik ersetzt der Spin des Elektrons seine Ladung

als Träger von Signalen. Davon erhofft man sich neue Technologien, welche beispielsweise nichtflüchtige Ar- beitsspeicher ermöglichen würden. In einem solchen Bauteil bliebe die gespeicherte Information nach dem Ausschalten eines Rechners erhalten. Das wäre natür- lich sehr praktisch, weil damit etwa das Warten beim Hochfahren des Rechners entfiele. Ein anderes sich stark verschärfendes Problem bei der weiteren Minia- turisierung der Mikroelektronik ist die entstehende Abwärme, welche abgeführt werden muss, weil sich Bauteile sonst überhitzen würden. Das Problem sind die immer größeren Wärmemengen, die auf immer kleinerem Raum anfallen. Ein heute gebräuchlicher Prozessorchip hat etwa 60 bis 100 Watt Wärmeleistung auf wenigen Quadratzentimetern, vergleichbar mit einer Herdplatte. Wärme entsteht dort, wo Signale als elektrische Ladungen gespeichert und anschließend gelöscht werden müssen. Die Verwendung von Spins als Träger logischer Signale könnte dieses Problem entschärfen.

Für die Spintronik wird eine Vielzahl von Phäno- menen und Materialien untersucht, die grob in zwei Kategorien fallen: einerseits die intrinsisch magne- tischen Leiter wie Eisen, Kobalt und Nickel und an- dererseits die nichtmagnetischen Leiter wie Kupfer sowie praktisch alle Halbleiter. Graphen gehört klar zur zweiten Kategorie, auch wenn es (bisher noch kontro- verse) Ideen gibt, Ferromagnetismus in Graphen durch Fehlstellen oder Fremdatome zu induzieren, worauf wir hier aber nicht weiter eingehen. Die Kategorie der nichtmagnetischen Leiter lässt sich weiter in solche mit starker bzw. schwacher Spin-Bahn-Kopplung un- terteilen. Während Leiter mit starker Kopplung zur Erzeugung von Spinpolarisation und Spinströmen sowie zur Spinmanipulation mit elektrischen Feldern dienen können, eignen sich Materialien mit schwacher Kopplung eher als Medien für den Transport und die Speicherung von Elektronenspins [4].

S T R U K T U R U N D B A N D S T R U K T U R

Die Kohlenstoffatome in Graphen (rote und blaue Punkte in Abb. i) sind in einem ebenen hexagonalen Gitter angeordnet, welches einer Bienenwabe gleicht. Das zugrunde liegende trigonale Bravais-Gitter besteht aus den Orten der rot ge- kennzeichneten Atome. Der Kristall setzt sich aus diesem periodischen Bravais-Gitter und einer Basis aus zwei Atomen zusammen, die jeweils ein rot und ein blau gekennzeichne- tes Kohlenstoffatom enthält. Aufgrund dieser Eigenschaft lässt sich das hexagonale Gitter in zwei Untergitter A (rot) und B (blau) unterteilen.

Die quantenmechanischen Aufenthaltsamplituden ψA und ψB auf diesen Untergittern bilden den Pseudospinor ψ = (ψA ,ψB). Aufgrund ihres Pseudospins 1/2 verhalten sich Elektronen in Graphen deshalb wie masselose Spin-1/2- Fermionen, analog zu (näherungsweise) Neutrinos oder ultra relativistischen Elektronen.

Das reziproke Gitter in Graphen ist ebenfalls hexagonal (Abb. ii). Die erste Brillouin-Zone besteht aus einem Sechseck, an dessen Ecken die Berührungspunkte von Leitungs- und Valenzband (Dirac-Punkte) liegen. Nur zwei dieser sechs Punkte sind verschieden, während die restlichen vier durch Addition eines reziproken Gittervektors (z. B. G) aus diesen

zwei Wellenvektoren K und K’ hervorgehen. An diesen bei- den Punkten im k-Raum lässt sich die Dispersionsbeziehung der Bandelektronen linearisieren, wie die beiden Dirac-Kegel andeuten. Als Folge davon beschreibt die Dirac-Weyl-Glei- chung die Dynamik der Bandelektronen im Bereich dieser beiden Dirac-Punkte. Diese lautet vF p · σ ψ = Eψ am K-Punkt und vF p · σ * ψ = Eψ bei K’. Hier bezeichnet p = –iħ den Impuls operator, vF = 106 m/s die Fermi-Geschwindigkeit und σ den Vektor der Pauli-Matrizen, welche auf den Pseu- dospin wirken. Die Lösungen der Dirac-Weyl-Gleichung sind Eigenzustände des Helizitätsoperators pˆ · σ, d. h. der Pseudo- spin ist starr an den Impuls gekoppelt.

