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Archiv "Das Kind in einer pathologischen Familiendynamik: Physische Gewalteinwirkungen beträchtlich" (10.03.1988)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Das Kind in

einer pathologischen Familiendynamik

Eine motorische und später auch sprachlich-mentale Entwick- lungsverzögerung, spätere Schul- schwierigkeiten und eventuelle gei- stige Retardierung mißhandelter Kinder wird von Strunk als „Ver- meidungsverhalten" erklärt. Der Zustand wird als „gefrorene Wach- samkeit" bezeichnet im Sinne einer psychischen Reaktionsbildung und nicht als Folge möglicher erlittener Schädel-Hirn-Verletzungen.

Diese Erklärung erscheint einerseits richtig, andererseits je- doch allzu einseitig. Der entschei- dende Vorgang bei der Kindesmiß- handlung ist eine sich immer wieder- holende physische Gewalteinwir- kung auf das oft noch sehr kleine und auch völlig hilflose, abhängige Baby und Kleinkind. Diese Gewalt- einwirkungen, die sich Dutzende, ja Hunderte Male wiederholen kön- nen, sind besonders schwerwiegend, weil sie

a) häufig sehr junge Kinder, insbe- sondere Säuglinge in der vulnerabel- sten Entwicklungsphase ihres Ge- hirns treffen;

b) weil es besonders häufig zu Ge- walteinwirkungen auf den kind- lichen Schädel kommt mit den Fol- gen: Kontusionen, Hirnhautblutun- gen, Fundusblutungen am Augen- hintergrund;

c) weil auch bei etwas älteren Kin- dern sich wiederholende Kommo- tions- und Subkommotionsereignis- se in einer zeitlichen Häufung geeig- net sind — ähnlich wie im späteren Leben bei (Berufs-)Boxern —, blei- bende Hirnschäden, vor allem disse-

Zu dem Beitrag von Professor

Dr. med. Peter Strunk in Heft 23

vom 4. Juni 1987

minierte neuronale Nekrosen im Be- reich des Hirnstamms auszulösen und

d) weil besonders der junge Säug- ling bei Akzelerations-/Dezelera- tionsvorgängen (sogenanntes Schüt- teltrauma) mit Brückenveneneinris- sen und bei Thoraxkompression mit intrakraniellem und intraokulärem Druckanstieg reagiert.

Dazu kommt die Erfahrung, daß bei Rückkehr des Kindes in das mißhandelnde Familienmilieu in et- wa 85 bis 90 Prozent es erneut Miß- handlungen ausgesetzt ist, die in zehn Prozent tödlich enden. Zwan- zig Prozent der wiederholt mißhan- delten Kinder, die nicht sterben, er- leiden eine bleibende Hirnschädi- gung und/oder Schädigung ihres Sehvermögens. Es liegt daher auf der Hand, daß ein Teil der Kinder mit „unklarer geistiger Entwick- lungsverzögerung" Opfer wieder- holter Kindesmißhandlungen waren, bei denen erlittene Hirnschäden die entscheidende Rolle spielen.

Ein wichtiger Hinweis auf wie- derholte Kopfverletzungen bildet ein Gewirr alter Narben an der be- haarten Kopfhaut eines Kindes, wo- bei man oft nach solchen Narben sehr sorgfältig suchen, die Haare auseinanderfalten muß. Diese Kin- der holen ihren vor allem sprach- lichen Entwicklungsrückstand nicht oder nur unzureichend auf, während

die psychosoziale Retardierung bei Besserung des Umfeldes eine weit günstigere Entwicklungsprognose hat.

Professor Dr. Gert Jacobi Abteilung für

Pädiatrische Neurologie Zentrum der Kinderheilkunde Theodor-Stern-Kai 7

6000 Frankfurt/Main 70

Schlußwort

Herr Jacobi übersieht bei seiner Stellungnahme, daß die Darstellung des „Vermeidungsverhaltens" unter Kapitelüberschrift: Seelische Folgen bei dem mißhandelten Kind erfolgt.

Meine Aufgabe in der von Herrn Prof. Olbing, Essen, vorbereiteten Artikelserie war es, zur Familiendy- namik Stellung zu nehmen, nicht aber zu der selbstverständlich not- wendigen Diagnostik von Schädel- Hirn-Traumata. In meinem Manu- skript hatte ich einleitend unter an- derem darauf hingewiesen, daß die sorgfältige somatische Diagnostik und die Dokumentation der Befun- de zu den ärztlichen Aufgaben gehö- ren. Im Rahmen meines Beitrages war allerdings darauf hinzuweisen, daß angesichts der Folgen von Schä- del-Hirn-Traumen, die durch die Mißhandlung entstanden sind, nicht übersehen werden sollte, daß auch einem solchen Vermeidensverhalten eine Reaktionsbildung zugrunde lie- gen kann.

Professor Dr. med. Peter Strunk Ärztlicher Direktor der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität Freiburg

Hauptstraße 5

7800 Freiburg im Breisgau

I Physische Gewalteinwirkungen beträchtlich

A-610 (70) Dt. Ärztebl. 85, Heft 10, 10. März 1988

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