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Archiv "Freiwillige Selbstkontrolle der Pharmaindustrie: Nur eine Luftnummer?" (10.12.2010)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 49

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10. Dezember 2010 A 2431 FREIWILLIGE SELBSTKONTROLLE DER PHARMAINDUSTRIE

Nur eine Luftnummer?

Seit circa sechs Jahren regelt ein Ethikkodex die Zusammenarbeit zwischen der Pharmaindustrie und der Ärzteschaft. Die Ergebnisse stellen Kritiker allerdings nicht zufrieden. Sie fordern daher eine unabhängige Kontrollinstanz.

E

nde Juni 2010 erhielt die Helios-Kliniken GmbH ein Schreiben der „Freiwilligen Selbst- kontrolle der Arzneimittelindustrie“

(FSA), in dem der Verein die Kos- tenübernahme eines sogenannten EGFR-Mutationstests für Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC) durch das Unternehmen Astra-Zeneca beanstandete . Der FSA sah in der Aktion eine unzulässige Beeinflus- sung der ärztlichen Therapieent- scheidung. Astra-Zeneca hatte das Angebot zur Kostenübernahme nämlich eng mit der Bewerbung von Iressa©, einem neuartigen Arz- neimittel des Unternehmens zur Be- handlung von NSCLC-Patienten, als „überlegene Therapiealternati- ve“ verknüpft. Für den Fall einer Zuwiderhandlung gegen das Kosten - übernahmeverbot werde ein Ord- nungsgeld in Höhe von 10 000 Euro verhängt, hieß es in dem Schreiben weiter.

Das Vorgehen der FSA vermittelt den Eindruck, als würde die freiwil- lige Selbstkontrolle der Pharmain- dustrie einwandfrei funktionieren.

Der Onkologe und Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deut- schen Ärzteschaft (AkdÄ), Prof.

Dr. Wolf-Dieter Ludwig aus Berlin, sieht das jedoch anders. Für ihn hat- te die Beanstandung der FSA eine reine Alibifunktion. Denn die Akti- on von Astra-Zeneca sollte ohnehin am 30. Juni 2010 auslaufen. Als lä- cherlich bezeichnet es Ludwig au- ßerdem, bei Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von 10 000 Euro zu verhängen. „Das zahlt ein solches Unternehmen aus der Portokasse.“

Mit der Gründung der FSA im Februar 2004 hatte sich die Arz - neimittelindustrie dazu verpflichtet, unseriösen Marketing- und Vertriebs-

praktiken in den eigenen Reihen einen Riegel vorzuschieben. Ein eigens dafür entwickelter Kodex regelt die Zusammenarbeit mit Ärzten zum Beispiel bei Fortbil- dungsveranstaltungen, nichtintern- ventionellen Studien (NIS), bei Re- ferententätigkeiten oder der Abgabe von Arzneimittelmustern.

Der Kodex schreibt beispiels- weise vor, dass NIS einen aus- schließlich wissenschaftlichen Zweck verfolgen müssen und die Verant- wortung für die Studie beim medi- zinischen Leiter liegen muss und nicht beim Vertrieb liegen darf.

Auch dürfen sich Ärzte durch Einladungen auf Kongresse, durch Geschenke oder verschiedene Ge- fallen nicht von der Pharmaindus- trie „kaufen” lassen. So dürfen Ge- schenke einen Wert von fünf Euro nicht überschreiten. Bei Einladun- gen zum Essen liegt die Grenze bei 60 Euro.

Beratung statt Sanktionen

Wer immer einen Verstoß gegen den Kodex bemerkt, kann dies der FSA melden. Die Schiedsstelle des Vereins besteht aus zwei Instanzen.

Das höchste Strafmaß, das die FSA verhängen kann, liegt bei 250 000 Euro. Seit 2004 sind 297 Beanstan- dungen beim Verein eingegangen.

„Insgesamt hat die Schiedsstelle 133 Abmahnungen und Entschei- dungen erlassen, dabei zwei Strafen verhängt und in drei Fällen die Na- men der Unternehmen veröffent- licht“, berichtet Michael Grusa, Geschäftsführer der FSA. Aktuell zählt der Verein 95 Mitglieder aus dem Bereich der forschenden Phar- maindustrie. Das entspricht nach Grusas Aussage etwa 70 Prozent des deutschen Pharmamarkts.

Die mittelständischen Unterneh- men haben im Januar 2008 eine ei-

gene Selbstkontrolleinrichtung ins Leben gerufen. Zwar entspricht der Kodex des Vereins „Arzneimittel und Kooperation im Gesundheits- wesen“ (AKG) weitgehend dem des FSA, der AKG setzt nach Aussage seines Geschäftsführers Kai Chris- tian Bleicken allerdings mehr auf vorbeugende Beratung als auf Sanktionen. Dass es seit Gründung des AKG keine einzige Beanstan- dung gegeben hat, wertet Bleicken als Erfolg des Präventivkonzepts.

Kaum abschreckende Wirkung

Ludwig hingegen glaubt, dass die insgesamt geringe Zahl an Mel - dungen noch lange kein Indiz für das Funktionieren der freiwilligen Selbstkontrolle der Pharmaindus- trie ist. Im Gegenteil: Die Verfahren hätten kaum abschreckende Wir- kung, sagte der AkdÄ-Vorsitzende.

Wirklich verbessert habe sich ledig- lich, dass Fortbildungsveranstaltun- gen kaum mehr in Luxushotels stattfänden und Pharmaunterneh- men die Mitnahme von Begleitper- sonen nicht mehr bezahlten.

Schuld daran, dass die Selbst- kontrolle nicht richtig greife, hätten aber auch die Ärzte, meint Ludwig.

„Missstände werden nicht konse- quent genug gemeldet“, moniert der AkdÄ-Vorsitzende. Auch sei die (Muster-)Berufsordnung dringend reformbedürftig, die es noch immer erlaube, dass die Industrie Ärzten Reise- und Verpflegungskosten oh- ne Gegenleistung erstatte. Eine ge- setzliche Lösung wäre aus Sicht von Dr. Christiane Fischer, Ge- schäftsführerin der BUKO-Pharma- Kampagne, daher der bessere Weg.

„Der Druck, bei Verstößen hart durchzugreifen, wäre zwangsläufig höher als bei einer Selbstkontrolle“,

meint Fischer. ■

Petra Spielberg

P O L I T I K

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