A B

i ii

G ky

kx

K K'

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Aufgrund der sehr schwachen Spin-Bahn-Kopplung kommt Graphen als Spinspeicher sowie als spin- erhaltender Leiter in Frage. Um Graphen auch für die Erzeugung und Manipulation von Spins zu verwen- den, könnten Adsorbate oder spezielle Substrate die Spin-Bahn-Wechselwirkung verstärken. Im Vergleich zu typischen hochreinen Halbleitermaterialien wie Gallium-Arsenid (GaAs) hat Graphen noch einen weiteren Vorteil: Während in III-V-Halbleitern jedes Atom einen Kernspin besitzt, welcher über die Hyper- feinwechselwirkung den Elektronenspin auf unkon- trollierte Weise beeinflusst und somit zum Verlust der Phasenkohärenz führt, trägt in Kohlenstoff nur ein geringer Anteil von etwa einem Prozent der Atom- kerne einen Spin, sodass die störenden Effekte der Hyperfeinwechselwirkung äußerst gering sind [5].

Ursache der schwachen Spin-Bahn-Wechselwirkung in Graphen ist zunächst die niedrige Ordnungszahl Z = 6 von Kohlenstoff, die zu einer geringen atomaren Spin-Bahn-Kopplung von einigen meV für die im Festkörper beweglichen 2p-Elektronen führt. Dass die intrinsische Spin-Bahn-Wechselwirkung ΔSO für Bandelektronen aber weitere drei Größenordnungen niedriger und somit bei µeV liegt, hängt allerdings mit der Symmetrie des Kristallgitters von flachem Graphen zusammen [2]. Eine Störungsrechung mit der atomaren Spin-Bahn-Kopplung als kleinem Parameter zeigt nämlich, dass sich die größten Beiträge wegen der Symmetrie kompensieren und nur kleinere Kor- rekturen übrig bleiben. Dichtefunktionalrechnungen, die neben den p- und s- auch die tiefer liegenden d- Orbitale des Kohlenstoffs berücksichtigen, ergeben eine intrinsische Spin-Bahn- oder Dresselhaus-Kopp- lung von etwa ΔSO ≈ 25 µeV [6].

Für die Spintronik wäre es interessant, die Spin- Bahn-Kopplung je nach Bedarf einstellen zu können.

Dies ist tatsächlich möglich, und zwar indem man mit einem elektrischen Feld, durch Krümmen der Gra- phenfläche oder durch eine geeignete Unterlage die Symmetrie des Kristallgitters erniedrigt. Dann spricht man von der „Rashba-Kopplung“ ΔR , welche etwa eine Größenordnung stärker ausfallen kann als die intrin- sische Kopplung ΔSO, weil sich nun die größten Bei- träge nicht mehr ganz kompensieren. Die Spin-Bahn- Kopplung lässt sich als effektives Magnetfeld auffassen, welches bei der intrinsischen Kopplung senkrecht zur Ebene steht und in den beiden Valleys in entgegen- gesetzte Richtungen zeigt, während bei der Rashba- Koplung das effektive Feld in der Graphen ebene liegt.

Konkurrierende Mechanismen

Die schwachen Spin-Bahn- und Hyperfein-Wech- selwirkungen in Graphen lassen auf eine lange Spin- relaxationszeit τS und große Spindiffusionslängen λS =  √ ____

S hoffen. Typische Diffusionskonstanten D = νF2τ/2 bewegen sich im Bereich um 0,01 m2/s, was einer mittleren Zeit τ ≈ 30 fs zwischen Streuprozessen entspricht. Die Spinrelaxationszeit (hier auch Spin-

lebenszeit genannt) τS ist die mittlere Zeit, in welcher der Spin eines Elektrons spontan seine Richtung ändert und somit eine anfangs erzeugte Polarisation verloren geht. Die Spindiffusionslänge λS ist die mittlere Strecke, welche das Elektron bei diffusiver Bewegung in dieser Zeit zurücklegt. Über diese Dis tanz lässt sich somit eine im Spin gespeicherte Information im Festkörper übertragen.

