Dr. med. Roland Heinzel Foto: privat
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
KULTURMAGAZIN Nepal
vorausgesetzt wird. Daß außer- dem bei dem ohnehin knappen Lebensmittelangebot in Nepal durch die vermehrte Nachfrage auch nach im Lande angebau- tem Obst, Gemüse und Getreide die Preise enorm steigen, ist nicht verwunderlich. Empört aber viele Touristen, die von al- lem gut, reichlich und noch dazu billig haben wollen. Denn sie be- finden sich ja in einem Entwick- lungsland, in dem alles nichts kostet — „nur" Schweiß und Ar- beitskraft und unendliche Mühe, dazu die jährliche Gefahr der Mißernten durch Unwetter oder Dürre.
Ein weiterer Negativpunkt in Nepal ist das Trekking: Da zie- hen Scharen von Berg-, vor al- lem aber Pseudo-Bergsteigern durch die Gefilde des Himalaja, vollgepackt mit westlichen Kon- servendosen — Dosenbier nicht zu vergessen —, schlagen blu- tende Wunden in die kostbaren, restlichen Holzbestände, um sich ein lustiges Lagerfeuer zu machen, und lassen als Dank wahre Halden von leergegesse- nem und -getrunkenem Blech- unrat zurück.
Sicher sind auch die nepalesi- schen Behörden nicht ganz un- schuldig an all dem. Doch tra- gen wir „welterfahrenen" Euro- päer die größere Verantwor- tung. Denn wir können nicht von einem Neuling im Tourismusge- schäft erwarten, daß er die ver- heerenden Auswirkungen für die Zukunft abschätzen kann.
Jeder Tourist ist für sich selbst verantwortlich und den mög- lichen Schaden, den er anrich- tet. Das zu vermeiden ist für je- den einzelnen durch entspre- chendes Verhalten eine Kleinig- keit — mit etwas Überlegung.
Dem Schaden, den die Masse anrichtet, stehen selbst die Göt- ter hilflos gegenüber.
Anschrift der Verfasserin:
Dr. Renate Scheiper Semperplatz 5 2000 Hamburg 60
Der in 7015 Korntal lebende und in Stuttgart als Klinikarzt tätige Kollege Dr. med. Roland Hein- zel, 1948 in Wassertrüdingen ge- boren, ist bisher nur einem en- geren Kreise als begabter Bän- kelsänger mit philosophischem Touch bekannt geworden. Nun legt er seine erste Schallplatte vor, die (ohne das verwöhnte High-fidelity-Ohr durch auffälli- ge technische Mängel zu verlet- zen) den Ruch originaler Hand- werklichkeit atmet. Alles, was da zu hören ist, Texte, Melodien, Arrangements, hat er selbst ge- macht und in einem Münchner Tonstudio aufgenommen.
Heinzels eindringliche, aber nicht zur Vollkommenheit des Belcanto emporpolierte Stimme ist die eines freundlichen Nach- barn, der mit Wärme über sei- nen Alltag spricht. Sie hebt sich in klarer Artikulation vom Hinter- grund der Gitarren- und Querflö- tenbegleitung ab, den Baß und Mundharmonika mit tragen. Was er zu sagen hat, wird auch in- haltlich deutlich, weil es die Din- ge betrifft, die im Leben zählen, die aber durch das bloße Rech- nen nicht erfaßt werden: Verant- wortung, Liebe, Sicherheit, Sinn, Tod, Gott — und nicht zu- letzt Freude und Hoffnung sind
Keiner kommt davon
Roland Heinzel: Arzt und Liedermacher dazu
Heinz Knapp
Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 9 vom 2. März 1984 (105) 629
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Roland Heinzel
die topoi, um die sich Heinzels Lieder ranken. Dabei geht er aber nicht vom abstrakten Be- griff aus, sondern rührt die letz- ten Fragen nur immer zuletzt an, geleitet vom scharfen Blick für das Ereignis, das so nahe liegt und dem er dann doch die ganz eigene, manchmal unsichere, manchmal schwankende, nie- mals feige Ausflüchte suchende und immer um einen Fortgang, eine Verbesserung und Versöh-
nung, bemühte Betrachungs- weise abgewinnt. Zu recht heißt diese Platte deshalb „Auf dem Weg".
Von den zehn Titeln seien einige besonders genannt. Das einlei- tende „weil, weil, weil" be- schreibt die Neigung (die wir al- le besitzen, so nimmt sich auch der Autor nicht aus), andere für Mängel verantwortlich zu ma- chen, wo es doch eigentlich dar- auf ankäme, selbst etwas zu tun.
Besonders reizvoll ist bei die- sem Thema der Kontrast zwi- schen der schmissig-elegant einhertänzelnden Melodie und der ernsten Infragestellung gän- giger Verhaltensmuster. Ans Herz greifend dann die Unter- haltung mit dem eigenen Sohn (dessen fröhliches Säuglings- glucksen den Auftakt bildet) über die Gefahren der Selbst- vernichtung der Menschheit durch die Hypertrophie der Technik. An diesem Thema ex- emplifiziert Heinzel geradezu seine Fähigkeit, in der Schwebe zu bleiben zwischen der politi- schen Frontbildung (die er nicht wünscht) und dem unverbind- lichen Rückzug in wohlmeinen- des Gerede, gegen das er an- kämpft.
Nicht immer ist dieser Balance- akt leicht und Besserwissende oder -glaubende werden ihn dem Sänger vorwerfen. Aber es ist nun mal seine Grundüber- zeugung, daß das von Fall zu
Fall entscheidende und sich be- kennende lndividium über den Zinnen der Partei stehen soll.
Dennoch wird die klare Aussage
nicht gescheut, für die Heinze!
die ganz eigene Ausdruckswei- se findet — so hofft er etwa zum Ende dieses Titels, daß es auch Generäle in Ost und West gibt, die zuweilen ihre Kinder an- schauen.
Rockig-fetzig eröffnet der Lie- dermacher die zweite Platten- seite mit dem „Hard softy blues", dem Song auf den har-
Ausschnitt aus dem Plattencover ten weichen Mann. Auch hier bleibt die Frage, was eigentlich männlich sei, zuletzt im Raum stehen, aber doch nicht ohne daß einige vertraute Vorurteile behutsam in die Mottenkiste ab- gelegt werden; die „vernichten- de" Kritik ist nicht Ziel seines sanften Grimms. Charakteri- stisch übrigens, daß Heinzel auch vor der Kritik jugendbe- wegter Klischees nicht zurück- schreckt, also jenes allzu selbst- verständlich verbindlichen pro- gressiven Jargons, dem er sich doch generationsmäßig (man merkt es an manchen allzu ver- trauten Formulierungen) ver- bunden fühlen müßte. Über- haupt ist dieser Liedermacher
kein Konformist, den man beru- higt in irgendeine Schublade ablegen kann.
Kaum nötig ist es nach allem, hervorzuheben, daß Roland Heinzel auch die unfrohe Bot- schaft von der nahe herbeige- kommenen Hölle, vom atoma- ren Holocaust, zum Gegenstand eines Liedes gemacht hat. Er glaubt, daß die Bombe ein Aus- druck der aus unserem eigenen Inneren stammenden, verselb- ständigten und kumulierten ag- gressiven Machtbedürfnisse ist, und daß sie uns eine Lektion aufgibt (die einer radikalen me- tanoia), die wir entweder lernen können oder: es „kommt keiner davon". Daß der Weg der Menschheit immer wieder mit dem Weg des einzelnen ver- knüpft wird, macht noch einmal das Abschlußlied deutlich, das unter dem Titel „Traum" von ei- nem großen, weisen alten Mann erzählt, der (wie es Gott in die- ser Welt allemal zu sein scheint) von Krankheit und Untergang bedroht ist, aber den Träumer auf das Medium der Liebe zur geliebten Frau als hilfreichen Wegweiser hinführt. Eine sehr zarte Melodie läßt hier den Re- frain in der Erinnerung fortklin- gen und macht — wie dies auch bei anderen Heinzel-Songs der Fall ist — das Wiederauflegen der Platte zum vertieften Vergnü- gen.
Diese Liedersammlung, in ei- nem hübschen blauen Cover auch äußerlich ansehnlich, eig- net sich gewiß als Geschenk für Nachdenkliche und solche, die es werden wollen.
Anschrift des Verfassers:
Heinz Knapp Waldstraße 16 7015 Korntal
Roland Heinzel „Auf dem Weg", zehn Lieder mit Begleitung, 28 DM (ein- schließlich Versand), Firma Kramer, Jo- hannes-Daur-Straße 14, 7015 Korntal (Barschecks oder Überweisung auf Kon- to 9 953 505 Kreissparkasse Ludwigs- burg, BLZ 604 500 50).
630 (106) Heft 9 vom 2. März 1984 81. Jahrgang Ausgabe A