Zur Spinrelaxationsrate 1/τS können zwei sehr un- terschiedliche Mechanismen beitragen: Zum einen kann sich bei jeder Streuung an einem Defekt aufgrund der intrinsischen Spin-Bahn-Wechselwirkung die Spinkomponente parallel zur Ebene mit einer Wahr- scheinlichkeit proportional zu (ΔSOF)2 umdrehen (Abb. 2a). Dies ist der Elliot-Yafet-Mechanismus, der mit einer Rate

1

__ τS =

(

Δ___ εFSO

)

2 __ τ 1

proportional zur Impulsstreurate 1/τ auftritt. Bei Elektronendichten von n ≈ 1016 m–2 beträgt die Fermi- Energie εF = ħνF___πn  ≈ 100 meV. Bei vorsichtiger Ab- schätzung mit ΔSO ≈ 100 µeV wäre die Spinrelaxations- rate sechs Größenordnungen kleiner als die mittlere Streurate, d. h. τS ≈ 30 ns, und für die Spindiffusions- länge gilt λS ≈ 20 µm. Bei optimistischer Abschätzung mit ΔSO ≈ 10 µeV findet man sogar τS ≈ 3 µs und λS ≈ 200 µm. Dieser Wert für τS ist bereits relativ groß verglichen mit der typischen Spinlebenszeit von 100 ps in einem Metall (Aluminium) oder mit 100 ns in einem Halbleiter (n-dotiertes GaAs).

Für sehr reine Systeme kann ein weiterer Effekt auftreten, bei dem sich der Spin während des freien ballistischen Fluges zwischen den Streuzentren um einen zufälligen Winkel dreht und eine diffusive Be- wegung auf der Bloch-Kugel beschreibt (Abb. 2b). Bei

a

b S

k k'

Abb. 2 Bei der Spinrelaxation nach Elliot-Yafet (a) dreht sich der Elektronenspin (blau) bei jeder Streuung mit einer zu (ΔSOF)2 proportionalen Wahrscheinlichkeit um, was zu einer Spin- lebenszeit 1/τS ~ (ΔSOF)2/τ führt. Bei der Spinrelaxation nach D’yakonov-Perel’ (b) präzediert der Spin in der Zeit τ während des ballistischen Flugs zwischen zwei Streuvorgängen um das effektive Spin-Bahn-Feld, das senkrecht auf der Bewegungs- richtung k des Elektrons steht, um einen Winkel δϕ1 ~ ΔRτ/ħ. Der Streuer (S) ändert die Bewegungsrichtung und somit die Dreh- achse für den Spin zufällig. Dieser „random walk“ führt zu einer Phase, die nach der Spinlebenszeit τS = Nτ auf δϕN ~ __

N δϕ1 ~ 1 anwächst, d. h. 1/τS ~ (ΔR/ħ)2τ.

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diesem nach M. I. D’yakonov und V. I. Perel’ benann- ten Mechanismus ist deshalb die Spinrelaxationszeit umso länger, je mehr Streuvorgänge stattfinden, also 1/τS ∝ τ, genau umgekehrt wie bei Elliot-Yafet. Da- bei tragen zwar sowohl die Dresselhaus- als auch die Rashba-Kopplung bei, aber in der Regel dominiert der Rashba-Beitrag,

1

__ τS =

(

___ Δħ R

)

2 τ.

Die beiden Mechanismen unterscheiden sich auch dadurch, dass der D’yakonov-Perel’-Mechanismus alle Spinkomponenten betrifft, während bei Elliot-Yafet nur die Spinkomponenten in der Ebene relaxieren.

Bei den ersten Spintransportmessungen wurde der Magnetowiderstand in einem Aufbau mit zwei Kon- takten, einem Spinventil, gemessen [7]. Mittels einer nichtlokalen Vierkontaktmessung (Abb. 3) gelang es der Gruppe von Bart van Wees in Groningen, die Spindif- fusionslänge λS in Graphen zu messen, mit dem Ergeb- nis von 1 bis 2 µm [8]. Dazu wurde an mehreren Proben mit unterschiedlichem Abstand d die Abhängig keit des nichtlokalen Widerstandes Rnl ∝ exp(–d/λS) von d ermittelt. Die Spinlebenszeit τS lässt sich mit einem zur Graphen-Ebene senkrecht stehenden Magnetfeld B bestimmen. Im stationären Betrieb können die Elektronenspins aus beliebig lang zurückliegenden Emissionen vom Stromerzeuger herrühren, woraus sich Rnl ∝ V ∝ τS/(1 + B2 τS2) ergibt. Die sog. Hanle- Kurve Rnl(B) hat eine Lorentz-Form und gibt über ihre Breite Auskunft über die Spinlebenszeit τS. Aus der Hanle-Kurve wurde ein τS von 100 bis 200 ps er- mittelt, also nicht viel länger als der in Aluminium gefundene Wert. Etwas größere Längen λS  ≈ 5 µm, aber sehr ähnliche Werte für τS wies freistehendes Graphen mit D ≈ 0,1 m2/s auf [9] (Abb. 1). Wird die sehr rauhe Silizium-Oxid-Unterlage durch das atomar flache Bor- Nitrid ersetzt, steigen zwar Beweglichkeit der Ladungs- träger und Diffusionskonstante, und damit auch die

Spindiffusionslänge an, aber die Spinlebenszeit nimmt nur um etwa einen Faktor 2 zu, was vermutlich auf die besseren Kontakte zurückzuführen ist [10].

Die experimentellen Ergebnisse sind aus verschie- denen Gründen nicht leicht zu verstehen. Zum einen sind die beobachteten Spinlebenszeiten und -diffu- sionslängen offensichtlich viel kleiner als theoretisch erwartet. Dabei scheint sich die Beweglichkeit der Ladungsträger im Graphen selbst nicht stark auf die Spinlebenszeit auszuwirken, was auf den Einfluss der Kontakte [10–12] oder auf magnetische Störstellen [13]

hindeuten könnte. Der Einfluss der Kontakte sollte allerdings für Kontaktabstände deutlich größer als die Spindiffusionslänge (d >> λS) vernachlässigbar sein.

Um dies zu erreichen, gilt es jedoch, ausreichend lange, frei stehende Proben herzustellen. Zum anderen ist es umstritten, welcher der beiden möglichen Spinrela- xationsmechanismen relevant ist. Einige Experimente deuten wegen der linearen Abhängigkeit von τS von der Beweglichkeit µ ∝ τ eher auf den Elliot-Yafet-Mecha- nismus hin, während andere die umgekehrte Abhän- gigkeit τS ∝ 1/τ und einen isotropen Zerfall aller Spin- komponenten finden, was auf den D’yakonov-Perel’- Mechanismus schließen lässt. Neuere Auswertungen deuten darauf hin, dass sich die Daten in vielen Fällen nur verstehen lassen, wenn beide Mechanismen gleich- zeitig aktiv sind [10]. Während die Spinlebenszeiten in einer einzelnen Graphenlage zunächst größtenteils unter 0,5 ns lagen, sind in zweilagigem Graphen hö- here Werte von über einer Nano sekunde aufgetreten [12, 14, 15], was mit einem geringeren Einfluss der Ober- fläche auf die elektronischen Zustände zusammenhän- gen könnte. Außer dem erfüllt eine Vielfalt der Daten aus zweilagigem Graphen die Relation τ∝ 1/τ, was auf den D’yakonov-Perel’-Mechanismus hindeutet (Abb. 4).

Mittlerweile wurden sowohl in ein- wie zweilagigem Graphen Spinlebenszeiten von über einer Nanosekun- de beobachtet, wobei Kontakte mit großem Wider- stand besonders geeignet zu sein scheinen.

Qubits in Quantenpunkten

Während sich Ventile, Filter oder Transistoren für die Spintronik den Spintransport zunutze machen könnten, eignen sich lokalisierte Elektronen in Gra- phen-Quantenpunkten als Quantenbits (Qubits) für die Quanteninformationsverarbeitung [16]. Ein Quan- tenpunkt ist eine Struktur auf der Nanometerskala, die einzelne Elektronen einfangen kann. Betrachtet man darin einen gebundenen Zustand, so spaltet ein äußeres Magnetfeld diesen in die Eigenzustände „spin up“ und „spin down“ auf, die sich als Qubit-Zustände

|0〉 und |1〉 eignen. Bei tiefen Temperaturen beschreibt die Spinrelaxationszeit T1 den Zerfall des Zustands höherer Energie (z. B. spin up) in den tieferen (spin down) durch spontane Emission eines akustischen Phonons mit der Zeeman-Energie. Weil beide Spinzu- stände durch Zeitumkehr ineinander übergehen, führt in GaAs-Quantenpunkten die Zeitumkehrinvarianz

I V

B d

Abb. 3 In einem Spinventil lässt sich ein elektrischer Strom ein- und ausschalten, indem ein magnetischer Kontakt umgepolt wird. Für die meisten Spintransportmessungen in Graphen wer- den nicht-lokale Spinventile mit vier Kontakten verwendet, wie hier gezeigt. Zwischen den Kontakten auf der linken Seite fließt ein spinpolarisierter Strom (I). Ein Teil der Spins diffundiert nach rechts, wo die Spannung V spinaufgelöst gemessen wird.

Der Widerstand Rnl = V/I ist nichtlokal, weil Spannung und Strom an verschiedenen Orten gemessen werden.

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von Spin-Bahn- und Elektron-Phonon-Wechselwir- kung dazu, dass bei kleinen Magnetfeldern B, welche die Zeitumkehrinvarianz nur schwach brechen, die Zerfallswahrscheinlichkeit sehr klein wird. Zusammen mit der bei tiefen Energien geringen Zustandsdichte der Phononen führt dies in GaAs zu einer sehr ausge- prägten Magnetfeldabhängigkeit T1 ∝ 1/B5 und langen Spinlebenszeiten in schwachen Feldern [17]. Graphen kann sich in dieser Hinsicht ganz anders verhalten:

Die beiden Spinzustände am selben Dirac-Punkt ge- hen nicht durch Zeitumkehr ineinander über, denn diese dreht das Vorzeichen des Impulses um und ver- tauscht somit K und –K. Dies führt zu schwächeren Magnetfeldabhängigkeiten, z. B. T1 ∝ 1/B2 in Quan- tenpunkten, in denen die Valley-Entartung intakt ist.

In Graphen-Nanostrukturen wie Nanobändern wird die Valley-Entartung jedoch aufgehoben, und man erwartet wieder T1 ∝ 1/B5 wie in GaAs [18]. Die Vorfak- toren dieser Potenzgesetze sollten erwartungsgemäß in Graphen viel kleiner sein als in GaAs, weil sowohl die Spin-Bahn- als auch die Elektron-Phonon-Kopplung deutlich schwächer sind. Es ist zu hoffen, dass es die aktuellen Fortschritte bei der Herstellung und Untersu- chung von Quantenpunkten in Graphen erlauben wer- den, die Spinrelaxationszeit auch dort experimentell zu untersuchen. Eine offene Frage ist, ob auch der Valley- Freiheitsgrad ausreichend lange erhalten bzw. kohärent bleibt, um als klassischer [19] oder sogar quantenme- chanischer [20] Informationsträger dienen zu können.

Graphen hat ausgezeichnete Eigenschaften für die Spintronik. Die gemessenen Spindiffusionslängen sind vielversprechend, allerdings scheint die Spin- lebenszeit kürzer zu sein als erwartet. Bis Spin oder Valley-Isospin in Graphen als Informationsträger in Bauteilen der Mikroelektronik zum Einsatz kommen können, gilt es also noch einige physikalische Fragen zu klären. Unterdessen sind weitere zweidimensionale Festkörper entdeckt worden. Ein interessantes Beispiel

ist Molybdänit (MoS2), welches eine gewisse Ähnlich- keit mit Graphit hat und ebenfalls aus schwach gekop- pelten, zweidimensionalen Lagen besteht. Nach der Herstellung von isoliertem zweidimensionalem MoS2

im Jahr 2010 [21] werden dessen Eigenschaften mitt- lerweile sehr intensiv untersucht. Die Bandstrukturen von zweidimensionalem MoS2 und Graphen gleichen sich in einigen Aspekten, z. B. besitzt auch MoS2 zwei Energieminima im Leitungsband sowie entsprechende Maxima im Valenzband. Es gibt aber auch wichtige Unterschiede: MoS2 besitzt eine Bandlücke und eignet sich somit auch für konventionelle optische Anregung sowie zur direkten Herstellung von Quantenpunkten.

Außerdem ist die Spin-Bahn-Kopplung in MoS2 viel stärker als in Graphen. In der Spintronik könnte des- halb MoS2 auch für die Erzeugung und Manipulation von Spins zum Einsatz kommen.

Literatur

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Lett. 105, 136805 (2010)

D E R A U T O R

Guido Burkard (FV Tiefe Temperaturen, Halbleiterphysik) studierte Physik an der ETH Zürich. Er promovierte 2001 an der Universität Basel und forschte danach als Postdoc am IBM T. J. Watson Research Center in Yorktown Heights, New York (USA). Nachdem er eine Förderungspro-

fessur des Schweizerischen Nationalfonds in Basel inne- hatte, folgte er einem Ruf auf eine W2-Professur an der RWTH Aachen und 2008 schließlich auf eine W3-Professur an der Universität Konstanz.

τS in ps

n = 1,5 · 1012cm−2 104

104 103

103 102

102 101

µ in cm2/Vs

zweilagig einlagig

Abb. 4 Sowohl bei zweilagigem als auch einlagigem Graphen mit großem Kontaktwiderstand ist die Abhängigkeit der Spin- relaxationszeiten von der Beweglichkeit µ kompatibel mit dem D’yakonov-Perel’-Gesetz τS ∝ 1/τ [12].

B. Beschoten / RWTH Aachen

Referenzen

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